-->Hallo
Meine kritischen Überlegungen zur Machttheorie im Zusammenhang mit Staaten mit besonders stark ausgeprägter Staatsmacht haben einzelne Forumsteilnehmer vollkommen zu Recht veranlaßt, aus unterschiedlichen Blickwinkeln eine differenzierende analytische Klärung des"Machtbegriffes" einzufordern. Schließlich hatten schon Adam und Eva im Paradies ein gewisses Maß an"Macht": Sie hatten beispielsweise die"Macht", sich Früchte zu besorgen und Eva, die vom"Baum der Erkenntnis" kosten wollte, belegt das uralte Paradigma, daß sie nicht nur die"Macht" hatte, sich über Gottes Verbote hinwegzusetzen, sondern auch eine gewisse"Macht" über Adam! Zumindest die, ihn zu verführen!
Ich habe nun dottores Aufsatz, den er für das Bremer Symposion vorbereitet hat, sorgfältig darauf hin durchgesehen, welchen"Machtbegriff" er eigentlich vertritt. Das Ergebnis dieser Analyse ist frappant. (Ich hätte das dottore gern vertraulich per e-mail unterbreitet. Er weigert sich jedoch beharrlich, mir seine e-mail Adresse zukommen zu lassen). Fangen wir also an:
Zunächst einmal: Auf den 67 Seiten in dottores"Paper" fällt zwar das Wort"Macht" stattliche 158-mal (und zusätzlich 42-mal das englische Wort"power"), ohne daß sich dottore allerdings auch nur ein einziges Mal der Mühe unterzöge, zu definieren, was genau man unter"Macht" eigentlich zu verstehen hat. Wie demnach konsequenterweise zu erwarten ist, schreibt dottore der"Macht" bei jeweils passender Gelegenheit mit großer Nonchalance die unterschiedlichsten Eigenschaften zu."Macht" ist ihm zufolge ein"wirtschaftliches Gut" ganz besonderer Art: Ein"wirtschaftliches Gut", das rechnet, disponiert, kalkuliert, zediert, ja es kann sich sogar selbst sozusagen bei Bedarf mit voller Absicht entmaterialisieren; - wie Mister Spock im Beamer...
Nachfolgend einige Beispiele, die diese Kritik belegen (Zitate aus dottores Aufsatz in <font color=#008000>grün</font>):
Zwar hatte ich bei dem folgenden Satz Verständnisschwierigkeiten:"[i]<font color=#008000>Die Macht resultiert aus einem und mündet in einen völlig anderen Kostenfaktor als das, was in der Ã-konomie seit geraumen als „Transaktionskosten“ bezeichnet wird... </font>;" aber das geht mir bei dottore öfters so, daß ich nicht verstehe, was er schreibt. Dagegen fand ich die folgende Bemerkung irgendwie originell:"<font color=#008000>Seit ihrem Ursprung ist die Macht nicht mehr verschwunden....</font>" Adam und Eva lassen grüßen...! Oder aber, eine tiefe Einsicht gewährend:"<font color=#008000>Geld und Macht sind unzertrennlich....</font>" Definitorisch drollig auch:"<font color=#008000>Wie kommt nun die Macht in die Welt? Das einzige Symptom der Macht ist die Machtausübung selbst.....</font>" Die Macht ist also bei dottore ein geruchs- und geschmackloses Etwas (gelegentlich als"<font color=#008000>a-personales Etwas</font>" beschrieben; gegen Ende des Aufsatzes sogar einmal ein"<font color=#008000> interaktives System</font>"), jedenfalls etwas, was man weder sehen, noch angreifen kann. Andererseits betont dottore, daß"<font color=#008000>... die Macht ein wirtschaftliches Gut sein und einen „Wert“ haben [muß]....</font>" Die"Macht" gehört demnach laut dottore zu den so genannten"immateriellen Gütern"; - an denen man - ausnahmslos - Eigentum erwerben und folglich dieses auch einklagen kann!... Aber, - Moment mal...! Das"Einklagen" setzt ja nach dottore eben die"Macht" voraus! Ja, wie denn....??? Die"Macht" klagt sich selbst auf Herausgabe der"Macht"? Na so was! Ein Zirkelschluß!
Aber davon einmal ganz abgesehen verstrickt sich dottore sofort in noch viel tiefere Widersprüche jenes definitorischen Vakuums, in dem er seinen"Machtbegriff" schweben läßt:
Betrachten wir etwa jenen Satz, der mit den Worten anfängt:"<font color=#008000>Um sich ein property-System... leisten zu können, muss sich die Macht, die sich qua Macht... über Zwangsabgaben finanziert... Abgaben diskontieren.</font>". Also erstens einmal tut die <font color=#FF0000>"Macht"</font> demnach irgendwas und zwar, das ist höchst bemerkenswert!, sie tut es eben gerade <font color=#FF0000>mittels der"Macht"</font>...? Münchhausen, der sich angeblich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zieht...?
