-->Mehr Profil für Europas Juden
Gisela Blau
Stuart Eizenstat nimmt wie jedes Jahr am World Economic Forum (WEF) in Davos teil. Gisela Blau sprach mit ihm über Holocaust-Gelder, die US-Präsidentschftswahlen und Kompensation für die Palästinenser.
tachles: Sie gehören in Davos zu den Stammgästen des World Economic Forum …
Stuart Eizenstat: …Ja, schon seit sieben oder acht Jahren. Ich gehöre zur Programmkommission des WEF und nehme häufig an Podiumsgesprächen teil oder leite sie. Dieses Jahr zwei am Donnerstag. Beim ersten geht es um transatlantische Beziehungen und das zweite, das ich leite, heisst «Corporate Accountability and Liability», behandelt also die Verantwortlichkeit, bei der Unternehmen und Unternehmer behaftet werden können und müssen.
tachles: Auch Israel ist stets prominent vertreten.
Stuart Eizenstat: Für mich ist sehr wichtig, dass Klaus Schwab immer offen für die Teilnahme Israels war. Für mich ist es jedes Jahr das Highlight des WEF, wenn die israelische Delegation, die stets eine der grössten ist, am Freitagabend zum Schabbat-Dinner einlädt und ich, was seit einigen Jahren zur Tradition geworden ist, den Wochenabschnitt lese.
tachles: Und doch gibt es so viele Kritiker.
Stuart Eizenstat: Die Globalisierungsgegner halten ein alternatives Treffen ab, es gibt Demonstrationen... Aber gäbe es das WEF nicht, müsste es erfunden werden. Hier kann man in wenigen Tagen mehr Geschäftsabschlüsse tätigen als sonst während Monaten intensiven Reisens. Auch für Politiker ist das WEF einmalig. Als ich noch für die Regierung arbeitete, war Davos immer der grossartige Ort, an dem ich rund 15 bilaterale Besprechungen durchführen konnte. Ohne das WEF hätten diese viele Monate des Organisierens und Reisens gekostet.
tachles: Genau das interessiert die Kritiker nicht, ganz im Gegenteil.
Stuart Eizenstat: Das WEF ist schon viel offener, transparenter und sozial interessierter als früher. Gewerkschaften nehmen teil, Klaus Schwab lädt auch die Nicht-Regierungs-Organisationen ein, es ist keine Dunkelkammer. Zunehmend gibt es auch Interesse an Corporate Governance (Regeln für Unternehmensleitung und -überwachung, Anm. d.Red.), sozialer Veranwortung, Armut - Leute wie Bill Gates berichten über ihre Aids-Initiativen, es ist kein «Club weisser Männer», das WEF kommt seinen Kritikern ja entgegen.
tachles: Sollten die versammelten Führer der Weltpolitik und Weltwirtschaft nicht endlich Schlussfolgerungen und Rezepte formulieren?
Stuart Eizenstat: Das ist eine gute Frage. Zunehmend geben die einzelnen Seminare Empfehlungen ab. Diese richten sich an die Plenarversammlung, und es wird ein Buch darüber publiziert. Die Tendenz bewegt sich in diese Richtung.
tachles: Letztes Jahr gab es eine Drohung, Sie bei der Einreise zu verhaften und zu befragen, weil der Umschlag Ihres Buches «Imperfect Justice» ein Hakenkreuz über dem Schweizerkreuz zeigte.
Stuart Eizenstat: Aber die Klage ist abgewiesen worden, weil ich nicht für den Umschlag verantwortlich war.
tachles: War Ihr Buch ausserhalb der Schweiz ein Erfolg?
Stuart Eizenstat: Es wurde auch in der Schweiz gut aufgenommen, zumindest von jenen Leuten, die es gelesen hatten! Die deutsche Übersetzung gibt es schon seit einiger Zeit, und seit zwei Wochen gibt es das Buch auch auf Französisch. In Vorbereitung sind Ausgaben auf Tschechisch, Russisch und Hebräisch. Ein Paperback auf Englisch erscheint im Juni.
tachles: Die unveränderte Version?
