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hi
Verzeihung. Weil der Text relativ lange war, wollte ich Kapazitäten schonen...
Immer ist der Text bei der online-Ausgabe der Welt nicht blockiert.
Diesmal ja...
also - hier alles kopiert:
Cichette
Deutschland im Jahre 2015
Vier Szenarien für die Zukunft unserer Republik
von Matthias Horx
Stellen wir uns vor, wir könnten mit einer Zeitmaschine in die Zukunft reisen. Deutschland in gut zehn Jahren - wie sieht das aus, wie fühlt es sich an? Haben wir den nationalen Turnaround geschafft, den heute so viele drohend und mit bisweilen apokalyptischer Diktion einklagen? Haben sich die vielen chaotischen Einzelreformen, mit denen sich die Deutschen momentan quälen, zu einem Gesamtbild zusammengefügt? In den folgenden vier Szenarien haben wir die plausibelsten Zukunftsentwicklungen für ein großes, spätindustrielles Land in der Mitte Europas durchgespielt. Welches dieser Szenarien empfinden Sie als am wahrscheinlichsten? Und warum? Fällt Ihnen ein eigenes"deutsches Zukunftsbild" ein? Stimmen Sie ab auf der Website des Zukunftsinstituts www.zukunftsinstitut.de
Der Wandel, der nun wie ein Fieber einsetzt, pflügt alle Bereiche des Lebens um. In der Wirtschaft beginnt eine gewaltige Freisetzungswelle - aber nur für wenige Monate, dann folgt ein Einstellungsboom ohnegleichen. Die"Brain Boom"-Kampagne von 2013, ein gewaltiges Joint Venture zwischen privaten Initiativen, Wirtschaft und Staat, hat die Rate der Abiturienten auf 60, die Quote der universitären Abschlüsse auf 45 Prozent hochschnellen lassen. Damit - und mit einer großen Immigrationswelle ab 2012 - können die größten Knappheiten des Wissensarbeitsmarktes ausgeglichen werden. VW fusioniert 2014 mit dem größten chinesischen Autokonzern und heißt nun Eurasia VW. Siemens erschließt die neuen Energiesysteme Sibiriens, macht Indien zur High-Speed-Nation. Neue Verkehrssysteme und biosymbiotische Produktionsverfahren gehören zu den Exportschlagern der Deutschen.
In den deutschen Betten beginnt eine fieberhafte Produktivität. Die Geburtenrate steht mit 2,0 auf dem höchsten Stand seit 40 Jahren. Nach dem dritten Kind zahlen deutsche Bürger bis zu einem Einkommen von 100 000 Euro keine Steuern mehr, darüber nur linear 15 Prozent. Eine Vielzahl von steuerlich absetzbaren privaten Dienstleistungen macht Karriere auch mit Kindern möglich. Die Städte Deutschlands vibrieren vor Vitalität - sie sind rund um die Uhr geöffnet. Mit fünf bis sechs Prozent Dauerwachstum ist Deutschland wieder die Wachstumslokomotive Europas. Aber dies fordert einen Preis. Das Klima wird deutlich härter. Demonstrationen gegen den"Mörderkapitalismus" sind nun an der Tagesordnung. Die Kriminalitätsrate (vor allem Raub und Diebstahl) steigt, die Differenzen zwischen Arm und Reich sind deutlicher sichtbar.
Die WELT schreibt am Weihnachtstag 2019:"Unser Leben ist härter, schneller, anstrengender geworden. Keine Nische mehr, in der man subventioniert überwintert. An der nächsten Ecke wartet schon einer mit mehr Aufstiegswillen, mehr Energie und Fantasie und besserem Marketing. Man kann hoch steigen in unserer Neorepublik, man kann aber auch schnell den Halt verlieren. Aufwärts oder raus - dieser Spruch gilt heute für die Gesellschaft als Ganzes. Und zum Wohle der Republik!"
