Langlume
29.01.2004, 14:56 |
Am Anfang der Einheit stand eine Lüge Thread gesperrt |
-->DIE ZEIT
vom 29.01.2004
Deutschland
Am Anfang der Einheit stand eine Lüge
Wie die Regierung Kohl aus Eigennutz die Enteignungen in Ostdeutschland legitimierte und die Verfassung verbog
Von Michael Naumann
Am Anfang der glücklichen Wiedervereinigung stand ein Verfassungsbruch, die zweite Enteignung der Opfer sowjetischer Konfiskationen zwischen 1945 und 1949. Er wurde legitimiert von zwei Urteilen des höchsten deutschen Gerichts. Vorbereitet hatten ihn deutsche Spitzenbeamte, in Kauf genommen und befördert wurde er von ost- und westdeutschen Politikern, unter ihnen Lothar de Maizière, Wolfgang Schäuble, Klaus Kinkel, Hans- Dietrich Genscher und zuletzt (oder zuerst) von Helmut Kohl und seinen Helfern im Kanzleramt. Der Bundestag hat den Verfassungsbruch 1990 im Einigungsvertrag sanktioniert.
In den kommenden Wochen und Monaten wird der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein erstaunliches historisches Geflecht von politischen und juristischen Irreführungen entwirren. Es geht um die entschädigungslose Enteignung von 13699 Betrieben und Gütern mit 3,3 Millionen Hektar agrarischen und industriellen Nutzflächen, von Fabriken, Handwerksbetrieben, Guts- und Handelshäusern samt Inventar im Wert von circa 200 Milliarden Euro durch die sowjetische Militäradministration und durch Behörden der sowjetischen Besatzungszone.
Die Bundesregierung und die Länder haben sie 1990 nachträglich legitimiert und damit Teile der Staatsbeute zum zweiten Mal kassiert. „Die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage sind nicht mehr rückgängig zu machen“, heißt es im Einigungsvertrag und - als gälte es, das schlechte Gewissen zweifelnder Bonner Parlamentarier zu beruhigen - fast wortgleich in einer nachgelieferten Ergänzung im Grundgesetz (Artikel 143).
Mit dem Vorwurf, damit gegen die Grundrechte verstoßen zu haben, wird die Bundesregierung (zum dritten Mal) von den betrogenen Eigentümern und ihren Erben verklagt, diesmal in Straßburg.
Die so genannte Bodenreform in Ostdeutschland („Junkerland in Bauernhand“) war einhergegangen mit Plünderungen, Verhaftungen und auch mit Einweisungen in die Konzentrationslager Sachsenhausen und Buchenwald. Die Sowjets betrieben die KZs nach 1945 weiter. Jene „Reform“ traf alle Bauern und Großgrundbesitzer mit einem Eigentum von mehr als 100 Hektar, aber auch 4278 Landwirte mit kleineren Flächen. Der gesamte agrarische und industrielle Mittelstand (und nicht nur der Großgrundbesitz) Ostdeutschlands wurde nach leninistischem Vorbild eliminiert. Etwa ein Drittel der Felder, Wiesen und Wälder verteilten die Sieger und ihre KPD-Helfer in Parzellen bis zu 15 Hektar an Vertriebene und Landarbeiter. Drei Jahre später verschwanden auch diese im Pachtbesitz der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften.
Der Arbeiter- und Bauernstaat hatte in den fünfziger Jahren keine eigenständigen Bauern mehr. Der Entrechtung der Arbeiter - der zweiten nach 1933 - wandte er sich kurz darauf zu. Erst einmal wollte er sich, ganz marxistisch-leninistisch, alle Produktionsmittel aneignen - zumindest jene, die der große Bruderstaat nicht abtransportiert hatte. Die ostdeutschen Äcker konnten die Sieger nicht mitnehmen.
Fünfzig Jahre später stellten die „Neubauern“ der „Bodenreform“ fest, dass ihre Eigentumsrechte in einem Nachfolgegesetz zum Einigungsvertrag missachtet wurden. Sie klagten. Vorige Woche hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass entschädigungslose Enteignungen jener rund 70000 „Neubauern“, denen die Kleinparzellen nach 1949 zugefallen waren, gegen die Menschenrechtskonvention verstößt. Auf Bund und Länder kommen Ausgleichszahlungen in Höhe von einer Milliarde Euro zu.
