--><font color=#FF0000>Zappelt ihr Kind auch ein wenig, kommt in der Schule nicht richtig mit?
Kein Problem mit Gutachten usw. muß das Sozialamt bezahlen, wurscht, was die Eltern bezahlen</font>
Sozialhilfe unter Palmen, das war die Schlagzeile des Sommers 2003. Die Bildzeitung nahm Rolf John ins Visier und stempelte ihn als"Florida-Rolf" ab, als den Schmarotzer der Nation. Sozialministerin Ulla Schmidt reagierte prompt und änderte das Gesetz für 950 Sozialhilfeempfänger im Ausland.
Vor einem anderen millionenschweren Sozialmissbrauch verschließt die Bundesregierung dagegen die Augen, nämlich bei den Ausgaben für die Eingliederungshilfe für seelisch gefährdete Kinder und Jugendliche. Die Kommunen zahlen dabei unabhängig vom Einkommen der Eltern.
Von dem florierenden Markt der Eingliederungshilfe lebt auch die Hebo-Schule in Bonn. 300 Schüler, teilweise im normalen Schulbetrieb gescheitert, können hier einen Abschluss machen. Dafür berechnet die Hebo-Schule 850,- Euro im Monat. Die Rechnung wird häufig vom Steuerzahler übernommen: Der Grund: Bei 40 Prozent der Schüler wird ein Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, (kurz ADS oder ADHS) diagnostiziert.
Dies gilt auch für Alexander Nebe, einen 16-jährigen Schüler, für den die Schule immer eine Qual war. Gutachter bestätigten schwere Störungen. In der Hebo-Schule hat er wieder Fuß gefasst, fühlt sich verstanden. Die Lehrer würden ihm hier zuhören, was in früheren Schulen keine Selbstverständlichkeit gewesen sei. Für schwer geprüfte Kinder wie Alexander Nebe ist die Eingliederungshilfe eigentlich bestimmt. Im Gesetz heißt es dazu:"Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn ihre seelische Gesundheit (mit hoher Wahrscheinlichkeit) länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht."
Soziale Schieflage
Eine rechtliche Grauzone: Der schwammig formulierte Paragraph 35 ist eine Einladung für versierte Trittbrettfahrer. Häufig nämlich begründen Eltern ihre Anträge mit einer Aufmerksamkeits-Defizit-Störung (ADS). Ein medizinisch höchst umstrittenes Krankheitsbild. Drei bis acht Prozent aller Schulkinder sollen von diesem"Zappelphilipp-Syndrom" betroffen sein. Damit explodieren die so genannten Eingliederungskosten. In den vergangenen sechs Jahren haben sich die Aufwendungen verdoppelt. Eine interne Studie des rheinland-pfälzischen Sozialministeriums dokumentiert nun die Missstände.
Malu Dreyer, Sozialministerin des Landes Rheinland-Pfalz, sieht eine soziale Schieflage, wenn Eltern viel Geld ausgeben, um diese Begutachtung letztendlich zu erreichen und dann der Staat beispielsweise fürs Internat aufkommt. Gegen Anträge auf Eingliederungshilfe gehen nun viele Not leidende Kommunen gerichtlich vor. Auch der Kreis Neuwied ist schon finanziell am Ende. Der Beigeordnete des Landkreises Heinz-Jürgen Scheid meint, man könne es sich in dieser Situation nicht leisten, teure Internatsplätze oder Privatschulen für Kinder zu finanzieren, deren Eltern finanziell selbst handlungsfähig sind und durchaus über gutes Einkommen verfügen.
Perfide Tricks
Auch Alexanders Eltern wollten das Schulgeld für ihren Sohn vom Kreis. Doch sie scheiterten vor Gericht aus formalen Gründen: Die Behörde konnte den Eltern eine staatliche Schule im Landkreis anbieten. Einen erneuten Schulwechsel hätte Alexander aber nicht verkraftet. Obwohl Vater Nebe vor Gericht keinen Erfolg hatte, hält er nichts von den perfiden Tricks mancher Eltern. Aus eigener Erfahrung weiß Heinz Nebe, dass andere alle Möglichkeiten nutzen, um an staatliche Hilfen zu kommen, selbst wenn ihre Kinder nicht anspruchsberechtigt sind. Er empfindet dies als Unverschämtheit gegenüber jedem Steuerzahler, besonders gegenüber denjenigen, die aus finanziellen Gründen keinerlei Möglichkeiten haben, dagegen über Anwälte oder andere Einrichtungen vorzugehen.
Schwerer Stand gegen Behörden
Alexanders Eltern hatten sich auf die Beratung der Hebo-Schule verlassen. Dort versicherte man, dass die Jugendhilfe das Schulgeld übernehmen würde. In einem ausgefeilten juristischen Wegweiser vermittelt die Hebo-Schule ihren Kunden Tipps und Tricks. Detailliert und spitzfindig wird den Eltern erklärt, wie sie sich die Privatschule und das Internat vom Staat finanzieren lassen können. Dazu zählen im Hebo-Leitfaden: Druck in Politiker-Sprechstunden, Beschwerden bei Behördenleitern und sogar Eingaben beim Behindertenbeauftragten. Der Geschäfts-Slogan des Schul-Direktors Hans Biegert für sparsame Eltern lautet:"Optimale Vorbereitung der Antragsunterlagen ist die 'halbe Miete'". Er sieht ein Gerechtigkeitsgefälle für Eltern mit ADS betroffenen Kindern, die auf Grund ihrer Bildungsvoraussetzungen und mangelnder Erfahrung im Umgang mit den Behörden benachteiligt sind.
Im Klartext bedeutet dies: Wer sich teure Gutachten und Anwälte leisten kann, der kann den Staat für die Finanzierung von Internatskosten und Privatschulen zur Kasse bitten. Wer sich diese Experten nicht leisten kann, eigentlich aber einen Anspruch auf Eingliederungshilfe hat, geht leer aus.
Dieser Text gibt den Inhalt des Fernseh-Beitrages von [plusminus vom 17. Februar 2004 wieder, ergänzt um Zusatzinformationen der Redaktion.
Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
<ul> ~ http://www.swr.de/plusminus/beitrag/04_02_17/beitrag6.html</ul>
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