-->DGB: Längere Arbeitszeit führt zu sinkendem Wohlstand
Montag 29 März, 2004 16:04 CET
- von Jan Christoph Schwartz -
Berlin (Reuters) - Eine Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeiten in Deutschland würde nach Einschätzung des DGB europaweit zu sinkendem Wohlstand führen. Längere Arbeitszeiten seien zudem das falsche Mittel zur Bewältigung der Beschäftigungskrise.
"Die konkurrierenden Unternehmen in den anderen Ländern würden das nicht tatenlos über sich ergehen lassen, sondern ebenfalls zu solchen Maßnahmen greifen", sagte der Tarifexperte des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reinhard Dombre, Reuters am Montag in Berlin. Das würde auch in diesen Ländern eine Abwärtsspirale beim Wohlstandsniveau in Gang setzen. Für Deutschland sagte Dombre steigende Arbeitslosigkeit und sinkende Einkommen voraus, falls die Wochenarbeitszeit wie von Politikern verlangt auf 40 oder mehr Wochenstunden verlängert würde.
Die Arbeitszeit-Debatte war am Wochenende neu entbrannt, nachdem die Bundesländer die Arbeitszeitregelungen für die Landesbediensteten gekündigt hatten. Sie wollen die Arbeitszeit auf bis zu 42 Wochenstunden von derzeit 38,5 Stunden ausdehnen.
VIELE BETRIEBE HABEN KEINEN BEDARF AN LÄNGERER ARBEITSZEIT
"Das bedeutet kein Mehr an Kaufkraft, das bedeutet kein Mehr an Beschäftigung, das bedeutet eine Abwärtsspirale unter Senkung des Wohlstandes für alle", sagte Dombre. Längere Arbeitszeiten würden bei der anhaltend schwachen Konjunktur nicht für zusätzliche Nachfrage sorge. Vielmehr sinke dadurch tendenziell die Massenkaufkraft, weil mehr Menschen in die Arbeitslosigkeit gedrängt würden."Hier wird zusehr betriebswirtschaftlich gedacht", sagte der Gewerkschafter. Mit der Debatte werde wohl eher versucht, die wirtschaftliche Situation und die Angst um Arbeitsplätze auszunutzen, um durch längere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich Kostensenkungen für die Firmen durchzusetzen.
Dombre verwies zudem auf Firmen wie die Deutsche Telekomund Opel hin, die die Arbeitszeit verkürzten, um Personalkosten zu senken."Wir haben eine Mehrzahl von Betrieben, die gar nicht den Bedarf haben, länger zu arbeiten, weil die Produkte gar nicht abgesetzt werden."Stellen Sie sich vor, VW würde zur 40-Stunden-Woche zurückkehren. Hätten wir soviele Abnehmer für die Autos?"
Der Autobauer Volkswagen hatte vor mehr als zehn Jahren die Arbeitszeit auf 28,8 Wochenstunden gesenkt, um den drohenden Abbau von 30.000 Arbeitsplätzen zu vermeiden. Inzwischen strebt aber auch VW längere Arbeitszeiten an, um die Produktion flexibler gestalten zu können. Im Gespräch ist ein Modell gestufter Lebensarbeitszeiten, durch das die durchschnittliche Arbeitszeit auf 35 Wochenstunden erhöht würde.
Quelle: Reuters
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