Was russisches Recht war, soll deutsches Recht bleiben
Aber das ist nur der Anfang. Denn vom Donnerstag an verhandelt dasselbe Gericht mehrere Klagen der von den Sowjets vertriebenen Alteigentümer gegen die Bundesregierung.
Ihre Chancen zu gewinnen stehen gut. Denn wenn das Grundrecht auf Eigentum oder auf angemessene Entschädigung für die „Neubauern“ gilt, dann erst recht für jene Bürger, die bis 1949 erbarmungslos binnen weniger Tage von ihrem Eigentum verjagt worden waren, als gälte es, dem historisch abgestorbenen Feudalismus im 20. Jahrhundert den verspäteten Garaus zu machen. Die wenigsten dieser Bauern oder Fabrikanten waren Abkömmlinge von „Junkern“, jenen Karikaturen marxistischer Geschichtsschreibung, die Walter Ulbrichts KPD zu befrackten „Steigbügelhaltern des Faschismus“ ernannt hatte.
Die Regierungen Kohl und de Maizière haben diesen totalitären Akt im Geiste der kommunistischen Kulakenverfolgung im Einigungsvertrag für unumkehrbar und rechtens erklärt. Die Volkskammer befürchtete eine „Landnahme“ durch Westdeutsche. Der größte Teil der Immobilien lag allerdings nicht im Privat-, sondern im Staatsbesitz („Volkseigentum“) der DDR. Nun gehört er den neuen Ländern und dem Bund.
Das Bundesverfassungsgericht stimmte der zweiten Verstaatlichung in zwei Urteilen zu. Ein 1994 nachgeschobenes, handwerklich monströses Gesetz sieht eine „Ausgleichsleistung“ für Opfer der „Bodenreform“ von maximal fünf Prozent des Vermögenswerts vor, abzüglich bereits geleisteter Lastenausgleichszahlungen. Die Regierungsgeste voller Einschränkungen resultierte bisher im blanken Nichts.
Verhandlungsgegenstand in Straßburg ist von dieser Woche an die historische Verwässerung des Grundrechts auf Eigentum. Die Kläger verlangen zumindest angemessene Entschädigung, wo Restitution nicht mehr möglich ist (zum Beispiel, weil die „Neubauern“ oder ihre Erben Rechtsansprüche geltend machen können).
Politisch gesehen, geht es jedoch um einen einmaligen Skandal: Hand in Hand mit der Volkskammer und dem Bundesverfassungsgericht unter der Präsidentschaft Roman Herzogs hat die Bundesregierung den Bundestag und die Altbesitzer im Jahre 1990 hinters Licht geführt. Es hagelte Lügen von höchster Stelle.
Die größte Lüge: Die Sowjetunion habe die Wiedervereinigung abhängig gemacht von der Unwiderruflichkeit hoheitlicher Akte bis 1949 in ihrer Besatzungszone, kommunistisch legitimierte Landnahme inklusive. Mit diesem Argument wurden über 100 Zweifler im Bonner Parlament ruhig gestellt - und das Bundesverfassungsgericht folgte ihm ein Jahr später. Die Enteignungen, so sein Hauptargument, seien rechtskräftig, „weil die Bundesregierung auf diese Bedingungen eingehen musste, um die Einheit Deutschlands zu erreichen“. Zeugen für diese Behauptung, zum Beispiel Wolfgang Schäuble und Hans-Dietrich Genscher, wurden nicht geladen.
Das durch und durch politische Urteil Karlsruhes kann im Nachhinein nicht verwundern. Wie erst später bekannt wurde, hatte Roman Herzog - damals noch Präsident des Bundesverfassungsgerichts - die ostdeutsche Regierung de Maizière im Sommer 1990, aber wahrscheinlich auch den Vertragsunterhändler Schäuble im Vorfeld des Einigungsvertrags beraten - Gewaltentrennung hin oder her.
Das zentrale Argument der Regierung Kohl und des Verfassungsgerichts, die sowjetische Regierung hätte die deutsche Einheit torpediert, wären die Konfiskationen nebst Bodenreform rückgängig gemacht worden, ist jedoch historisch völlig haltlos.
