-->Sein Feldzug gegen die Spesenritter in der EU endete mit einem Rausschmiss aus der SP-Fraktion. Aufdecker oder Spitzel? Im Interview spricht Hans Peter Martin über Wahlbetrug, Apparatschiks und Geldgier.
Herr Martin, was haben sie angestellt, dass man Sie im EU-Parlament zur Unperson erklärt und kurzerhand aus der SP Fraktion geschmissen hat?
Ich habe keinen gemobbt, niemanden bedrängt, sondern nur meinen Job gemacht. Nämlich das, was in den Inseraten der Europawahlen von der SPÃ- versprochen wurde: Aufdecken und verbessern!
Ersterem scheinen Sie sich mit besonderer Leidenschaft gewidmet zu haben: Es heisst, Sie seien Kollegen bis zur Garage nachgeschlichen, um zu kontrollieren, wohin sie fahren.
Üble Verleumdungen!
Ich habe nur meine Arbeit gemacht und auch den anderen beim Arbeiten bzw. beim Nichtarbeiten zugeschaut. Dabei bin ich auf Praktiken gestossen, die ich nicht mehr mittragen wollte...
Was denn für Praktiken?
Sehen Sie das? Das ist mein Boardingpass. Mit diesem Boardingpass, der zu einem Ticket Wien-Brüssel-Wien gehört, das 174 Euro gekostet hat, zahlt man mir in Brüssel 1700 Euro. Kollegen, die's geschickt machen, verdienen sich auf diese Art 1000 Euro pro Woche, also 40.000 Euro pro Jahr steuerfrei dazu.
Sie auch?
Bis 2002 hab ich mitgemacht. Dann kam der Punkt, wo ich gesagt hab: Finito! 2003 und 2004 habe ich mir meine Flüge selber bezahlt - bei einem Gehalt von 8700 Euro pro Monat ist das ja noch drin! Die EU-Parlamentarier habe ich aufgefordert, ihre Reisekosten offenzulegen. Mit dem Ergebis, dass sie mich rausgeschmissen haben. De facto jedenfalls bin ich draussen, de jure bin ich noch drin...
In Beschwerden an den Fraktionsvorsitzenden der Europäischen Sozialdemokraten hieß es, Ihre Kollegen hätten sich von Ihnen bespitzelt gefühlt.
Infames Ablenkungsmanöver! Es ist einfach so: Wer sich den Apparatschiks nicht unterwirft, der wird kriminalisiert. Das Europäische Parlament, das weiß ich heute, ist ein abgehobenes, selbstbezogenes Milieu, in dem die Lobbyisten an der Macht sind! Mit Volksvertretern, die sich völlig abgeschottet haben vom wirklichen Leben.
Darf man, wenn man selbst Mitglied dieses"Milieus" ist, mit Wallraff Methoden agieren?
Selbstverständlich! Auch Wallraff hat sich lediglich des investigativen Journalismus bedient. Ich erinnere an das Wahlversprechen der SPÃ-: Hans Peter Martin sollte als Unabhängiger etwas Licht ins Schattenreich Brüssel bringen. Aber gleich nach der Wahl übernahm nicht ich als Spitzenkandidat, sondern ein anderer den Vorsitz. Das war Wahlbetrug.
Sie sollen sogar Anwesenheitslisten entwendet haben!
Dazu muss man wissen: Jeder Parlamentarier, der sich für eine Sitzung einträgt, kassiert dafür 262 Euro! Als ich eine dieser Sitzungen besuchen wollte, sagten mir die Saaldiener: Annulle!- Abgesagt! In der Liste vor dem leeren Saal standen aber jede Mengen Namen. Das hielt ich für ungeheuerlich- das EU-Parlament ist doch kein Selbstbedienungsladen- und wollte diese Liste unserm Vorsitzenden bringen. Dazu kam's nicht, denn meine deutsche Kollegin Rosemarie Müller drohte mir eine Ohrfeige an und nannte mich"menschliche Niete".
Wie kommt es eigentlich, dass Sie keiner mag?
Das überrascht mich nicht. Ich hab nicht mitgespielt, so einfach ist das! Ich habe Transparenz gefordert. Aber die Apparatschiks -und ich wähle diesen Ausdruck ganz bewusst-, die wollten lieber auf ihren Privilegien sitzen bleiben. Diese Botschaft werde ich durch ganz Europa tragen!
Hat sich Bestsellerautor Martin - von Ihnen stammen die Bücher"Die Globalisierungsfalle" und"Bittere Pillen"- in Brüssel als Politiker gefühlt oder als Journalist?
Ich habe einen Doppeljob gemacht. Ich habe gesehen: Von innen geht es nicht, also musst du es von außen machen.
Tut's Ihnen weh, jetzt als Nestbeschmutzer und als Aussenseiter abgestempelt zu werden?
Nein, das tut mir nicht weh. Ich fühle mich auch nicht als Aussenseiter. 30.000 Besucher auf meiner Website (www.hpmartin.net) ihre Unterstützung zugesichert. Weh tut mir, dass es nicht möglich ist, über die Fakten zu reden. Dass sich Politiker nicht daran messen lassen wollen, was sie leisten.
Wie kommt es, dass sogar SP-Chef Gusenbauer Ihren Ausschluss befürwortet?
Er ist ein Apparatschik.
Wer ist keiner?
Franz Fischler zum Beispiel. Und ein paar andere.
Werden Sie jetzt ein Buch schreiben?
Das weiß ich noch nicht. Ich weiß nur, dass das erst der Anfang ist. Und dass ich mich noch nie in meiner Laufbahn so sehr als Politiker gefühlt habe wie jetzt.
Am Tiefpunkt Ihrer Karriere.
Oh, nein. Ich glaube noch immer an die Chance der Selbsterläuterung in der EU. Ähnlich wie beim Spiel FC Bayern gegen Manchester United. Da hätte in der 89.Minute auch kein Mensch gedacht, dass Manchester noch gewinnt...
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