-->Hallo an alle,
schöne Sonntagslektüre statt Kirchgang:-))
gefunden im:
[ Börsenforum - Butterfly-Charts - Dow Jones ]
Geschrieben von JessyD am 07. November 2003 19:47:03:
Dr. Bruno Bandulet
Es war einmal ein Land, das hatte die stärkste Armee weit und breit, die
besten Schulen und Universitäten, eine kleine, hocheffiziente Verwaltung,
wenige und einfache Gesetze. Es hatte eine Börse, an der die Aktien immer dann
stiegen, wenn die Arbeitslosigkeit zurückging, und fielen, wenn sie zunahm.
Dies bei einer Arbeitslosenquote zwischen 2 und 3%. Es hatte einen
Kapitalmarkt, auf den man unbesorgt auf Sicht von 30 Jahren in Anleihen
investieren konnte und dabei keine Kaufkraftminderung riskierte, denn das Geld
blieb auch in der nächsten Generation stabil.
In diesem Land stiegen die Exporte, wuchs die Wirtschaft, die Löhne und
Einkommen nahmen stetig zu, der Mittelstand florierte, ein gelernter Maurer
konnte mit drei Wochenlöhnen die gesamte Jahresmiete seiner Wohnung zahlen. In
diesem Land wurden Gesetze, auch Steuergesetze, für Generationen gemacht. Und
der Staatsanteil am Sozialprodukt - das ist das Erstaunliche - erreichte
gerade einmal 14%.
Was ich Ihnen eben erzählt habe, ist kein Märchen. Dieses Land gab es
wirklich. Es war das deutsche Kaiserreich vor 1914. Die statistischen Angaben
beziehen sich auf das Jahr 1912. Es war die freieste Gesellschaft, in der die
Deutschen je lebten. Frei, weil das Kaiserreich souverän war, weil
Rechtssicherheit herrschte, weil der Staat das Eigentum respektierte.
Einige wenige Dinge sind seitdem gleich geblieben, das meiste aber hat sich
radikal geändert.
Gleich geblieben ist die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft und ihre
weltweite Spitzenstellung in den Schlüsselindustrien Chemie und
Werkzeugmaschinenbau. Und gleich geblieben ist auch die Struktur des deutschen
Außenhandels. Schon damals gingen 75% der deutschen Exporte nach Europa, wobei
der osteuropäische Anteil größer war als heute. Aber dieser wird in den
kommenden Jahren seinen früheren Stand wieder erreichen. Es stimmt wirklich:
schon damals herrschte reger Handel in Europa, und zwar bei freiem
Kapitalverkehr. Nur brauchte man dafür keine EU, keine Bürokratie in Brüssel
und erste recht keine deutschen Milliardenzahlungen in eine europäische
Gemeinschaftskasse.
Heute haben wir statt des Goldstandards eine europäische Zwangswährung, von
der niemand sagen kann, wie lange sie hält und was sie in Zukunft wert sein
wird. Heute haben wir einen Staatsanteil von rund 50%, und das Geld reicht den
Herrschenden trotzdem nicht. Heute haben wir eine offizielle Staatsschuld von
1,2 Billionen Euro bei einem jährlichen Volkseinkommen von 1,5 Billionen Euro
(Stand 2001) - eine Staatsschuld, die um ein Vielfaches höher ist, wenn der
Staat ordentlich bilanzieren und die ungedeckten künftigen Sozialleistungen in
seine Bilanz einstellen würde.
Ein anderes Kuriosum besteht darin, daß sich dieser finanziell klamme Staat
seit vielen Jahren Subventionen an das Ausland, vor allem an die EU, leistet,
die weit über 30 Milliarden Mark per annum liegen, die faktisch aus dem
Außenhandelsüberschuß Deutschlands aufgebracht werden und die dafür sorgen,
daß das deutsche Auslandsvermögen seit 10 Jahren zurückgeht.
Warum habe ich Ihnen die Geschichte aus der Kaiserzeit, die kein Märchen ist,
erzählt?
Zum einen, weil wir unsere heutige Situation nicht als selbstverständlich und
alternativlos ansehen dürfen.