Discount-Deutschland - Ausverkauf der Republik
Seit 2004, als die Konjunktur noch einmal einen müden Hüpfer machte, stand niemals mehr ein Plus vor der Wachstumszahl. Deutschland schrumpft. Aber in gewisser Weise erfolgreich. Deutschland 2015, das ist eine endlose Einfallstraße voller Discounter, eine einzige, plärrende Verkaufsshow, in der die Preise sekündlich fallen. Glücksspiel ist zum Volkssport geworden, nach dem Wuchern der Trash-Läden schießen flächendeckend Garküchen aus dem Boden. Straßenhändler prägen die Fußgängerzonen. Alles wird recycelt, wieder verkauft, gedealt. Ebay hat gewaltige Warenlager errichtet, in denen man alles findet, was man zum Leben braucht - auch wenn man keinen Computer bedienen kann. Aldi heißt nun Aldi World und beherrscht die gigantischen Handelsmärkte eines Billig-Europas von Cherbourg bis Kasachstan. Die Arbeitslosenrate steht bei 18 Prozent, aber niemand redet groß darüber. 15 Prozent der Deutschen gehen inzwischen jenseits der durchlässigen Grenzen arbeiten - in den boomenden Sonderwirtschaftszonen Polens oder Tschechiens. Die Schwarzarbeit bildet die Kernwirtschaft - 40 Prozent des Bruttosozialprodukts. Barter- und Zweitwährungen sind entstanden.
Erstaunlich ist vor allem die stoische Gelassenheit, mit der die Deutschen auf diesen Niedergang reagieren. Das Geheimnis hört auf den Namen"gesteuerte Deflation": Jedes Jahr sinkt das Bruttosozialprodukt um ein Prozent - aber die Preise sinken um drei Prozent. Für den Bürger ist das ein Gewinnspiel. Reisen, Autos, Computer, selbst Mieten verbilligen sich ständig. Auch die Wohlhabenden profitieren, denn überall gibt es nun billige Arbeitskräfte - Putzpersonal, Babysitter, Gärtner, Handwerker. So bekommt man jedes Jahr mehr für sein Geld, obwohl man weniger verdient.
Während sich die Berliner Politik in einem Grabenkampf mit ständig wechselnden Mehrheiten befindet, ist das Deutschland des Jahres 2015 ein Land der verflochtenen Konzerne. Merger und Supermerger haben zu einem undurchdringlichen euro-globalen Firmendickicht geführt. Nach den neueuropäischen Gesetzen sind Bankpleiten praktisch unmöglich, weil die EU Bestandsgarantien gibt. Insolvenzen dienen der regelmäßigen operativen Freistellung von Schuldenlasten. Siemens, Telekom und Lufthansa sind zu mehr als 80 Prozent in der Hand von Globalchin, dem gigantischen chinesischen Konzern.
In der"Zeit" vom 1. Januar 2021 können wir lesen:"Noch um die Jahrtausendwende hätte man sich nicht vorstellen können, dass Volkswirtschaften überhaupt überleben können, ohne ständig und ewig zu wachsen (das Beispiel Schweiz und Japan haben wir einfach ignoriert). Die Geschichte hat uns eines Besseren belehrt. Rezessionen können golden, oder sagen wir besser falschgolden sein. Alles geht den Bach herunter - aber nie so, dass es wirklich wehtut. Inzwischen ist das Jammern zu einem Lebensstil geworden, mit dem man ganz komfortabel auskommt. Anderen geht es schließlich noch schlechter, nicht wahr?"
Cluster World - Föderalstaaten und"Power-Regionen"
Am 11. November 2014 erklären die Südstaaten ihre"bedingte Souveränität" von dem maroden Staatsgebilde, das in der Ã-ffentlichkeit nur noch die"Berliner Ruine" genannt wird. Gleichzeitig gehen Bayern und Baden-Württemberg eine Steuer- und Gesetzesallianz mit dem Alpencluster (Ex-Ã-sterreich/Schweiz) ein. Es gilt nun ein privater Spitzensteuersatz von 25 Prozent, das absolute Bankgeheimnis und die ebenso absolute Gewerbefreiheit. Das mittlere Einkommen in Bawüba beträgt inzwischen 70 000 Euro, fünf Mal so viel wie in Mecklenburg. Andere Bundesländer reagieren sofort. Die Westallianz (NRW, Saarland, Bremen) droht mit offenem Beitritt zum Brüssel-Belt, der Aufwindregion zwischen Brüssel, Antwerpen und dem Rhein. Schleswig-Holstein hat schon seit Jahren eine Integrationsstrategie mit dem Nordcluster verfolgt. Nur die mittleren und östlichen Bundesländer tun sich schwer. Immerhin hat Polen Interesse an Teilen von Vorpommern, um seine gentechnische Mega-Landwirtschaft auszuweiten. Am 1. Dezember 2015 beschließt der Bundestag die Umwandlung des Nationalstaats Deutschland in eine Verkehrs- und Verteidigungsunion, die nur noch das Notwendigste regelt. Von nun an ähnelt die deutsche Landkarte wieder dem Flickenteppich des frühen 19. Jahrhunderts: Fürstentümer, freie Großgemeinden, 3412 unterschiedliche Steuergesetze.
