-->Heute, 23.00 - 00.25 (85 min.)
Das Erste
Wo die Erde duftet
Jenseits der Oder - Zwischen Netze und Drage
Für den 87-jährigen Vater ist es eine Reise in"die alte Heimat", für die Tochter die Fahrt in ein unbekanntes Polen. Damals und heute, zurück oder nach vorne schauen - diese Gegensätze durchziehen den ganzen Film.
Es geht in die ehemalige Neumark, ins hügelige Seen- und Bauernland jenseits der Oder, heute Woiwodschaft Lubuskie. Nach Wugarten, heute Ogardy. Die unterschiedlichen Sichtweisen zweier Generationen. Der Vater erlebt sein Heimatdorf im Zerfall, die Tochter sieht die bunten Backsteinhäuser, die Gelassenheit auf den Wegen. Bei Streifzügen durch Bauerndörfer, Bruchlandschaft, Pilzwälder lernen sie, auch mit den Augen des anderen zu schauen.
Die Reise beginnt auf den Spuren der Erinnerungen. Vorsichtiges Kreisen um ein Haus, das einmal ein Zuhause war. Dann Ankunft im Heute. Da sind die Schüler des Gymnasiums, die sich fragen, wo ihre Zukunft wartet. Da ist der Bauer Wieslaw Sikora auf dem ehemaligen Hof der Familie, der kaum den Sprit für seinen Traktor bezahlen kann. Oder seine Mutter Michalina, die in dampfende Kochtöpfe weint und sich"nach Hause" sehnt. Vertriebene Polen aus der Ukraine haben nach dem Krieg die Häuser der vertriebenen Deutschen bezogen. In Wugarten gab es keine Sieger, nur Verlierer. An Küchentischen kommen sie sich näher, überwinden Schmerz- und Sprachgrenzen.
Für Jolanta Bryk ist das alles weit weg."Ihr habt mir gar nicht gesagt, dass hier früher einmal Deutsche gewohnt haben", sagt sie erstaunt zur Schwiegermutter, um dann sehr schnell zu beteuern, dass sie sich sehr wohl in Ogardy fühle. Als Jungbäuerin. Eigentlich wollte sie nach dem Abitur noch weiterlernen, sie war auch zu einem Model-Wettbewerb eingeladen."Aber dann kam das Kind und der Mann...".Lukasz Bandowski, der mit Mutter und Großmutter gegenüber wohnt, ist die Besuche der Deutschen gewöhnt. Früher kamen sie zu seinem Großvater, der Anfang der 40er Jahre einem deutschen Bauern zugewiesen worden war und blieb. Jetzt besuchen sie die Großmutter, Eugenia Kostecka. Für den 15-jährigen Lukasz ist Ogardy wirklich ein Zuhause."Ich möchte gerne hier bleiben." Aber sicher scheint er nicht, dass das klappt.
"Wo die Erde duftet" - das ist ein Zitat des Pfarrers von Ogardy."Sie duftet da, wo wir herkommen", sagt Antoni Olichwer und hebt in einer schönen Geste die Hand zur Nase. Der Dokumentarfilm"Wo die Erde duftet. Jenseits der Oder - zwischen Netze und Drage" zeigt, wie viele Farben das Wort"Heimat" hat. Wie schön und schmerzlich es sein kann, überhaupt eine zu haben. Und der Begriff"Osterweiterung der EU" bekommt für die Reisenden auf einmal ein Gesicht, ein Gefühl und einen Geruch.
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