Yak
30.05.2004, 10:51 |
Gesundheitssystem - Eure Meinung? Thread gesperrt |
-->Hallo,
Ich habe heute ein Email aus einer freiwilligen Solidargemeinschaft (Artabana) bekommen. Da geht es um eine Darlehensbitte inkl. Kostenaufstellung. Da ist mir schlagartig klar geworden, dass mit so einer Gemeinschaft zwar die Verwaltungskosten stark gedrückt werden können, der Hauptanteil der Misere jedoch von den hohen Kosten im Gesundheitsbereich (Medizintechnik, Pharma, Ärzte) und den in Deutschland herrschenden Standards herrührt. Wer irgendwo in Afrika was ernstes bekommt, stirbt daran, bei uns verursacht er hunderttausende Euro Kosten. Solange eine Volkswirtschaft das mittragen kann, kein Problem. Wenn aber bei stagnierender Wirtschaft die Gesundheitskosten weiter steigen, ist etwas gewaltig faul im System.
Weshalb kann man nicht bei der Kasse verschiedene Module und Standardstufen selber wählen? Ich würde - um nur mal ein Beispiel zu nennen - dann die Stufe wählen, die keinerlei lebensverlängernde Maßnahmen vorsieht, wenn eh nur noch ein paar Wochen zu erwarten sind - lieber daheim und ein paar Wochen früher sterben, als an irgendwelchen Apparaten ein paar Wochen länger zu leben. Ebenso sollte meine Stufe keine Bezahlung von Zivilisationskrankheiten enthalten - dann strenge ich mich bei der Ernährung und meiner Lebensweise wieder mehr an, da ich die Folgen direkt zu tragen habe. Und sollte ich dennoch eine der Krankheiten bekommen: Cést la vie (oder wie man hier zu sagen pflegt: Umsonst ist der Tod und der kostet das Leben).
Wer aber mehr drinhaben will, muss halt entsprechend mehr bezahlen. Das ganze von mir aus einkommensabhängig gestaffelt und fertig ist das eigenverantwortliche, gerechte und zugleich bezahlbare Gesundheitssystem.
Das Geld, das man dann ggf. spart, kann man in die Vorsorge, Ernährung etc. investieren oder aber in den eigenen Untergang. So stelle ich mir Eigenverantwortung vor. Freiheit ja, aber auch die Konsequenzen tragen. Das ist schwer, ich weiss es aus eigener Erfahrung, ist aber m.E. der einzige Weg, nicht irgendwann völlig im Fiasko zu enden.
Je länger ich drüber nachdenke, umso besser gefällt es mir. Dann kann jeder (ausgehend von einer allernötigsten Pflicht-Grundversorgung"Modell Afrika") selber bestimmen, welche zusätzlichen Leistungen er von der Kasse erhalten will. Diese Zusatzleistungen sollten sich nach ähnlichen Prinzipien richten wie bei den Privatkassen bereits seit Jahren bewährt (Altersrückstellungen, Beitragsrückerstattungen, Rechnung an den Patienten etc.).
Ich hör schon die Paras.., äh, Verzeihung, kassenärztliche Vereinigung schreien, wenn das vorgeschlagen würde.
Grüsse,
Yak
|
Euklid
30.05.2004, 11:06
@ Yak
|
Re: Gesundheitssystem - Eure Meinung? |
-->Du hast völlig Recht.
Das würde weder den Geschäftsführern der KVs passen, noch den Ärzten,noch diese aufgeblähten Kassenstrukturen erhalten.
Und die Lobby ist hier verdammt stark.
Auch die Pharmaindustrie hat ein Interesse an einem möglichst hohen Kollektivtopf und minimalster Eigenverantwortung der Beitragszahler.
Die Front steht:Alle gegen den Beitragszahler.
Sie wollen doch nur unser Bestes;-))
Gruß EUKLID
|
FOX-NEWS
30.05.2004, 11:32
@ Euklid
|
Re: Gesundheitssystem - Eure Meinung? |
-->>Du hast völlig Recht.
>Das würde weder den Geschäftsführern der KVs passen, noch den Ärzten,noch diese aufgeblähten Kassenstrukturen erhalten.
>Und die Lobby ist hier verdammt stark.
>Auch die Pharmaindustrie hat ein Interesse an einem möglichst hohen Kollektivtopf und minimalster Eigenverantwortung der Beitragszahler.
>Die Front steht:Alle gegen den Beitragszahler.
>Sie wollen doch nur unser Bestes;-))
>Gruß EUKLID
Den Ärzten wäre es lieber, wenn Rechnungen gestellt werden. Dann fallen die Kostenfaktoren der KV weg. Aufheulen werden aber die Gewerkschaften, wenn es an die Pfründe aus den Sozialwahlen etc. geht. [img][/img]
Gruss
sam
|
Eugippius
30.05.2004, 11:42
@ Yak
|
Re: Modell Afrika |
-->Die Zustände in Afrika als 'Modell Afrika' zu propagieren und damit zu implizieren, dass die medizinische Grundversorgung dort zumindest meistens gesichert ist, ist in meinen Augen eine menschenverachtende Verharmlosung. Wahrscheinlich war der Verfasser noch nie in Afrika abseits der Touristenpfade.