2009 trennte sich Nord- von Süditalien. 2010 Kärnten von Ã-sterreich. Wales und Schottland gehen schon länger eigene Wege. 2011, als die Türkei, Moldawien, Bulgarien und Rumänien der EU beitreten sollen, zerbricht diese mit einem hässlichen Knirschen. Nordeuropa führt die"Nordische Krone" ein, Ã-sterreich tritt dem Franken bei, England der Dollar-Zone. Europa zerlegt sich selbst, und die deutsche Selbstzerlegung ist nur Teil dieses Prozesses. Europa 2010 ist ein Kontinent der scharfen Brüche: In einer Region, die die"Drei Ts" zu versammeln vermochte (Technologie, Talent, Toleranz), schießen die Wachstumsraten in den Himmel - und erzeugen einen"Brain Drain" in anderen Regionen. The Winner takes it all.
"Wozu", schreibt 2014 der"Weltspiegel","sollen wir ein Modell des Nationalstaates aufrechterhalten, das im industriellen Zeitalter stimmig war, in der modernen Welt des Wissens aber nur die Widersprüche zukleistert? Welchen Sinn macht"Deutschland" noch, wenn es längst aus hundert verschiedenen Kulturen, Sprachen, Rezepten besteht, die wir selbst gewollt und gemacht haben - Stichwort,Standortwettbewerb", Stichwort,Steuerfreiheit", Stichwort,Subsidiarität"? Europa wird ein Europa der Kantone. Wenn Brandenburg eine sozialistische Republik ausruft - soll es doch!"
Auferstanden aus Ruinen - die Republik der Frauen
"Die Deutschen haben in einem schwierigen Prozess herausgefunden, wer sie eigentlich sind", heißt es in der Neujahrsansprache der Kanzlerin 2015."Das war nicht einfach. Aber jetzt haben wir das Grundübel der Gesellschaft ein für alle Mal gezähmt. Den Drachen der Ungleichheit, der Ungerechtigkeit..."
Das System, das sich aus den Trümmern der Weltkrise 2012 erhebt, ähnelt in vielem der alten DDR. Allerdings sieht es moderner aus: Jeder Bürger erhält einen elektronischen"Talentpass" im Netz, der seine Laufbahn und seine Fähigkeiten genau registriert, auch seine sozialen, kommunikativen Talente. Sozialbehörden, Arbeitsämter und Arbeitgeber können auf diese Daten direkt zugreifen. Keiner wird hängen gelassen. Wer arbeitslos wird, wird weitertrainiert, gestützt, gefordert, bekommt eine unendliche Anzahl von Bürgerarbeitsangeboten in staatlichen und halbstaatlichen Organisationen. Arbeit im Bürgersektor, einem sekundären Arbeitsmarkt, berechtigt zum Einzug in die gut ausgebauten"Senior Cities".
Das Volksheim, das sich die Deutschen nun einrichten, wird ohne Konflikte von der"Partei des Sanften Fortschritts" (PSF) regiert, einer populistischen Post-SPD-Grün-Blüm-CSU-PDS-Bewegung, die zur satten absoluten Mehrheit angewachsen ist (im Osten der Republik kam sie auf 80 Prozent der Stimmen). Frauen geben den Ton an in den staatlichen Institutionen, in den Familien, in den Unternehmen (man ist längst aus der Nato ausgetreten; der Kurs gegenüber den chinesisch-amerikanischen Kriegswirren ist neutral). Die Gesellschaft wird von"Runden Tischen","Erneuerungsbündnissen" und"Innovationsallianzen" geprägt. Flächendeckende Ganztagsschulen und perfekte Ganztagskindergärten mobilisieren die weibliche Talentreserve. In den Firmen sind"Balance-Kontrakte" obligatorisch, die auch hoch leistende Männer zu Väterarbeit verpflichten. Anhaltende Staatsinvestitionen im Erziehungs-, Bildungs- und Altenbereich lassen die Wirtschaft mit konstant einem Prozent pro Jahr wachsen. Nach den Genepidemien des Jahres 2012 wird die Gentechnik in Deutschland endgültig verboten. Deutschland lebt von High-Tech-Umwelttechnik, dem Export von Dreiliterautos, Biolandwirtschaftsprodukten ("produziert in der genfreien Zone Deutschland").
