-->junge Welt vom 21.04.2004
Titel
Alliierte Front bröckelt
Nach Spanien zieht auch Honduras seine Soldaten aus Irak ab. Ende eines unmoralischen Geschäftes
Harald Neuber
Mit dem Abzug der spanischen Soldaten werden auch lateinamerikanische Truppen die US-geführte Besatzungsarmee den Irak verlassen. In einer Fernsehansprache erklärte der Präsident von Honduras, Ricardo Maduro, am Montag, die 370 Soldaten des mittelamerikanischen Landes »schnellstmöglich zurückholen« zu wollen.
Die spanische »Brigade Plus Ultra« wurde seit ihrer Stationierung in der Nähe der schiitischen Pilgerstadt Nadschaf im Süden von Irak im vergangenen August von knapp 1 200 Soldaten aus Honduras, El Salvador, Nikaragua und der Dominikanischen Republik verstärkt. Aus Spanien befand sich bis zum vergangenen Wochenende mit 1 300 Soldaten nur eine geringfügig größere Truppe im besetzten Irak im Kampfeinsatz.
Diese Front bröckelt allerdings nicht erst seit dem Rückzugsbefehl des neuen spanischen Ministerpräsidenten José Luis Zapatero. Als erstes Land hatte Nikaragua Mitte Januar den Rückzug angetreten. Nach Ende ihres sechsmonatigen Mandats von Juli 2003 bis Januar dieses Jahres hatte die nikaraguanische Regierung in Managua ihre 115 Soldaten vertragsgemäß abgezogen, ohne neue Militärs für die »Brigade Plus Ultra II« zu entsenden. Als Begründung für diese Entscheidung wurden damals »Finanznöte« angeführt. Tatsächlich aber hatte der innenpolitische Druck auf die Regierung des mittelamerikanischen Landes massiv zugenommen.
Vor diesem Hintergrund befürchten die Kriegsherren in Washington nun offenbar einen Dominoeffekt. Scharfer diplomatischer Ton bestimmte daher die ersten Kontakte zwischen den Regierungen in Madrid und Washington seit der Amtseinführung von Zapatero am Sonntag. Wie aus Regierungsquellen in Washington bekannt wurde, wies US-Präsident Bush seinen neuen Amtskollegen in Spanien in ungewöhnlich scharfem Ton zurecht. Er hoffe, daß der spanische Truppenabzug so verlaufe, »daß keine US-Soldaten gefährdet werden«, soll Bush in dem nur fünfminütigen Telefonat gesagt haben. Es liegt auf der Hand, daß in Washington weniger der spanische Rückzug an sich als vielmehr seine politische Wirkung für Nervosität sorgt. Darauf wies auch der neue spanische Verteidigungsminister José Bono hin. Noch vor wenigen Tagen habe der Oberbefehlshaber der US-Besatzungstruppen, Ricardo Sánchez, erklärt, die Stärke der spanischen Truppen sei »aus militärischer Sicht irrelevant«. Das hielt Bono Kritiken an der spanischen Entscheidung zum Truppenabzug entgegen. »Es kann nicht sein, daß unsere Soldaten unbedeutend sind, solange sie vor Ort sind«, so Bono, ihr Abzug jedoch »die Flanken öffne«. Im Telefonat mit Zapatero hatte Bush der neuen Regierung in Madrid vorgeworfen, mit ihrem Rückzug »Terroristen« zu ermutigen.
Mit Spannung wird nun erwartet, wie sich El Salvador und die Dominikanischen Republik verhalten werden. Die Regierung in San Salvador erhält den Einsatz in Irak mit 400, die Dominikanische Republik mit 300 Soldaten weiter aufrecht. Dabei ist das Engagement der zentralamerikanischen Regierungen keineswegs politischen Überzeugungen geschuldet. Im Auftrag der USA war der inzwischen abgewählte spanischen Ministerpräsident José Maria Aznar im vergangenen Juli in San Salvador mit Regierungen mehrerer lateinamerikanischer und karibischer Staaten zusammengekommen, um ihnen ein unmoralisches Angebot zu unterbreiten: Wenn sie die Besatzung von Irak mit eigenen Truppen unterstützten, würde ihnen Spanien »bis zu einer Milliarde Dollar staatliche Schulden erlassen«. Zudem stellte der ultrarechte Staatschef kooperationsbereiten Staaten damals günstige Entwicklungskredite in Aussicht. Auch wenn bis heute keine genauen Zahlen des Tauschhandels »Schuldenerlaß gegen Kanonenfutter« bekannt wurden, war damit ein neues Kapitel in den Nord-Süd-Beziehungen aufgeschlagen. Linksparteien aus den zentralamerikanischen Staaten hatten wenige später gegen den Handel protestiert. Stellvertretend für die Unterzeichner der gemeinsamen »Erklärung von Tegucigalpa« bezeichnete der ehemalige sandinistische Innenminister Tomás Borge die Entsendung von Truppen nach Irak als »unmoralisch und antipatriotisch«.
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Ausdruck erstellt am 21.04.2004 um 09:20:46 Uhr
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