Zwei Beispiele aus Süd-Nigeria:
1. Man kommt aus einem etwas teureren Lebensmittelgeschäft. Am Ausgang warten mehr als 20 behinderte Bettler, die einem amputierte Beine und Arme in allen Zuständen des Verfalls und der Verwesung entgegenhalten. Die Gliedmaßen sind nicht irgendwie versorgt, sondern so, wie sie sich nach Unfällen etc. entwickelt haben, d.h. die Knochen stehen aus dem Fleisch hervor und sind gelblich-weißlich verfärbt, und gegen das freie Ende hin haben die Knochen Risse und zerfallen langsam. Das Fleisch, das schließlich an die Knochen anschließt, ist manchmal eitrig und entzündet, dazu jede Menge Fliegen.
2. Man kommt in ein Dorf und unterhält sich mit einer Familie. Da ist eine hochschwangere Frau. Wie geht's denn? Na ja, das Baby bewegt sich nicht mehr. Wie lange denn schon? Nun schon bald zwei Jahre... greif doch mal: Der Bauch ist riesengroß, eiskalt, und hart wie Stein.
|
igelei
30.05.2004, 12:07
@ Eugippius
|
es ging es doch gar nicht darum... mkT |
-->... sondern um die Frage, ob man eine Grundversorgung weit unter dem aktuellen Standard einführt. Überspitzt gefragt, müssen pro Person der Bevölkerung denn wirklich ein Allgemeinarzt, zwei Krankenhäuser, drei Krankenkassen und vier Zahnärzte praktizieren, von denen dann jeder ein Röntgengerät besitzt (außer die Krankenkassen ;-)).
Die Schmarotzer sitzen nicht nur in den Regierungen und Parlamenten...
Und
MfG igelei
>Die Zustände in Afrika als 'Modell Afrika' zu propagieren und damit zu implizieren, dass die medizinische Grundversorgung dort zumindest meistens gesichert ist, ist in meinen Augen eine menschenverachtende Verharmlosung. Wahrscheinlich war der Verfasser noch nie in Afrika abseits der Touristenpfade.
>Zwei Beispiele aus Süd-Nigeria:
>1. Man kommt aus einem etwas teureren Lebensmittelgeschäft. Am Ausgang warten mehr als 20 behinderte Bettler, die einem amputierte Beine und Arme in allen Zuständen des Verfalls und der Verwesung entgegenhalten. Die Gliedmaßen sind nicht irgendwie versorgt, sondern so, wie sie sich nach Unfällen etc. entwickelt haben, d.h. die Knochen stehen aus dem Fleisch hervor und sind gelblich-weißlich verfärbt, und gegen das freie Ende hin haben die Knochen Risse und zerfallen langsam. Das Fleisch, das schließlich an die Knochen anschließt, ist manchmal eitrig und entzündet, dazu jede Menge Fliegen.
>2. Man kommt in ein Dorf und unterhält sich mit einer Familie. Da ist eine hochschwangere Frau. Wie geht's denn? Na ja, das Baby bewegt sich nicht mehr. Wie lange denn schon? Nun schon bald zwei Jahre... greif doch mal: Der Bauch ist riesengroß, eiskalt, und hart wie Stein.
|
BillyGoatGruff
30.05.2004, 12:11
@ Yak
|
Vernünftige Medizin |
-->...wäre etwas Schönes und auch kostengünstig. Sicher 70% der Tätigkeiten von europ. Ärzten könnten von"Buschmedizinern" (klinisch ausgebildeten Krankenschwestern und -pflegern) im Quartier-Gesundheitsposten bestens verrichtet werden. Kosteneinsparung gegenüber heutigem System mindestens 50%. Es würde auch funktionieren, wenn die Menschen in ihrer überwiegenden Mehrheit vernünftig und nichts als vernünftig wären.
Sie sind es aber nicht. Deshalb können Modelle für"vernüntige Medizin" nie lange funktionieren. Mein"persönliches", allerdings in"Fremdsystem" drin, war nach 18 Monaten praktisch pleite. Ich hatte es dann"reformiert". Dann ging es etwa 7 Jahre gut, mit herumdümpeln um Null.
Nach der zweiten"Reform" (knallhart Kundenwunsch erfüllen, nicht nur das tun, was medizinisch nötig wäre) kann ich endlich das Konto"Bank" unter"Aktiven" führen; unter"Passiven" mit umgekehrten Vorzeichen sähe das"unschön" aus, meint der Kreditberater in der Bank.
Hand aufs Herz (oder auf die Niere), wer will für sich selber nicht"das Beste" im Falle einer möglicherweise ernsthaften Erkrankung? Vielleicht die ganz, ganz wenigen, wirklich abgrundtief vernünftigen?
"Take two aspirins and call me in the morning, if you are still alive" gibts nur im cartoon, nicht in der Realität (vor Jahren im 'Barrons', kann den leider nicht reinstellen).