"Deutschland", heißt es im Fernsehkommentar zu Weihnachten 2015,"hat sich tatsächlich selbst gefunden. Wahr ist: Wir sind eine friedliche, östlich-nördliche, im tiefen Kern formationsbereite Nation, die den tiefen, den befestigten Konsens sucht. Wir achten das Individuum, aber lieben und präferieren es nicht. Wir stellen die Sicherheit vor den Exzess jeder Freiheit, die Abgewogenheit vor das globale Abenteuer, das humane Element vor die Risiken der Hypertechnik. Das Epizentrum Deutschlands liegt in den schweren Böden der Uckermark. Geistig ist es im Norden verankert, bei unseren skandinavischen Schwestern. Und so wird es bleiben, vielleicht tausend Jahre lang."
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-->Am 11. November 2014 erklären die Südstaaten ihre"bedingte Souveränität" von dem maroden Staatsgebilde, das in der Ã-ffentlichkeit nur noch die"Berliner Ruine" genannt wird. Gleichzeitig gehen Bayern und Baden-Württemberg eine Steuer- und Gesetzesallianz mit dem Alpencluster (Ex-Ã-sterreich/Schweiz) ein. Es gilt nun ein privater Spitzensteuersatz von 25 Prozent, das absolute Bankgeheimnis und die ebenso absolute Gewerbefreiheit. Das mittlere Einkommen in Bawüba beträgt inzwischen 70 000 Euro, fünf Mal so viel wie in Mecklenburg. Andere Bundesländer reagieren sofort. Die Westallianz (NRW, Saarland, Bremen) droht mit offenem Beitritt zum Brüssel-Belt, der Aufwindregion zwischen Brüssel, Antwerpen und dem Rhein. Schleswig-Holstein hat schon seit Jahren eine Integrationsstrategie mit dem Nordcluster verfolgt. Nur die mittleren und östlichen Bundesländer tun sich schwer. Immerhin hat Polen Interesse an Teilen von Vorpommern, um seine gentechnische Mega-Landwirtschaft auszuweiten. Am 1. Dezember 2015 beschließt der Bundestag die Umwandlung des Nationalstaats Deutschland in eine Verkehrs- und Verteidigungsunion, die nur noch das Notwendigste regelt. Von nun an ähnelt die deutsche Landkarte wieder dem Flickenteppich des frühen 19. Jahrhunderts: Fürstentümer, freie Großgemeinden, 3412 unterschiedliche Steuergesetze.
>2009 trennte sich Nord- von Süditalien. 2010 Kärnten von Ã-sterreich. Wales und Schottland gehen schon länger eigene Wege. 2011, als die Türkei, Moldawien, Bulgarien und Rumänien der EU beitreten sollen, zerbricht diese mit einem hässlichen Knirschen. Nordeuropa führt die"Nordische Krone" ein, Ã-sterreich tritt dem Franken bei, England der Dollar-Zone. Europa zerlegt sich selbst, und die deutsche Selbstzerlegung ist nur Teil dieses Prozesses. Europa 2010 ist ein Kontinent der scharfen Brüche: In einer Region, die die"Drei Ts" zu versammeln vermochte (Technologie, Talent, Toleranz), schießen die Wachstumsraten in den Himmel - und erzeugen einen"Brain Drain" in anderen Regionen. The Winner takes it all.
>"Wozu", schreibt 2014 der"Weltspiegel","sollen wir ein Modell des Nationalstaates aufrechterhalten, das im industriellen Zeitalter stimmig war, in der modernen Welt des Wissens aber nur die Widersprüche zukleistert? Welchen Sinn macht"Deutschland" noch, wenn es längst aus hundert verschiedenen Kulturen, Sprachen, Rezepten besteht, die wir selbst gewollt und gemacht haben - Stichwort,Standortwettbewerb", Stichwort,Steuerfreiheit", Stichwort,Subsidiarität"? Europa wird ein Europa der Kantone. Wenn Brandenburg eine sozialistische Republik ausruft - soll es doch!" >
So eine"Vision" haben wir schon mal am Börsenstammtisch diskutiert, jeder hat es für möglich gehalten.
Gruß topas aus Freiburg
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