-->Vorbemerkung: Unter normalen Umständen wäre mir Arafat genauso unheimlich wie der jeweilige Chef der Auserwählten...aber zur Zeit muß man um der Wahheit Genüge zu tun, dem vermeindlich schwächeren Platz einräumen.
---------------------------------
Die große Lüge über Arafat
Führende israelische Geheimdienstler haben enthüllt, daß die"Begründung" Scharons und seiner Generale dafür, Arafat als Verhandlungspartner abzulehnen und sogar seine"Beseitigung" zu fordern, auf bloßen Unterstellungen und Lügen beruht.
Jassir Arafat - Israels Feindbild Nummer eins
Seit drei Jahren fordern Israels Premierminister Ariel Scharon und seine extremistischen Generale offen die"Beseitigung" Jassir Arafats. Sie erzählen der israelischen Ã-ffentlichkeit und der Welt, der Palästinenserpräsident wolle Israel vernichten, weshalb er als"Partner" für Friedensverhandlungen nicht in Frage komme. Arafats"Konseptzija" [Konzept], so behaupteten sie, beruhe darauf:
* Israels Existenzrecht zu bestreiten und die Osloer Verhandlungen nur zur Durchsetzung seiner Ziele mißbraucht zu haben;
* das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge nach Israel deshalb niemals aufzugeben, weil er so Israel durch die"demographische Waffe" - der hohen Geburtenrate der Palästinenser - von innen zerstören wolle;
* sein strategisches Ziel sei die Zerstörung Israels, weshalb Arafat das Scheitern der Gespräche von Camp David mit dem damaligen israelischen Premierminister Ehud Barak herbeigeführt und die Al-Aqsa-Intifada begonnen habe.
Diese Behauptungen wurden immer wieder wie ein Mantra heruntergebetet und von der israelischen Ã-ffentlichkeit akzeptiert, wodurch sich Scharon bis heute an der Macht halten konnte.
Nun erklärte Generalmajor d.R. Amos Malka, der von 1998 bis 2001 den israelischen Militärgeheimdienst (MI) leitete, in einem Interview mit der israelischen Tageszeitung Ha'aretz am 8. Juni, Arafats angebliche"Konseptzija" sei von einigen hohen Offizieren frei erfunden und von der Regierung Scharon im vollen Bewußtsein dieser Tatsache übernommen worden. Dies gefährde Israels Sicherheit. Seit Malkas Interview erklärten auch Oberst d.R. Ephraim Lavie, der von 1998 bis 2002 das Palästina-Büro in der MI-Forschungsabteilung leitete, und Mati Steinberg, der bis 2002 Israels Inlandsgeheimdienst Schin Bet in Palästinenserfragen beriet, gegenüber Ha'aretz, sie stimmten vollkommen mit Malkas Einschätzung überein.
Arafat entschlossen zur Zweistaatenlösung
Am 11. Juni sagte Malka Ha'aretz in einem weiteren Interview, er sei als Chef des Militärgeheimdienstes vor den Camp David-Gesprächen zu der Einschätzung gelangt, folgende Bedingungen müßten erfüllt werden, um zu einer Einigung mit Arafat zu gelangen:"ein Palästinenserstaat mit der Hauptstadt Jerusalem und den Souveränitätsrechten über den Tempelberg [Al Haram Al Scharif]; 97% des Territoriums des Westjordanlandes und ein Tausch der restlichen Fläche gegen israelisches Territorium im Verhältnis 1:1; eine Formel, die die Anerkennung der Verantwortung Israels für das Flüchtlingsproblem und die Bereitschaft impliziert, 20 000-30 000 Flüchtlinge nach Israel zurückkehren zu lassen... Es war immer die Einschätzung des MI, daß er eine Erklärung brauchte, die nicht so aussah, als gäbe er [das Rückkehrrecht der Flüchtlinge] auf, die es ihm aber ermöglichte, es nur sehr begrenzt umzusetzen."
Der frühere Schin Bet-Berater Steinberg bestätigte am 16. Juni Malkas Äußerungen und sagte, das Mantra, Arafat wolle Israel zerstören, sei schlicht unwahr."Es gibt keine Fakten, die diese Behauptung stützen... Nehmen wir einmal an, das sei sein Ziel [Israel zu zerstören]. Warum mußte er sich dann auf den Friedensprozeß einlassen? Er hat teuer dafür bezahlen müssen, daß er den diplomatischen Weg wählte - zwischen 1997 und 2000 begann er eine Schwelle zu überschreiten, die zu gewalttätigen Zusammenstößen mit seinen Gegnern führte... Auch die Annahme, daß die Forderung der Palästinenser nach dem Recht auf Rückkehr in einem ausgehandelten Rahmen notwendigerweise zur Zerstörung Israels führen müsse, ist ein Irrtum. Es ist unmöglich, dieses sensitive Thema zu vertuschen und bei einer Vereinbarung auszuklammern. Man kann sogar sagen, daß das Ignorieren dieses Themas in den Verhandlungen den Weg zur Zerstörung Israels bereitet."
