Hamburger Abendblatt 22.11.2000
Das längste Glasfaserkabel der Welt ist 39 000 Kilometer lang, drei Milliarden Mark teuer, verbindet 33 Länder. Nun ist es beschädigt. Das triff Millionen Internetnutzer.
Internet-Rückgrat gebrochen
Von MATHIAS EBERENZ
Hamburg - Sind die Haie schuld? Sicher ist: Seit gestern bremst ein Schaden an einem der weltweit meistgenutzten Unterwasserkabel zur Datenübertragung Internetsurfer auf drei Kontinenten aus. Noch ist zwar unklar, warum die Datenströme in einem Teilstück des mit 39 000 Kilometern längsten Unterwasserkabels der Welt nicht mehr fließen, aber als mögliche Ursache kommen neben einem Seebeben oder einem Kabelriss durch Verhakung mit einem Schiffsanker angeblich auch Bisse von Haien in Frage.
Das längste Glasfaserkabel der Welt ist beschädigt.
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Wie Australiens größter Internet-Zugangsanbieter Telstra gestern mitteilte, wurde das Kabel, das Australien mit Asien und Europa verbindet, rund 100 Kilometer vor der Küste Singapurs beschädigt. Telefonkonzerne aus Singapur und Indonesien bemühen sich seitdem, den Kabelbruch zu reparieren. Das könne aber einige Tage dauern, hieß es. Bis dahin müssten Internetnutzer zwischen Australien und Europa mit Problemen rechnen. Allein in Australien dürften mehr als eine halbe Million Nutzer praktisch vom Netz abgeschnitten sein, denn die Telefongesellschaft Telstra leitete zuvor fast 60 Prozent ihre Internetdaten über das beschädigte Kabel.
In Deutschland sind dagegen gestern zunächst keine erkennbaren Probleme beim Netzzugang aufgetreten. Sowohl die Deutsche Telekom mit ihrer Tochter T-Online als auch der Onlinedienst AOL gaben Entwarnnung und verwiesen darauf, dass man prinzipiell eine Vielzahl von Zugangswegen in das Internet nutze. Telekom-Sprecher Willfried Seibel:"Wir können beim Internetverkehr mit Asien jederzeit auch über die USA gehen. Das können aber möglicherweise nicht alle Provider."
Das betroffene, armdicke Glasfaserkabel heißt offiziell SEA-ME-WE 3 (steht für South East Asia, Middle East, Western Europe) und war erst im vergangenen Jahr verlegt worden. Knapp drei Milliarden Mark hatte ein weltweites Konsortium von 93 Unternehmen in das Projekt investiert. Darunter mit 100 Millionen Mark als größter Investor auch die Deutsche Telekom. Das als Backbone bezeichnete Internet-Rückgrat verbindet derzeit 33 Länder und kann bis zu 300 000 Telefonate gleichzeitig übertragen. Neueste Techniken ermöglichen sogar bis zu 1,8 Millionen Verbindungen pro Glasfaserkabel.
Allerdings, und das dürfte die Situation entspannen, ist das Drei-Kontinent-Kabel zwar die meistbenutzte Glasfaserverbindung, aber nicht das Fundament der weltweiten Telefon- und Internet-Kommunikation. Denn auf dem Grund der Meere liegen noch weitere Hightech-Strippen. Weltweit, so wird geschätzt, existieren inzwischen fünf Millionen Kilometer Seekabel und 30 große Kabelnetzwerke.
Denn die großen Telekommunikationskonzerne investieren schon seit Jahrzehnten Milliardenbeträge in die neuen Verbindungswege der Informationsgesellschaft - um die Kupferkabel zu ersetzen, die seit rund 150 Jahren den Telegrafen- und später den Telefonverkehr ermöglicht haben.
Gerade erst hat das größte Kabelverlegeschiff der Welt, die"MS Innovator", vor der deutschen Küste an einer Daten-Rennstrecke zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten gearbeitet. Das TAT 14-Projekt soll bis zum Frühjahr fertig gestellt werden und mehr als drei Milliarden Mark kosten. Und das Spezialunternehmen Global Crossing legt gerade mit Hilfe von U-Boot-Robotern einen Glasfaserring rund um Afrika. Denn auf Grund der geringeren Kosten für die Datenübertragung, der besseren Verfügbarkeit und der kürzeren Verbindungswege sind die Kabel den Satellitenverbindungen immer noch überlegen.
Einer Studie von amerikanischen Marktforschern der Information Gatekeepers Group zufolge sollen bis 2004 weltweit insgesamt 50 Milliarden Dollar in neue Unterwasserkabel investiert werden. Allein die Deutsche Telekom ist an 80 Kabelsystemen mit 390 000 Kilometer Länge beteiligt. In den nächsten fünf Jahren sollen dazu weitere vier Milliarden Mark in die Netzinfrastruktur investiert werden. Trotz der Haie.
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