Yak
12.07.2004, 11:00 |
Deflation-Inflation (zum Artikel von Albrecht / Uwe Bergold) Thread gesperrt |
-->
Hi,
auch wenn es hier schon zigmal durchgekaut wurde, so ist mir bezüglich der
tatsächlichen Ursachen einer Deflation und Inflation noch einiges im Unklaren.
Ist es nun die Geldmenge, welche die Preise steuert oder ist es genau umgekehrt,
wie im folgenden Beispiel behauptet? Oder ist es ganz anders und reine Psychologie?
Ich haben jedenfalls den Eindruck, dass die alleinige Hernanziehung der
Geldmenge, wie es ja hier so gerne propagiert wird, nur ein Faktor von vielen
ist. Leider wird bei den meisten Meinungen zur sehr einseitig argumentiert,
werden munter amerikanische, weltwirtschaftliche und lokale Faktoren durcheinandergemischt,
so wie es dem Schreiber gerade in den Kram passt. Deshalb versuche ich mal,
die verschiedenen Faktoren etwas zu beleuchten und bitte euch, dies kritisch
zu kommentieren.
Anbei noch man den von Albrecht geposteten Link, aus dem ich zunächst zitieren
werde:
http://www.goldseiten.de/content/kolumnen/download/bergold-kmi2004-2.pdf
Mal die Highlights daraus:
Dann ein Chart zur Verschuldung = Geldmenge (oder Geldsumme?) in DM
(also wohl nur Deutschland).
Was mich hier vor allem nach den obigen Aussagen erstaunt, ist die in Relation zu den Unternehmen
und Privaten geringe Staatsverschuldung. Und sind hier nun die Pensionen mit eingerechnet
oder nicht? Alleine nach dieser Grafik und der Argumentation des Verfassers
hätten wir also vor allem seit 1990 eine anziehende Inflation haben müssen, während die
70er moderat liefen. Die Realtiät sah allerdings etwas anders aus.
[img][/img]
Bitte um Kommentierung.
Was mich verwundert: Die Inflationsindikatioren"Langfristzinsen"
und"Goldpreis" haben in den 90ern keinesfalls reagiert, obwohl
die Verschuldung laut dem Artikel in dieser Zeit so extrem anstieg. Und
so wie ich es grad in Erinnerung habe, ist die Kreditzunahme seit einiger Zeit
nun hierzulande eher am sinken.
Nun einfach von einer Deflation auszugehen, ist aber dennoch zu einfach.
Erstens haben wir weltweit eine erhöhte Nachfrage nach Rohstoffen, was ja bereits
eine Inflation in diesem Bereich ausgelöst hat. Demzufolge müssen Leistungen
und Produkte, die davon abhängen, teurer werden. Nur: Die Konsumnachfrage, die
dieser erhöten Rohstoffnachfrage zugrundeliegt, kommt keinesfalls aus Deutschland.
Je miserabler hier die Stimmung ist, umso weniger wird konsumiert und zusätzlich
ist die Angst um Arbeitsplätze und die persönliche, finanzielle Zukunft durchaus
real, da die globalen Ausgleichseffekte noch eine ganze Weile wirken werden.
Nun könnte man meinen, dass alle Produkte, die von den internationalen Rohstoffmärkten
abhängen (z.B. Landwirschaft), teurer werden, alle anderen, mehr vom Binnenmarkt
beeinflussten Preise (z.B. Immobilien) aufgrund der Kaufkraftverluste billiger
werden. Dies kann man bereits vielerorts beobachten.
Es gibt jedoch zwei große Unbekannte, insbesondere bei Immobilien:
1. Die Marktpsychologie.
Es ist ja nicht so, dass kein Geld zur
Verfügung stünde, es befindet sich nur in Händen, die kein Risiko eingehen wollen
oder z.T. soviel Konsumgüter und Immobilien ihr Eigen nennen, dass sie
keinen Bedarf sehen, bei diesen Rahmenbedingungen in Deutschland weiter zu investieren.
Man zieht sich schmollend zurück und lässt es sich gut gehen - oder wandert
aus (was ich z.B. nach der gestrigen Meldung über die MwSt ebenfalls wieder
verstärkt überlege). Was mich z.B. sehr stark am Hauskauf hindert, sind die
Beispiele kommunaler und staatlicher Abzocke und die Selbstbedinungsmentalität
ohne jegliche Moral hier. Wie soll das erst werden, wenn die Inflation in den
USA stärker anspringt (was zu erwarten ist) und die Zinsen damit stark steigen?
