JoBar
05.12.2003, 09:12 |
@Galiani: Simmt das wirklich?Thread gesperrt |
-->Dein Posting http://f17.parsimony.net/forum30434/messages/238743.htm"Auf der Suche nach literarischen Belegen gegen die"Machttheorie" stieß ich auf:", mit einem Hinweis auf Lujo Brentano, hat mich angeregt etwas im Web zu stöbern.
Dabei habe ich http://felix2.2y.net/deutsch/1848/milliarde2.html"Die schlesische Milliarde - II. Die Steuern" und andere Artikel von Wilhelm Wolff gefunden. Beim Querlesen standen mir allerdings die Haare zu Berge, klappt es mir die Fußnägel hoch.
Mir scheint Du kennst Dich da aus, deshalb meine Frage an Dich: Ist das nur überzogene Propaganda oder sind das ( leider ) glaubwürdige Beschreibungen der damaligen Realität? Kannst Du die Artikel mal kurz überfliegen?
Und: Gibt es im Web ein Lexikon für antiquierte Begriffe wie Erbuntertänigkeit, Urbarien, Patrimonialgerichtsbarkeit, Laudemien, usw. usw.
TIA
J.
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Galiani
05.12.2003, 15:04
@ JoBar
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@JoBar: Richtig! So ging es damals wohl zu! |
-->Hallo JoBar
Nö! Nix Propaganda! So ging's damals wohl zu.
In meinem Posting war ganz am Anfang ja auch von den"geknechteten preußischen Bauern" die Rede. In dem nachfolgend zitierten Aufsatz von Brentano ging es dann hauptsächlich um die Leinenweber. Aber nach allen mir bekannten Quellen ließe sich eine wohl noch deprimierendere Geschichte über den Bauernstand erzählen. Das fing schon mit Martin Luther an: Er hat mit scheußlichen Schimpfworten die Junker und Fürsten zur Niederknebelung der Bauern angefeuert. Was Wolff beschreibt, ist der Zustand, nachdem man die Bauernbefreiung des Freiherrn von Stein wieder rückgängig gemacht hatte und zum"Bauernlegen" zurückgekehrt war.
Darüber gibt es eine reichhaltige Literatur.
Im Zusammenhang mit der"Machttheorie" ging es mir bei dieser Geschichte um folgendes:
Erstens: Die"Macht" (als waffenbewehrte Gewalt) ist unfähig, Produktivität, Effizienz und Wohlstand zu erzeugen. Infolgedessen ist Zwang auch kontraproduktiv, wenn die Abgabenerlöse maximiert werden sollen. Wie das Beispiel der Leinenweber zeigt, deformiert Zwangsausübung auch die gezwungenen Menschen: sie verblöden im buchstäblichen Sinn. Ferdinando Galiani sagt in"Della moneta" (dts. Düsseldorf 1999; S. 190):
"Das Aufblühen der Wirtschaft eines Landes ist niemals direkt ein Verdienst der betroffenen Menschen, genausowenig wie diese umgekehrt die Schuld für den Mangel an Arbeit im Wirtschaftsabschwung trifft. Es ist ein unzutreffender Gemeinplatz, daß gewisse Völker lasterhaft, andere untätig und wieder andere bösartig seien. Die Schuld trifft nicht sie. Es liegt nämlich in der Natur der Bürger, daß sie, wenn sie einige Zeit lang vergeblich einer untüchtigen Regierung durch Ungehorsam Widerstand geleistet haben, sich mit Blödheit zu wappnen beginnen. Das ist die letzte Verteidigungslinie eines Volkes, die besonders sicher und uneinnehmbar ist und die Untertanen für die Machthaber ebenso unbrauchbar macht wie bei einer Rebellion; es ist dies eine Verteidigung, die den Fürsten völlig hilflos macht, so als ob er überhaupt keine Untertanen hätte."
Die Welt ist - bis in die jüngste Geschichte - voll von Beispielen, die das belegen.