Zum anderen, weil wir begreifen müssen, daß die Geschichte immer wieder große
Brüche produziert, daß es gefährlich ist, von der Gegenwart auf die Zukunft zu
schließen. Wer hätte schon 1912 geahnt, daß die geordnete und scheinbar
festgefügte Welt des kaiserlichen Deutschland zwei Jahre später in einem
grausamen, sinnlosen Krieg untergehen würde.
Ich werde Ihnen jetzt sieben Prognosen für die Zeit bis 2010 vortragen und
mich dabei nicht auf Deutschland beschränken, denn unser Land ist eingebettet
in die Europäische Union, in die Weltwirtschaft und Weltpolitik.
Prognose 1: Die große Rezession in den USA kommt erst noch.
Immer noch gilt der Satz, daß die Wirtschaft unser Schicksal ist. Da die
deutschen und europäischen Wirtschaftszyklen mehr oder weniger synchron mit
den amerikanischen verlaufen, müssen wir unsere Prognosereihe mit einem Blick
auf die größte Volkswirtschaft der Welt beginnen.
Selbstverständlich sind die großen amerikanischen Wirtschaftszyklen nichts
anderes als Kreditzyklen. Solange die Kredite ausgeweitet wurden, wuchs die
Wirtschaft. Sobald ihr Wachstum stagniert, sobald die Kredite zu schrumpfen
beginnen, kommt es zu einer Rezession oder Depression.
Die Rede ist hier von den langen Zyklen. Nach 20 Jahren des Aufschwungs hat
der amerikanische Wirtschafts- und Kreditzyklus sein Endstadium erreicht. Es
wurde übrigens Mitte der 90er Jahre noch einmal künstlich verlängert, indem
der Notenbankchef Greenspan massiv Liquidität, also frisches Geld, in das
System pumpte.
Jetzt ist der gesamte Schuldenberg der USA mit 30 000 Milliarden Dollar so
hoch wie das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dreier Jahre. Das ist mehr als zu
Beginn der Großen Depression 1929.
Ein Drittel dieses Schuldenberges entfällt auf die privaten Haushalte. Die
Achillesferse dabei sind die Hypothekenschulden, mit denen vor allem auch der
Konsum finanziert wird. In den USA ist es nicht unüblich, daß ein Haus mit 100
bis 120% seines Marktwertes beliehen wird. 70% der Amerikaner haben einen
Hypothekenkredit, 60% davon eine 90%ige Beleihung. Wenn die Immobilienpreise
nicht mehr steigen (das kündigt sich bereits an) und anschließend sogar
fallen, dann bricht das Kartenhaus zusammen. Die Konjunktur verliert ihre
letzte Stütze. Normalerweise folgen die Hauspreise in Amerika dem Aktienmarkt
mit einer Verzögerung von zwei Jahren.
Fazit: Wir müssen in den USA in absehbarer Zeit, spätestens ab 2004, mit einer
schweren Rezession oder Depression rechnen, die dann auch auf Deutschland und
Europa ausstrahlt.
Prognose 2: Die Börsenbaisse dauert zehn Jahre oder länger
Prognose 1 beinhaltet bereits, daß die Baisse am amerikanischen Aktienmarkt
zwar durchaus einmal unterbrochen werden kann, aber noch lange nicht
abgeschlossen ist. Der Zusammenhang ist zwingend: Bis 1995 stiegen die
US-Schulden und der Aktienmarkt mehr oder weniger im Gleichklang, und das
nominale BIP folgte nach. Das ist der normale Ablauf.
Ab 1995 öffnete sich die Schere ganz weit. Die Aktienkurse liefen den Schulden
und dem Wirtschaftswachstum davon. Erst seit 2000 beginnt die Schere sich zu
schließen. Aber: Um eine halbwegs normale Bewertung zu erreichen, müßten sich
die amerikanischen Aktienindizes noch einmal halbieren. Das passiert
normalerweise nicht in einem Zug. 1929 verlor der Dow Jones 37%, von 1930 bis
1932 81,8%.
Ein ähnlicher Absturz würde ohne jeden Zweifel auch die reale Wirtschaft mit
in die Tiefe ziehen. Es ist völlig normal, daß die Malaise zuerst an den
Finanzmärkten sicht-bar wird und von dort aus die reale Wirtschaft ansteckt.
