JoBar
24.08.2004, 15:22 |
Guck mal dottore! Wieso lief denn in Liechtenstein alles so verkehrt? Thread gesperrt |
-->Wenn ich Deine Theorien rund ums Geld halbwegs richtig verstanden habe, dann hätte die Einführung des Schweizer Frankens als GZ/STZM in Liechtenstein NIE so ablaufen dürfen wie es abglaufen ist.
Was meinst Du dazu? Hast Du eine schlüssige Erklärung parat?
Sorry, falls es hier schon erörtert wurde, aber die Parsimony-Suchfunktion...:(
<hr>
Zur Vorgeschichte sagt http://de.wikipedia.org/wiki/Liechtenstein
...
Bis zum 1. Weltkrieg war Liechtenstein über ein Zweckbündnis stark mit dem Kaiserreich Ã-sterreich-Ungarn verbunden. Nach dessen Auflösung und Aufteilung in mehrere Einzelstaaten verbündete sich Liechtenstein mit der Schweiz.
...
Wichtig: Die Ã-sterreiche Krone war seit dem 1. Januar 1901 gesetzliche Landeswährung im Liechtestein
Im 80 Jahre Schweizer Franken in Liechtenstein findet man auf Seite 6 diesen Hinweis:
...
So war im"Liechtensteiner Volksblatt" vom 14. Februar 1920 zu lesen:"Sattler Seger in Vaduz arbeitet von nun an nur mehr gegen Franken" u.ä.
[ IOW Die Untertanen / Steuerpflichtigen flüchteten aus dem GZ ]
Das Liechtenstein-Portal http://www.liechtenstein.li/fl-portal-aktuell?newsid=9575 schreibt dazu weiter:
...
Der Weg zur offiziellen Währung
Der Weg des Schweizer Frankens zur offiziellen Währung Liechtensteins birgt diverse Kuriositäten.
So führte Liechtenstein bereits am 31. August 1920 den Schweizer Franken inoffiziell mit dem „Gesetz über die Umwandlung der Kronenbeträge in Schweizer Franken“ ein. Steuern, Taxen und dergleichen mussten von nun an in Schweizer Franken bezahlt werden, obschon dieser in Liechtenstein noch nicht offizielles Zahlungsmittel war. [ Und der Staat flüchtet seinen Untertanen hinterher:)]
Diese inoffizielle und einseitige Einführung erfolgte ohne Einwilligung [!] der Schweiz. Erst am 26. Mai 1924 wurde der Schweizer Franken im Einvernehmen mit der Schweiz zur offiziellen Währung Liechtensteins erhoben.
...
In"80 Jahre..." steht auf Seite 10, daß Liechtenstein mit seinem GZ weitere 56 Jahre quasi Währungs-Ausland der Schweizer war, also mit seinem GZ bedingungslos der Schweiz ausgeliefert war.
Auf Seite 26 steht noch:
...
"Gesetz über die Umwandlung der Kronenbeträge in Schweizer Franken (1:1) in den Gesetzen und Verordungen über Steuern, Stempel, Taxen und sonstigen Gebühren." Auf Grundlage dieses Gesetzes wurde in unserem Land die Zahlung von Steuern in einer Währung verlangt, die offiziell nicht gesetzliches Zahlungsmittel war. Mit anderen Worten: Die Einführung des Schweizer Frankens in Liechtenstein vollzog sich ohne Einwilligung der Schweiz.
...
<hr>
Und wie ist das mit der von Dir immer so hervorgehobenen Machtposition des Herrschers?
Man beachte: Das hier war keine Folge einer kriegerischen Eroberung oder Unterwerfung.
Wohl eher das Gegenteil:)
Gespannt auf Deine Anmerkungen [img][/img]
J.
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dottore
24.08.2004, 17:07
@ JoBar
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Re: Guck mal dottore! Wieso lief denn in Liechtenstein alles so verkehrt? |
-->Hi,
>Wenn ich Deine Theorien rund ums Geld halbwegs richtig verstanden habe, dann hätte die Einführung des Schweizer Frankens als GZ/STZM in Liechtenstein NIE so ablaufen dürfen wie es abglaufen ist.
Warum nicht? Jeder kann doch mit einem anderen Zahlung in was auch immer vereinbaren? Dann zahlt der andere freiwillig das Geschuldete in dem Vereinbarten (siehe GZ-Definition). Sollte die Zahlung streitig werden (Schadensersatz), erfolgt ein zivilrechtliches Urteil lautend auf das GZ, das in dem Vertrag unter"Erfüllungsort" genannt ist.
Hätten die Kunden vom Sattler nicht bezahlt und Erfüllungsort war Vaduz, wäre ein Urteil über den in Franken geschuldeten Betrag in der gerade verschwindenden Krone (Liquidation der Ã-sterreichisch-ungarischen Bank, Hyperinflation) zum Tageskurs der Krone ergangen. Der Sattler hätte sich fix beeilen müssen, um den Kronenbetrag sofort in Franken zu wechseln.
Also die normalste Sache der Welt. Schuldest Du mir 1 Unze Gold, ergeht das Urteil im Kurs der Unze, lautend auf Euro. Ich habe dann die Euro und muss schauen, ob ich sie sofort oder später in Gold umwechseln möchte. Fällt Gold, werde ich mich beeilen. Steigt es, werde ich womöglich warten.