Steinberg erklärte auch, Arafat sei entschlossen, einen Staat auf der Grundlage der Grenzen von 1967 zu gründen, wie er in den Friedensabkommen zwischen Israel und Ägypten und Israel und Jordanien vorgesehen ist."Sie [die Palästinenser] verstehen, daß die Existenz des israelischen Staats kein Streitpunkt ist, da Israels Existenz von der Welt anerkannt wird. Es geht bei diesem Streit aus ihrer [palästinensischen] Sicht darum, sicherzustellen, daß der Palästinenserstaat die Mittel hat, um zu überleben. Das bedeutet territorialen Zusammenhang, Jerusalem als Hauptstadt und palästinensische Souveränität über den Tempelberg. Für die Palästinenser ist die Realisierung der Souveränität über den Tempelberg nicht nur eine religiöse oder symbolische Frage, sie ist eine Überlebensfrage. Ein Palästinenserstaat, der den Tempelberg kontrolliert, wird das Interesse auf sich ziehen, er wird Millionen Palästinenser anziehen, und ein Magnet für Touristen und Pilger sein. Es gibt keinen einzigen Moslem, nicht einmal den selbstlosesten Altruisten, der eine israelische Souveränität über den Tempelberg hinnehmen könnte." Das bedeute nicht, daß er [Steinberg]
vorschlage, Israel solle alle diese Forderungen akzeptieren. All dies seien aber die Parameter, die für eine Vereinbarung berücksichtigt werden müssen.
Malka sagt, er habe Barak vor den Camp David-Gesprächen gewarnt, Arafat könne keine Vereinbarung akzeptieren, die diesen Bedingungen nicht Rechnung trage. Aber Barak bot Arafat nur 77-90% des Westjordanlandes an, und dies erst nach Ablauf von 20 Jahren, und die Gespräche scheiterten. Im Abkommen der Genfer Friedensinitiative zwischen Jossi Beilin und Jasser Abed Rabbo hingegen seien diese Bedingungen berücksichtigt.
Israel heizte den Aufstand an
Malka erklärt auch ausdrücklich, Arafat habe die Al-Aqsa-Intifada nicht begonnen:"Die Annahme war, daß Arafat einen diplomatischen Prozeß bevorzuge, daß er alles in seiner Macht Stehende tun werde, um ihn zu Ende zu führen, und erst dann den Pfad der Gewalt beschreiten werde, wenn er in eine Sackgasse gerate. Aber auch diese Gewalt würde darauf abzielen, aus der Sackgasse herauszukommen, um internationalen Druck zu erzeugen und das letzte Stück [des diplomatischen Weges] zurücklegen zu können."
Malka sagte, der Militärgeheimdienst habe vor Scharons berüchtigtem Marsch auf den Tempelberg im September 2000 gewarnt, die Spannungen seien so stark, daß nur noch ein Funken notwendig sei, um eine Explosion herbeizuführen. Auch wenn Malka dies nicht ausspricht: Es war offensichtlich Scharon, der diesen Funken schlug. Malka betont, als die Intifada begann, sei es das israelische Militär gewesen, daß das Feuer angefacht habe. Allein in den ersten Stunden der Gewalttätigkeiten habe das Militär mehr als 500 000 Schuß Munition verbraucht, sagte Malka,"damit haben wir die Höhe der Flammen bestimmt." Er habe dieses Thema bei den Diskussionen in der Militärführung angesprochen,"aber [der damalige Generalstabschef Schaul] Mofas hat sich von Anfang an dem militanten Flügel angeschlossen und alles mitgemacht."
Malka, Steinberg und Lavie betonten gleichermaßen, Arafats angebliche"Konseptzija" sei von einer unwahren Behauptung zu einem Dogma geworden und diene nun als Axiom, um die gegenwärtige harte und blutige Linie Israels zu rechtfertigen."Ich kann eindeutig sagen, daß die schriftlichen, offiziellen Einschätzungen meiner Forschungsabteilung, die während meiner Dienstzeit zwischen Sommer 1998 und Februar 2002 formuliert wurden, keine geheimdienstliche Grundlage für die heute vorherrschende Politik darstellen. Es gab praktisch keine Einschätzung, die dem Geist des heute vorherrschenden Konzepts [der israelischen Führung] entspricht", erklärte Lavie.
Beilin: Eine skandalöse Verschwörung
Knesset-Abgeordnete, die dem Friedenslager nahestehen, und andere führende israelische Politiker forderten eine Untersuchung dieser Vorwürfe. Der Vorsitzende der Jahad/Meretz-Partei Jossi Beilin erklärte, es handele sich um"eine skandalöse Verschwörung zwischen bestimmten Elementen des Verteidigungsestablishments und [Vertretern] der radikalen Position der Regierung Scharon, die sich dazu verbündet haben, die israelische Ã-ffentlichkeit seit drei Jahren irrezuführen und ihr zu erklären, es gebe keinen Partner für den Frieden." Auch Amram Mitzna, der frühere Vorsitzende der Arbeitspartei, forderte eine Untersuchung und sagte, die Enthüllungen deuteten auf eine"politische Verschwörung" hin, die Einschätzungen der Geheimdienste zu manipulieren und so die harte politische Linie der Regierung zu rechtfertigen.
Ein israelischer Geheimdienstmann erklärte gegenüber EIR, das Vorgehen Malkas und seiner Kollegen sei Teil eines Fraktionskampfes in den israelischen Geheimdiensten, der mit der gegenwärtigen"Watergate"-Dynamik in Washington zusammenhänge:"Die Lage in den USA ist Teil dieses Fraktionskampfes." Eine andere israelische Quelle meinte:"Wir haben hier ein ähnliches Problem wie in den USA, wo es Leute gab, die, um ihre Politik zu rechtfertigen, einen Eindruck erweckten, der nur wenig mit der Realität zu tun hatte."
Dean Andromidas
Quelle: /Neue/ /Solidarität/ Jg. 31 Nr. 26 |
http://www.solidaritaet.com/neuesol/index.htm
Der Artikel ist frei.
|