Deswegen ist es nebenbei bemerkt grundfalsch, auf Volkswirte zu hören, wenn
man Aktien kauft. Umgekehrt ist es richtig: die Volkswirte sollten sich den
Aktienmarkt anschauen, bevor sie Wirtschaftsanalysen erstellen.
Für den Aktienmarkt gilt dasselbe wie für die Wirtschaft: Amerika steckt
Europa an. Damit droht auch der deutschen Börse - nach einer jederzeit
möglichen Erholung von einigen Quartalen - eine lange Durststrecke, auch wenn
einzelne Aktien schon jetzt nicht mehr teuer oder sogar preiswert sind. Eine
Aktienhausse wie in den neunziger Jahren wird es in diesem Jahrzehnt nicht
wieder geben. Die Höhe der Dividenden wird zu einem entscheidenden Kriteri-um
für die Aktienanlage. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg war es
selbstverständlich, daß Aktien höher rentierten als Anleihen. Sie sind
schließlich auch riskanter.
Prognose 3: Nach den Aktienmärkten trifft es die Devisenmärkte
Die drei Währungen, auf die es ankommt (Dollar, Euro und Yen) blieben bisher
verschont, sind aber allesamt extrem krisenanfällig, und zwar aus
verschiedenen Gründen.
Für den Yen-Crash sprechen die atemberaubende Staatsverschuldung und das damit
verbundene Inflationspotential, das sich bisher im Markt für japanische
Regierungsanleihen nicht im geringsten wiederspiegelt. Eine offene Frage ist,
ob ein Kollaps der Japanese Government Bonds die Währung mit nach unten zieht,
oder ob umgekehrt zuerst der Yen abstürzt. Daß der Tag der Abrechnung so lange
auf sich warten läßt, hängt natürlich damit zusam-men, daß Japan der größte
Gläubiger der Welt ist. Ich muß auch zugeben, daß das japanische System für
westliche Beobachter schwer durchschaubar ist. Japan ist im Grunde eine
gelenkte Wirtschaft, keine Marktwirtschaft.
Der Dollar-Crash ist eher leichter zu prognostizieren. Die USA haben ein
jährliches Leistungsbilanzdefizit von rund 500 Milliarden Dollar. Das ist,
bezogen auf das BIP, erheblich mehr als Anfang 1985 und weitaus mehr als
Anfang der siebziger Jahre - also zu Zeiten, als schon einmal eine rasante
Talfahrt des Dollars ausgelöst wurde.
Dieses Leistungsbilanzdefizit bedeutet, daß die USA mehr verbrauchen als sie
produzieren, daß sie mehr investieren können als sie sparen, daß sie Tag für
Tag weit über eine Milliarde Dollar importieren müssen - mit einem Wort, daß
sie sich vom Rest der Welt finanzieren lassen.
Weil der Dollar Weltreservewährung Nummer 1 ist, kann das lange gut gehen -
bis der Punkt erreicht ist, an dem das Ungleichgewicht nicht mehr tragbar ist,
an dem der Rest der Welt nicht mehr mitspielt, an dem die USA selbst an einer
Abwertung ihrer Schulden interessiert sind.
Wir müssen klar sehen, daß die Dollar-Hegemonie untrennbar mit der politischen
und militärischen Weltherrschaft der USA verbunden ist. Seit der spanischen
Vorherrschaft im 16. Jahrhundert, ja sogar seit den Zeiten des römischen
Imperiums, wird der Abstieg einer Weltmacht immer begleitet von
Währungsverfall, von Inflation und steigenden Zinsen. England, der Vorläufer
der USA, war der letzte derartige Fall. Auch die USA werden letzten Endes
diesem Schicksal nicht entgehen.
Nun zum Euro. In punkto Staatsverschuldung schneidet die Euro-Zone ungleich
besser ab als Japan, in punkto Zahlungsbilanz besser als die USA. Nur handelt
es sich bei der Euro-Zone weder um eine homogene Volkswirtschaft noch um einen
optimalen Währungsraum. In Griechenland hat die Inflation schon wieder 3,6%
erreicht, in Portugal ist die Produktivität nur halb so hoch wie in
Deutschland, die Skandinavier haben ihre Staatshaushalte im Griff, die
Deutschen und Franzosen nicht im geringsten.