Wer jetzt schon so unmoralisch und chaotisch mit den Problemen umgeht, wird
dann noch viel krasser agieren. Wenn sich dann noch so planwirtschaftliche Ideen
durchsetzen wie die eines Dividendenjägers, dann hilft wirklich nur noch
Auswandern oder bewaffneter Widerstand. Dies nur als Stimmungsbild, woher die
Deflation hier m.E. großteils stammt. Es ist noch lange nicht der Geldmangel
alleine, sondern vor allem die schlechte Stimmung (bzw. bewusste und gerechtfertigte Verweigerung)
und die Erwartung des
Geldmangels, die die Nachfrage einbrechen lassen.
2. Ausländische Anleger, externe Faktoren
Inflation in den USA, Deflation
in Deutschland? Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies lange gutgeht. Wahrscheinlich
werden wir dann von ausländischen Investoren geflutet, wie es bereits jetzt im Kleinen
Soros & Co. vormachen. Dann kann das Pendel schnell ins Gegenteil umschlagen.
Bei den besseren Lagen ist das Abwärtspotenzial bei dieser Konstellation sehr
begrenzt. In der Region, in der ich kürzlich meine Immobilie verkaufte, wird
der Markt bereits sehr stark von Amerikanern und Engländern bestimmt. Ich würde
an Stelle eines Amis genau dasselbe tun.
Das Problem ist die zeitliche und räumliche Vorhersage der deflationären
und inflationären Faktoren. Steigen z.B. die Zinsen stark an, kann dies weltweit
einen Konsum-Crash bewirken, der auch in China und Indien - und nicht zuletzt
Deutschland als Exportland - starke Auswirkungen hätte. Inflation als Deflationsauslöser?
Wie schön einfach klingt da das FAZ-Börsenlexikon, wo es nur eine Volkswirtschaft
und noch keine Globalisierung gibt:
Inflation:
Geldentwertung (Sinken des Geldwertes), die sich durch ständiges Steigen
des Preisniveaus für Endprodukte (Konsumgüter, Investitionsgüter) ausdrückt.
Nach klassischer Theorie entsteht eine Inflation durch anhaltende überhöhte
Güternachfrage über das gesamtwirtschaftliche Güterangebot hinaus. Erfahrungsgemäß
geht sie mit einer Erhöhung der umlaufenden Geldmenge und/oder der Umlaufgeschwindigkeit
des Geldes einher. Halten sich die Geldentwertungsraten in engeren Grenzen,
so spricht man von schleichender Inflation, ansonsten von offener oder galoppierender
Inflation. Wird durch staatliche Maßnahmen ( z. B. Preisstopp, Mietstopp, Lebensmittelrationierung)
eine Inflation zurückgestaut (vor allem in Kriegen), so bildet sich regelmäßig
ein Schwarzmarkt. Am Ende einer offenen oder zurückgestauten Inflation steht
meistens eine Währungsreform. http://boersenlexikon.faz.net/inflatio.htm
Deflation:
Anhaltendes Sinken des Preisniveaus für Endprodukte (Konsumgüter, Investitionsgüter)
in einer Volkswirtschaft. Ursache: Die Gesamtnachfrage nach diesen Gütern ist
geringer als das in der Volkswirtschaft verfügbare Güterangebot. Erfahrungsgemäß
geht eine Deflation mit einer Verminderung der umlaufenden Geldmenge und/oder
der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes einher. http://boersenlexikon.faz.net/deflatio.htm
Grüsse,
Yak
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Euklid
12.07.2004, 11:32
@ Yak
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Versuch der pragmatischen Sicht der Dinge |
-->Hallo Yak
Kalkulationsinternas von Baufirmen.
70er Jahre: Lohnanteil Rohbau 50% Materialanteil 50%
jetzt: Lohnanteil Rohbau 30% Materialanteil 70%
Steigt der Materialanteil um den Faktor 2 dann würde der Preis In Zukunft folgendermaßen aussehen.
Lohn 30% Material 2 mal 70% ergibt Neubaupreis von 170%.