Stuart Eizenstat: Ich habe vor meinem Abflug dem Verlag den Epilog geschickt. Er behandelt drei Themen: Erstens: Was geschah mit unseren Abkommen? Zweitens: Was geschah mit den Anliegen, die wegen unserer Arbeit entstanden, beispielsweise die Initiativen zugunsten koreanischer «Komfortfrauen», amerikanischer Kriegsgefangener, Opfer südafrikanischer Apartheid und so fort. Drittens das dornenvolle Thema des Antisemitismus in Europa. Ich befasse mich damit, weil zu hoffen war, dass die Aufarbeitungen, die ich bewerkstelligen half, ein Gefühl des Abschlusses von Holocaust-Restitution mit sich bringen und die Toleranz erhöhen würden. Stattdessen sehen sich Länder wie Belgien, Frankreich und die Niederlande mit signifikantem Auftreten von Antisemitismus konfrontiert.
tachles: Die zweite Intifada im Nahen Osten trug ihren Teil dazu bei.
Stuart Eizenstat: Ein Punkt, den ich im Epilog zur Taschenbuchausgabe zu diesem Thema einbringe, betrifft zwei Erscheinungen in Europa, die in den letzten knapp zwei Jahren, seit meine Arbeit beendet ist, aufgetreten sind. Die erste ist eine Art Import der Intifada und die radikale Opposition gegen die israelische Präsenz in den Gebieten in die moslemische Bevölkerung Europas, jetzt 15 Millionen stark, in Frankreich macht sie zehn Prozent der Gesamtbevölkerung aus, fünf bis zehn Prozent in Belgien. Einige Segmente, nicht alle, der in Europa vorhandenen muslimischen Bevölkerung wurden dadurch radikalisiert. Zweitens: Europäische Regierungen wurden dadurch überrannt. Einerseits ist das nicht länger ein ausländisches Problem, sondern ein inländisches, wegen ihrer sehr lautstarken muslimischen Bevölkerung, die nur schwer zu integrieren und assimilieren ist.
tachles: Was ist dagegen zu tun?
Stuart Eizenstat: Ich sage in meinem Epilog, dass die europäischen Juden heute dort stehen, wo die amerikanischen Juden in den vierziger bis sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts standen: am Rande als politische Zuschauer. Erst in den späten Sechzigern und Anfang der siebziger Jahre organisierte sich die jüdische Gemeinschaft Amerikas politisch, engagierte sich stärker. Das ist der totale Gegensatz zu den europäischen Juden, die es immer vorgezogen haben, ein niedriges Profil zu zeigen, sich nicht politisch zu engagieren, den Kopf einzuziehen.
tachles:Weshalb ist dies der Fall?
Stuart Eizenstat: Teils wegen des Zweiten Weltkriegs, teils wegen ihrer kleinen Zahl, teils wegen ihrer traditionellen Ergebenheit gegenüber Regierungen. Aber ich denke, dass sich die europäische Judenheit stärker und lauter engagieren muss, denn die muslimische Bevölkerung tut dies bereits und wird zu einer politischen Kraft. Europas Juden werden ihre geringe Zahl mit unternehmerischen Aktivitäten und Energie wettmachen müssen.
tachles: Eine solche Umstellung werden sie nicht ganz einfach finden …
Stuart Eizenstat:e birgt auch ein Risiko, selbst in den USA. Wenn Juden ihre Köpfe erheben, sichtbar und aktiv werden, bringt das gewisse Gefahren mit sich, aber mehr Engagement ist das Risiko wert.
tachles: Lautet so Ihr Rezept für die europäischen jüdischen Gemeinschaften?
Stuart Eizenstat: Die Anliegen müssen sorgfältig ausgewählt werden. Aber die jüdische Bevölkerung Europas muss sich Gehör verschaffen, wie dies die muslimische Bevölkerung zunehmend tut.
tachles: Wie beurteilen Sie das Verhalten der jüdischen Gemeinschaft der Schweiz während der schwierigen Jahre der Schoah-Debatte in den Neunzigern?