Weil hier zusammengefügt wurde, was nicht zusammenpaßt, werden die inneren
Widersprüche dieser künstlichen Euro-Konstruktion aufbrechen - noch in diesem
Jahrzehnt. Die Spreads der Staatsschulden werden sich ausweiten, d.h. die
Finanzmärkte werden je nach Bonität unterschiedliche Zinsen verlangen. Dann
werden einzelne Euro-Länder Schwierigkeiten mit der Bedienung ihrer Schulden
bekommen. Gut denkbar ist auch, daß das eine oder andere Land aus dem Euro
wieder ausscheidet. Damit ist freilich erst in der zweiten Hälfte des
Jahrzehnts zu rechnen. Daß der Beitritt der osteuropäischen Länder zur
Währungsunion den Euro nicht gerade stärken wird, bedarf keiner Erläuterung.
Über die Abfolge dieser drei programmierten Währungskrisen kann man streiten.
Vielleicht kommt erst der Yen an die Reihe, dann der Dollar und zuletzt der
Euro. Zeitweise kann das auch, wie in den dreißiger Jahren, die Form eines
Abwertungswettlaufs annehmen.
Prognose 4: Der Stern Amerikas wird sinken.
Auch das römische Imperium hatte zum Zeitpunkt seiner größten militärischen
Ausdehnung unter Kaiser Trajan den Zenit bereits überschritten. Noch ist
Deutschland eine"unglückliche Kolonie", um einen amerikanischen Soziologen zu
zitieren. Noch ist Europa ein"amerikanisches Protektorat", wie Brzezinski
sich ausdrückte. Aber die Verselbständigung Deutschlands und Europas zeichnet
sich bereits ab. Die Interessengegensätze werden deutlicher. Schließlich
werden sich die Europäer fragen, warum mehr als ein halbes Jahrhundert nach
Kriegsende immer noch amerikanische Truppen auf ihrem Boden stehen. Auch Sinn
und Zweck der Nato, die sich von einem Verteidigungsbündnis zu einem rein
amerikanischen Herrschaftsinstrument entwickelt hat, wird hinterfragt werden.
Seit dem 11. September 2001 haben die USA einen Weg eingeschlagen, der abwärts
führt - das jedenfalls ist die Lehre der Geschichte. Es handelt sich um einen
Fall von"Imperial Overreach", von imperialer Überdehnung. Sie verzetteln
sich. Sie sind politisch und militärisch an zu vielen Krisenpunkten engagiert.
Sie vergessen, daß jedes Machtmonopol Widerstand provoziert - umso mehr, je
länger es andauert.
Damit steigt die Kriegsgefahr weltweit. Kriege brechen aus, wenn eine
Weltmacht ihre Position zu verteidigen müssen glaubt (wie England gegenüber
Deutschland 1914). Sie brechen aber auch aus in Zeiten von Börsenbaisse und
Depression (wie in den dreißiger Jahren).
Tatsächlich läßt sich seit 1894 ein ungefährer 30jähriger Zyklus nachweisen,
der bisher immer mit einer schweren Rezession und kriegerischen Verwicklungen
zu Ende gegangen ist.
Der aktuelle Zyklus begann 1980. Sein kriegs- und krisenanfälliges letztes
Drittel hat 2001 begonnen und kann durchaus bis 2010 dauern.
Prognose 5: Der Sozialstaat in Deutschland wird insolvent.
Damit steht das System Bundesrepublik in diesem Jahrzehnt vor seiner größten
Bewährungsprobe seit 1949. Aufgebaut ist der Umverteilungsstaat auf einer
parasitären Bürokratie, auf wirtschaftlicher Unvernunft, auf Täuschung und
Selbsttäuschung. Lassen Sie mich das kurz schildern:
• Zunächst ein Blick auf die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. 2001 hatte
die öffentliche Hand in Deutschland Gesamteinnahmen von 951,5 Milliarden Euro
und Ausgaben von 1009 Milliarden. Die größten Posten unter den Einnahmen waren
Steuern mit 488,3 Milliarden und Sozialbeiträge mit 383,6 Milliarden. Letztere
sind im Prinzip nichts anderes als verkappte Steuern.
