-->Gauner, Strohmänner und Bilanzfälscher
Im Berliner Bankenskandal sind die Täter bekannt, doch vor Gericht steht keiner
* Knapp drei Jahre, nachdem der Berliner Bankenskandal bekannt wurde, gibt es zwar viele Beschuldigte, aber keiner der Verantwortlichen ist bisher strafrechtlich belangt oder zu Schadensersatzleistungen herangezogen worden. Dabei sind die Fakten ebenso klar wie die Namen der Täter. Im Ergebnis ist der Bankenskandal nichts anderes als eine grandiose Umlenkung öffentlicher Gelder in private Taschen. Die Spur der »verlorenen« Milliarden führt geradewegs in die Villenvororte der Hauptstadt oder aber auf Konten außerhalb Deutschlands. Während Berlin unter einer Schuldenlast von 80 Milliarden Euro stöhnt und die Bürger täglich zu spüren bekommen, daß die Stadt pleite ist, verzehren die ehemaligen Bankmanager und ihr politisches Personal weiterhin unbehelligt ihre exorbitanten Pensionen. Hier eine Fortsetzung unserer Berichte zum Thema. Heute: Von Strohmännern, überlasteten Wirtschaftskammern und folgenlosen Ermittlungen.
Ein erheblicher Anteil an dem gigantischen Schuldenberg der Hauptstadt geht auf das Konto der Bankgesellschaft Berlin (BGB). Das Konstrukt BGB, eine Holding aus Stadtsparkasse, Landesbank Berlin, Berliner Bank, Berliner Hyp-Bank und der Weber Bank, 1994 unter dem massiven Druck der Westberliner Baumafia von führenden CDU-Politikern gegründet, war ein reine Geldverteilungsmaschine: »Vorne wurde öffentliches Geld reingeschaufelt, und am anderen Ende standen die Immobilienpäpste, die auf das umgewandelte private Geld warteten«, erklärte letzte Woche der SPD-Obmann im Banken-Untersuchungsausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses, Frank Zimmermann. Um drohende Pleiten der BGB abzuwenden, flossen innerhalb von zehn Jahren immer neue Milliardenspritzen der öffentlichen Hand in das Institut, so daß die BGB heute zu 89 Prozent dem Land Berlin gehört. Und damit ist der Steuerzahler mit im Boot, er muß für die kriminellen Transaktionen der Bank geradestehen.
Das Risiko sozialisiert
Noch vor gut einem Jahr hat Berlins SPD-PDS-Senat eine Risikoübernahme für die Bank in Höhe von 21 Milliarden Euro bewilligt. Im Klartext: 3,5 Millionen Berliner sitzen quasi in einer ökonomischen Geiselhaft für die Profite von ein paar tausend Immobilienspekulanten. »Die zugesicherten Profite in den einzelnen Immobilienfonds, die von der Bankgesellschaft aufgelegt wurden, waren in der Branche weltweit einmalig«, sagt Berlins ehemaliger Justizsenator Wolfgang Wieland von den Grünen. Teils wurden die Fonds unter der Hand an ausgewählte Spezis vermittelt, teils waren sie offen in den Banken im Angebot. Mal war der Profit für die Anleger exorbitant hoch, und das auf 30 Jahre, aber auch sonst bewegte er sich in Bereichen, die immer weit über dem lagen, was bei solchen Geschäften üblich ist.
Wie viele Fonds die BGB aufgelegt hat, und wie hoch die Renditen oder, in der Mehrheit, die Verluste für die einzelnen Objekte wirklich sind, weiß selbst der Untersuchungsausschuß zum Bankenskandal bis heute nicht. Barbara Oesterheld, für die Grünen im Ausschuß: »Das wissen wir immer noch nicht genau, denn die führenden Herren der Bank berufen sich im Ausschuß immer auf ihr Aussageverweigerungsrecht.« Immerhin kann sie ungefähr die Summe nennen, die demnächst als Verlust aus den Fonds auf den Steuerzahler zukommen wird: 7,5 Milliarden Euro. In ganz Deutschland kann man die Reste der spekulativen Immobilienfonds besichtigen: Verfallene Wohnparks in Wolfsburg, der Lausitzring, halbfertige Einkaufszentren in Mannheim oder zig Baumärkte im märkischen Sand. Eins haben sie alle gemein: Sie werfen die von der Bank garantierte Rendite für die Fondszeichner nicht im mindesten ab.