Zweitens: Nichts desto trotz gibt die"Macht" niemals freiwillig etwas von ihrer Verfügungskraft ab. Wie sollte sich also unter solchen Zwangsverhältnissen jemals eine Partikular-Macht entwickeln können, die der Ober-Macht Teile ihrer Gewalt abtrotzen könnte?
Dies macht die These, daß die"Machthalter" zwecks Otimierung ihrer Einnahmen aus Abgaben Teile ihrer"Macht" zedieren würden, überaus fragwürdig.
Ich hoffe, Deine Frage damit einigermaßen beantwortet zu haben.
Gruß
G.
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JoBar
05.12.2003, 17:11
@ Galiani
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Re:. ging damals so zu! Danke für die Bestätigung der schlechten Nachricht:( |
-->Ich frage mich bloß wie es kam, daß mir vor einigen Jahrzehnte in der Schule im damals"roten" Hessen Friedrich als der"Große" verkauft wurde. Und die Tugenden des pflichtbewußten preußischen Berufsbeamtentums gepriesen wurden.
>Erstens: Die"Macht" (als waffenbewehrte Gewalt) ist unfähig, Produktivität, Effizienz und Wohlstand zu erzeugen. Infolgedessen ist Zwang auch kontraproduktiv, wenn die Abgabenerlöse maximiert werden sollen. Wie das Beispiel der Leinenweber zeigt, deformiert Zwangsausübung auch die gezwungenen Menschen: sie verblöden im buchstäblichen Sinn.
Nachdem durchlesen der ganzen Wilhelm Wolff Artikel, insbesondere von"Oberschlesien" http://felix2.2y.net/deutsch/1848/milliarde6.html, hatte damals die dortige Landbevölkerung doch allenfalls den Status von Nutztieren.
War denn für"Wohlstand erzeugen" der Horizont nicht bereits beim niederen Landadel erreicht? Weder der preußische Staat, noch der Landadel, noch preußische Beamte lag irgendetwas am Wohlergehen der Landbevölkerung. Das einzige was interessierte waren die eingetriebenen Steuern und Abgaben, sowie ausreichend Soldaten und billige Arbeitskräfte für Fabriken und Frondienste.
Zur Macht-Theorie kann ich ansonsten im Moment nur staunend Lesen, aber noch nichts gescheites Schreiben:)
Grüße
J.
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dottore
06.12.2003, 14:25
@ Galiani
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Re: Nach der"Prosperität" kommt das Elend - s'war immer so |
-->Hi Galiani,
so weit sind wir nun wirklich nicht mehr auseinander.
>Im Zusammenhang mit der"Machttheorie" ging es mir bei dieser Geschichte um folgendes:
>Erstens: Die"Macht" (als waffenbewehrte Gewalt) ist unfähig, Produktivität, Effizienz und Wohlstand zu erzeugen.
Nein. Zunächst kann sie surplus erzwingen. Beweis: das Phänomen des Tributs, das nicht wegzudiskutieren ist. Die Tributpflichtigen sind zunächst zur Mehrleistung zu zwingen (siehe dazu auch den"rätselhaften" Aufstieg der Sowjetunion mit Hilfe der Genickschusskommissare in den 20er Jahren nach der NEP und dann noch bis in die 30er Jahre hinein, was den ununtebrochenen Pilgerstorm der fellow traveller nach Moskau ausgelöst hat, von Anderson Nexö über Vogeler bis H.G. Wells, die sich von dieser Produktionsmehrung blenden ließen, bis dann die ersten merkten, dass es doch nichts wird, siehe Koestler, siehe Willi Schlamm).
Dann lässt das mit dem Produktions-Plus schnell nach und am Ende steht, was immer bei Zwangssystemen steht: die Verelendung - der"real existierende Sozialismus".
>Infolgedessen ist Zwang auch kontraproduktiv, wenn die Abgabenerlöse maximiert werden sollen.
Die aus den jeweiligen <b<Erzwingungsbereich[/b] erzielbaren Abgaben können zuerst maximiert werden, lassen dann nach, so dass neue Erzwingungsbereiche (Klartext: Besteuerungsbasen) gefunden werden müssen. Das geschieht durch Zession von Machtteilen, z.B. wird Eigentum an Grund und Boden zediert (ergo Grundsteuern aller Art möglich, die es vorher nicht gegeben hatte) oder Eigentum an Menschen (ergo Lohn- und Einkommmensteuern, die es vor dieser Zession logischerweise nicht geben konnte).