Gruss,
BillyGoatGruff
(Medizinalarbeiter mit langer 3.Welt-Erfahrung)
|
Yak
30.05.2004, 12:13
@ Eugippius
|
Re: Modell Afrika |
-->>Die Zustände in Afrika als 'Modell Afrika' zu propagieren und damit zu implizieren, dass die medizinische Grundversorgung dort zumindest meistens gesichert ist, ist in meinen Augen eine menschenverachtende Verharmlosung.
Hallo Eugippius,
Modell Afrika ist bewusst krass gewählt, denn wenn es wirklich mal an gewohnte, doch mittlerweile nicht mehr zu finanzierende Rechte geht, ertönt meist der große Aufschrei. Damit wirklich bewusst wird, was ich mit"Grundversorgung" meine, habe ich diesen faktisch nicht zutreffenden, aber aussagekräftigen Begriff gewählt.
Verachtend wird es m.E. dann, wenn es gegen die Menschen dort gerichtet ist; das habe ich aber keinesfalls beabsichtigt - ganz im Gegenteil. Wer hierzulande nach einer sündteuren Sterbeverlägerung ruft, hat doch das Maß der Dinge völlig aus den Augen verloren. Das Problem ist, dass diese Gesellschaft voller Todesangst ist und diese möglichst lange verdrängen will.
Wenn ich solche Dinge wie von dir geschildert lese, werde ich wieder dankbar, dass ich hier geboren bin.
Grüsse,
Yak
|
BillyGoatGruff
30.05.2004, 12:30
@ Euklid
|
Die Beitragszahler wollen das Beste, lieber Euklid! |
-->Du selbst auch, ja Du!
Schliesslich bezahlen sie dreimal, Krankenkassenprämie, Selbstbeteiligung, Steuern.
Schliesslich sind sie Deutsche (Schweizer, Ã-sterreicher etc.), und nicht Buschbewohner.
Schliesslich haben sie Beschwerden, sind sie krank.
Die Arztpraxis (Spital, Physiotherapie, Gebärklinik), die das nicht sieht, geht leicht pleite. Denn die Anreize sind heute im Geschäft falsch gelegt; man wird für Krankheit bezahlt im"Gesundheitswesen" (welche [img][/img] ) und nicht für Gesundheit.
(Vorgestern kamen Verwaltungsrat mit beigeselltem Krisenmanager in unser Regionalspital, um dem Personal mitzuteilen, dass letzteres aus Kostengründen geschlossen werden müsse, d.h. mit anderen Regionalspitälern zusamengelegt würde. Gestern den Chefarzt beim Einkaufen getroffen; der sagt:"die sollen das mal versuchen, können die doch nicht tun, gehe doch nicht, da hätten noch die Politiker mitzureden". Er sieht die Realität wohl noch nicht recht, dieser Medikus. Hat gerade eine neue Top-Hütte bezogen, mit Pferdestallungen für die Frau, Verzeihung, deren Pferde)
>Die Front steht:Alle gegen den Beitragszahler.
>Sie wollen doch nur unser Bestes;-))
>Gruß EUKLID
|
Euklid
30.05.2004, 15:09
@ FOX-NEWS
|
Re: Gesundheitssystem - Eure Meinung? |
-->Stellt man eine Rechnung ist die Überweisung noch lange nicht auf dem Konto wie ich derzeit genauestens beobachten kann.
Die Zahlungsziele und die Ausreden werden immer länger.
Und bitte nicht den Aufwand vergessen für jeden Patienten eine eigene Rechnung zu erstellen und zu überwachen ob die Kohle auf dem Konto ist.
Ich bin mir nicht so sicher ob diese Marktwirtschaft pur den Ärzten so gut tun würde;-))
Gruß EUKLID
|
Yak
30.05.2004, 19:03
@ BillyGoatGruff
|
Zustimmung |
-->Hallo BillyGoatGruff,
meine Erfahrungen - auch wenn sie aus der"alternativen" Ecke stammen - sind sehr ähnlich. Deshalb kann man m.E. das ganze nur steuern, wenn die Beitragszahler selber ihre Behandlungsstufe wählen und bei höheren Ansprüchen selber so tief in die Tasche greifen müssen, dass die Kasse kostendeckend arbeitet. Wenns dann ernst wird und die Behandlung nicht abgedeckt ist, kann man nur sagen"tut mir leid, das haben sie damals nicht gewählt".
Dazu liesse sich sicher einiges im Pharma- und Medizintechnikbereich einsparen, wenn die Märkte offener und weniger monopolisiert wären.
Ich habe seit Jahresbeginn nur noch den Krankenhaustarif in der PK, den Rest habe ich gekündigt. Nun steht eine größere Zahngeschichte an, die ca. vier Jahresbeiträge kosten wird. Das ist unangenehm, fördert aber in Zukunft ungemein die gesündere Lebensweise, da es nun auch dem Geldbeutel direkt weh tut. Manchmal muss halt sogar etwas Selbsterziehung sein.
Gruss,
Yak
|