-->... ist mir im Heise-Forum über den Weg gelaufen:
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Aus einem älteren manufactum-Katalog:
Apocalypse soon. Der Show-down zwischen Mensch und chip.
Seit 13 Jahren prophezeien wir, daß der Mensch-Maschine-Dialog
ein böses Ende nehmen werde (»eine entfesselt fiepsende Gerätschaft
auf der einen, und eine nervlich zerrüttete Menschheit auf
der anderen Seite«). Und noch vor 6 Jahren versuchten wir,
das Unheil zu wenden, indem wir die Parole ausgaben: »In diesem
Hause keinen Chip« - ein Kampfruf, dessen völlige Realitätsferne
dem Verfasser erst jüngst wieder bewußt wurde, als er sich
zur Vermeidung tageszeitlicher Irrungen daranmachte, die diversen,
sämtlich als blinde Passagiere (nämlich mit Backofen, Thermometer,
Sauna, Telefon, Radio, CD-Spieler usw.) ins Haus gekommenen
elektronischen Uhren 1. zu inventarisieren und 2. auf die
blöde Sommerzeit umzustellen. Es waren tatsächlich 14 Stück,
alle mit irgendeiner besonderen, jeweils schwer zu ergründenden
Bedienlogik ein höllisches Tagewerk.
Oder das Auto. Dessen mechanische Solidität ist mittlerweile
so vertrauenswürdig, daß die meisten Hersteller nur eine Wartung
pro Jahr vorschreiben. Das Vehikel des Verfassers hat allerdings
einige Hundert an Elektronikbauteilen an Bord (die genaue
Zahl kennt auch die Pressestelle des Herstellers nicht), die
bisher dafür gesorgt haben, daß statt 1/12 Werkstattbesuch
je Monat mindestens deren 4 stattfanden. Denn: Jede Woche
meint wenigstens einer aus diesen Chip-Hundertschaften, eine
besorgniserweckende, aber meist unzutreffende Einsicht in
Mangelzustände an Bremsanlage, Ã-lversorgung usw. gewonnen
zu haben und lautstark vermelden zu müssen. Andere quittieren
- infolge unbekömmlicher klimatischer Bedingungen - den Dienst
überhaupt, was ja durchaus erfreulich wäre, wenn der Ausfall
nicht von einem Kollegen bemerkt und damit selbst wieder zum
Anlaß eines gellenden Alarms würde (»Reifendrucküberwachungsanlage
außer Betrieb!! Werkstatt aufsuchen!«) Über »Elektronische
Reifendrucküberwachungsanlagen« könnte ich überhaupt Geschichten
erzählen, die schaudern machen, und dahinter liegt noch das
ebenso weite wie grauenerregende Feld der automobilen Telematik
(Navigationssystem samt Telefon). Die KFZ-Mechaniker der örtlichen
Werkstatt, allesamt wackere Männer, die Teufel, Tod und Kolbenfresser
nicht fürchten, bekreuzigen sich mittlerweile, wenn sie den
motorisierten Elektronikbaukasten nur von Ferne sehen: Sie
müssen dann den 18er-Schlüssel gegen das Handy tauschen und
mit einer süddeutschen »Leitstelle für elektronische Servicefragen«
allseits unlösbare Probleme besprechen.
Das ganze geschähe aus Sicherheits-, Bequemlichkeits- und
Energiespargründen, behaupten die Hersteller, denen aber allmählich
auch sehr bange wird. »Energierspartechnik« scheint ohnehin
eine Vokabel aus dem Wörterbuch des Teufels zu sein, die man
wohl zutreffend definiert als »Kampfbegriff zur beschleunigten
Ersetzung zuverlässiger, reparierbarer und fachlich überschaubarer
Technik durch überkomplexe elektronische Bauteile mit stark
begrenzter Lebensdauer und hohem, integriertem Nervenzerrüttungs-
potential«.
Aus Energiespargründen ließ der Verfasser vor kurzem die Steuerung
seiner Heizungsanlage modernisieren. Bis dahin wählte man
mittels eines echt greifbaren Schalters zwischen »Frostschutz-«,
»Tag-«, »Nacht-« und »Automatikbetrieb«, dessen Schaltpunkte
wiederum mit kleinen Steckzungen in einer elektromechanischen
Uhr leicht programmierbar waren. Heute steht man vor einem
Kästchen, das sich trotz 10 qm freier Wandflache in Befolgung
eines von anonymen Mächten erlassenen, menschenquälerischen
Miniaturisierungsgebotes auf Zigarettenschachtelgröße verkrümelt,
guckt auf ein zweizeiliges Display, das in 95% aller qua Kellerlicht
und Taschenlampen herstellbaren Lichtverhältnisse völlig unablesbar
bleibt, und hangelt sich mit winzigen, fragilen Druckschaltern
durch ein Menu, das die polyglotte Bedienungsanleitung sagt
es, enthält aber kein Strukturdiagramm in 3 Ebenen, 5 Unterebenen
mit jeweils 4 weiteren Ebenen gegliedert ist. Anders als ein
Eichhörnchen weiß man also exakt, daß man in einem 60fach
verzweigten Baum herumturnt, nie aber auch nur annähernd,
auf welchem Ast man gerade landet.
Und so war es tatsächlich nötig, den örtlichen Klempner zu
alarmieren, um die Nachtabsenkung um zwei Stunden nach hinten
zu verlegen. Der kam, was aber die Ratlosigkeit vor dem kleinen
Kasten nicht etwa beendete, sondern erst verdoppelte (Geselle)
und eine halbe Stunde später verdreifachte (Meister).
Beide wichen unverrichteter Dinge, tränennassen Auges, tief
verstört und in ihrem beruflichen Selbstbild sichtlich schwer
erschüttert.
15 Jahre dynamischen Fortschritts in der Alltagselektronik
hätten wir noch vor uns, meinte kürzlich der Chef von Infineon.
Ich bin sicher, solange dauert es nicht mehr: Der Zusammenbruch
wird wahrscheinlich nicht bei den Nutzern, sondern bei jenen
Menschen einsetzen, die ihr Leben im Service, für Reparaturen
und die »Sicherung von Betriebsbereitschaft« in die Bresche
zu werfen haben. Deren beginnende Zerrüttung bemerkt ja jeder,
dem es gelingt, einen Techniker ins Haus oder einen »Hotline-
Mitarbeiter« ans Telefon zu kriegen.
Und so wird kommen der Tag:
Alle Heizungsmonteure, die nicht schon Hand an sich legten,
werden auf einem freien Fleckchen Erde Johanniskraut anbauen,
und in den Heizungsanlagen werden die Relais zur dynamischen
Außentemperaturanpassung mit denen für den Energieoptimierten
Ã-kobetrieb um die Vorherrschaft kämpfen. Alle KFZ-Mechaniker
führen ein mönchisches Leben in Kontemplation und Askese mit
langen meditativen Seancen in Landmaschinen-Museen. Die hörigen
Autofahrer werden von ihren Sicherheitssystemen in die monteursfreien
Werkstätten getrieben, wo sie aber nie ankommen, weil in Trance
geratene Navigationssysteme ihnen alle 500 Meter befehlen:
»Wenn möglich, bitte wenden«.
Der Himmel wird sich verdunkeln, schwarze Wolken tun sich
auf und schütten Wasser, und vor ihnen zucken merkwürdig gelb,
fast wie gekritzelt, und einen Wimpernschlag länger als gewohnt
Blitze, und wer die Kraft hat, seine Augen zum Himmel zu wenden,
der wird, während sie verlöschen, in ihnen eine Schrift erkennen:
»Stop on error, systems shut.«
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