»Immerhin ist es juristisch sauber gelungen, das gesamte Management der BGB zu feuern«, bilanziert der grüne Politiker Wolfgang Wieland. Damit hat es sich aber schon. Seit September sind vier Zivilklagen auf Schadensersatz in Höhe von 35 Millionen Euro gegen frühere Bankenbosse vom Landgericht Berlin erst gar nicht zur Anklage zugelassen worden. Nicht zugelassen wurde auch die Schadensersatzklage gegen den Paten der kriminellen Immobiliengeschäfte, den CDU-Politiker und Chef der BerlinHyp, Klaus Rüdiger Landowsky. Auch die beiden Parteifreunde von Landowsky, der ehemalige Landesgeschäftsführer der Berliner CDU, Klaus Wienhold, und sein Parteifreund Christian Neuling, konnten sich vor Wochenfrist die Hände reiben. Ihr Gerichtstermin wegen Betrugs und Bilanzbetrugs ist vom Landgericht bereits zum zweiten Mal verschoben worden. Die beiden hatten von Landowskys Berlin-Hyp seit 1994 insgesamt 315 Millionen Euro an Kredit eingestrichen, um damit 16 000 Plattenbauwohnungen in den neuen Bundesländern aufzukaufen. Das Konzept der von den beiden CDU-Männern gegründeten Firma Aubis: Billig aufkaufen, renovieren und teuer verkaufen. Ein unseriöses Vorhaben von Anfang an, wie es in der Anklageschrift gegen sie heißt. Macht nichts. Mit einem neuen Termin in absehbarer Zeit brauchen die beiden nicht zu rechnen.
Zehn Staatsanwälte ermitteln
Auch 17 weitere ehemalige Bankmanager, die im Komplex »Aubis« wegen Untreue angeklagt sind, haben eine baldige Gerichtsverhandlung nicht zu fürchten. Sieben Direktoren, darunter der Chef der BerlinHyp, Landowsky, und der ehemalige Vorstandsvorsitzende der BGB, Wolfgang Rupf, gegen die alle wegen Untreue und Betrugs ermittelt wird, können einer Anklage gelassen entgegensehen. Wenn sie überhaupt kommt. Dabei ist die »Soko Bankgesellschaft« der Staatsanwaltschaft Berlin durchaus rührig. Sie arbeitet sich mit zehn Staatsanwälten und sieben Fachreferenten für Wirtschaftsrecht unter der Leitung des Oberstaatsanwalts Dr. Wulf durch Aktenberge, die inzwischen die Turnhalle der Kreuzberger Polizeidirektion füllen. Alles was die Soko den drei Wirtschaftskammern des Berliner Landgerichts zur Anklage gegen die Bankenbosse offeriert, wird prompt wieder zur Seite gelegt. »Die Wirtschaftskammern sind heillos überlastet. Ein Umstand, der aber seit Jahren bekannt ist«, klagt Wolfgang Wieland (siehe Interview, Seite 3).
Damit nicht genug. Im wesentlichen sind die Bankenbosse vom heutigen Vorstand der Bankgesellschaft Berlin auf Schadensersatz verklagt worden. Auch im Strafrechtlichen erfolgten Anzeigen gegen die ehemaligen Direktoren auf Veranlassung des amtierenden Bankvorstands. Die Schadensersatzklagen waren von den Rechtsanwälten der BGB allerdings derart schlecht vorbereitet, daß die Gerichte keine der Anklagen als ausreichend begründet zuließ. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt.