In Wirklichkeit hatte die sowjetische Regierung in einem Aide-mémoire lediglich die Legitimität ihrer Besatzungsmaßnahmen außer Frage gestellt, nicht aber mögliche innerdeutsche Restitutionen und Entschädigungen. Jene Forderung signalisierte allenfalls das symbolische Rückzugsgefecht einer moribunden Staatsideologie des Volkseigentums - wahrscheinlich auf Druck des letzten SED-Ministerpräsidenten Hans Modrow. Allerdings hatte die Bundesregierung schon zu diesem Zeitpunkt ihr Auge auf den russischen Beutezug nach 1945 geworfen: Im Wert der Latifundien verbarg sich ein Finanzierungsfonds für die Kosten der Wiedervereinigung. Und so gibt es auch kein bekanntes Dokument westdeutschen Widerstands gegen die legalistische Formel aus Moskau. In Wirklichkeit war sie willkommen; denn sie ließ sich als politisches Instrument gegen die Alteigentümer einsetzen.
In Moskaus politischer Verhandlungsstrategie mit den Deutschen und den Westmächten spielte sie überhaupt keine Rolle. Mit den Worten des ehemaligen Außenministers Eduard Schewardnadse in einem Spiegel-TV-Interview aus dem Jahr 1994: „Bei den Besprechungen zur Wiedervereinigung ist dieses Thema nicht erörtert worden. Weder im Stab von Gorbatschow noch im Außenministerium kam diese Frage auf. Vorbedingungen in Bezug auf die Wiedervereinigung haben wir nicht gestellt. Über die Enteignungen oder über die Unumkehrbarkeit dieses Prozesses wurde nicht gesprochen. Nein.“
Ganz anders Helmut Kohl am 30. Januar 1991 vor dem Bundestag: „Der Fortbestand der Maßnahmen wurde von der Sowjetunion zu einer Bedingung für die Wiedervereinigung gemacht. Ich sage klar: Die Einheit Deutschlands durfte an dieser Frage nicht scheitern.“ Das stimmte hinten und vorne nicht, und Helmut Kohl hätte es wissen müssen.
Michail Gorbatschow erinnert sich genau
Sieben Jahre später bezeichnete Gorbatschow den Kern dieser Behauptung als „einfach absurd“. Und in der Tat - warum hätte er der Nato-Mitgliedschaft ganz Deutschlands zustimmen, aber die Wiedervereinigung an der innerdeutschen Eigentumsfrage scheitern lassen sollen? So verwundert es nicht, dass im Zwei-plus-Vier-Vertrag das angebliche Einigungshindernis nicht auftaucht.
Die zweite Rechtfertigung des „Restitutionsausschlusses“ für die Opfer der Enteignungen bis 1949 ist so überraschend wie durchsichtig: Die Karlsruher Richter weisen in ihrem ersten „Bodenreform“-Urteil nicht nur auf die angeblichen russischen Bedingungen hin, sondern auch auf die Geschichte. Das Grundgesetz mitsamt seinen menschenrechtlichen Eigentumsgarantien sei ja zwischen 1945 und 1949 noch gar nicht in Kraft gewesen. Mithin könne sich kein Kläger auf seine Grundrechte berufen. Anders gesagt: Sowjetisches Besatzungsrecht obsiegt über Gerechtigkeit. Damit war den Karlsruher Richtern eine neue Definition des „Ewigkeitswertes“ der Grundrechte gelungen: Die deutsche Rechtsewigkeit beginnt erst 1949, und zwar im Westen - nebst dem Alleinvertretungsanspruch der Bundesregierung. Die Präambel des Grundgesetzes („Es gilt für das gesamte Deutsche Volk“) war offenkundig ein Irrtum, auf den sich niemand mehr berufen dürfe.
Die seltsamste Rechtfertigung der Karlsruher Urteile lieferte der Bielefelder Rechtsgelehrte Hans-Jürgen Papier (CSU): Wenn Eigentum wirklich eine Bedingung von Freiheit sei, dann dürften die Opfer der Konfiskationen keine Eigentums-Ansprüche erheben; denn sie sind ja längst frei. Also können sie heute nicht behaupten, ihre „ökonomisch fundierte individuelle Freiheitsentfaltung“ sei gefährdet. Anders gesagt: Bestohlen, aber glücklich - was will der Mensch mehr? Mit dieser shock-and-awe-Doktrin war der Weg des Bielefelder Rechtsgelehrten nach Karlsruhe geebnet. Er ist Roman Herzogs Nachfolger.