Im preußischen Fall:
1. Unfreie Landbewohner, das Abgabenpotenzial erschöpft sich, die Macht kommt in die bekannten Finanzierungsprobleme. Bis Stein-Hardenberg.
2. Befreiung der Grunddienstverpflichteten, die jetzt mit ihrem Eigentum an sich selbst wirtschaften können. Ab Stein-Hardenberg.
3. Durch das jetzt startende"freie" (befreite) Wirtschaften lassen sich die Eigentumstransaktionssteuern steigern (sog."indirekte Steuern"), doch das Finanzierungsproblem der Macht kann nur für bestimmte Zeitdauer vertagt werden. Abgabenquote 1850: ca. 9 %.
4. Sehr wichtig! Die Machthalter müssen jetzt die"freien" Bürger besteuern, um weiterhin im Sattel bleiben zu können: die Lohn und Einkommensteuer tritt auf den Plan. Beginnt Ende des 19. Jh. Warum denn Einkommensteuern, wenn die Macht vorher ohne sie ausgekommen ist? Weil der"Gesellschaftsvertrag" so kompliziert und in der Durchführung so kostspielig geworden war? Sicher nicht. Warum hat sich die Abgabenquote in allen OECD-Staaten seit 1965 von knapp 25 auf über 40 % erhöht? Die EU liegt bei über 45, die 5 highest tax countries bei über 50 %. 1965 jeweils ca. 28 bz. 33 %.
Oder platt: Warum hat sie sich die Erzielung (!) von einer Einheit GDP in 35 Jahren bei allem technischen und produktiven Fortschritt, der an der Staatsmacht ja nicht vorbei gegangen ist (im Finanzamt stehen auch Computer) im Schnitt um 60 (sechzig!) Prozent verteuert?
5. Heute: Diese Besteuerungsbasis ist wiederum erschöpft ("Steuer- und Abgabenlastquote"! - man erinnere sich an Ibn Kaldhoun!) und weder neue Einkunftsquellen in Form von Tributen (Expansionskriege) noch in Form von zusätzlichen Steuerbasen sind möglich - sieht man von letzten Zuckungen, wie Ã-kosteuer, die 20. Tabaksteuererhöhung u.ä. ab. Ähnlich: Versuche über"Exporterlöse" (China) oder"Zuwanderung" noch zusätzlich Abgaben- bzw. Besteuerungs-Basen zu erringen.
6. Abstieg des Zwangssystems, wie immer, und Beginn der allgemeinen Verelendung. Diesmal allerdings einer unerbittlichen, da sich weder durch Zessionen (und deren zwischenzeitliche (!)"positiven" Effekte - siehe Frankreichs"enrichissez-vous!", siehe"Einführung der Marktwirtschaft" usw.) noch sonstwie zusätzliche Machteinkünfte mehr generieren lassen.
7. Zugleich Ende der letzten Zessionsmöglichkeit, nämlich der von Staatseinkünften aufgrund der beschleunigten Staatsverschuldung (= Steuerzession).
Sie heben, völlig zu Recht, auf die prosperierenden Phasen ab, übersehen dabei aber mE, dass sich diese nur nach Zessions-Perioden ergeben haben (Eigentum, siehe oben) und sich automatisch immer wieder erschöpfen, also nur Interludien des ökonomischen Ablaufs sein konnten.
Die heutige Prosperität besteht in Sach- und Geldvermögen. Das Sachvermögen wird immer stärker zur Abgabe herangezogen (siehe administrierte Preise, Diskussion über Erbschaft- und Vermögensteuer usw.). Das Geldvermögen nicht minder (Zinsbesteuerung usw.) und löst sich auf, sobald die Steuertitel, die sich die Vermögenden kaufen konnten (direkt oder indirekt) im Rahmen der Überschuldung der Machtsysteme verflüchtigen - wie sich bisher noch alle dieser Titel in der Geschichte verflüchtigt hatten.
