-->Anti-Inflations-Bonds kaufen?
Blick aus Zürich
In der Schweiz sind sie immer noch nicht ausgestorben: jene"Privatrentiers", die das Glück hatten, von Kriegen und großen Inflationen im 20. Jahrhundert verschont geblieben zu sein. Sie können heute in eigener Währung, im Franken, materiell unbeschwert ihren Ruhestand genießen. Nun soll es in Deutschland nach Berichten aus Berlin in Zukunft auch einen gewissen Schutz vor Geldentwertung beim privaten Sparen geben.
Das deutsche Bundesfinanzministerium beschäftigt sich mit langfristigen Emissionsplänen für inflationsindexierte Staatsanleihen. Dies geschieht nach den Vorbildern vom amerikanischen Anleihemarkt und von Renten einiger westeuropäischer Nachbarländer. Ausgerechnet die Griechen sind Hans Eichel da schon ein Stück voraus. Nach dem Muster der Franzosen und Italiener haben sie eine Anti-Inflations-Anleihe im Umfang von gleich 3 Milliarden Euro aufgelegt. Auch deutsche Sparer spitzen die Ohren.
Der Anleihetyp hat Sonderheiten: Der Nominalzins liegt deutlich unter dem gegenwärtigen Marktzins für Staatsanleihen. Die Griechen bieten zum Beispiel nur einen"Startzins" von 2,9 Prozent, und dies bei einer Laufzeit der neuen Anleihe von gut 20 Jahren. Aber dafür werden der Kupon und der Tilgungswert der neuen Anleihe alljährlich in Höhe der errechneten durchschnittlichen Geldentwertung im Euro-Raum aufgestockt werden. Es ist also möglich, daß eines Tages die griechische Anti-Inflations-Anleihe einen Kupon von 6 oder 8 Prozent bekommen könnte, vielleicht kurz vor der Tilgung. Zwei Jahrzehnte lang könnten die Käufer inflationsgeschützt ihr Geld anlegen. So verspricht es der Emittent. Die Emissionsbedingungen bei den schon im Markt befindlichen anderen Anti-Inflations-Anleihen sind unterschiedlich. Wer kauft, tut gut daran, sich vorher zu orientieren.
Der neue Anleihetyp hat jedoch Pferdefüße. Die griechische Regierung verspricht, den Inflationsausgleich"an den europäischen Verbraucherpreis-Index zu koppeln". Das hört sich gut an. Aus der Sicht der griechischen Sparer dürfte es aber ein schlechtes Geschäft werden. Die Jahresteuerung in der Euro-Zone betrug 2003 im Schnitt 2 Prozent. Die Inflationsrate in Griechenland liegt jedoch bei 3,1 Prozent. Wer also als Grieche die Anti-Inflations-Anleihe kauft, würde nicht in vollem Umfange einen Inflationsausgleich für die gestiegenen Preise im eigenen Lande erhalten.
Was dem einen sein Uhl, ist dem anderen sein Nachtigall. Bleiben die Geldentwertungsraten in Deutschland geringer als in Griechenland, würde es sich vielleicht lohnen, mal ein paar"neue Griechen" zu kaufen. Die deutsche Inflationsrate liegt zur Zeit nur bei 1 Prozent. Die Griechen würden über die neue Anleihe deutschen Sparern eine Art Stabilitätsprämie zahlen. Aber wie lange? Der Käufer wird sich auch im Verhältnis zum gegenwärtigen Kapitalzins mit einer niedrigeren Barverzinsung zufriedengeben müssen, vor allem, wenn der Inflationsausgleich ausschließlich über eine Kapitalaufstockung erfolgt. So toll ist also bei Licht gesehen das Angebot der Griechen und überhaupt dasjenige aller Anti-Inflations-Anleihen nicht.
Bei den Anti-Inflations-Papieren ist es umgekehrt wie bei normalen Anleihen. Bei letzteren sind heute die Anleger vorsichtig bei Langläufern, aus Angst, sie seien besonders inflationsempfindlich. Deutsche Sparer kaufen auch vorrangig Anleihen mit Laufzeiten von weniger als zehn Jahren. Bei den Anti-Inflations-Anleihen muß umgedacht werden. Hier wird die Regel gelten: Je länger die Emission läuft, desto langfristiger ist der Schutz gegen Inflation. Ob es sich lohnt, mitzumachen, wird sich nach individueller Interessenlage der Sparer richten. Aber am Ende werden wohl alle, die mit den Spezialanleihen in Berührung kommen, noch eine andere Frage zu stellen haben: Genießt der Staat als Schuldner heute noch langfristig volles Vertrauen?
Ihr Heinz Brestel
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.02.2004, Nr. 32 / Seite 22
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