Popeye
11.07.2004, 16:44 |
Sonntags OT: In Australien wurden Pfeil und Bogen nie erfunden Thread gesperrt |
-->Die Frühgeschichte in Australien hat mehrere Besonderheiten. Zwei scheinen auf den ersten Blick zusammenzuhängen: Es gab keine Raubtiere und - Pfeil und Bogen wurden in Australien nie erfunden.
Dieser Zusammenhang scheint mir aber nur bei flüchtiger Betrachtung zuzutreffen, denn die prähistorischen Australier hatten andere Distanzwaffen. Natürlich den Handspeer, der in allen prähistorischen Kulturkreisen gebräuchlich waren. (In einer Braunkohlengrube bei Schöningen/Niedersachen wurden 1994 Speere gefunden, die vermutlich 400.000 Jahre alt sind.)
Auch die Weiterentwicklung des Speeres - die Speerschleuder bzw.Atlatl - wurde in Australien vor mindestens 20.000 Jahren nach- bzw. mitvollzogen. Auch die Speerschleuder war eine universelle Kulturtechnik auf allen Kontinenten und hat die Reichweite des einfachen Handspeeres mehr als verdoppelt. Die spanischen Eroberer in SĂĽdamerika berichteten, dass die Speerschleudern in der Lage waren EisenrĂĽstungen zu durchbohren.
Eine weitere Distanzwaffe der Australier war der Boomerang - der in keinem anderen Kulturkreis nochmals erfunden wurde. Der Boomerang ist aerodynamisch ein höchst komplexes Gerät (hier mehr).
Selbst wenn man unterstellt, dass der Boomerang ursprünglich aus dem „killing stick“ in einem"trial and error" Prozess über viele Jahrhunderte zufällig entwickelt wurde, ist nicht so ganz einzusehen, warum dies hinsichtlich Pfeil und Bogen für die Ureinwohner Australiens prinzipiell nicht auch möglich gewesen wäre.
Wie dem auch sei - es ist allem Anschein nach nicht geschehen und dies, obwohl in unmittelbarer geographischer Nachbarschaft zu Australien Pfeil und Bogen durchaus gebräuchlich waren.
Spätestens vor 12.000 Jahren tauchen Pfeil und Bogen als Jagdwaffe auf. Neben dem kontrollierten Gebrauch des Feuers und dem Rad eine jener Erfindungen der Menschheit, die die Welt nachhaltig verändert haben. Die Militärgeschichte der Welt wäre anders verlaufen, hätten unsere steinzeitlichen Vorfahren diese erste mechanische „Maschine“ nie erfunden.
Vielleicht einer der Gründe warum die „Geschichte der Macht“ in Australien so ganz anders verlaufen ist als auf den übrigen Kontinenten?
SonntagsgrĂĽĂźe
|
Zandow
11.07.2004, 19:53
@ Popeye
|
Zusammenhang von Erfindungen und Macht |
-->Hi popeye,
<font color=#0000FF>>Vielleicht einer der Gründe warum die „Geschichte der Macht“ in Australien so ganz anders verlaufen ist als auf den übrigen Kontinenten?</font>
Evtl. sollte man sie Sache andersrum betrachten. Nämlich die Erfindung von Pfeil und Bogen als Resultat von Machtausübung. In diesem Zusammenhang wäre es mal interessant zu wissen, in welcher Phase in Europa Pfeil und Bogen erfunden wurden. Also ob die Erfinder noch umherschweifende Jäger und Sammler in einer friedlichen Welt waren oder ob diese Erfindung bereits zu steinzeitlichen Kriegszeiten (Überfälle und Plünderungen) gemacht wurde. Vielleicht waren die Australier zu Erfindung besser Waffen einfach nur nicht gezwungen.
Dir eine schöne Woche wünschend und
Herzliche GrĂĽĂźe, <font color=#008000>Zandow</font>
|
Popeye
11.07.2004, 20:54
@ Zandow
|
Re: Zusammenhang von Erfindungen und Macht |
-->Hallo, @Zandow,
hier der Stand meiner Erkenntnis:
Es besteht der Verdacht, dass Pfeil und Bogen bereits im Paleolithikum vielleicht vor 40-25.000 Jahren verwendet wurden. Dies ist deshalb nicht eindeutig, weil nicht jede kleine pfeilspitzen-ähnliche Steinspitze zu einem Pfeil gehört haben muss. Allerdings soll es Höhlenzeichnungen von Pfeil und Bogen-Jägern geben, die um 30.000 BC datieren - eine Bestätigung dafür habe ich noch nicht gefunden. Gesichert ist die Verwendung von Pfeil und Bogen im Mesolithikum - also ab etwa 14.000 Jahren vor heute.