Jetzt beschäftigst du alle Lohnsklaven zu Null Prozent Lohn und einem warmen Mittagessen damit sie überleben und nutzbar einzusetzen sind,denn ohne Schnitzel funktionieren die leider nicht
Gruß EUKLID
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Nachfrager
12.07.2004, 11:47
@ Yak
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In Deutschland wird die Inflation durch den Staat angeheizt... |
-->...der durch seine nicht nachlassende Kreditgier die Geldmenge ständig
erhöht und gleichzeitig die administrativen Preise in die Höhe treibt.
Dabei ist es völlig gleichgültig, ob im privaten Bereich hier und da deflationäre Tendenzen zu beboachten sind.
Der Staat erhöht halt weiter Steuern, Gebühren und"Abgaben", wie er es gerade braucht und saugt weiter am Kredittropf.
Dass dabei die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft auf der Strecke bleibt, interessiert nicht, solange noch Steuern herausgepresst werden können. Denn eins ist klar: sich selbst abschaffen wird sich unsere Beamtendiktatur nicht.
O-Ton einer Finanzbeamtin in Hamburg zu einer Bekannten, als diese die Schließung ihres Ladens androhte:"Na und? Wir haben noch genug Steuerzahler!"
So einfach ist das.
Ein Punkt, den die"Deflationisten" auch ständig übersehen, ist die Bedeutung des bundesdeutschen Binnenmarktes für die weltweite Inflations"gestaltung".
Auf der weltweiten Wirtschaftslandkarte sind wir nur ein kleiner Fleck. Noch lassen sich hier absurd hohe Preise erzielen - z.B. für Pharmaka, Kosmetika, Autos etc..
Und wenn das nicht mehr möglich ist, wird der Markt Deutschland halt aufgegeben. So, wie das die Autohersteller bereits begonnen haben.
Aber bevor es soweit ist, werden wir hier von zwei Seiten inflationär stranguliert: vom Staat wie oben beschrieben und von der von außen einfallenden Inflation in Form von hohen Rohstoffpreisen.
Jeder möge sich bitte kurz überlegen, was in den nächsten Jahren an Infrastruktur in Osteuropa, Indien und China (Olympiade 2008!) aus dem Boden gestampft werden muss, kann und wird.
Dagegen ist der Wiederaufbau Europas nach dem zweiten Weltkrieg ein laues Lüftchen.
In diesem Zusammenhang die Deflation in Deutschland auszurufen, ist in meinem Augen absurd. Wir werden die höheren Rohstoffpreise zu bezahlen haben, ob und das gefällt oder nicht.
Gruß
Nachfrager
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wasil
12.07.2004, 12:38
@ Nachfrager
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Re: In Deutschland wird die Inflation durch den Staat angeheizt... |
-->>In diesem Zusammenhang die Deflation in Deutschland auszurufen, ist in meinem Augen absurd. Wir werden die höheren Rohstoffpreise zu bezahlen haben, ob und das gefällt oder nicht.
>Gruß
>Nachfrager
Hallo
Das hat nichts mit gefällt oder nicht, zu tun, sondern mit können oder nicht. Der Staat nimmt uns das Geld weg, ob uns das gefällt oder nicht. Bleibt noch ein Rest Geld, können wir dann die höheren Rohstoffpreise bezahlen. Wenn nichts bleibt, sind wir eben verarmt ob uns das gefällt oder nicht. Mehr arbeiten für den gleichen Lohn, trägt höchstenfalls dazu bei, zusätzlich noch zu verarmen an Freizeit.
Gruss Wasil
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Yak
12.07.2004, 13:20
@ Euklid
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Re: Versuch der pragmatischen Sicht der Dinge |
-->Hallo Euklid,
die Frage war ja auch nicht, ob Deflation oder Inflation, sondern welche Bereiche sich wann, wo und wie entwickeln werden - ein typisches Problem des richtigen Timings. Es nützt halt nichts, wenn der erwartete Effekt zu einem Zeitpunkt oder/und an einem Ort eintritt, wo man ihn nicht vermutet hatte. 1998 hatte ich z.B. mit Futures und viel Einsatz auf den Crash gesetzt, der dann 2000 kam. Ich hatte zwar irgendwann recht, aber leider zu spät.:-((
>Ich fühle mich immer am wohlsten wenn ich mit meiner Meinung ganz alleine bin;-))
Ja, so war das 1998 (s.o.) bei mir auch
Was aber, wenn z.B. (aufgrund der Inflation, die in den USA voll und hier in Teilbereichen grad Fakt ist) steigende Zinsen den Konsum der Amis abwürgen und damit China die Überkapzitäten voll zu spüren bekommt? Dann noch ein steigender (=rezessiv wirkender) Ã-lpreis dazu und die Stahlpreise machen ratzfatz die Wende. Es gibt durchaus Faktoren, die der Inflation entgegenwirken und sogar erst durch die Inflation eine Deflation auslösen könnten. Soo sicher ist hier also nichts, deshalb suche ich nach Daten und Charts, wo man die Zusammenhänge studieren kann oder nach jemand, der sich mal ein differenziertes Bild macht als nur einfach"Inflation" oder"Deflation" zu schreien.