• Der mit Abstand größte Posten auf der Ausgabenseite sind die
Sozialleistungen mit 548,1 Milliarden. Wir sehen sogleich, daß die
Sozialleistungen sowohl die Sozialbeiträge als auch alle Steuern, die in einem
Jahr in Deutschland eingenommen werden, bei weitem übersteigen. Ein grotesker,
unhaltbarer Zustand.
• Die Bereiche in Deutschland, die privatwirtschaftlich organisiert sind,
funktionieren in der Regel trotz permanenter staatlicher Behinderung. Die
Bereiche, die planwirtschaftlich organisiert sind, funktionieren nicht. Das
gilt für Rentenversicherung und Gesundheitswesen. Was sich hier entwickelt
hat, ist ein Monstrum. 1957 noch machten die Sozialbeiträge 23,8% vom
Bruttolohn aus, heute sind es 41%. Parallel zu diesem parasitären Wachstum
wucherte der Steuerstaat. Schätzungsweise 70% der weltweiten Steuerliteratur
ist auf deutsch! Trotz der Einführung von Computern ist die Personalstärke
dieser Bürokratie um ein Vielfaches gewachsen. Die Bundesanstalt für Arbeit
hat 86 000 Beschäftigte - davon sind nur 10% in der Arbeitsvermittlung aktiv.
Auf 300 000 Mediziner in Deutschland kommen 145 000 Angestellte der
Krankenkassen. 40% der Aufwendungen für staatliches Wohngeld gehen für die
Verwaltung verloren. Diese riesige Bürokratie hat längst auch die Parlamente
unter ihre Kontrolle gebracht. Im Bundestag sind die Gewerkschaftsfunktionäre,
Bürokraten und Berufspolitiker unter sich. Die Wahlen sind zu Ritualen
verkommen, die der Perpetuierung des bürokratischen Herrschaftssystems dienen.
• Die Wähler werden getäuscht und lassen sich täuschen. Nicht einmal die
einfachsten Zahlen stimmen. Z.B. wird uns erzählt, daß das Rentenniveau bis
2030 von 70% des letzten Nettogehaltes auf 67% absinken werde. Das klingt
harmlos, es bezieht sich freilich auf die rein theoretische Eckrente. In
Wirklichkeit bekommen die Haupteinkommensbezieher (von denen mit kleinem
Einkommen gar nicht zu reden) schon heute im Durchschnitt nur noch 59% ihres
letzten Nettoentgeltes. Die Methoden, mit denen gearbeitet wird, heißen
Intransparenz und Angst. Der Umver-teilungsstaat wird bewußt undurchsichtig
gehalten, Kostenrechnungen sind schon wegen der ständigen
Quersubventionierungen kaum möglich. Die Politiker nähren die Illusion, daß
das System mehr ausspuckt, als vorher hineingesteckt wurde.
• Weil die Leute Angst haben, glauben sie, sie bräuchten die Politiker. Dabei
sind diese fast nur noch mit der Scheinlösung oder Verschleppung selbst
geschaffener Probleme beschäftigt - und ziehen eben daraus den Nachweis ihrer
Existenzberechtigung. Das beste Konjunkturprogramm wäre ein Sabbat-Jahr für
sämtliche Politiker.
Wann wird das System auf Grund laufen? Langfristig muß es scheitern, weil aus
demographischen Gründen die Steuer- und Beitragszahler im Verhältnis zur
Gesamtbevölkerung immer weniger werden. Die verheerenden Folgen des
Geburtendefizits sind seit langem bekannt, wurden aber in unverantwortlicher
Weise ignoriert. Bis 2010 wird die Bevölkerung (ohne Zuwanderung) um 2,5
Millionen abnehmen, danach beschleunigt sich der demographische Zusammenbruch
rasant. Bis 2040 wird die Bevölkerung um 18 Millionen geschrumpft sein. Das
ist mehr, als heute in den neuen Bundesländern leben.