Die Mülheimer Politikwissenschaftlerin Constanze Paffrath hat in einer mit summa cum laude bewerteten Dissertation (Macht und Eigentum, Boehlau-Verlag, 2004) auf mehr als 550 Seiten die Dokumente dieses wohl erstaunlichsten Verfassungsbruchs der deutschen Nachkriegsgeschichte mit wissenschaftlicher Akribie und detektivischem Fleiß zusammengetragen - lauter Indizien einer empörenden politischen Manipulation.
Die Affäre wird solange nicht in die Vergessenheit absinken können, so lange die Politiker leben, die sich an dem üblen Spiel mit dem Grundgesetz beteiligt haben. „Mit dem so genannten Volkseigentum, das organisierte Verantwortungslosigkeit darstellt,“ sagte Otto Schily im 1991 im Bundestag, „haben wir miserable Erfahrungen gemacht.“ Die werden sich vor dem Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte wiederholen, zumal sich jenes „Volkseigentum“ zu einem beträchtlichen Teil immer noch im Staatsbesitz befindet. Kohls Schachzug sollte helfen, die ersten Landtagswahlen in Ostdeutschland im Oktober 1990 für die CDU zu gewinnen (was gelang) und die Kosten der Wiedervereinigung abzudecken (was nicht gelang). Doch die Tricksereien gingen auf Kosten der Verfassung. Nun stellt sich heraus: Es gibt noch Richter in Europa. Und vielleicht werden sie feststellen, dass die Bodenreform-Urteile in Karlsruhe ihr Papier nicht wert waren.
(c) DIE ZEIT 29.01.2004 Nr.6
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Langlume
29.01.2004, 14:58
@ Langlume
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Die betrogenen Bürger |
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Sie schienen die sicheren Verlierer der Geschichte zu sein. Plötzlich schöpfen die Enteignungsopfer von 1945 bis 1949 Hoffnung
von Till-R. Stoldt
Da kommt sie wieder: die Horde gieriger Westdeutscher, die nur darauf wartet, den Osten der Republik zu stürmen, den Boden zurückzuerobern und die Einheimischen zu vertreiben. Noch immer wird dieses Feindbild bemüht, wenn es um Enteignungsopfer zwischen 1945 und 1949 in der sowjetischen Besatzungszone geht. Und tatsächlich könnte sich diese Woche für sie eine Art"Startsignal" abzeichnen: Der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg befasst sich am Donnerstag mit der Frage, ob die Enteignungen der 40er-Jahre angemessen entschädigt werden müssen - oder ob das Gesetz der Regierung Kohl rechtmäßig war, demzufolge die Enteignungen weder rückgängig gemacht noch angemessen entschädigt werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte dieses Gesetz bestätigt.
Einer von mindestens 40 000 Betroffenen ist Walter Schaefer-Kehnert. 580 Hektar besaß seine Familie im heutigen Sachsen-Anhalt. Mit harter Arbeit verwandelten die Schaefers das Stück Land in ein erfolgreiches Agrar-Unternehmen. Bis im Oktober 1945 ein Trupp Kommunisten den Hof stürmte,"Junkerland in Bauernhand" brüllte - und alles zu Volkseigentum erklärte. Nur mit Gewalt konnte Schaefer seiner Verhaftung entgehen. Mutter und Schwester versuchten, sich mit Zyankali das Leben zu nehmen, überlebten aber, weil das Gift oxidierte.
Im Westen machte Schaefer schnell Karriere, wurde Professor für Agrarökonomie und schloss Frieden mit dem erlittenen Unrecht. Doch als die Regierung Kohl nach der Einheit festlegte, die Enteignungen dürften nicht rückgängig gemacht werden, weil die UdSSR dies verlange und sonst neues Unrecht geschehe - da klagte Schaefer, da platzte ihm der Kragen:"Zu keinem Zeitpunkt wollten die Enteigneten neuen Privateigentümern Haus und Grund wegnehmen", sagt er."Das Gespenst neuen Unrechts an die Wand zu malen, war infam!" In der Tat betonten die Opferverbände stets, dass sie eine Rückgabe von Eigentum nur forderten, wo es in der Hand des Staates war. Was durchaus machbar schien, fielen doch nach der Wende laut Opferverbänden 75 Prozent des enteigneten Vermögens an den Staat.