Stuart Eizenstat: Zuerst muss ich sagen, dass die Schweiz seit der Bankenkrise einen weiten Weg zurückgelegt hat. Die schweizerische Regierung war zwar die einzige, mit der ich zu tun hatte, die nicht selber an den Verhandlungen teilnehmen und nichts bezahlen wollte und sich aus allem heraushielt. Dennoch hatte das Drama positive Resultate. Vor allem führte es zur Synthese der Bergier-Kommission nach fünf Jahren und zu ihren bemerkenswerten Berichten, die Teil des regulären Curriculums sein sollten. Auch das Bankensystem ist trotz seines Festhaltens am traditionellen Bankgeheimnis in seinen internationalen Beziehungen viel kooperativer geworden, vor allem bei Geldwäscherei und Terroristenguthaben. Und erst vor drei Wochen ist die Amnestierung von Leuten, die während des Kriegs Juden geholfen haben, möglich geworden, auch das ist eine Folge der Krise. Manchmal erwachsen aus Dramen gute Resultate. Die Schweiz ist ein Beispiel, denn sie ist jetzt ein besseres, stärkeres, toleranteres Land als vorher. Ich denke, dass indirekt auch die Zustimmung zum Uno-Beitritt aus der Krise erwuchs. Wegen ihrer Inselexistenz war die Schweiz während der Neunziger, als die Krise über sie hereinbrach, nicht gewöhnt an die rauen Sitten internationaler Politik. Das führte zu ihrer langsamen Reaktion.
tachles: Und die jüdische Bevölkerung der Schweiz?
Stuart Eizenstat: Keine Frage, dass diese Situation für sie eine extrem traumatische Erfahrung war, denn internationale jüdische Organisationen wie der Jüdische Weltkongress attackierten aggressiv ihre Regierung und brachten sie in eine schwierige Lage. Ich bin sicher, dass sie mehr als glücklich war, als das Thema abgeschlossen war. Ich hoffe, dass dies für die gesamte europäisch-jüdische Bevölkerung nicht bedeutet, dass sie sich jetzt zurückzieht, in Deckung geht, sondern daran glaubt, dass sie sich am politischen Prozess beteiligen muss.
tachles: Hätten die Schweizer Juden damals mehr Profil zeigen sollen?
Stuart Eizenstat: Nein. Wäre ich allerdings an der Spitze der jüdischen Gemeinschaft oder einer jüdischen Organisation gestanden, hätte ich versucht, in der Stille als Friedensstifter zu wirken, wie dies Hans Bär tat, den Ton des Jüdischen Weltkongresses herabzuschrauben, aber gleichzeitig wäre ich ebenso still bei der Regierung vorstellig geworden, um zu erklären, dass es wichtig sei, die Probleme des Zweiten Weltkriegs und der Banken zu lösen und dass jedes Land damit zu Rande kommen müsse. Es war eine Zeit für stille Diplomatie, aber ich hatte den Eindruck, dass auch dies nicht geschah. Rolf Bloch war jedoch ein guter Vermittler.
tachles: Warum hat der Jüdische Weltkongress alle europäischen Staaten wegen ihrer Weltkriegssünden attackiert, niemals aber Israel wegen seiner Millionen auf nachrichtenlosen Konten und wegen der erbenlosen Grundstück?
Stuart Eizenstat: Ich erwähne dies in meinem Buch. Es gibt jetzt eine Kommission, und es wird getan. Wir haben jetzt die gleiche Situation in den USA wegen der jüdischen Wertsachen, die von der amerikanischen Armee am Ende des Kriegs behalten und niemals den jüdischen Gemeinschaften zurückgegeben wurden. Sie dekorierten damit Nachkriegswohnungen. Auch wenn wir nicht juristische Verantwortung trugen, so gab es für Amerika eine moralische Verantwortung. Die USA zeigten mit dem Finger auf europäische Staaten, jetzt sind sie selber an der Reihe.
tachles: Wie denken Sie heute über Ihre Aussage in Ihrem ersten Bericht, dass die Schweiz den Krieg verlängert hat?
