-->Hi,
>Du hast im Jahr 2000 mal geschrieben, daß Calvin seine Mutter als Hexe verbrennen liess. Habe davon noch nie gehört.
Quellenlage (nach meiner Erinnerung, habe die Bücher gerade nicht zur Hand): Durant (vermutlich ex Michelet, dieser wiederum ex Bodin, Daemonomania, der Klassiker zur Hexenverfolgung des berühmten"Staatsdenkers").
Background: Jeanne Lefranc (Mutter) war Tochter eines Kneipiers und verheiratet mit einem Mann, der exkommuniziert gestorben ist und dessen Gebeine vermutlich verbrannt wurden. Calvin hatte nach seiner endgültigen Machtergreifung Anfang der 1540er scharfe Anti-Drogen-usw.-Gesetze erlassen. Bierausschank weitgehend eingeschränkt. Ab 1542 kam es zu Hexenverbrennungen in Genf in größerem Stil (jene von 1513 gelten inzwischen als nicht ausgeführt, vgl. Schweiz. Zs für Geschichte 2002, die allerdings auf Genf unter Calvin nicht eingeht). Mutters Sterbedatum umstritten, reicht von 1513/18 bis"Ende der 1530er Jahre", Archivlage unklar. Unter den 58 (?) im 1542er Schub Verbrannten soll auch eine Jeanne aus"aus Frankreich" gewesen sein. Calvin war gebürtiger Franzose.
Hexenverbrennungen - auch jene 1540 in Wittenberg (Luther lebte noch) - beziehen sich zunächst auf 2 Mos 22,17. Dann natürlich der"Hexenhammer" 1487 (Kramer/Sprenger). Calvin-Freaks blenden solche Sachen zumeist aus, zuletzt Crouzet (200), die vorangegangenen (Fayard und Champ Vallon) kenne ich nicht.
>Auch der damalige Generalvorwurf, in dem Du ihn in einem Atemzug mit Adolf H. und Josef S. stelltest, war mir neu.
Dazu gibt es den schönen Ausdrück "nova holocausta", den der italienische Jurist Alciati geprägt haben soll. Dies sich beziehend auf die bekannten Scheiterhaufen (nova = lat. = neu; holocausta = griech. = Ganzbrandopfer).
>Darf ich Dich bitten, diesen Vorwurf zu belegen bzw zu untermauern?
Ich meine nicht, dass sich die Geschichte mit moralischen Kategorien ("Vorwurf") messen lässt. Was die Historiographie auch immer als"Meinungskundgebung" im Raum stehen lässt. Worüber man also lange und trefflich streiten kann.
>Ich interessiere mich sehr für seine Theologie und bin von daher natürlich gelinde gesagt"interessiert" an den Früchten eines Theologen. Um den Geist zu ergründen.
Zu Calvin mögen diverse Psychogramme weiterhelfen (z. B."psychisch unbehaust","zutiefst von Ängsten und Unsicherheiten geprägt", vgl. Archiv für Reformationsgeschichte 1994).
Aus bekannten Gründen ist mir weniger der Protestantismus suspekt ("sola fide") als vielmehr die historische Verklärung seiner wichtigsten Vertreter durch die Historiographie.
Dass Luther ein vehementer Gegner der Juden war, kann nicht nur auf ein"theologisches" Maß zurückgestutzt werden. Es sollte auch Erwähnung finden, dass er (hier schon in extensis diskutiert) offen zum Judenmord aufgefordert hatte. An Calvins Hexenverbrennungen und seinem"legalisierten" Mord an Michel Servet (ebenfalls Scheiterhaufen) führt ebensowenig ein Weg vorbei wie an Zwinglis Mordorgie (Ertränken im zugenähten Sack, wird von den protestantischen Historiographie als noble"Enthauptung" dargestellt).
So"einmalig" war eben auch die Inquisition der Katholiken nicht.
Gruß!
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