-->Zum rechtlichen Gehör bei Wohnungsdurchsuchungen (29.02.04)
BVerfG - Pressemitteilung vom 27.02.04 - Sonstige Themen
Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet ein Gericht nicht, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden.
Der wesentliche, der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienende Vortrag muss aber in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden.
Dabei hängt das Maß der Erörterungspflicht nicht nur von der Bedeutung des Vortrags der Beteiligten für das Verfahren, sondern auch von der Schwere des zur Überprüfung gestellten Grundrechtseingriffs ab.
Sachverhalt:
Kurz nach der Festnahme und nachdem eine Richterin Haftbefehle gegen zwei Beschuldigte erlassen hatte, riefen Reporter in der Kanzlei des Verteidigers an und erkundigten sich nach dem Ermittlungsverfahren. Im weiteren Verlauf des Tages berichtete eine Nachrichtenagentur mit Verweis auf Berichte einer Tageszeitung und eines Fernsehsenders über die Ermittlungen.
Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen wegen des Verdachts der Verletzung des Dienstgeheimnisses auf und erfuhr, dass die Richterin und einer der Reporter persönlich bekannt waren. Daraufhin richteten sich die Ermittlungen gegen die Richterin als Beschuldigte, blieben aber ohne Ergebnis. Die Staatsanwaltschaft beantragte beim Amtsgericht Beschlüsse zur Durchsuchung der Wohnung und des Dienstzimmers. Die Anträge wurden vom Amtsgericht abgelehnt, da der Kreis der möglichen Informanten der Presse zu groß sei, um einen konkreten Tatverdacht gegen die Richterin begründen zu können. Auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft ordnete das Landgericht die Durchsuchung an. Die Durchsuchungen blieben ergebnislos.
Das LG lehnte auf die Beschwerde der Richterin die Aufhebung der Durchsuchungsanordnung ab.
Aus den Entscheidungsgründen:
Der die Aufhebung der Durchsuchungsanordnung ablehnende Beschluss des Landgerichts verletzt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts das Recht der Richterin auf rechtliches Gehör.
Für die Betroffene ging es nach einem besonders schweren Eingriff in ihre persönliche Lebenssphäre um den ersten Zugang zum Gericht. Dabei hängt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts das Maß der Erörterungspflicht des Gerichts nicht nur von der Bedeutung des Vortrags der Beteiligten für das Verfahren, sondern auch von der Schwere des zur Überprüfung gestellten Grundrechtseingriffs ab. Aus dem angegriffenen Beschluss gehe aber nicht hervor, dass das Landgericht nach einem empfindlichen Grundrechtseingriff das wesentliche Verteidigungsvorbringen zwar erwogen, aber als unwesentlich beurteilt hätte.
Die Betroffene habe die Anforderungen, die eine mit der Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung zu vereinbarende Durchsuchungsanordnung zu wahren hat, substantiiert in Frage gestellt. Das Landgericht hingegen habe den Vortrag nicht gewürdigt und in seiner Begründung zum Ausdruck gebracht, dass ungeprüft bleiben könne, ob der diesbezügliche Vortrag inhaltlich zutreffe. Denn die Durchsuchungsanordnung werde durch die nunmehr vorgetragenen Tatsachen nicht im Nachhinein rechtswidrig.
Die Betroffene stützt ihre Einwendungen gegen die Durchsuchungsanordnung jedoch ausnahmslos auf bereits zu jener Zeit aktenkundige Tatsachen. Sie greift die Durchsuchungsanordnung gerade damit an, dass der zur Zeit der Anordnung vorliegende Akteninhalt einen Tatverdacht nicht rechtfertigen konnte.
Angesichts der gewichtigen Auswirkungen der Durchsuchung auf die Privatsphäre und auf die berufliche Stellung der Betroffenen hätte sich das Langericht daher eingehend mit ihrem Vortrag befassen müssen. Dies hat es unterlassen. Dadurch ist der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden.
Entscheidung des BVerfG im Volltext
<ul> ~ Rechtliches Gehör bei Wohnungsdurchsuchungen</ul>
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