Und was ist mit Gebrauchtimmobilien? Wenn es so weitergeht, werden viele verkaufen MÜSSEN. Gute Lagen werden wohl immer weggehen, doch das Angebot wächst deutlich sichtbar - auch hier im begehrten Süden. Letztendlich ist es eh alles Psychologie. Wenn nun alle Kapitalbesitzer in Deutschland auf die Idee kämen, dass die beste Anlage eine Immobilie in Deutschland wäre und viel Konsum geil ist, DANN hätten wir Inflation. Weshalb sie es nicht tun, sondern lieber in Spanien investieren, kann man hier ja zur Genüge nachlesen.
Die Hauptfrage ist also, kippt diese negative Stimmung und wenn ja, wann oder verstärkt sie sich noch? Ewig kann sich niemand Sorgen machen, dann setzen Verdrängungsmechanismen ein und man klammert sich an Strohhalme - oder man hat nichts mehr zu verlieren. Wenn genügend Menschen in die erste Phase kommen, wird daraus eine Gegenreaktion im Abwärtstrend, aus der Phase 2 ein neuer Aufschwung. Und wo sind wir jetzt und wo ist der Rest der Welt?
>Aber die furchtsamen Großinvestoren brauchen diesen Braten nur zu riechen und sie sind sofort auf dem Gleis.
ACK - und dann kommen auch noch vom Ausland ganz andere Stimmungen und Verhaltensweisen mit rein, die das ganze so unberechenbar machen. Es hilft halt nichts, nur die Stimmung hier im Lande zu analysieren, da wir sehr stark von aussen beeinflusst werden.
Deshalb frage ich mich manchmal, wie hier manche im Brustton der Überzeugung Inflation oder Deflation rufen können und keinerlei Querbeziehungen und Wirkmechanismen anführen. Alleine die simple Tatsache, dass die Tomaten oder der Stahl mehr kosten sagt noch lange nichts über die Entwicklung in anderen Bereichen aus und ist m.E. als ZUKUNFTSprognose völlig unbrauchbar.
Grüsse,
Yak
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chiron
12.07.2004, 13:34
@ Yak
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Re: Deflation-Inflation (zum Artikel von Albrecht / Uwe Bergold) |
-->Hallo YAK
Das Durcheinander scheint immer den selben Ursprung zu haben: die Inflation der Geld/Kreditmenge wird mit der Inflation des Warenkorbes verwechselt.
Entgegen deiner Aussage war die Inflation in den 80er und 90er Jahren immens. Während eine Preissteigerung bei Lebensmittel Katzenjammer auslöst, haben steigende Aktien- und Anleihenkurse den gegenteiligen Effekt - es wird allerorten gejubelt, sofern man denn engagiert ist.
Die Inflation der Geldmenge bewirkt immer Preissteigerungen, die Frage ist nur wo. Wir wissen aber heute, wo die stattgefunden hat: an den Finanzmärkten.
Gruss chiron
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drDoom
12.07.2004, 14:24
@ chiron
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Re: Deflation-Inflation (zum Artikel von Albrecht / Uwe Bergold) |
-->>Die Inflation der Geldmenge bewirkt immer Preissteigerungen, die Frage ist nur wo. Wir wissen aber heute, wo die stattgefunden hat: an den Finanzmärkten.
Der Umkehrschluss ist, dass diejenigen, die an der laufenden Aufwärtsbewegung aus sonstigen Gründen nicht partizipiert haben (und sei es, weil sie mit Aktien ohnehin nichts am Hut haben...) die Zeche zahlen müssen für das, was Aufschwung genannt wird und keiner ist.
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