Und die vermeintliche Bedingung der Sowjets, ohne Verzicht auf Eigentumsrückgabe werde es keine Einheit geben, hält Schaefer ohnehin für"eine empörende Lüge". Darin sieht er sich bestätigt durch die Zeithistorikerin Constanze Paffrath. Ihre Doktorarbeit sorgt seit Monaten für Furore. Sie glaubt nachgewiesen zu haben, dass die UdSSR eine solche Bedingung nie gestellt hat. Diese Behauptung Helmut Kohls und Wolfgang Schäubles sei schlicht erfunden (siehe Kasten).
Die Straßburger Richter nahmen Paffraths Arbeit ebenfalls zur Kenntnis. Weshalb Opfer wie Walter Schaefer nun auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs hoffen - das enorme Konsequenzen haben dürfte. Denn von den enteigneten 3,2 Millionen Hektar ist noch immer eine Million in Staatshand. Diese herauszugeben wäre ein finanzieller GAU für den Fiskus.
Das zeigt auch ein Straßburger Urteil von letzter Woche: Die Beute der Enteignungen zwischen 1945 und 1949 verteilte die DDR klein gestückelt an ihre Bürger. Die lebten dort oft 40 Jahre wie Privatbesitzer. Kurz vor der Wiedervereinigung schrieb die Regierung Modrow diese Eigentumsverhältnisse fest. Die Regierung Kohl verfügte 1992 gleichwohl, die Kleinbauern und Häuslebauer müssten ihr Eigentum entschädigungslos den neuen Bundesländern übergeben. Einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Eigentumsschutz erkannten darin nun die Straßburger Richter. Bund und Länder könnte das Urteil über eine Milliarde Euro kosten.
Doch bei der Klage der Bodenreform-Opfer aus den 40ern geht es um weitaus größere Grundstücke. Und ihre Erfolgschancen sind durch das jüngste Urteil gestiegen. Albrecht Wendenburg, Anwalt der beschwerdeführenden Opfer, sieht im Richterspruch jedenfalls"Hinweise, dass die Richter dem Eigentumsrecht von Enteigneten größeren Wert beimessen, als die Regierung Kohl es tat". Im Klartext: Das könnte die Staatskasse viel Geld kosten.
Zumal es neben den Bodenreform-Opfern, die vom alten Besitz noch träumen, auch andere gibt, die ihn aus eigener Tasche zurückkauften. Leute wie Christian und Dagmar von Plessen. Als die Mauer fiel, beschlossen sie, aus dem Rheinland in die mecklenburgische Heimat zu ziehen, wo die Ahnen bereits im 13. Jahrhundert lebten. Für über eine Million Mark kauften die von Plessens ihr Eigentum zurück. Eine weitere Million mussten sie allein während der 90er-Jahre an Pacht zahlen. Mehrere tausend Enteignete sind derart in Vorauszahlung gegangen. Alle hoffen sie nun auf Entschädigung.
Und noch eine Opfergruppe gibt es: die enteigneten Unternehmensbesitzer - wodurch die Opferzahl insgesamt laut Verbänden auf rund 100 000 steigt.
Udo Madaus ist einer dieser Unternehmer. Kaum war er 1946 aus Kriegsgefangenschaft heimgekehrt, verlor er seine Heimat wieder: das Familienunternehmen in Sachsen. Auch bei ihm standen eines Tages stramme Rotgardisten im Büro, erinnerten daran, dass der Sozialismus nicht nur mit Luft und Liebe aufgebaut werden könne - und enteigneten die Pharma-Fabrik. Madaus ging in den Westen und schuf in Köln den neuen Firmensitz. Im Lauf der Jahrzehnte arrangierte auch er sich mit dem erlittenen Unrecht. Bis zur Wende. Seitdem führt er Prozesse und schrieb mehr als 3000 Protestbriefe an so ziemlich jeden Politiker der Republik. Nicht aus Geldgier, sondern aus Empörung:"Ich kann nicht fassen, dass über dieses Unrecht und die schweren Schicksale tausender Familien leichtfertig hinweggelogen wird", sagt er."So einfach werden die Verantwortlichen da nicht rauskommen."
