-->Berliner Zeitung vom 12.2.2004
Neun Dozenten kümmern sich um 19 Studenten
Das neu eröffnete Touro-College in Charlottenburg ist die erste jüdisch-amerikanische Privatuniversität
Für den Gründer und Präsidenten, Rabbiner Bernhard Lander, ist das Touro College die Wiedergeburt jüdischer Hochschultradition in Berlin. Die erste amerikanisch-jüdische Privatuniversität hat fast unbeobachtet von der Ã-ffentlichkeit ihren Lehrbetrieb im Charlottenburger Haus am Rupenhorn aufgenommen. Bisher haben sich 19 Studenten aus Deutschland, USA, Sri Lanka, China und Osteuropa angemeldet. Die Bedingungen sind im Vergleich zur hiesigen Hochschullandschaft - sehr vorsichtig ausgedrückt - mehr als optimal: Neun Professoren kümmern sich um junge Leute aus aller Welt. Der aus einer jüdischen Familie stammende Berliner Hans Clausen lobt als Erstsemester spontan den"besonders engen Kontakt".
Kleingruppen sind Prinzip
Die Kleingruppen gehören zum Prinzip des College, sagt Gründungsdirektorin Sara Nachama. In englischer Sprache unterrichten die Dozenten drei Jahre lang Betriebswirtschaftslehre und jüdische Geschichte und Ethik. Lander spricht vom Kennenlernen des"Abc der jüdischen Kultur". Auch werden zusätzlich hebräische Sprachkurse angeboten. Der Abschluss Bachelor of Science in Business, Management und Administration ist weltweit anerkannt.
Das College ist gewissermaßen der erste Ableger in Westeuropa. Rabbiner Lander, ein ehemaliger Soziologieprofessor, hat schon Anfang der 70er-Jahre eine solche Universität in New York mit sehr viel eigenem Geld gegründet - getreu dem Motto"Wer reich stirbt, stirbt in Schande". Weitere Einrichtungen gibt es inzwischen in Kalifornien, in Israel und Moskau mit rund 18 000 eingeschriebenen Studenten. Dennoch weiß Sara Nachama, dass sie in Berlin eher unbekanntes Gebiet betreten wird."Eine jüdische Hochschule, eine Universität, die Betriebswirtschaft und andere nützliche Wissenschaften anbietet und die Wahl lässt, sich mit jüdischer Literatur, Geschichte und jüdischer Philosophie zu befassen, existiert in ganz Europa nicht", sagt die Gründungsdirektorin. Bei einem Aufenthalt in den USA hat die Berliner Jüdin den inzwischen 80-jährigen Lander für ein Deutschland-Engagement gewinnen können.
Den Start hat nicht zuletzt das Land Berlin erleichtert. Das Gebäude am Stößensee in einem der vornehmsten Teile Charlottenburgs gehörte ursprünglich der jüdischen Familie Lindemann. Diese musste während des NS-Regimes verkaufen. Ausgerechnet der NS- Reichsminister für Religion Hans Kerrl zog danach ein. Später ging das Grundstück an die britischen Alliierten, dann an Berlin. Das Touro College nutzt das riesige Gelände mietfrei und sichert im Gegenzug eine umfangreiche Sanierung zu. Bei der weiteren Finanzierung hilft ein Förderverein und es gibt Spenden von Stiftungen und aus der privaten Wirtschaft. Zusätzlich fließt Geld aus der amerikanischen Zentrale.
Sara Nachama hält nichts von staatlich geförderten Elite-Universitäten - eine"Fata Morgana". Nach Ansicht von Sara Nachama sollte der Staat die Finger von Eliteuniversitäten lassen. So muss zwar jeder Teilnehmer im ersten Semester 3 000 Euro Gebühren bezahlen, später lasse sich das Studium jedoch über Stipendien finanzieren. Die Gründungsdirektorin denkt dabei besonders an russischsprachige Juden. Nach Umbauten können auf dem Gelände sogar kleine Wohnungen angeboten werden. Auf Unterstützung hofft Sara Nachama von der Jüdischen Gemeinde, um in der alten Küche koschere Mahlzeiten zuzubereiten.
Das Touro College will es nicht mit der ersten Hochschule belassen. Wie es heißt, plant Rabbiner Lander eine Medizinhochschule in der Bundeshauptstadt. Das Angebot soll sich speziell an jüdische Amerikaner richten. Nach den bisherigen Ideen könnten einmal 250 US-Studenten in Berlin studieren. Als Standort avisiert Lander das Jüdische Krankenhaus in Wedding.
Informationen im Internet:
www.touroberlin.de
BERLINER ZEITUNG/MARKUS WÄCHTER Gründungsdirektorin Sara Nachama will auch die Empfangsräume im Haus am Rupenhorn für das Touro-College nutzen.
<ul> ~ http://www.berlinonline.de/.bin/mark.cgi/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2004/0212/lokales/0015/index.html?keywords=neun%20Dozenten%20k%fcmmern</ul>
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