Euklid
16.02.2004, 18:37 |
Osthilfe Thread gesperrt |
-->Seit langen Jahren befand sich der ostelbische Großgrundbesitz in einer chronischen, weil strukturell bedingten Dauerkrise.
Hinzu kam eine weit überdurchschnittliche Verschuldung der ostelbischen Güter,eine Folge der seit Jahrzehnten aufgenommenen hohen Kredite.
In der Wirtschafts und Finnzkrise wurden immer mehr Landwirte zahlungsunfähig,wenn Kredite zurückgefordert wurden,und die Konkurse häuften sich.
Auffallenderweise traf dies nicht etwa in erster Linie die kleinen und mittleren Bauern,sondern den ostelbischen Großgrundbesitz.
Die ostelbische Gutswirtschaft ging deshalb technisch und betriebswirtschaftlich geschwächt in die Weimarer Jahre,in denen der politische Einfluß des Junkertums erstmals weitgehend zurückgedrängt war.
So brachen in wirtschaftlichen Krisenzeiten in erster Linie die Güter der altadligen Familien zusammen.
Diese Familien hatten sich seit jeher als die eigentlichen politischen Stützen des preußischen Staats gesehen,der ihnen das Geschäft der Landwirtschaft erleichtert hatte;nunmehr waren ihre Standes- und Interessenorganisationen auf der Suche nach neuen Einflußmöglichkeiten.
Eine solche bot sich in Gestalt des Reichspräsidenten v. Hindenburg,der sich 1927 das Gut Neudeck in Ostpreußen von agrarischen und industriellen Interessenverbänden hatte schenken lassen.
Gutsnachbar war Elard von Oldenburg-Januschau,deutschnationaler Reichstagsabgeordneter,derselbe,der einst gemeint hatte,der Kaiser müsse jederzeit im Stande sein,den Reichstag durch einen Leutnant und 10 Mann schließen zu lassen und der mit Hindenburg auf dem Duzfuß stand.
Bei Brünings Amtsantritt hatte der Reichspräsident dem neuen Kanzler eine Weisung mit auf den Weg gegeben:Die erste Aufgabe der Regierung sei die Sanierung der agrarischen Verhältnissse im Osten.
Das Programm hatte das Ziel die Güter zu entschulden und die kurzfristigen Schulden in langfristige (niedrigverzinsliche) umzuwandeln.
Auch Brüning sah im Laufe des Winters 1931/32,daß die Reichskasse den volkswirtschaftlich völlig sinnlosen Geldabfluß in die großen Güter nicht mehr verkraften konnte.
Der deswegen von Brüning ernannte Reichskommisar für die Osthilfe,der pommersche Gutsbesitzer Hans Schlange-Schöningen,handelte aber ganz anders,als seine Standesgenossen von ihm erwarteten:Er entwarf einen Plan,nach dem nur noch diejenigen Güter entschuldet werden sollten,die die Substanz besaßen,sich anschließend wieder aus eigener Kraft in die Höhe zu arbeiten.
Nicht mehr entschuldungsfähige Güter sollten dagegen in der Höhe des gegenwätigen Buchwertes den Eigentümern zwangsweise abgekauft,parzelliert und durch Arbeitslose,Landarbeiter und Kleibauern aufgesiedelt werden.
Das war die einzige vernünftige Konzeption,um aus der ostelbischen Agrarmisere herauszukommen,aber sie stieß sich mit den politischen Verhältnissen.
Im Palais des Reichspräsidenten häuften sich die Proteste seiner Freunde ;da war von Sozialisierung der Landwirtschaft,Wehrlosmachung des deutschen Ostens und Agrarbolschewismus die Rede.
Das waren einfache Schlagworte die Hindenburg viel besser verstand als die verwickelten wirtschaftlichen und finanziellen Argumente,die ihm sein Reichskanzler Brüning vortrug.
Mit Brüning,dieser Gedanke setzte sich im Laufe des Mai 1932 im Kopf des alten Herrn fest,ging es nicht mehr weiter;Schleicher,Meißner,Sohn Oskar,die alten Freunde,alle bestärkten ihn darin.
Gruß EUKLID
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RetterderMatrix
16.02.2004, 18:42
@ Euklid
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Thx! Wieder was gelernt! (owT) |
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El Sheik
16.02.2004, 20:12
@ Euklid
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Oskar v. Hindenburg war übrigens hoch verschuldet bei der DANAT-Bank, |
-->was Brüning dazu bewog, einen rettenden Kredit New Yorker Bankiers für die DANAT auszuschlagen. Dann wäre Oskars desolate finanzielle Situation ans Licht der Ã-ffentlichkeit gelangt.
Hindenburg hätte nur noch ein paar Monate durchhalten müssen, dann kam Lausanne und die Aussetzung der Reparationen, worauf die deflationistische Politik Brünings und Schachts abgezielt hatte. Deutschland hätte friedlich reflationieren können.
Tragisch. Sehr tragisch!
Wie macht man, daß die Tüchtigen im Staat regieren? Große Frage. Und wie erhalten wir uns die Freiheit?
Gruß El Sheik
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Euklid
16.02.2004, 20:45
@ El Sheik
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Danke für deine informative Ergänzung |
-->Hallo El Sheik
Ja da wirfst du zwei Fragen auf die ich mir auch stelle.
Nur eine sinnvolle Antwort unter,<font color=#FF0000>Berücksichtigung der internen Verwicklungen und Verstrickungen von Politik und Wirtschaft</font>,scheint kaum möglich zu sein.