>Wie das Beispiel der Leinenweber zeigt, deformiert Zwangsausübung auch die gezwungenen Menschen: sie verblöden im buchstäblichen Sinn. Ferdinando Galiani sagt in"Della moneta" (dts. Düsseldorf 1999; S. 190):
Das mit dem Verblöden passt bestens auf heute! Die"Leistungsbereitschaft" sinkt permanent ("ich bin doch nicht so blöd und arbeite die Hälfte des Jahres für den Staat!") und die Arbeitslosenzahlen sprechen für sich.
>"Das Aufblühen der Wirtschaft eines Landes ist niemals direkt ein Verdienst der betroffenen Menschen, genausowenig wie diese umgekehrt die Schuld für den Mangel an Arbeit im Wirtschaftsabschwung trifft. Es ist ein unzutreffender Gemeinplatz, daß gewisse Völker lasterhaft, andere untätig und wieder andere bösartig seien. Die Schuld trifft nicht sie. Es liegt nämlich in der Natur der Bürger, daß sie, wenn sie einige Zeit lang vergeblich einer untüchtigen Regierung durch Ungehorsam Widerstand geleistet haben, sich mit Blödheit zu wappnen beginnen. Das ist die letzte Verteidigungslinie eines Volkes, die besonders sicher und uneinnehmbar ist und die Untertanen für die Machthaber ebenso unbrauchbar macht wie bei einer Rebellion; es ist dies eine Verteidigung, die den Fürsten völlig hilflos macht, so als ob er überhaupt keine Untertanen hätte."
>Die Welt ist - bis in die jüngste Geschichte - voll von Beispielen, die das belegen.
Ein wunderbarer Passus! Ersetze bitte"Fürst" durch"modernen Staat". Und"Untertanen" durch"besteuerbare Untertanen". Die Steuereinnahmen, die nur von den Untertanen kommen können, waren schon seit langem im Verfall - denn wozu hätten sonst die Steuersätze permanent erhöht werden müssen, allein der USt-Satz stieg in 30 Jahren um 60 % (gestartet war sie übrigens 1916 mit 0,1 Prozent!). Jetzt, da die Sätze nicht mehr gesteigert werden können, sinken logischerweise die Steuereinnahmen insgesamt.
Die Staatsmacht hat sich mit der letzten"großen Zession" (privates Eigentum an Sachen und Menschen) nur Luft verschafft. Jetzt geht ihr der Schnauf endgültig aus, da sie den"Untertanen" nicht völlige Freiheit (Freiheit von jeglichem Zwang, jeglicher Abgabenlast) gewährt hat bzw. gewähren konnte.
"Frei" kann immer nur staats-, abgaben- und steuerfrei heißen, wovon die Bürger in den"freiheitichen Demokratien" jedoch weit entfernt sind. Wären sie wirklich frei, könnte es keinerlei Besteuerung und schon gar nicht Steuererhöungen geben - denn jeder würde hohnlachend zurückfragen:"Wen will der Staat denn mit seiner Steuererhöhungen treffen? MICH kann er doch wohl nicht meinen, denn ich bin frei..."
>
>Zweitens: Nichts desto trotz gibt die"Macht" niemals freiwillig etwas von ihrer Verfügungskraft ab. Wie sollte sich also unter solchen Zwangsverhältnissen jemals eine Partikular-Macht entwickeln können, die der Ober-Macht Teile ihrer Gewalt abtrotzen könnte?
Freiwillig gibt sie nicht ab, sie muss oder wird dazu gezwungen. Wie hieß es so schön?"Wir sind das Volk!" Dummerweise hat das Volk nur den Herren gewechselt. Der alte hatte abgewirtschaftet, der neue tut's ihm zwangsläufig nach. Herrschaft und Wirtschaft passen nicht zusammen - das kann man noch so geschickt konstruieren wie man will. Es wird - auch in"Demokratien" - so enden wie Galiani schreibt: Die Untertanen, alias die Besteuerungsobjekte, gehen der Herrschaft aus.
