-->Interview mit Prof. Dr. Daniel Ellsberg, USA
Anmerkung: In den Aussagen ziemlich konträr der herrschenden Darstellung,
der Professor gehört offensichtlich zum Jahrgang von Soros und
redet ziemlich unbekümmert gegen die offizielle US-Administration und
deren Politik.
Professor Dr. Daniel Ellsberg war in den 60er-Jahren Berater des Pentagon und des Weißen Hauses. Ab 1967 arbeitete er an der geheimen McNamara-Studie über die amerikanische Kriegsführung in Vietnam. Eine Kopie der 7000 Seiten langen Studie brachte er 1971 an die Ã-ffentlichkeit. Aus diesen so genannten"Pentagon Papers", die die"New York Times" in einer Artikelserie publizierte, ging hervor, dass Amerikas Krieg in Vietnam ein Aggressionskrieg war. Mit seinem folgenreichen Schritt trug Ellsberg zur Beendigung der US-Intervention in Vietnam bei. Ellsberg sieht im gegenwärtigen Irakkrieg Parallelen zu Vietnam.
Interviewer:
Herr Professor Ellsberg, nun soll im Irak im Juni 2004 eine Übergangsregierung gebildet werden. Die amerikanischen Truppen aber werden laut Verteidigungsminister Rumsfeld dort bleiben.
Ellsberg: Keine amerikanische Regierung wollte je einen Termin für den Abzug ihrer Truppen nennen. Im Falle Vietnams wurden die Präsidenten Johnson und Nixon immer wieder vergeblich gedrängt, ein verbindliches Datum festzulegen, zu dem die USA das Land verlassen sollten. Und selbst nach dem Rückzug der amerikanischen Bodentruppen wurde weiter bombardiert.
Viel hängt jetzt davon ab, ob wir auf eine von uns ausgesuchte Regierung bestehen, die die Iraker nicht als legitim, sondern als unsere Puppen ansehen. Wenn Washington sich nicht in den nächsten Wochen dazu bereit findet, dass die Übergangsregierung in einem von der UNO bestimmten Prozess ausgewählt wird, gehe ich davon aus, dass es weiterhin viel Widerstand geben wird. Nicht nur gegen unsere Truppen, sondern auch gegen Kollaborateure. Sie werden das Ziel von Angriffen sein.
Werden die US-Truppen am Ende aus Bagdad fliehen, wie sie 1975 aus Saigon fliehen mussten?
Ellsberg: Das könnte passieren. Man wird vermutlich alles versuchen, um solche Fotos wie damals zu vermeiden, die sich in das Gedächtnis eingeprägt haben. Vor allem könnten aber jene Grund zur Flucht haben, die als US-Kollaborateure gesehen werden.
Was hat sich Bush bei dem Krieg gegen den Irak gedacht?
Ellsberg: Die Leute, die ihn beeinflussen, sahen eine Gelegenheit, im Irak eine proamerikanische Macht zu schaffen, um dort Militärbasen zu bekommen und das Ã-l zu kontrollieren. Ihnen ging es nicht nur um das Ã-l im Irak, sondern auch darum, noch mehr Einfluss auf Saudi-Arabien zu erlangen und das Ã-l im Süden des Iran unter ihre Kontrolle zu bekommen. Sie wollen eine amerikanische Hegemonie über den Globus. Bei einer Reihe dieser Leute spielte außerdem ihre fragwürdige Sicht von der Sicherheit Israels eine Rolle.
Wen meinen Sie mit den Leuten, die Bush beeinflussen?
Ellsberg: Vizepräsident Cheney und Verteidigungsminister Rumsfeld müssen an erster Stelle genannt werden. Sie teilten allerdings die Prioritäten von Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz, von Richard Perle und den Staatssekretären John Bolton und Douglas Feith, den so genannten Neokonservativen.
Das sind Politiker, die ähnlich denken wie einst General Curtis LeMay, der im März 1945 Tokio vernichtete und später Vietnam"zurück in die Steinzeit bomben" wollte. Perle hat nicht umsonst den Beinamen"Fürst der Finsternis".