Es wird unter Umständen an Grenzbereiche heranführen die ein Zuschauen nicht mehr sinnvoll erscheinen lassen.
Um mit Baring zu sprechen wird es dann heißen müssen:Bürger auf die Barrikaden
Ab diesem Zeitpunkt wird nämlich das Bravsein hart bestraft werden.
Wenn ich mir Eichels Pläne der zentralen Steuerpolizei (keine Erhebung durch die Länder mehr) anschaue sehe ich in Eichels Gesicht die Dracula-Zähne des Blutsaugers im Enstadium.
Gruß EUKLID
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bernor
16.02.2004, 23:12
@ El Sheik
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Da war Oskar nicht der einzige! |
-->Hindenburg hätte nur noch ein paar Monate durchhalten müssen,...
...dann wäre auch der Adolf mit der NSDAP"mausetot", sprich: pleite gewesen!
Nach Hitlers Weigerung vom 13. August 1932, sich in das"Kabinett der Barone" (RK: von Papen)"konstruktiv einzubringen" (so würde man das heute formulieren...gell, Herr Schröder?), drehte ihm die Industrie den Geldhahn zu.
Nur der umtriebige Franz von Thyssen gab weiterhin Geld, was aber nicht reichte: die NSDAP bekam schließlich nur noch dadurch Kredit, daß Hitler persönlich dafür bürgte.
Und nach der vergeigten Reichtstagswahl vom November 1932 wurde es richtig zappenduster...Goebbels schrieb Ende Dezember in sein Tagebuch (sinngemäß): Wenn wir nicht noch schnell irgendwo Kohle herkriegen, ist es aus mit uns.
Die desolate Lage der NS-Partei war dann auch kein Geheimnis mehr.
Im Januar wurde öffentlich darüber spekuliert, wie lange der Hitler & die NSDAP noch"durchhalten" würden.
Und als schließlich am 30. Januar 1933 der Reichspräsident anordnete, der"seltsame Herr" möge kommen, er werde ihn zum Reichskanzler berufen - da war dieser Herr in seiner"Residenz" (dem Hotel Kaiserhof) nicht auffindbar!
Hitler war vor dem unausweichlich erscheinenden Bankrott in die Provinz entflohen...
...um dann, als man ihn doch noch fand, wie Phönix aus der Asche emporzusteigen.
Die kaputten Finanzen waren danach kein Thema mehr.
Das erklärt vielleicht auch den späteren Fatalismus Hitlers, sein"Durchhalten" bis zuletzt.
Tragisch. Sehr tragisch!
Was dem lieben Gott so alles gefällt... Da kann man wirklich nur staunen.
Gruß bernor
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Tassie Devil
17.02.2004, 09:57
@ bernor
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Re: Machtergreifung |
-->>Und als schließlich am 30. Januar 1933 der Reichspräsident anordnete, der"seltsame Herr" möge kommen, er werde ihn zum Reichskanzler berufen - da war dieser Herr in seiner"Residenz" (dem Hotel Kaiserhof) nicht auffindbar!
>Hitler war vor dem unausweichlich erscheinenden Bankrott in die Provinz entflohen...
>...um dann, als man ihn doch noch fand, wie Phönix aus der Asche emporzusteigen.
Und genau dieser Vorgang wird in der BRDDR-Gutmenschen-GeCHichte der Umerziehung seit langem mit der Machtergreifung Hitlers beschrieben.
[img][/img]
>Gruß bernor
Gruss
TD
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chiquito
17.02.2004, 10:17
@ Tassie Devil
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Die Rede von der *Machtergreifung* ist nationalsozialistiche Legende |
-->Hallo,
die Nationalsozialisten selbst haben nach der Machtübergabe vom 30 Jan. 33 die Formulierung"Machtergreifung" erfunden - wohl um dem Ganzen einen heroischen Anstrich zu verleihen.
Grüße
ch.
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chiquito
17.02.2004, 10:20
@ chiquito
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Re: Rechtschreibung: nationalsozialistische Legende |
-->>Hallo,
>die Nationalsozialisten selbst haben nach der Machtübergabe vom 30 Jan. 33 die Formulierung"Machtergreifung" erfunden - wohl um dem Ganzen einen heroischen Anstrich zu verleihen.
>Grüße
>ch.
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Tassie Devil
18.02.2004, 00:37
@ chiquito
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Re: Passende Legende |
-->>Hallo,
>die Nationalsozialisten selbst haben nach der Machtübergabe vom 30 Jan. 33 die Formulierung"Machtergreifung" erfunden - wohl um dem Ganzen einen heroischen Anstrich zu verleihen.
Sehr schoen.
Wie wir sehen war diese Art von Machtergreifung, na sagen wir mal"an den Haaren herbeigezogen".
Hitler wurde also mit vollgesch...enen Hosen direkt auf den Thron geschleppt, die Waehler wollten das so.
Diese Art von Machtergreifung ist tatsaechlich legendaer.
Da diese Version der Regierungsuebernahme Hitlers auch ausgezeichnet in das Konzept der BRDDR-Gutmenschen passte, weil auch sie in die Umerziehung eingebunden waren, sah man hierbei, im Gegensatz zu anderen geCHichtlichen Ereignissen, keinerlei Notwendigkeit zu einer Korrektur, was natuerlich auch die Statistik dort ein wenig aufbessert, wo es um die Glaubwuerdigkeit geCHichtlicher nationalsozialistischer Ueberlieferungen geht.
>Grüße
>ch.
Gruss
TD
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