Stuart Eizenstat: Das habe ich so nicht gesagt. Ich sagte sehr deutlich, dass alle neutralen Staaten zusammen, also die Schweiz, Portugal, Spanien, die Türkei, Schweden die deutschen Kriegsanstrengungen stärkten und aufrecht erhielten. Ich sagte nie, dass die Schweiz allein es tat. Es waren die Rohstoffe der anderen Neutralen, zusammen mit den finanziellen Aktivitäten der schweizerischen Nationalbank. Das steht sehr klar in der Zusammenfassung meines Berichts.
tachles: Und Sie stehen nach wie vor dazu?
Stuart Eizenstat: Ja, ich hatte immer diesen Eindruck. Aber nur die Schweiz bezog es auf sich allein. Kein anderes Land tat dies.
tachles: Sie sprachen sich schon sehr früh, 1997, dagegen aus, Schuld von damals und Drohungen gegen Firmen von heute zu koppeln.
Stuart Eizenstat: Ich engagierte mich sehr stark gegen einen Boykott der Schweiz, und ich bekämpfte erfolgreich die Versuche von Sammelklagen-Anwälten und des Jüdischen Weltkongresses, die Fusion der Schweizerischen Bankgesellschaft und des Bankvereins zu blockieren.
tachles: Der Vergleich der Grossbanken und der jüdischen Organisationen und die Zahlung von 1,25 Milliarden Dollar erfolgte 1998. Doch bis heute, fünfeinhalb Jahre später, ist erst ein Teil des Geldes an Überlebende ausbezahlt worden.
Stuart Eizenstat: Mehr als die Hälfte ist bisher ausbezahlt worden. Aber von den 800 Millionen Dollar, die für die Begleichung von nachrichtenlosen Bankkonten ausgeschieden wurden, sind erst 130 Millionen bezahlt worden. Das hat verschiedene Gründe. Erstens dauerte es mehrere Jahre, um Vergleiche in den Rekursen von dissidenten Sammelklagen-Anwälten, die unseren Vergleich nicht unterschreiben wollten, zu erreichen. Zweitens hat im Oktober 2003 Judah Gribetz, der Special Master von Richter Korman, in einem Bericht festgestellt, dass die Schweizer Banken nicht voll kooperierten.
tachles: In welcher Hinsicht?
Stuart Eizenstat: Paul Volcker, Chef des Banken-Audits, wollte, dass 54 000 als Holocaust-Guthaben ausgeschiedene Konten publiziert werden sollten. Als die Banken dies ablehnten, wurde diese Zahl auf 36 000 reduziert. Davon wurden 21 000 als «wahrscheinlich» bezeichnet, 15 000 als «möglich». Die Banken verpflichteten sich zur Veröffentlichung beider Listen, aber nur die
21 000 wurden publiziert, die 15 000 nicht. Volcker hatte auch gefordert, dass eine gemeinsame Datenbank für die vier Millionen damals existierenden Konti erstellt werden solle, um die Nachforschungen zu erleichtern. Das wurde nicht erfüllt. Aber zu ihrer Ehre sei gesagt, dass kürzlich die UBS und auch die CS eingewilligt haben, eine Datenbank mit zwei Millionen Konti zu errichten. Spät, aber doch.
tachles: Und die restlichen 625 Millionen Dollar?
Stuart Eizenstat: Fast 600 Millionen wurden ausbezahlt, an Sklavenarbeiter in Schweizer Firmen, Flüchtlinge und andere. Richter Kormans Ziel ist es, am
1. April ein Hearing durchzuführen, um auch die Bankkonti-Fragen zu Ende zu bringen.
tachles: Was geschieht mit dem vermutlich vielen Geld, für das sich niemand meldet?
