-->Guten Abend
Für das Board nichts Neues, aber es gibt ja immer wieder Fragen nach den Malik-Kolumnen. Diese ist frisch von heute und vielleicht schreibt Prof. Malik mal hier wieder?
Gruß
Stephan
<h3>USA, Klotz am Bein </h3>
Von Fredmund Malik
Die USA sind der Garant für weltweites Wirtschaftswachstum. Mit diesem Image und aktuellen Rekordzuwächsen sorgen sie ebenso weltweit für Euphorie. Doch was, wenn sich alle vor lauter Begeisterung irren? Eine völlig andere Sicht ist nicht minder plausibel. Und als Unternehmer muss man auf den Ernstfall vorbereitet sein.
In Europa verbreitet sich gedämpfter, aber zunehmender Optimismus. Asien boomt, und in den USA ist die Stimmung noch besser, als sie Anfang 2000, kurz vor Beginn der großen Börsentalfahrt war. Praktisch alle Stimmungsindikatoren sind in der Nähe ihrer historischen Höchststände, einige haben Alltime-Highs zu verzeichnen. Als Kraftzentrum wird die amerikanische Wirtschaft angesehen, von der man die entscheidende Dynamik erhofft. Jede Menge Gründe somit, zuversichtlich zu sein und für Schadenfreude gegenüber den Pessimisten.
Vielleicht kommt alles so, wie es erwartet wird; das wäre schön. Vielleicht kommt es aber anders. Realistisches Management stützt sich nicht auf Prognosen, weil niemand die Zukunft vorhersehen kann. Man verlässt sich auch nicht auf Mehrheitsmeinungen, sondern arbeitet mit Szenarien.
Ein Alternativszenario würde etwa folgende Elemente enthalten: eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Erholung an den Aktienbörsen weltweit zu Ende ist, weil sie, entgegen gängiger Meinung, nicht ein neuer Bullenmarkt sondern ein starke Bärenmarkt-Rally ist. Die Erholung seit März 2003 oder Oktober 2002, je nachdem, welchen Punkt man nimmt, hat - zugegeben - länger gedauert und ist höher gelaufen, als ich im Laufe 2003 angenommen hatte. Ich meine nach wie vor, dass es eine Erholung in einem noch länger nicht beendigten Bärenmarkt ist.
Im Alternativszenario zur Mainstream-Meinung würde man damit rechnen, dass der nächste Schub abwärts geht. Wider die allgemeine Auffassung wäre auch mit sinkenden Immobilien- und Edelmetallpreisen, und überhaupt sinkenden Rohstoffpreisen zu rechnen.
In einem solchen Szenario würde nicht mit Wachstum und latenter Inflationsgefahr kalkuliert, sondern mit Schrumpfung und Deflation. Man würde mit steigenden Zinsen rechnen, weil man die Eingriffsmöglichkeiten der Notenbanken - trotz wiederholt markiger Worte von FED-Governor Bernanke - geringer gewichten würde, als die Folgen reihenweise fallierender Obligationenschuldner.
Die USA wären in diesem Szenario nicht das Zentrum wirtschaftlichen Aufschwunges, sondern die Wiege programmierter Krisen. Die Gründe: Massiv überbewertete Sachwerte, bei Aktien wie bei Immobilien; die grösste Gesamtverschuldung, die es im Verhältnis zum Sozialprodukt je gab; verwüstete Unternehmensbilanzen, die niedrigste Profitabilität im realen Sektor, die niedrigsten Ersparnisse und die niedrigsten Netto-Investitionen der Nachkriegszeit sowie ein monströs geleveragtes Finanzsystem.
Endlich Klarheit bei den Wachstumsziffern
Hinzu käme ein Sozialprodukt, das seit 1997 zu fast 90 Prozent, verglichen mit einer gesunden Quote von 60 bis 70 Prozent, aus Konsum besteht, der maßgeblich auf der Basis von Schulden getätigt wird.
Der derzeitigen Theorie vom"wealth-driven-spending" wäre entgegenzustellen, dass Wohlstand nicht aus spekulativen Wertsteigerungen und ihrer Beleihung zum Zwecke weiterer Kreditschöpfung entsteht, sondern aus realen Netto-Investitionen, die durch volkswirtschaftliches Sparen finanziert werden.
Es wären ein überbordendes Staats-und Außenwirtschaftsdefizit zu durchleuchten. Man fände, dass ein sinkender Dollar letzteres nur marginal reduzieren kann, weil die USA nur wenig Exportierbares zu bieten haben, gerade noch Flugzeuge, Halbleiter und ein paar Dienstleistungen im Umfang von zusammen etwa 100 Milliarden Dollar - gemessen an einem Defizit von 500 Milliarden Dollar. Zu durchdenken wäre, was es für die USA bedeutete, wenn sie die Importe, unter anderem an Energie, nicht mehr in Dollars, sondern zum Teil in Euros, vielleicht schon bald in Yuan zu bezahlen hätten. Das Szenario würde unter anderem vorsehen, dass Russland seine Energielieferungen in Euros fakturieren würde, und der Staat deshalb die Hand auf den Yukos-Konzern gelegt hat, und nicht, weil er zurück zur Staatswirtschaft will.
Im Alternativszenario würde man erkennen, dass im Vergleich mit den fünf Nachkriegsrezessionen die bisherige Erholung in den USA die weitaus schwächste war, und dies trotz den stärksten"Spritzen" an Steuernachlässen, Staatsausgaben und Niedrigzinsen, die je verabreicht wurden.
Es wären die hohen Wachstumsziffern Amerikas so darzustellen, wie sie jedes andere Land ausweist. Dazu würde man sie durch vier dividieren, weil sie annualisiert ausgewiesen werden. Im zweiten Quartal sind die USA dann nicht unerwartet positive 3,2 Prozent gewachsen, sondern 0,8 Prozent; und die allseits bejubelten 8,2 Prozent des dritten Quartals reduzieren sich somit auf bescheidene 2,05 Prozent. Korrigiert man dann noch die statistisch um bis zum Zehnfachen aufgeblähten IT-Investitionen, so bleibt für das dritte Quartal noch knapp über 1 Porzent.
Aber, wie gesagt, das ist nur ein Alternativszenario. Niemand braucht es als realistische Möglichkeit ernst zu nehmen.
Außer Unternehmer und Manager, die überleben und die Chancen der nächsten Phase nützen wollen.
<ul> ~ Quelle</ul>
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