-->Von Benedikt Fehr
01. Februar 2004 Mit den neuen Formulierungen in ihrem Kommuniqué hat die amerikanische Notenbank Fed deutlich gemacht, daß der Dollar-Leitzins nicht länger auf seinem langjährigen Tief"festgenagelt" ist, sondern in absehbarer Zeit wieder steigen könnte.
Lage-Analyse und Ausblick haben die Finanzmärkte überrascht und ihnen einen Dämpfer verpaßt. Zusätzlich für Nervosität sorgten der ungewisse Ausgang des Treffens der Finanzminister und Notenbankchefs der führenden Industrienationen (G 7) am kommenden Wochenende sowie eher enttäuschende Konjunkturdaten. Stirnrunzeln verursachte zudem die Nachricht, daß die japanische Notenbank allein im Januar 68 Milliarden Dollar gekauft hat, um sich gegen eine Aufwertung des Yen zu stemmen.
Aktienhausse unterbrochen
In Reaktion auf die neue Lagebeschreibung der Fed sind die Zinsen dies- und jenseits des Atlantiks leicht gestiegen, haben sich die Risikoaufschläge für Anleihen der Schwellenländer ausgeweitet. Alle großen Aktienmärkte haben im Wochenvergleich im Minus abgeschlossen. Die Aktienhausse ist damit zumindest unterbrochen. Dazu beigetragen hat auch, daß die amerikanische Wirtschaft im vierten Quartal nach der ersten Schätzung mit einer Jahresrate von 4,0 Prozent etwas schwächer gewachsen ist als erwartet. In Deutschland wiederum hat sich das Konsumklima verschlechtert - trotz Steuerentlastung. All dies trübt die Aussichten für die Unternehmensgewinne.
Nach der jüngsten Einschätzung der Fed hat das Risiko einer deflationären Entwicklung - der Anlaß für die Absenkung des Leitzinses auf einen langjährigen Tiefstand - deutlich abgenommen. Deshalb hat sie nun den Weg für höhere Leitzinsen frei gemacht. Die Finanzmärkte hatten diesen Schritt erst für den 11. und 12. Februar erwartet, wenn Fed-Chef Alan Greenspan vor dem Kongreß Rede und Antwort stehen soll. Einiges spricht dafür, daß die Fed die Veröffentlichung ihrer neuen Analyse wegen des G-7-Treffens am 6. und 7. Februar vorgezogen hat. Die Fed nimmt damit der europäischen Kritik, daß die ultraniedrigen Dollar-Zinsen die Dollar-Schwäche/Euro-Stärke anheizten, die Spitze. Zudem hat die Fed nun die Option, auf einen etwaigen Kursrutsch des Dollar mit einer Leitzinserhöhung zu reagieren.
„Konjunkturlokomotive Amerika"
Greenspan hat sich damit in Position gebracht, den Europäern beim G-7-Gipfel mehr Flexibilität in der Zins- und Fiskalpolitik ans Herz zu legen. Nach einer in Amerika weitverbreiteten Einschätzung hat die amerikanische Politik auf die drohenden Deflationsgefahren angemessen mit einer stark expansiven Geld- und Fiskalpolitik reagiert - und damit nicht nur die heimische Wirtschaft, sondern die Weltkonjunktur in Schwung gebracht. Nun freilich liege es an den Europäern, das Ihre zu tun: Statt sich wie bisher bequem von der"Konjunkturlokomotive Amerika" ziehen zu lassen, sollten sie nun ihrerseits das Wachstum stimulieren - am besten nach dem jüngst so erfolgreichen amerikanischen Rezept über eine expansive Geld- und Fiskalpolitik.
Demgegenüber sehen die Chefvolkswirte sowohl der Europäischen Zentralbank (EZB) als auch der Deutschen Bundesbank gerade in der expansiven Fiskalpolitik und dem riesigen Rekord-Budgetdefizit der amerikanischen Regierung ein Risiko für die Weltwirtschaft, das sich in höherer Inflation, Wechselkursschwankungen und letztlich schwächerem Wachstum niederschlagen könnte. Ähnlich wie der heimischen Wirtschaft raten sie auch Amerika zu mehr Austerität. Von der EZB-Sitzung am kommenden Donnerstag ist vor dem G-7-Treffen kein Zinsschritt zu erwarten, möglicherweise aber ein Kommuniqué, das den EZB-Standpunkt verdeutlicht.
Neuer Merkantilismus
Die frappierende Diskrepanz, die zwischen Amerika und Europa hinsichtlich Lage-Analyse und Lösungsvorschlägen herrscht, ist für die Finanzmärkte ein Unsicherheitsfaktor. Übertüncht und abgefedert wird der Streit freilich dadurch, daß die asiatischen Zentralbanken, allen voran die Bank von Japan, massiv an den Devisenmärkten intervenieren. Allein im Januar hat die Bank von Japan 68 Milliarden Dollar angekauft. Das mildert einerseits den Abwertungsdruck, der aufgrund des amerikanischen Leistungsbilanzdefizits auf dem Dollar lastet. Davon profitieren vor allem die asiatischen Währungen und die Exportunternehmen in diesen Ländern, indirekt aber auch der Euro, der ansonsten gegenüber dem Dollar wohl noch stärker aufgewertet hätte - was die Wirtschaft des Euroraums noch stärker von Wohl und Wehe ihrer fußlahmen Binnenwirtschaft abhängig gemacht hätte.
Andererseits profitiert von den Interventionen der Asiaten die amerikanische Wirtschaft: Die Anlage der angekauften Dollar in Treasuries hält die Dollar-Zinsen auf niedrigem Niveau. An den Finanzmärkten wird freilich mit wachsender Sorge gefragt, wie lange dieser neue Merkantilismus, der mit staatlich verordneten Kapitalströmen in"kosmischer" Größenordnung einhergeht, andauern kann. Ungewiß ist vor allem die weitere Entwicklung der Währungsrelationen. Zudem wird befürchtet, daß die niedrigen amerikanischen Zinsen einer Fehlallokation von Kapital und neuen Spekulationsblasen an den Finanzmärkten Vorschub leisten könnten. In den jüngsten Kursverlusten bei Aktien und Schwellenländer-Anleihen könnte sich spiegeln, daß das Risikobewußtsein zunimmt.
<ul> ~ Aus der FAZ</ul>
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