Das kann sich im Strafrechtlichen wiederholen, ganz zum Ärger von Berlins Justizsenatorin Karin Schubert (SPD). Die Frau wettert allerdings nur hinter den Kulissen; Gerichtsschelte ist bei Richtern nicht erwünscht. Zudem will man ja auch den eigenen Parteifreunden nicht zu sehr auf die Füße treten, obwohl die mitverantwortlich für den Bankenskandal sind und dabei auch reichlich profitiert haben.
So wenig wie die Wirtschaftskammern der Gerichte vorankommen, so wenig passiert im Parlamentarischen Untersuchungsausschuß zum Bankenskandal. Ein Mitglied des Gremiums, das namentlich nicht genannt werden will, faßt das Desaster so zusammen: »Die Abgeordneten haben große Schwierigkeiten, sich in die komplizierte Wirtschaftsmaterie einzuarbeiten. Insoweit wissen sie auch nie, welche Akten sie von der Bankgesellschaft anfordern müssen. Zudem: Wenn wir mal Brisantes anfordern, mauert die Bank, und wir kriegen die entsprechenden Akten nicht. Und nahezu alle Zeugen, die wir hören, vor allem die gefeuerten Bankdirektoren, berufen sich auf ihr Aussageverweigerungsrecht, da ja gegen alle auch strafrechtliche Ermittlungen anhängig sind.« Also dümpelt der Untersuchungsausschuß nun schon im dritten Jahr nahezu ohne harte Ergebnisse vor sich hin.
Der Deal mit den Strohmännern
Allerdings nicht ganz. Vor 14 Tagen ging dem Ausschuß eine brisante Diskette zu. Anonym. Endlich mal harte Fakten, jetzt können wir sie vor Gericht stellen, frohlockte der Obmann des Ausschusses, Frank Zimmermann (SPD). In der Tat. Aus dem Inhalt der Diskette geht hervor, daß die Direktion, namentlich der Chef der IBG-Bank, einer Tochter der BerlinHyp, Manfred Schoeps, für die Immobilienspekulationen der Bank eine Strohmann-Konstruktion gefördert hatte, die dann vom gesamten Bankenmanagement gebilligt wurde. Und die sah so aus: Hatte die Bank einen Immobilienfonds aufgelegt, bedurfte es reichlicher Kredite der Bank, um das Projekt überhaupt auf den Weg bringen zu können. Da Kredite, vor allem auch hinsichtlich der Höhe, Gesetzen unterliegen, vergab man sie an Strohmänner, um dennoch genug Geld für Immobilienprojekte lockermachen zu können. Nach außen sah es dann so aus, als gäbe es finanzkräftige Investoren. Gleichzeitig wurden die Strohmänner, im Bankendeutsch »Komplementäre« genannt, von der Bank als haftende Gesellschafter freigestellt. Die Strohmänner bei fast allen Fonds der BGB waren u.a. kleine Angestellte der Bank, die für wenig Handgeld zu Milliardenkreditgebern wurden. Dadurch, daß die Bank diese Strohmänner von der Verantwortung freigestellt hatte, hat sich die Bank selber mit Krediten für die obskuren Fonds versorgt, und damit wissentlich der eigenen Bilanz zu weiteren Millionen Euro an Schulden verholfen.