Stuart Eizenstat: Diese Frage ist mir sehr wichtig. Sie liegt nicht in der Verantwortung der Schweizer Banken, jüdischer Gruppen oder des Richters: Der grössere Teil des Geldes, das für Besitzer von Bankkonti bestimmt ist, wird wohl nie ausbezahlt werden können. 200, 300, 400 Millionen, das weiss noch niemand. Sogar wenn alle Namen veröffentlicht würden, besteht die Möglichkeit, dass sich viele nicht melden, weil die Familien ausgelöscht wurden, dass deshalb keine Kinder, keine Enkel da sind. Die grosse Frage wird dann sein, was mit diesen Millionen geschieht, wem sie zugesprochen werden sollen.
tachles: Was schlagen Sie vor?
Stuart Eizenstat: Die Entscheidung liegt beim Richter. Aber meiner Meinung nach sollte dieses Geld den bedürftigsten Überlebenden in aller Welt zugute kommen. Ich denke auch, dass es eine weitere Gruppe gibt, die Geld erhalten müsste: Eine riesige Zahl deutscher Sklavenarbeiter, die zwischen die Raster aller Klassen fielen und nichts von der deutschen Stiftung bekommen konnten. Es gibt eine Menge Gründe dafür. Aber dies wird für Richter Korman eine sehr schwierige Entscheidung werden. Ich sandte ihm einen zehnseitigen Brief, in dem ich ihm meine eigenen Ideen darlegte.
tachles: Israel lobbyiert dafür, alles übrig bleibende Geld zu erhalten. Befürworten Sie dies?
Stuart Eizenstat: Ich befürworte, die vielen übrig bleibenden Millionen an die bedürftigsten Überlebenden zu verteilen, wo immer sie auch sind, in Israel, in Europa, in den USA.
tachles: Denken Sie ausschliesslich an jüdische Überlebende?
Stuart Eizenstat: Grundsätzlich schon, ja. Es gibt auch nicht jüdische Überlebende, die berücksichtigt werden sollten, wie die Zeugen Jehovas etc.
tachles: Was denken Sie über die «Genfer Initiative»?
Stuart Eizenstat: Es ist sehr ungewöhnlich, dass Bürger versuchen, ein Friedensabkommen mit der anderen Seite zu schliessen. Aber die Situation in Israel ist so schrecklich, der Stillstand ist so schwerwiegend, dass es Wert hat zu zeigen, dass es eine Alternative gibt. Das heisst nicht, dass ich jeden Punkt gutheisse. Ich denke, dass die Initiative gut war, um zu zeigen, dass es Palästinenser gibt, die Israel akzeptieren wollen. Sie wurde von ihren Befürwortern zu hoch gehängt, weil etliche Themen nicht geklärt wurden, inklusive das Ende des Anspruchs des Rechts auf Rückkehr. Aber die Initiative war nützlich, um den Israeli und anderen zu zeigen, dass es einige Palästinenser gibt, die sich mit Israel einigen wollen.
tachles: Das Recht auf Rückkehr, sagen seit Jahren israelische Geisteswissenschaftler, könnte durch Kompensation gelöst werden.
Stuart Eizenstat: Eine der Lehren aus unserer Arbeit ist genau dies! Es kann sich nicht um Grundstückrückgabe handeln, aber um Kompensation. Es wäre gegen den jüdischen Charakter des Staates, Palästinensern zu erlauben, ihre Häuser und Wohnungen zurückzuverlangen. Aber Kompensation an einen internationalen Donatorenfonds. Clinton hatte dies Arafat in Camp David angeboten.
tachles: Waren Sie dort?
Stuart Eizenstat: Ich war nicht dort, aber ich empfahl dieses Vorgehen Madeleine Albright, die dort war, und sie rief mich an, um mich zu fragen, wie sie damit umgehen solle.
tachles: Haben Sie sich für einen der demokratischen Präsidentschaftskandidaten gegen Präsident Bush entschieden?
Stuart Eizenstat: Ich hatte die Ehre, mit mehreren von ihnen zusammenzuarbeiten, am engsten mit Wesley Clark und mit Joe Lieberman.
tachles: Wem werden Sie im November Ihre Stimme geben?