>Dies macht die These, daß die"Machthalter" zwecks Optimierung ihrer Einnahmen aus Abgaben Teile ihrer"Macht" zedieren würden, überaus fragwürdig.
Nein, passt schon. In der jetzigen, letzten (!), Zessionsphase (Staatsverschuldung) minimieren sich die Einnahmen, über welche die Machthalter noch verfügen können, automatisch. Die Macht ist in toto (egal, welche noch so demokratisch gewählten Machthalter sie besetzen) am Ende ihres Lateins. Weltweit.
Gruß!
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Jochen
06.12.2003, 14:53
@ dottore
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Re: die russischen Revolutionäre hatten es drauf... |
-->Hallo dottore, galiani @alle anderen
>>Erstens: Die"Macht" (als waffenbewehrte Gewalt) ist unfähig, Produktivität, Effizienz und Wohlstand zu erzeugen.
>Nein. Zunächst kann sie surplus erzwingen. Beweis: das Phänomen des Tributs, das nicht wegzudiskutieren ist. Die Tributpflichtigen sind zunächst zur Mehrleistung zu zwingen (siehe dazu auch den"rätselhaften" Aufstieg der Sowjetunion mit Hilfe der Genickschusskommissare in den 20er Jahren nach der NEP und dann noch bis in die 30er Jahre hinein, was den ununtebrochenen Pilgerstorm der fellow traveller nach Moskau ausgelöst hat, von Anderson Nexö über Vogeler bis H.G. Wells, die sich von dieser Produktionsmehrung blenden ließen, bis dann die ersten merkten, dass es doch nichts wird, siehe Koestler, siehe Willi Schlamm).
>Dann lässt das mit dem Produktions-Plus schnell nach und am Ende steht, was immer bei Zwangssystemen steht: die Verelendung - der"real existierende Sozialismus".
die Geschichte der bolschewistischen Revolution ist mE besonders interessant für die Untersuchung des Machtfänomens - überschaubarer Zeitraum, recht gute Quellenlage, Komplettabfolge mit Aufstieg, Erhalt und Untergang.
Da gibts noch ein schönes Zitat von Karl Radek, das die Sache mE schön ausdrückt (1921):
"Der Bauer war soeben von der Front zurückgekehrt, hatte Land bekommen und seine Waffen behalten. Seine Haltung gegenüber dem Staat war folgendermaßen zusammenzufassen: Wozu ist ein Staat von Nutzen? Er wußte nichts mit ihm anzufangen. Wenn wir eine Naturalsteuer erhoben hätten, wären wir damit nicht durchgekommen. Denn wir verfügten über keinen Staatsapparat mehr, nachdem der alte zerschlagen worden war, und der Bauer hätte uns ohne Zwang nichts gegeben. Zu Beginn des Jahres 1918 war unsere Aufgabe einfach. [b]Wir mußten den Bauern zwei grundlegende Dinge begreiflich machen: Daß der Staat für seine eigenen Bedürfnisse Anspruch hatte auf einen Teil der landwirtschaftlichen Produkte und daß er auch die Kraft besaß, seine Rechte durchzusetzen<(b>.
Gruß
Jochen
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Toni
06.12.2003, 19:24
@ dottore
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Re: Nach der"Prosperität" kommt das Elend - aber erst später |
-->[...]
>5. Heute: Diese Besteuerungsbasis ist wiederum erschöpft ("Steuer- und Abgabenlastquote"! - man erinnere sich an Ibn Kaldhoun!) und weder neue Einkunftsquellen in Form von Tributen (Expansionskriege) noch in Form von zusätzlichen Steuerbasen sind möglich - sieht man von letzten Zuckungen, wie Ã-kosteuer, die 20. Tabaksteuererhöhung u.ä. ab. Ähnlich: Versuche über"Exporterlöse" (China) oder"Zuwanderung" noch zusätzlich Abgaben- bzw. Besteuerungs-Basen zu erringen.
[...]
