Dieter
08.08.2004, 22:57 |
Ort der verlassenen Kirchen Thread gesperrt |
-->so kann man den Landstrich bezeichnen, den ich besuchte, denn die größten Baudenkmäler der Region verfallen; es sei denn wie es ein Ortsansässiger sagte:
"der evangelische Gott wurde hinausgejagd und der katholische Gott übernahm das Gebäude" - dann wurden und werden auch diese Gebäude gut gepflegt.
Ich komme von Niederschlesien in Polen. Die Menschen der Region könnten einem nach unseren Maßstäben leid tun - es sieht ohne Perspektive aus. Andererseits machten die besuchten Familien ein zufriedenen Eindruck. 3 Generationen leben auf einem Hof, deren wichtigstes Familienmitglied die Oma ist, die gepflegt und gehegt wird, schließlich ist das wichtigste Groß-Familieneinkommen die Oma-Rente in Höhe von ca. 180 Euro, die damit das Einkommen eines Arbeiters erreicht bzw. übertrifft.
Nach der Arbeit kümmert sich die Familie um die Nebenerwerbslandwirtschaft, den Gemüse/Obstgarten zur Selbstversorgung. Beschäftigt waren die angesprochenen entweder beim Gemüsebau mit Stundenlohn um ca. 80 Cent oder wer Glück hat bekam einen Job bei der nahegelegenen holzverarbeitenden Industrie, deren Betrieb z.T. auch für IKEA produziert. Dort wird im 2-Schicht-Betrieb von 7-19-7 Uhr von Montags bis Freitrags und Samstags nur noch 1 Schicht im Wechsel gearbeitet, also, Pausen herausgerechnet eine 66-Stunden-Woche zu einem Stundenlohn von ca. 1,05 Euro.
Das sind die zufriedenen. Dann gibt´s noch jede Menge Arbeitslose und große Alkoholprobleme.
So sieht es in einer Region aus, in der einfach das Kapital fehlt. Die Russen haben direkt nach dem Krieg die vorhandene Industrie demontiert und Polen wird vermutlich aufgrund der zweifelhaften völkerrechtlichen Situation wenig Interesse gahabt haben, neue Industrie in diesem Landstrich anzusiedeln.
Viele haben bis vor einigen Jahren noch gehofft in ihre alte Heimat Ostpolens oder der Ukraine zurückkehren zu können und ebenfalls wenig Energie in die übernommene Substanz gesteckt. So liegen etwa 40% der ursprünglichen landwirtschaftlichen Flächen brach und versteppen. Die Dörfer unterscheiden sich oberflächlich in keinster Weise vom Zustand vor 60 Jahren, nur das das eine oder andere Dach eingefallen ist und einige in Partien mit neuen Ziegeln bedeckt wurde.
Alle 3-4 Dörfer sieht man mal einen halbfertigen Neubau dessen gesamte Bauzeit man anhand der schon fast wieder morschen Fenster erahnen kann.
Mir wurde berichtet: Wer kann, fährt für 1-2 Monate im Jahr in den Westen um für bspw. 5Euro/Std. zu arbeiten, dann hat man mehr verdient als andere im ganzen Jahr am Ort verdienen.
Nach dieser Reise sah ich Görlitz mit anderen Augen deren historische Altstadt verwaist ist (von den paar Touris abgesehen), ohne urbanem Leben. Was soll aus so einer Stadt werden, die das"Tor" zum Osten ist?
Ganz anders dagegen der polnische Teil der Stadt - hier am Tor zum Westen ist es rege, voll von Menschen, Aufbruch!
Gruß Dieter
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monopoly
08.08.2004, 23:12
@ Dieter
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Re: Görlitz |
-->>so kann man den Landstrich bezeichnen, den ich besuchte, denn die größten Baudenkmäler der Region verfallen; es sei denn wie es ein Ortsansässiger sagte:
>"der evangelische Gott wurde hinausgejagd und der katholische Gott übernahm das Gebäude" - dann wurden und werden auch diese Gebäude gut gepflegt.
>Ich komme von Niederschlesien in Polen. Die Menschen der Region könnten einem nach unseren Maßstäben leid tun - es sieht ohne Perspektive aus. Andererseits machten die besuchten Familien ein zufriedenen Eindruck. 3 Generationen leben auf einem Hof, deren wichtigstes Familienmitglied die Oma ist, die gepflegt und gehegt wird, schließlich ist das wichtigste Groß-Familieneinkommen die Oma-Rente in Höhe von ca. 180 Euro, die damit das Einkommen eines Arbeiters erreicht bzw. übertrifft.
>Nach der Arbeit kümmert sich die Familie um die Nebenerwerbslandwirtschaft, den Gemüse/Obstgarten zur Selbstversorgung. Beschäftigt waren die angesprochenen entweder beim Gemüsebau mit Stundenlohn um ca. 80 Cent oder wer Glück hat bekam einen Job bei der nahegelegenen holzverarbeitenden Industrie, deren Betrieb z.T. auch für IKEA produziert. Dort wird im 2-Schicht-Betrieb von 7-19-7 Uhr von Montags bis Freitrags und Samstags nur noch 1 Schicht im Wechsel gearbeitet, also, Pausen herausgerechnet eine 66-Stunden-Woche zu einem Stundenlohn von ca. 1,05 Euro.
>Das sind die zufriedenen. Dann gibt´s noch jede Menge Arbeitslose und große Alkoholprobleme.