Stuart Eizenstat: Dem mit den besten Aussichten … Der Kandidat, der meinen eigenen politischen Ideen am nächsten kommt, ist Joe Lieberman.
tachles: Hat er eine Chance, auch wenn er Jude ist?
Stuart Eizenstat: Ja. Er hat durchaus eine Chance.
tachles Jüdisches Wochenmagazin
Stuart Eizenstat Die «Genfer-Initiative» zeigt eine Alternative auf
Für Israels Wissenschaft
Stuart Eizenstat ist Präsident des internationalen Vorstands des Weizmann Institute of Science in Israel und berief eine Sitzung in Zürich ein. «Ich reise ohnehin sehr viel», sagte er zu tachles. «So besuche ich nach Möglichkeit die Komitees in den Ländern, die ich aufsuche. Wir lancieren demnächst eine neue Kampagne, die 600 Millionen Dollar einbringen soll, und die Schweiz mit René Braginsky wird hier eine führende Rolle spielen. Im März wird David Sieff in London die Kampagne starten.»
Eizenstat erläutert einleuchtend, weshalb er sich so stark mit dem Weizmann-Institut beschäftigt: «Ich sehe Israels wichtigsten Beitrag zur Weltwirtschaft in seinen intellektuellen und technologischen Fähigkeiten und in der Möglichkeit, die eigenen Leute auszubilden.» Der menschliche «Rohstoff», sagt Eizenstat, sei in einem kleinen Land ohne Bodenschätze und mit nur sechs Millionen Einwohnern am wichtigsten. Ein Argument, das auch der Schweizer Bevölkerung wörtlich sehr vertraut ist. [GB]
Ausgezeichnete Karriere
Stuart Eizenstat ist seit dem Amtsantritt von Präsident George W. Bush wieder ein international tätiger Wirtschaftsanwalt bei der Kanzlei Covington & Burling in Washington. Während 15 Jahren gestaltete er ein Stück Weltpolitik mit. So versah der 1943 in Chicago Geborene eine Anzahl Schlüsselpositionen in verschiedenen US-Regierungen. In North Carolina hatte er mit Auszeichnung Politikwissenschaft studiert. Schon als Student hatte er für verschiedene demokratische Politiker gearbeitet. 1967 promovierte er als Jurist in Harvard; von 1977 bis 1981 war er Präsident Jimmy Carters Chefberater für Innenpolitik und Direktor von dessen politischem Beraterstab im Weissen Haus. Bei Bill Clinton amtierte Eizenstat als Vizefinanzminister, Vizestaatssekretär für Wirtschaft, Handel und Landwirtschaft und Vizeaussenhandelsminister. 1993 bis 1996 vertrat er die USA als Botschafter bei der EU und entwickelte wichtige Abkommen in den wirtschaftlichen Beziehungen der USA mit Europa. Er beschäftigte sich auch mit dem Kyoto-Protokoll und mit Problemen der Geldwäscherei. Als persönlicher Vertreter von Präsident Clinton und Aussenministerin Albright nahm sich Eizenstat tatkräftig des Dossiers Holocaust an und war verantwortlich für wichtige Abkommen mit der Schweiz, Deutschland, Ã-sterreich und Frankreich, die ihm heute noch am Herzen liegen. Über diese Tätigkeit, die er «unvollkommene Gerechtigkeit» in Sachen geraubtes Eigentum, Sklaven- und Zwangsarbeit nannte, hat er ein Buch veröffentlicht, das in einschlägigen Kreisen in der Schweiz prompt unter Beschuss geriet, in wichtigen Publikationen jedoch hoch gelobt wurde. Die israelische Regierung verlieh Stuart Eizenstat eine hohe Auszeichnung für seinen Mut und sein Gewissen; er erhielt das grosse deutsche Bundesverdienstkreuz und die Rosette der französischen Ehrenlegion. Er war und ist in hohen Positionen in jüdischen Organisationen tätig. Stuart und Frances Eizenstat haben zwei Söhne, Jay und Brian, und vier Enkelkinder. [GB]
<ul> ~ www.juedische.at</ul>
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