-->KÃ-LN Von"einem kalten Putsch der politischen Leitung des Auswärtigen Amtes gegen die bestehende Gesetzeslage" hat Ulrich Höppner gesprochen. Der ist nicht irgendwer, sondern Vorsitzender Richter der 15. Strafkammer des Kölner Landgerichts. Das hat soeben einen 40jährigen Ukrainer wegen Menschenschmuggels zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Doch die wahren Schuldigen sieht Richter Höppner woanders: Im Bundesinnenministerium und im Auswärtigen Amt. Deshalb ermutigt der Richter die Staatsanwaltschaft ausdrücklich zu Ermittlungen in"diese Richtung" und er lässt keinen Zweifel daran, dass es da für Außenminister Joschka Fischer und seinen früheren Staatsminister Ludger Volmer, beide von den Grünen, kein Tabu gibt.
Kiew, Hauptstadt der Ukraine: Vor der Deutschen Botschaft geht es zu wie auf einem Jahrmarkt. Gehandelt werden Reiseschutzversicherungen eines Unternehmens aus dem württembergischen Weinsberg - der Reiseschutz AG. Ausgestattet mit diesem Papier als"Bonitätsausweis" braucht Mann oder Frau nur zwei Minuten, um in den Besitz eines gültigen Visums zu kommen. Den Beamten genügt auf Anweisung aus Berlin diese Bescheinigung, wonach die Versicherung für Krankheits- und eventuelle Abschiebungskosten aufkommt. Grundlage ist der sogenannte Volmer-Erlass, der auf Weisung von Bundesaußenminister Fischer am 3. März 2000 an alle"diplomatischen und berufskonsularischen Auslandsvertretungen" verschickt wurde und das"Visumverfahren" neu regelte. Wichtigster Satz:"Im Zweifel für die Reisefreiheit".
2001 machten 300 000 Ukrainer von dieser Reisefreiheit Gebrauch, obwohl ihnen ein Durchschnittslohn von 80 Euro im Monat dafür eigentlich keinen finanziellen Spielraum ließ. Sie ergossen sich, ausgestattet mit der Versicherungspolice aus Weinsheim, über fast ganz Europa. Schwarzarbeiter, Prostituierte, kriminelle Banden und Terroristen,"staatlich organisiert eingeschleust", wie Richter Höppner meint. Das Außenministerium bezeichnete die Weins-heimer Reiseschutz AG, als"vertrauenswürdiges deutsches Reiseunternehmen" mit dem man"gute Erfahrungen" gemacht habe. Die Kölner Staatsanwaltschaft bereitet gegen den 52jährigen Inhaber Heinz K. gerade die Anklageschrift vor. In Weinsheim selbst hält sich das Gerücht, Heinz K. habe von Jugend an gute Beziehungen zu Außenminister Fischer, der im nahen Gerabronn als Sohn eines Metzgers geboren wurde.
Wie ein"derart zweifelhafter Geschäftsmann", so Richter Höppner, den Segen des Innen- und Außenministeriums erhalten konnte, sei ihm"schleierhaft". Und:"Das hat etwas mit Protektion zu tun, wenn nicht gar mit Korruption." Zeugen aus dem Auswärtigen Amt warf Richter Höppner vor"glatt gelogen" zu haben und regte entsprechende Ermittlungen der Staatsanwaltschaft an. Diese sollen nun auch erfolgen.
Weder massive Proteste von EU-Mitgliedsstaaten über die laxe Praxis der deutschen Visa-Erteilung noch Hinweise des Bundeskriminalamtes, wonach immer mehr tschetschenische Terroristen auf diesem Weg Deutschland als Rückzugsraum nutzten, beendeten den"Touristenstrom" aus der Ukraine. Erst ein kritischer Zeitungsbericht setzte den"Volmer-Erlass" außer Kraft.
In der heutigen Fragestunde des Deutschen Bundestages will die CDU/CSU-Opposition versuchen, Hintergründe der Vorgänge auszuleuchten. Möglicherweise wird sie die gleiche Erfahrung machen, wie der Kölner Oberstaatsanwalt Egbert Bülles. Die Behauptung des Auswärtigen Amtes, es arbeite in der Sache eng mit der Staatsanwaltschaft und dem Gericht zusammen, kommentierte er so:"Ich kann eigentlich nur sagen: Die Unterstützung hat es nicht gegeben."
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