Obendrein aber ist diese merkwürdige"Macht", die solche Kunststücke fertigbringt, ja keinesfalls ein menschliches Lebewesen, wie Münchhausen, sondern nur"ein wirtschaftliches Gut", wie wir staunend vernommen haben. Also langsam wird es wirklich interessant... Zumal, wenn wir dann auch noch bezüglich dieses seltsamen"wirtschaftlichen Gutes" wie folgt belehrt werden:"<font color=#008000>Dass die Macht über eine ihr eigene Produktivität verfügt, ist unbestreitbar....</font>" Also nochmals! Einen Moment: Produktivität heißt (gemäß Gerhard WAHRIG) <font color=#0000FF>"schöpferische Leistung; Fruchtbarkeit; Ergiebigkeit"</font>. Das alles hat bzw. ist die Macht? Ach wo! Weit gefehlt! Sie kann, tut, ist noch viel mehr: Sie ist darüber hinaus in der Lage,"<font color=#008000>... mit... economies of scale zu rechnen....</font>","<font color=#008000>... hat also genauso ökonomisch zu kalkulieren wie jede Unternehmung auch....</font>" und kann sogar"<font color=#008000>... einzelne „Werte“ bzw. Teile der Macht zedieren....</font>", ein wirtschaftliches Gut also, das"Wert" hat, rechnen und kalkulieren muß wie ein Unternehmen und obendrein fähig ist, Teile von sich selbst, Teile seines eigenen Wertes, zu zedieren. Denn es wäre, sagt dottore,"<font color=#008000>... für die Macht... unökonomisch, den Eigentumstitel weiterhin zu halten....</font>" Das kann die"Macht" also auch noch: Eigentumstitel halten! In meiner Einfalt dachte ich immer, nur Personen könnten"Titel halten" und nur Forderungen, Rechte, ließen sich"zedieren"."Wirtschaftliche Güter" - so dachte ich immer - könnten allenfalls vom A-dam dem B-dam <font color=#FF0000>"überlassen"</font> werden; zumindest kann ich mich dunkel erinnern, daß das unser Jura-Pauker vor 50 Jahren immer so gesagt hat. Davon jedenfalls, daß sich"wirtschaftliche Güter" selbst"zedieren" oder daß sie"Eigentumstitel halten" können, habe ich noch nie etwas gehört....! (Hallo JüKü: Ich schwöre, ich"verdrehe" da nichts!)
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Mir schwirrt der Kopf!
Also ich weiß jetzt wirklich nicht mehr, was dottore unter der"Macht" überhaupt versteht! Und in mir keimt der Verdacht, daß sich in einem solchen Begriffs-Wirrwarr natürlich auch sehr leicht eine scheinbar"umwälzende" neue Theorie der Wirtschaft entwickeln läßt! Hauptsache aber, dottore weiß, was"Macht" ist. Zwar bin ich mir selbst darüber nicht mehr ganz sicher, aber zumindest weiß er am Ende dieser definitorischen Berg- und Tal- und Achterbahn-Fahrt ganz genau, was die"Macht" nicht ist. Garantiert nicht ist die"Macht" nämlich dottore zufolge die"<font color=#008000>... „Behüterin“ [eines] friedfertigen Miteinanderseins....</font>"; eine solche Annahme wäre dottore zufolge ja tatsächlich nachgerade lachhaft!
Ich bin jetzt leider für eine Woche weg; kann also nicht antworten.
Gruß
G.
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-->Hallo G.,
vielleicht drückt sich dottore etwas umständlich aus. Man muß aber bedenken, daß er das ganze auch einem betriebswirtschaftlich verzogenem Publikum verklickern muß. Die Sache ist eigentlich ganz einfach.
Macht ist da. Ich nenne es analog zu dottores Urschuld die Urmacht (z.B. Muskelkraft, Überredungs- u. Überzeugungskunst, Wissen, psychische Kräfte und Abhängigkeiten usw.).
Macht entwickelt und erweitert sich mit der Entwicklung und Erweiterung der menschlichen Art.
Macht erzwingt Abgaben (irgendwann: Geld, daher auch der Begriff Geld, da es als Abgabe"gilt") aus diversen, i.A. evidenten Motiven.
Macht kommt in Konflikt mit anderer Macht. Spätestens jetzt beginnt das Selbsterhaltungsproblem: Macht erzwingt Abgaben, um selbst Macht zu erhalten oder auszuweiten (ebenfalls aus diversen an sich evidenten Gründen die da sein können e.g. Größenwahn oder zusätzliches Sicherheitsbedürfnis).
Zu einem bestimmten Zeitpunkt wird Wirtschaft ein bedeutender Faktor im Machterhalt. Geld, Finanz, Geschäft wird zum Instrument des Machterhalts und ergänzt sein Spektrum genauso wie Schuld und Pflicht die Knechtschaft und Unterordnung ergänzt. Im Prinzip haben wir es mit einem Optimierungsproblem zu tun: Die Macht wählt die Mittel und Wege, sich maximal zu entfalten/erhalten.
Macht und Geld sind jetzt untrennbar verbunden. Da jedem für sich eine herausragende Rolle zukommt (Macht als Prinzip, Geld als Instrument), nimmt es bald Sprichwortcharakter an: Geld ist Macht oder Macht ist Geld.
Die einfachen Leute verstehen das. Nur VWLer und BWLer offenbar nicht.
Nun darf man nur nicht in denn Irrtum verfalen, das so ausschließlich zu interpretieren daß:
* Die Macht keine anderen Istrumente außer Geld zur Verfügung hätte.
* Geld keinem anderen Prinzip dienstbar wäre als der Macht und ihrem Erhalt.
Hier muß man aufpassen, daß, nachdem das Prinzip erkannt wurde, nicht fixe Ideen die weitere Erkenntnis blockieren. Das ist leider nur menschlich. Letzlich sind alle Reform- und Aufklärungsbewegungen daran gescheitert, daß sie früher oder später in sich selbst erstarrten.
Es gilt leider eine etwas unappetitliche Metapher: So wie der Hund sich dem eigenen Erbrochenen zuwendet, so der Mensch sich seinen geistigen Ergüssen.
Aber noch ist alles im Fluß, also besteht noch Hoffnung.
Gruß
J.N.
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