Viel schlimmer und tödlich für den Umverteilungsstaat ist die Alterung. Bis
2040 geht der erwerbsfähige Teil der Bevölkerung um 16 Millionen zurück. Daß
diese Lücke auch nur zu einem nennenswerten Teil durch Einwanderer geschlossen
werden kann, ist eine glatte Lüge.
Zugegeben, die demographische Katastrophe wird den Umverteilungsstaat in
diesem Jahrzehnt noch nicht mit voller Wucht treffen. Das akute,
mittelfristige Problem liegt im miserablen Wirtschaftswachstum und den damit
verbundenen Steuerausfällen.
Wenn meine Prognose stimmt, daß die Konjunktur das ganze Jahrzehnt über im
Trend schwach bleibt, dann droht dem Sozialstaat schon in diesem Jahrhundert
die Insolvenz.
Was passiert dann? Massive Steuererhöhungen werden zwar versucht, greifen aber
nicht mehr, weil sie unter dem Strich zu einer Minderung, nicht etwa zu einer
Verbesserung, der Steuereinnahmen führen würden. Ein Zusammenhang, den die
bekannte Laffer-Kurve bestens erklärt.
Andere Möglichkeit: Ein radikaler Umbau des Umverteilungssystems. Dazu müßten
vorher dessen Machtstrukturen gebrochen werden, vor allem das
Gewerkschaftskartell. Daß eine amtierende Gewerkschaftsregierung die
Gewerkschaften entmachtet, ist wohl ein bißchen viel verlangt.
Bleibt als vorläufiger Ausweg eine Kombination von Sozialkürzungen,
Neuverschuldung und Inflation. Die Schulden steigen dann nominal, aber nicht
unbedingt real, weil sie gleichzeitig entwertet werden. Geopfert wird dabei
der Geldwert. Das ist im Prinzip machbar, seitdem mit dem Euro die Konkurrenz
der Währungen in Europa abgeschafft wurde.
Prognose 6: Die Ära der 68er Geht zu Ende
Damit kommen wir zum erfreulicheren Teil meiner Prognosen. Die Regierung, die
seit 1998 an der Macht ist, rekrutiert sich ideologisch und personell
weitgehend aus der Bewegung der 68er. Erst kam die Kulturrevolution, dann die
Eroberung der Ämter. Die 68er sind kollektivistisch, anti-liberal,
anti-Marktwirtschaft, anti-Familie, anti-christlich, multikulti, partiell
anti-national, in jedem Fall aber pro-Staatsknete. Auch diese Generation
altert, sie verliert in den kommenden Jahren die geistige Hegemonie, die sie
Ende der neunziger mit dem sogenannten"Kampf gegen Rechts" noch einmal
zementierten konnte. Sie wird selbstverständlich abtreten müssen. Vielleicht
schon 2006, spätestens 2010. Dann schwingt das Pendel zurück zu konservativen,
nationalen und liberalen Positionen.
Wenn das Geburtendefizit erst einmal als Problem Nummer 1 erkannt ist, wird
der Wert der Familie wieder entdeckt. Außerdem gilt: Je älter die Bevölkerung,
desto größer der Stellenwert der Inneren Sicherheit. Je diffuser und anonymer
die EU, desto attraktiver die Nation. Und je weiter wir uns vom 20.
Jahrhundert entfernen, desto wirkungsloser wird das Erpressungspotential der
deutschen Vergangenheit.
Es gibt wohl kaum eine bessere Symbolfigur für die Ineffizienz des
Linkskartells, als den Berliner Bürgermeister Wowereit - eine narzißtische
Null, die mit der Leitung einer konkursreifen Stadt beauftragt wurde. Solche
Figuren sind Auslaufmodelle.
Prognose 7: In Deutschland entsteht ein anderes Parteiensystem.
Die Überlegung ist einfach und einleuchtend: Wenn sich Volksmeinung und
Parteiensystem nicht mehr decken, dann ändert sich in einer Demokratie nicht
das Volk, sondern das Parteiensystem.
Nach einer Allensbach-Umfrage von Anfang 2002 ordnen sich 30% der Deutschen im
politischen Spektrum als rechts ein, 31% als links, 36% als Mitte.