Nun zu Deiner These: Im Mesolithikum gab es nichts, was organisierter Machtausübung auch nur im Entferntesten ähnlich war. Sicher - es gab Gewalt - aber die mündete nicht in organisierter Machtausübung über eine noch nomadisierende Bevölkerung.
Plausibel ist, dass die klimatologischen Folgen der Erwärmung, nämlich zunehmende Bewaldung und damit Bewegungsenge, die Erfindung von Pfeil und Bogen (mindestens aber den regelmäßigen Einsatz) förderte. Der Speer (und Speerschleuder) waren eine Jagdwaffen für offene freie Flächen (Steppe/Tundra). Pfeil und Bogen brachten bessere Jagderfolge in der Enge des Waldes.
Allerdings mag die weitere technische Entwicklung von Pfeil und Bogen, Recurvebogen, englischer Langbogen (von den Walisern „erfunden“), Armbrust etc. durchaus von militär-taktischen Wünschen befördert worden sein.
GrĂĽĂźe zurĂĽck!
|
sensortimecom
11.07.2004, 21:31
@ Zandow
|
Re: Zusammenhang von Erfindungen und Macht |
-->Hallo.
Es gibt in der Tat einen Zusammenhang zwischen Machtentfaltung und menschlichem Fortschritt in der Technik.
Zu @dottores Machttheorie: Es gab IMMER die Erfordernis, zwecks Erhaltung der Herrschaft über andere Menschen den technischen Fortschritt zu beschleunigen. Kam es dabei zum Stillstand, so gab es bald auch das nämliche Staatswesen nicht mehr, da es von anderen,"innovativeren" Mächten besiegt wurde. Zum Zweck der Aufrechterhaltung dieses Fortschritts vergab die herrschende Macht PRIVILEGIEN an jene, die FÜR diese Macht (= dem Herrscher, oder regierende Clique) KREATIV bzw. INNOVATIV tätig war (egal, sei es mathematisches Wissen, sei es Astronomie f. Priester, sei es Kriegsgerät, sei es besseres Ackerbau-Gerät, sei es um MEHR Gold schürfen zu können, seien es Tricks um die Menschen durch Benutzung spiritistische Kräfte einschüchtern zu können usw.). Erst sehr spät in der Geschichte wurde dann das PATENTWESEN draus.
Ich bin erst ganz am Anfang dieses Gedankengangs. Nicht bös sein, wenn es dazu noch vieler Überlegungen und Diskussionen bedarf.
mfg Erich B.
|
Popeye
17.07.2004, 07:14
@ sensortimecom
|
Re: Zusammenhang von Erfindungen und Macht |
-->> Ich bin erst ganz am Anfang dieses Gedankengangs. Nicht bös sein, wenn es dazu noch vieler Überlegungen und Diskussionen bedarf.
>mfg Erich B.
Hallo, @sensortimecom
hab Dein posting eben erst gesehen….
wenn Du Dir ĂĽber dieses Thema Gedanken machst - hier eine Leseempfehlung
Kuhn, Thomas S.: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen - (EA 1962? - seither in vielen Auflagen) hier und anderswo für unter € 10 erhältlich.
GrĂĽĂźe
|
BillyGoatGruff
17.07.2004, 22:34
@ Popeye
|
Paradigmenwechsel sind notwendig, |
-->um weiterzukommen, und dies braucht Zeit und fällt dem trägen Hirn schwer! Im"mainstream" zu baden, ist leichter. Das ist, vereinfachend, die Essenz dieses spannenden Buches, das Du da erwähnst (schwieriger, aber sehr anregender Text). Es ist ja auch ein Grundton, der in diesem Forum oft mitschwingt. d's Machttheorie erfordert einen Paradigmenwechsel. Ich kann die Lektüre allen Interessierten nur empfehlen (sollte in die Bücherliste des Forums aufgenommen werden)!
Gruss,
BillyGoatGruff
>Kuhn, Thomas S.: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen - (EA 1962? - seither in vielen Auflagen) hier und anderswo für unter € 10 erhältlich.
>GrĂĽĂźe
|
sensortimecom
18.07.2004, 11:51
@ Popeye
|
Vielen Dank fĂĽr das Info! (o.Text) |
-->
|