WAMS | Artikel erschienen am 25. Jan 2004
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JoBar
29.01.2004, 15:35
@ Langlume
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Re: Die betrogenen Bürger??? Nee, die bitte nicht! |
-->Dan wird es ja Zeit, daß die Nachkommen der Leibeigenen des preußischen und anderen Landadels auch vor Gericht gehen.
Mal sehen ob die auch so großzügig entschädigt werden.
J.
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Kaliakra
30.01.2004, 00:30
@ JoBar
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Re: Die betrogenen Bürger??? Nee, die bitte nicht! |
-->Aus"Die Welt" vom 29.1.04
...
Schäuble: Es gab ein weit verbreitetes Gefühl in der DDR, dass im Zuge der Wiedervereinigung nicht zuerst das Unrecht wieder gutzumachen sei, dass den Enteigneten und dann nach Westdeutschland Vertriebenen widerfahren war.Vielmehr fühlten sich die DDR-Bewohner als Haupt-Opfer der jahrzehntelangen Teilung.Dass das für die von der Enteignung betroffenen Menschen bitter ist, verstehe ich sehr gut, denn die Enteignung war Unrecht. Aber die Rückgängigmachung wäre von den Menschen in der DDR nicht verstanden worden. Es ging uns damals um eine Art ausgleichende Teilgerechtigkeit.
...
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LenzHannover
30.01.2004, 02:48
@ Langlume
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Vom 9.000 Euro Naumann wg. Staatsanwaltsbeleigung *Durchgeknallt* |
-->nur weil der Staatsanwalt die Polizei direkt aus Berlin bei Friedmann hat aufmaschieren lassen soll der *durchgeknallt* sein oder was?
Ich habe Hochachtung vor dem Mut des Staatsanwalts! [img][/img]
Er hat so immerhin klar gemacht, was er von der Justiz in Frankfurt hält und Naumann ist für mich ein.... (naja, keinen unnötigen Ärger für Elli).
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EM-financial
30.01.2004, 07:20
@ Kaliakra
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man vergisst auch andere Bevölkerungsteile |
-->mal zwei Fragen:
1.) Was passiert mit Grundstückseigentümern, die in der DDR enteignet wurden aber auch in der DDR blieben? haben die auch einen Anspruch auf Nachbesserung?
2.) Was ist mit den Enteignungsopfern nach 1949? Jährlich haben bis 1989 tausende die DDR verlassen und wurden quasi Zwangsenteignet oder mit wertlosen Papiergeld/Bezugsscheinen abgespeist.
Beide Gruppen haben zu Großteilen keinen einzigen Cent Entschädigung erhalten, da es ja geltendes Recht des DDR Staates war.
Ich stehe dem aktuellen Entschädigungsentscheid mit gesmischten Gefühlen gegenüber, zum einen halte ich die Aufrechnung von Vergangenem, was mehr als 50 Jahre zurück liegt für schwachsinnig, zum anderen glaube ich aber auch, dass sehr viel Geld bei der Wiedervereinigung verbrannt wurde. Die Besitzstände der DDR Bonzen blieben weitgehend unangetastet und ich empfinde deshalb auch eine gewisse Genugtuung, dass nun einige Opfer des Systems entsprechende FIAT money transfers erhalten.
Hätte man das gesamte Stasi und PDS Vermögen konfisziert und in einen Opferausgleichsfonds einbezahlt, müsste man sich heute vielleicht noch nicht einmal Gedanken um die Finanzierung machen.
Am lautesten schreien jetzt sowieso Mitglieder"demokratischer Parteien" bzw. Ex-Stasi-Spitzel mit früherer Gestapo Erfahrung. Frei nach dem Motto:"Ob Links ob Rechts ist mir doch scheissegal, so lange ich Menschen unterdrücken kann...)
Alle in einen Sack und mit dem Knüppel drauf ;-) das wäre vermutlich die beste Entschädigung, dass wäre mir dann auch so einiges wert...
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