Alles klar? Geht ein Fonds pleite, zückt der formal haftende Strohmann seine Freistellungserklärung, und schon hat die Bank die ausgezahlten Kredite als eigene Schulden am Hals. Ein Schneeballsystem, ein kriminelles System. Auf diese Weise mußte die Bankgesellschaft in die Milliardenpleite trudeln. Profit für die Fondszeichner, Schulden für die Bank, genauer: für den Steuerzahler. Für SPD-Obmann Zimmermann »ein krimineller Akt«. IGB-Boß Scheops, in der IGB verantwortlich für die Strohmänner, dazu im Untersuchungsausschuß schnodderig: Wie? Wo ist das Problem? So etwas machen wir schon seit 1997. Alle Vorgänge dieser Art wurden von den Aufsichtsräten als korrekt abgesegnet. Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Tatsächlich haben die jeweiligen Aufsichtsräte der einzelnen BGB-Töchter die Strohmann-Kredite als zulässig gebilligt, womit einem möglichen Einschreiten der Bundesbehörde für die Bankenaufsicht der Boden entzogen wurde. Noch mal Frau Oesterheld von den Grünen: »Daß Herr Schoeps als Geschäftsführer keine Verantwortung hatte, weil Herr Landowsky als Aufsichtsrat die Strohmänner gebilligt hat - Landowsky hatte ja nachweislich ein starkes Interesse an bestimmten Geschäften -, das finden wir im Ausschuß doch sehr fatal.« Und weiter: »Es kann ja wohl nicht sein, daß der eine Halunke, der mit dem anderen Halunken unter einer Decke steckt, daß die sich gegenseitig entlasten können.« Immerhin erwägt der Untersuchungsausschuß jetzt, Schoeps zusätzlich wegen Bilanzbetrugs anzuzeigen.
Landowskys Untreue
Auch über dem Zampano der spekulativen Immobilienfonds der BGB, Klaus Rüdiger Landowsky, braut sich einiges zusammen. Mit Schreiben des Generalstaatsanwalts am Berliner Landgericht wird dem Untersuchungsausschuß folgendes mitgeteilt: »Gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der BerlinHyp und ehemaligen Vorstand der Berliner Bank, Klaus Rüdiger Landowsky, wird auch in Pilotverfahren zu Publikumsfonds ermittelt.« Zur Begründung heißt es: »Der Beschuldigte war Aufsichtsrat der IGB, Tochter der Bankgesellschaft Berlin, und hat deshalb in diesem Gremium bei den Ankäufen verlagerter Risikoobjekte - unter anderem dem Ankauf der ca. 4000 Aubis-Plattenbauwohnungen - für den LBB Fonds 12 mitgewirkt. Es besteht der Verdacht, daß diese Objekte zu teuer für die Fonds erworben wurden. Zudem war Landowsky als Aufsichtsrat an der Genehmigung konkreter Fondskonzeptionen und damit der hierzu gehörenden Mietgarantien beteiligt, so daß auch der Verdacht der Untreue hinsichtlich dieser Teilentscheidungen besteht.« Bravo, Staatsanwaltschaft?
Nein, der Brief des Generalstaatsanwalts ist bereits ein Jahr alt, passiert ist, wie gesagt, bislang gar nichts. Bei den genannten »Pilotverfahren« handelt es sich um die beiden Fonds mit dem klangvollen Namen »Theseus« und »Prometheus« mit insgesamt 31 Beschuldigten, allesamt ehemalige Direktoren oder Herren aus der Führungsriege der Bankgesellschaft. Auch bei diesen beiden Fonds sind die Fakten klar: Die Firma Aubis ist längst pleite. Der 315-Millionen-Euro-Kredit an die Parteifreunde von Landowsky, Wienhold und Neuling, ist ebenfalls futsch. Bevor aber alles den Bach runterging, war wieder Landowsky zur Stelle: Er kaufte mit seiner IGB-Tochter fix die maroden Plattenbauten der in die Pleite rutschenden Aubis zu einem weit überhöhten Preis auf, nur um den Fondszeichnern den drohenden Verlust zu ersparen. Die Bankgesellschaft hat damit weitere Hunderte Millionen Miese eingefahren. Zahlen muß das am Ende der Steuerzahler. Herr Staatsanwalt, bewegen Sie sich!
Dieses Laufenlassen der grossen ist im höchsten Masse demokratiefeindlich! und frustriert die Masse der Bürger und vergiftet die Moral im Lande!
gruss
otto
|