>Nein, passt schon. In der jetzigen, letzten (!), Zessionsphase (Staatsverschuldung) minimieren sich die Einnahmen, über welche die Machthalter noch verfügen können, automatisch. Die Macht ist in toto (egal, welche noch so demokratisch gewählten Machthalter sie besetzen) am Ende ihres Lateins. Weltweit.
>Gruß!
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Die lassen sich schon noch etwas einfallen, da bin ich ganz optimistisch.
Der"Volkszorn" richtet sich in unseren Breitengraden bisher - nach meinen beschränkten Beobachtungen - keineswegs auf den Staat, sondern erhitzt sich dank den geradezu regelmässigen Skandalmeldungen um Abzockersaläre gegen einzelne, die sich unverschämt schamlos bereichern.
Was nach aktuellen Gesetzen unrechtmässig erworben wurde, kann relativ leicht und ganz legal enteignet bzw vom Staat sich selber zugesprochen werden. Bei den Milliardären und Zentner-Millionären ist das am effizientesten und es kommt einiges zusammen, ohne dass es zu Proskriptionen im römischen Stil kommen muss. Das verschafft erstmal einige Jahre Erleichterung.
Dann noch die Sache mit der Währung - - - würden China oder Japan die USA angreifen, weil ihre"Dollarreserven" nichts mehr wert sind? Nicht so leicht.
Insgesamt scheint mir noch sehr viel Luft drin.
Toni grüsst zurück
und dankt herzlich für die vielen augenöffnenden und lehrreichen Postings
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Toni
06.12.2003, 19:40
@ Toni
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Re: Drei business models für einen Staat |
-->
Conrad Ferdinand Meyer
Die Söhne Haruns
Harun sprach zu seinen Kindern Assur, Assad, Scheherban:
»Söhne, werdet ihr vollenden, was ich kühnen Muts begann?
Seit ich Bagdads Thron bestiegen, bin von Feinden ich umgeben!
Wie befestigt ihr die Herrschaft? Wie verteidigt ihr mein Leben?«
Assur ruft, der feurig schlanke: »Schleunig werb ich dir ein Heer,
Zimmre Masten, webe Segel! Ich bevölkre dir das Meer!
Rosse schul ich. Säbel schmied ich. Ich erbaue dir Kastelle.
Dir gehören Stadt und Wüste! Dir gehorchen Strand und Welle!«
Assad mit der schlauen Miene sinnt und äußert sich bedächtig:
»Sicher schaff ich deinen Schlummer, Sorgen machen übernächtig.
Daß du dich des Lebens freuest, bleibe, Vater, meine Sache!
Ãœber jedem deiner Schritte halten hundert Augen Wache!
Wirte, Kuppler und Barbiere, jedem setz ich einen Sold,
Daß sie alle mir berichten, wer dich liebt und wer dir grollt.«
Harun lächelt. Zu dem Jüngsten, seinem Liebling, sagt er: »Ruhst du?
Wie beschämst du deine Brüder? Zarter Scheherban, was tust du?«
»Vater«, redet jetzt der Jüngste, keusch errötend, »es ist gut,
Daß ein Tropfen rinne nieder warm ins Volk aus deinem Blut!
Über ungezählte Lose bist allmächtig du auf Erden,
Das ist Raub an deinen Brüdern - und du wirst gerichtet werden!
Dein erhaben Los zu sühnen, das sich türmt den Blitzen zu,
Laß mich in des Lebens dunkle Tiefe niedertauchen du!
Such mich nicht! Ich ging verloren! Sende weder Kleid noch Spende!
Wie der Ärmste will ich leben von der Arbeit meiner Hände!
Mit dem Hammer, mit der Kelle laß mich, Herr, ein Maurer sein!
Selber maur ich mich in deines Glückes Grund und Boden ein!
Jedem Hause wird ein Zauber, daß es unzerstörlich dauert,
Etwas Liebes und Lebend'ges in den Grundstein eingemauert!
Hörest du die Straße rauschen unter deinem Marmorschloß?