(Interessant am Rande, daß die Sozialdemokratie im Reichstag von 1912 mit
34,8% nur wenig schwächer war als heute.) Dem Meinungsspektrum entspricht die
heutige Parteienlandschaft nicht im geringsten. Der rechte Flügel fehlt. Daß
er fehlt, hat nicht zuletzt mit der kulturzerstörenden Hegemonie der 68er zu
tun. Sobald diese schwindet, kommt Bewegung in die politische Landschaft.
Denkbar ist, daß die prinzipiell opportunistische CDU dem neuen Zeitgeist
folgt, daß sie wieder einen konservativen und nationalliberalen Flügel
herausbildet und damit auch das rechte Spektrum abdeckt. Das wäre die
hessische Lösung, der nächste Bundeskanzler hieße Roland Koch. Mit Angela
Merkel ist das nicht zu machen. Sie ist ein Produkt der Ära Kohl und
repräsentiert die"letzte Schwundstufe des Konservatismus".
Einen ersten mutigen Vorstoß zur geistigen Wende in der CDU machte der
Bundestagsabgeordnete Axel Fischer in einem Interview mit der Zeitschrift Der
Selbständige. Er verlangte die Entideologisierung und Enttabuisierung der
politischen Debatte und die Überwindung der politischen Korrektheit."Die
Alternativen heißen: Freiheit oder Sozialismus, Pioniergeist oder
Vollkaskomentalität, Eigenverantwortung oder Staatsveranwortung,
Marktwirtschaft oder Bürokratie."
Nicht völlig auszuschließen ist auch eine Entwicklung à la Ã-sterreich, d.h.
die Metamorphose der FDP zu einer nationalliberalen Volkspartei. Dazu gab es
2002 erste Ansätze. Aber auch dies ist ein Generationenproblem. Zumindest ist
die FDP eine Option, auf die man achten sollte.
Vorstellbar ist auch die italienische Lösung, nämlich das Entstehen einer
neuen bürgerlichen Partei, die sich national und liberal präsentiert. Eine
kollektivistische Bewegung, die sich national und sozialistisch zugleich gibt,
wird in Deutschland keine Chancen haben. Alle populistischen und rechten
Parteien, die in den letzten Jahren in Europa Erfolg hatten, sind
marktwirtschaftlich und freiheitlich orientiert.
Meine Grundüberlegung ist, daß das herrschende Parteienkartell in der
Wirtschaftspolitik, in der Steuerpolitik, in der Bevölkerungspolitik, in der
Ausländerpolitik (um nur die wichtigsten Felder zu nennen) versagt hat, daß es
reformunfähig ist und daß dieses Versagen in den kommenden Jahren offenkundig
werden wird. Dann wird die Ã-ffentlichkeit nach einem Kabinett der Fachleute
rufen. In der Politik ist es wie in der Wirtschaft: man kann die Realität nur
eine Zeitlang ignorieren, man kann die Bilanzen nur eine Zeitlang fälschen,
man kann nicht permanent von der Substanz leben.
Soweit der Versuch eines Blicks in die Zukunft. Dabei ist das
worst-case-Szenario, d.h. das Szenario des schlimmsten Falls, noch nicht
berücksichtigt. Es orientiert sich an den dreißiger Jahren. Es setzt voraus,
daß das Sozialprodukt nicht für ein paar Quartale, sondern für einige Jahre
zurückgeht. Dann würde die Steuerbasis schlicht und einfach wegbrechen, die
Sozialleistungen müßten brutal gekürzt werden, die politische Szene würde sich
radikalisieren, die Kriminalität würde explodieren, innere Unruhen (auch von
Seiten des Millionenheeres arbeitsloser Ausländer) würden ausbrechen, die
Bundeswehr müßte eingesetzt werden, die EU könnte samt Euro
auseinanderbrechen. Ein solches Szenario mag unwahrscheinlich sein, wir müssen
es aber vorsichtshalber in unsere Zukunftsplanung einbeziehen.
Wie auch immer, vor uns liegen Jahre der Entscheidung. Gefragt ist wieder
einmal die Regenerationsfähigkeit des deutschen Volkes.
(Der Text basiert auf einem Vortrag des Deutschland-Brief-Herausgebers vor dem
Club Staat und Wirtschaft.)
(c) Dr. Bruno Bandulet
lg
siggi
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