--><h2>KANZLERTREFFEN - DGB-Spitze will Schröder Reformkurs ausreden</h2>
Von Lars Langenau
Gerhard Schröder droht neues Ungemach von den Gewerkschaften. Bei ihrem heutigen Treffen will der DGB dem Kanzler Änderungen an der Reformagenda 2010 abringen. Das Wahldebakel der SPD in Hamburg, so die Hoffnung, hat ihn womöglich kompromissbereiter gemacht.
Hamburg - Um 19 Uhr trafen Schröder, der geschäftsführende DGB-Vorstand mit Michael Sommer und Ursula Engelen-Kefer sowie die Bezirksvorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu einer Art Arbeitsessen im Kanzleramt zusammen - mit offenem Ausgang. Im Vorfeld versuchten die Sozialdemokraten jedoch den Gesprächsrahmen abzustecken.
Obwohl Schröder das Abschneiden seiner Partei in der Hansestadt als"schmerzlich" bezeichnete, will er an seinem Reformkurs festhalten:"Wir werden ihn noch sorgfältiger erklären müssen, aber wir werden ihn fortsetzen." Nach Ansicht des designierten SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering kann die Regierung gar nicht anders. Allerdings:"Ein Teil der Menschen vertraut uns noch nicht, dass es in die richtige Richtung geht."
Trotzdem wollen die DGB-Landeschefs heute Abend"nicht nur nett erzählen und Wein trinken", wie Peter Deutschland, zuständig für den Bezirk Nord, zu SPIEGEL ONLINE sagte. Obwohl es keine Tagesordnung gebe, werde die Bewertung der Hamburg-Wahl an erster Stelle des Gespräches stehen."Daran werden sich die Fragen nach der soziale Gerechtigkeit anschließen", sagte Deutschland. Er will insbesondere die Situation in den neuen Bundesländern thematisieren. Womöglich werde es auch um einen"neuen Masterplan Ost" gehen.
"Große Sprüche helfen nicht"
Wie Deutschland will auch Hartmut Tölle, DGB-Bezirksvorsitzender für Niedersachsen und Bremen, die Zumutbarkeitsregelungen für Arbeitslose thematisieren. Tölle sagte gegenüber SPIEGEL ONLINE, es gebe"gravierende Unterschiede in der Einschätzung" der politischen Lage im Land zwischen den Gewerkschaften und der Bundesregierung. Er erhoffe sich von dem Treffen eine"ganz konkrete Vorgehensweise" zur Bekämpfung der Probleme auf dem Arbeitsmarkt.
Von den Arbeitgebern forderte Tölle insbesondere Zusagen über die Ausbildungsplatzabgabe. Derzeit würden bundesweit nur noch 20 Prozent der"ausbildungsfähigen Unternehmen" ihrer Verpflichtung zur Ausbildung von Jugendlichen nachkommen, sagte Tölle. Bei der teilweise"entwürdigenden Auseinandersetzung" um die Arbeitsvermittlung durch Jobcenter und bei der zunehmenden Bürokratisierung der Bundesagentur für Arbeit erhofft sich Tölle eine"klare Orientierung". All diese Themen erforderten"Kärrnerarbeit - große Sprüche helfen da nicht".
Auch DGB-Chef Sommer erneuerte vor dem Treffen seine Kritik an der Reformagenda: Sollte die Bundesregierung im kommenden Jahr wie geplant die neuen Zumutbarkeitsregeln für Arbeitslose einführen, drohe ein bundesweiter Lohnrutsch, sagte Sommer in diversen Interviews. Die Reformen seien"Gift für Konjunktur und Arbeitsmarkt". Er wolle die Rücknahme der Zumutbarkeitsregeln für Langzeitarbeitslose, einen Schutz von Arbeitszeitkonten und die Einführung der Ausbildungsplatzabgabe einfordern.
Hoffnung auf Einsicht
Die stellvertretende Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Margret Mönig-Raane, sagte:"Der Kanzler wird ein weiteres Mal versuchen, für seine Agenda 2010 zu werben. Ich hoffe, dass er gut zuhört." Mit Blick auf die aktuelle SPD-Niederlage und die anstehenden 13 Wahlen sagte sie:"Ich weiß nicht, wie viele Wahlen noch verloren werden müssen, bis es dämmert." Sie wandte sich aber dagegen, dem Kanzler das Vertrauen zu entziehen."Für mich ist das weniger eine Personenfrage", sagte sie."Ich hoffe auf Einsicht und Überzeugungsfähigkeit."
Die Gewerkschaften kritisieren den Reformkurs der Regierung seit Monaten als sozial ungerecht. Sie wollen ihre Kritik unter dem Motto"Steht auf" mit Großdemonstrationen am 3. April und am 1. Mai Berlin, Köln und Stuttgart unterstreichen. Erwartet werden von den Gewerkschaften"ein paar Hundertausend Teilnehmer". Allerdings hatten die Gewerkschaften bereits im vergangenen Jahr gegen Schröders"Agenda 2010" mobilisiert, mussten den Widerstand aber mangels Beteiligung der Basis einstellen.
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt warnte indes die Bundesregierung vor einem Kurswechsel:"Eine Umkehr wäre für die weitere Entwicklung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes in Deutschland verheerend." Er könne Schröder"nur auffordern, derartigen Interessen nicht nachzugeben".
Hundt warf der Regierung bei Umsetzung der Sozialreformen - etwa bei Rente, Gesundheit und Pflege - Inkonsequenz vor. So dürfe die Entscheidung über ein Rentenalter von 67 Jahren nicht länger hinausgezögert werden, sondern müsse noch in diesem Jahr fallen. Um die Ziele von Schröders"Agenda 2010" zu erreichen, sei eine"Agenda 2004" als eine Art Sofortprogramm notwendig.
Quelle http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,288677,00.html
J.
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