Morgen bin ich dieser Menge namenloser Tischgenoß-
Blickst du nieder auf die vielen Unbekannten, die dir dienen,
Einer segnet dich vom Morgen bis zum Abend unter ihnen!«
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JoBar
06.12.2003, 20:31
@ Toni
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Re: Elend - aber erst später... Wenn nun China für die |
-->>Dann noch die Sache mit der Währung - - - würden China oder Japan die USA angreifen, weil ihre"Dollarreserven" nichts mehr wert sind? Nicht so leicht.
>Insgesamt scheint mir noch sehr viel Luft drin.
derzeit ca. 300 Mia grünes Konfetti anfängt Ã-l und andere Rohstoffe zu kaufen ( bevor es gänzlich wertlos wird )?
Dann steigen ja die Rohstoff-Preise, auch und vor allem für die USA. Ist das dann ein Angriff?:))
Und würden es die NeoCons wagen China anzugreifen???
Grüße
J.
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Toni
06.12.2003, 21:07
@ JoBar
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Re: Elend - aber erst später... Wenn nun China... Genial, JoBar:-) |
-->>>Dann noch die Sache mit der Währung - - - würden China oder Japan die USA angreifen, weil ihre"Dollarreserven" nichts mehr wert sind? Nicht so leicht.
>>Insgesamt scheint mir noch sehr viel Luft drin.
>derzeit ca. 300 Mia grünes Konfetti anfängt Ã-l und andere Rohstoffe zu kaufen ( bevor es gänzlich wertlos wird )?
>Dann steigen ja die Rohstoff-Preise, auch und vor allem für die USA. Ist das dann ein Angriff?:))
>Und würden es die NeoCons wagen China anzugreifen???
>Grüße
>J.
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JLL
07.12.2003, 00:14
@ dottore
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Re: Die Macht oder die Mächte? |
-->>Die Macht ist in toto (egal, welche noch so demokratisch gewählten Machthalter sie besetzen) am Ende ihres Lateins. Weltweit.
Ich komme über diesen Punkt einfach nicht hinweg. Ist"die Macht" tatsächlich weltweit synchron in der gleichen Situation? Kann es nicht auch heute noch Mächte in ganz unterschiedlichen Lebensphasen geben? Die neugeborene Macht, die in den Flegeljahren, die reife, überreife und schließlich die sterbende? Wo es Siegermächte gab, gab es auch Verlierermächte - schon klar, dass wir im Zweifelsfalle immer bei letzteren waren. Ab heute nur noch Verlierermächte?
Die Geschichte scheint doch nahezulegen, dass es"die Macht" nicht gibt, sondern immer"Mächte", selbst"Weltreiche" beherrschten doch seltenst die ganze Welt, allenfalls größere Teile der bekannten Welt und dies auch nicht dauerhaft, sondern nur temporär. An manch mächtigen Zwingherrn von einst erinnern sich heute allenfalls die Historiker. Mächte sind also vorübergehende Erscheinungen, die nach ihrer Blütezeit auch wieder verfallen und dann mehr oder weniger sang- und klanglos verschwinden können. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer, manche Mächte beißen wohl wild um sich, wenn sie sterben, andere werden einfach überrannt, etc.
So unterschiedlich die Todesarten von Mächten sind, so scheint mir das Wesentliche zu sein, dass man sich tunlichst dem Einflußbereich sterbender Mächte entziehen sollte. Diese Möglichkeit ist aber im Moment unter unserer sterbenden Macht noch gegeben. Wir sind keine Sklaven, die sich gottergeben in ihr Schicksal fügen müssen. Der Nutzen der"Machtfragen" ist für mich, den Blick dafür zu schärfen, welche Macht in den Todeskampf übergeht. Denn eines dürfte sich aus der Geschichte auch bestätigen lassen: Durch die Jahrtausende sind viele Mächte von der Geschichte mitsamt ihren mächtigen Apparaten und ihren tollen GZs praktisch rückstandslos entsorgt worden, die Erde hat sich aber trotzdem weitergedreht und die Territorien dieser untergegangenen Mächte sind auch nicht dauerhaft zu"verbrannter Erde" geworden. Nebenbei hat auch Gold die meisten Mächte und ihre GZs überdauert und sich schon oft als Hintertür aus deren Systemen erwiesen.
Schönes Wochenende
JLL
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