Ellsberg: Ich glaube nicht an die Existenz des Satans. Wenn ich es täte, würde ich Edward Teller, Curtis LeMay und einige andere, darunter Richard Perle, als Vermittler einer Weltsicht sehen, die unsere ganze Spezies auf die Vernichtung, auf einen Nuklearkrieg zutreibt. Ich traf LeMay 1961. Für mich ist er ein Massenmörder. In Tokio ließ er in einer Nacht zwischen 80000 und 120000 Menschen verbrennen. Danach verbrannte er 66 andere japanische Städte. Die Welt war in großer Gefahr, als LeMay Einfluss hatte. Dasselbe trifft auf Teller zu, der gegen einen Atomwaffen-Teststopp und für die Entwicklung der Wasserstoffbombe eintrat und auf den Krieg der Sterne drängte. Perle hält nichts von Übereinkommen, nichts von Zusammenarbeit mit Gegnern und Verbündeten. Er ist gegen alles, was die USA in der unbegrenzten Ausübung ihrer kriegerischen Möglichkeiten einschränken könnte. Das ist genau die falsche Richtung in einer Welt, die auf Zusammenarbeit und gemeinsame Sicherheit angewiesen ist.
Sie sagten einmal, dass Sie auch Henry Kissinger - er trägt Verantwortung für das"Christmas Bombing" auf Hanoi vom Dezember 1972 - für einen Kriegsverbrecher halten.
Ellsberg: Ja, er ist zweifellos ein Kriegsverbrecher. Allerdings wäre es falsch, Kissinger als den Architekten von irgendetwas zu sehen. Er förderte dieses Image von sich, aber meiner Meinung nach war er stets ein treuer Diener der Macht. Er hätte auch eine andere Politik mitgetragen.
Vergangene Woche hat der US-Kongress für 2004 einen Rüstungsetat von 401 Milliarden Dollar gebilligt und damit noch mal acht Milliarden draufgelegt. Wozu soll das gut sein?
Ellsberg: Das ist nichts anderes als ein Schritt in Richtung auf unsere Selbstvernichtung.
Der Kongress machte auch den Weg frei für die Erforschung so genannter Mini-Atombomben.
Ellsberg: Das ist ein noch bedeutenderer Schritt hin zur Selbstvernichtung, konkret: zum Beginn eines Nuklearkriegs durch die Vereinigten Staaten oder durch Staaten, die dem Beispiel der USA folgen.
Sie glauben wirklich nicht an die Existenz des Satans?
Ellsberg: Nein. Aber die Frage ist berechtigt. Leider haben Menschen dieses Potenzial. Wir haben aber andererseits auch die Fähigkeit zur Kreativität, zum Mitleid und zum Altruismus.
Ob und wann wir uns zerstören, hängt davon ab, wie sehr wir auf diese oder jene Fähigkeiten zurückgreifen.
Der Mensch in seiner heutigen Gestalt existiert seit mehr als hunderttausend Jahren. Hat er unter den gegebenen Umständen die Aussicht auf weitere hunderttausend Jahre?
Ellsberg: Diese Frage habe ich mir selbst schon manchmal gestellt. Haben wir noch weitere hunderttausend Jahre? Die Entdeckung der Kernspaltung war etwa so, wie wenn ein geladener 45er-Revolver einem Achtjährigen in die Hand gegeben würde. Eine sehr gefährliche Kombination, wenn wir nicht lernen, Aggressivität, Ignoranz und Kurzsichtigkeit zu bezwingen. Wenn die Menschheit ihr Verhalten nicht grundlegend ändert, haben wir keine tausend Jahre und auch keine fünfhundert Jahre mehr. Der Rückzug aus dem Irak wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Der Irak muss, wie es der Kongressabgeordnete Dennis Kucinich fordert, an die UNO übergeben werden.
Eine letzte Frage: Waren Sie während Ihrer Zeit in Vietnam selbst Zeuge von Grausamkeiten?
Ellsberg: Ich sah die Auswirkungen von Luftangriffen - Gräueltaten aus der Luft. Ich war schon vor fünfzig Jahren davon überzeugt, dass der strategische Bombenkrieg gegen Deutschland ein schweres Kriegsverbrechen war und ebenso die Bombardierung der japanischen Städte. Ich wünschte mir rückblickend, bei den Tribunalen nach dem Zweiten Weltkrieg wären Amerikaner und Briten ebenso wie Deutsche und Japaner vor Gericht gestellt worden. Dann hätten wir heute ein besseres Völkerrechtsystem.
Der schreckliche Interviewer war: Gerhard Frey
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