>So sieht es in einer Region aus, in der einfach das Kapital fehlt. Die Russen haben direkt nach dem Krieg die vorhandene Industrie demontiert und Polen wird vermutlich aufgrund der zweifelhaften völkerrechtlichen Situation wenig Interesse gahabt haben, neue Industrie in diesem Landstrich anzusiedeln.
>Viele haben bis vor einigen Jahren noch gehofft in ihre alte Heimat Ostpolens oder der Ukraine zurückkehren zu können und ebenfalls wenig Energie in die übernommene Substanz gesteckt. So liegen etwa 40% der ursprünglichen landwirtschaftlichen Flächen brach und versteppen. Die Dörfer unterscheiden sich oberflächlich in keinster Weise vom Zustand vor 60 Jahren, nur das das eine oder andere Dach eingefallen ist und einige in Partien mit neuen Ziegeln bedeckt wurde.
>Alle 3-4 Dörfer sieht man mal einen halbfertigen Neubau dessen gesamte Bauzeit man anhand der schon fast wieder morschen Fenster erahnen kann.
>Mir wurde berichtet: Wer kann, fährt für 1-2 Monate im Jahr in den Westen um für bspw. 5Euro/Std. zu arbeiten, dann hat man mehr verdient als andere im ganzen Jahr am Ort verdienen.
>Nach dieser Reise sah ich Görlitz mit anderen Augen deren historische Altstadt verwaist ist (von den paar Touris abgesehen), ohne urbanem Leben. Was soll aus so einer Stadt werden, die das"Tor" zum Osten ist?
>Ganz anders dagegen der polnische Teil der Stadt - hier am Tor zum Westen ist es rege, voll von Menschen, Aufbruch!
>Gruß Dieter >
Ich war auch vor einiger Zeit mal in Görlitz, in vielen Läden auf der dt. Seite spricht das Personal bereits Polnisch, die Mieter werden auch bald Polen sein. Hattest wohl in Görlitz eine SonderAfa- Wohnung rumstehen?
Polen in Ostdtl. Russenmafia, Engländer in Südspan. + Frankreich.
Unglaublich welche kulturell sprachlichen Verwerfungen das freie Europa mitsichbringt - wer sich das ausgedacht hat? Da wird wohl Englisch gaaanz schnell zur Einheitssprache werden müssen oder es drpht ein Totalfiasko?
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rocca
09.08.2004, 01:13
@ monopoly
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Re: Görlitz |
-->Da wird wohl Englisch gaaanz schnell zur Einheitssprache werden müssen oder es drpht ein Totalfiasko?
Das ist der Sinn der Sache
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Dieter
09.08.2004, 10:15
@ monopoly
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Görlitz |
-->>Hattest wohl in Görlitz eine SonderAfa- Wohnung rumstehen?
Ich bin nicht der Typ für Sonder-Afa-Wohnungen, war also nur auf der Durchreise in Görlitz.
Mein Verdacht ist eher, daß eine Stadt wie Görlitz ausstirbt, und ggf. noch als riesiges Museum seinen Dienst tut.
Wo würdest Du Dienstleistungen in Anspruch nehmen wenn Du in Görlitz wohnen würdest? Im Osten oder Westen?
Gruß Dieter
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monopoly
09.08.2004, 10:42
@ Dieter
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Re: Görlitz |
-->>>Hattest wohl in Görlitz eine SonderAfa- Wohnung rumstehen?
>Ich bin nicht der Typ für Sonder-Afa-Wohnungen, war also nur auf der Durchreise in Görlitz.
>Mein Verdacht ist eher, daß eine Stadt wie Görlitz ausstirbt, und ggf. noch als riesiges Museum seinen Dienst tut.
>Wo würdest Du Dienstleistungen in Anspruch nehmen wenn Du in Görlitz wohnen würdest? Im Osten oder Westen?
>Gruß Dieter
Naja die Friseure stehen ja alle auf polnischer Seite, da fällt die Auswahl leicht. Der theoretische Lohnunterschied zwischen Ostdtl. und WestPolen war der größte an einer Grenze weltweit, dank Flächentarifkartell, aber inzwischen dürfte sich das in erträgliche Unterschiede angeglichen haben, aber die Investitionswelle dank Fördermitteln ist eben vorbei. Die Industriebetriebe bzw. Wachstumskerne stehen alle auf polnischer Seite der Grenze. Kann schon sein das Görlitz ausstirbt der Alterdurchschnitt ist ja entsprechend. Aber so ist es in allen Ländern Südamerikas und tw. Westeuropas, wo es kein dt. Sparkassensystem gibt(m.E.!) das die Flächen gestärkt hat -> Die Jungen müssen alle in die großen Ballungsräume ziehen->Megacities.
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Zandow
09.08.2004, 17:32
@ Dieter
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Das beste übersehen |
-->Hallo Dieter,
Dein Eindruck von Görlitz täuscht Dich nicht. Es ist eine sterbende Stadt. Ich kenne mich da bestens aus. Man kann sich dort eigentlich nur noch an der Schönheit der Altstadt erfreuen. Ansonsten besteht kein Grund zur Heiterkeit.
Das beste in Görlitz haste wohl übersehen? In der Neißstraße (die Straße vom Untermarkt zur Neiße runter) ist die"Bibliothek der Wissenschaften", direkt neben dem Bibelhaus. Bücher aus Jahrhunterten stehen da. Für Geschichtsinteressierte eine Fundgrube.
Im Hof befindet sich übrigens das Tor des Nachtschmieds mit dem lockeren Ring.
Herzliche Grüße, <font color=#008000>Zandow</font>
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