>Was meinst Du dazu? Hast Du eine schlüssige Erklärung parat?
>Sorry, falls es hier schon erörtert wurde, aber die Parsimony-Suchfunktion...:(
><hr>
>Zur Vorgeschichte sagt http://de.wikipedia.org/wiki/Liechtenstein
>...
>Bis zum 1. Weltkrieg war Liechtenstein über ein Zweckbündnis stark mit dem Kaiserreich Ã-sterreich-Ungarn verbunden. Nach dessen Auflösung und Aufteilung in mehrere Einzelstaaten verbündete sich Liechtenstein mit der Schweiz.
Ja, schlau.
>...
>Wichtig: Die Ã-sterreiche Krone war seit dem 1. Januar 1901 gesetzliche Landeswährung im Liechtestein
Eingeführt von wem in Liechtenstein? Das ist doch gerade der Charme der Herrschaft, dass sie als GZ/STZM erklären kann, was sie will. Selbstverständlich kann sie auch das GZ/STZM anderer Staaten nehmen. Sie muss nur sagen, dass dieses GZ/STZM jetzt auch GZ/STZM im eigenen Beritt ist. Kleine Staaten ohne eigene Notenbank nehmen halt das des größeren Nachbarn. So kam Monaco an den Franc. Im Vatikan gilt der Euro, usw. Israel wollte schon mal den US-Dollar einführen. Die ganze Karibik ist voller Inseln, die keine"eigene" Währung haben, obwohl sie sich"selbst" regieren.
>
>Im 80 Jahre Schweizer Franken in Liechtenstein findet man auf Seite 6 diesen Hinweis:
>...
>So war im"Liechtensteiner Volksblatt" vom 14. Februar 1920 zu lesen:"Sattler Seger in Vaduz arbeitet von nun an nur mehr gegen Franken" u.ä.
>[ IOW Die Untertanen / Steuerpflichtigen flüchteten aus dem GZ ]
Die Flucht ist doch nicht komisch - außer, dass sie irgendwie dem immer wieder zu hörenden Einwand widerspricht, dass das schlechte Geld (hier inflationierende Krone) immer das gute (hier Schweizerfranken)"verdrängt".
Die Krone gab's praktisch nicht mehr. In Zürich wurde in gestempelten und ungestempelten Kronen spekuliert, bis der Schwindel sich dann in einer hübschen Panik entlud.
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>Das Liechtenstein-Portal http://www.liechtenstein.li/fl-portal-aktuell?newsid=9575 schreibt dazu weiter:
>...
>Der Weg zur offiziellen Währung
>Der Weg des Schweizer Frankens zur offiziellen Währung Liechtensteins birgt diverse Kuriositäten.
>So führte Liechtenstein bereits am 31. August 1920 den Schweizer Franken inoffiziell mit dem „Gesetz über die Umwandlung der Kronenbeträge in Schweizer Franken“ ein. Steuern, Taxen und dergleichen mussten von nun an in Schweizer Franken bezahlt werden, obschon dieser in Liechtenstein noch nicht offizielles Zahlungsmittel war. [ Und der Staat flüchtet seinen Untertanen hinterher:)]
Steuern usw. mussten doch in Franken bezahlt werden. Also war das STZM Franken und da der goldgedeckt war, letztlich Gold. Das ist es doch: Jeder Staat kann festlegen, was STZM ist. Das genügt. GZ im aktuellen Sinne ist immer ein Derivat des Abgabenmittels. Jahrtausendelang hat es keine Bestimmung über ein GZ gegeben ("legal tender"). Aber was an Steuern zu bezahlen war und worin sie zu bezahlen waren, lag fest.
>Diese inoffizielle und einseitige Einführung erfolgte ohne Einwilligung [!] der Schweiz. Erst am 26. Mai 1924 wurde der Schweizer Franken im Einvernehmen mit der Schweiz zur offiziellen Währung Liechtensteins erhoben.
Das"Einvernehmen" hätten sie sich auch sparen können. Aber wer so klein ist, holt es sich dann doch gern ein.
>...
>In"80 Jahre..." steht auf Seite 10, daß Liechtenstein mit seinem GZ weitere 56 Jahre quasi Währungs-Ausland der Schweizer war, also mit seinem GZ bedingungslos der Schweiz ausgeliefert war.
Ja klar. Weshalb weigern sich denn diverse Staaten, sich dem Euro auszuliefern?
>Auf Seite 26 steht noch:
>...
>"Gesetz über die Umwandlung der Kronenbeträge in Schweizer Franken (1:1) in den Gesetzen und Verordungen über Steuern, Stempel, Taxen und sonstigen Gebühren." Auf Grundlage dieses Gesetzes wurde in unserem Land die Zahlung von Steuern in einer Währung verlangt, die offiziell nicht gesetzliches Zahlungsmittel war. Mit anderen Worten: Die Einführung des Schweizer Frankens in Liechtenstein vollzog sich ohne Einwilligung der Schweiz.
Richtig. Man hat gezockt und es ist gut gegangen. Hätte die Schweiz"Nein" gesagt, hätte man sich etwas anderes einfallen lassen. Aber warum hätte die Schweiz sich verweigern sollen? Die SNB hat Wechsel rediskontiert. Darunter waren möglicherweise auch Liechtensteiner Wechsel. Die hätte die SNB dann zurückweisen können wie jede ZB damals jeden Wechsel zurückweisen konnte, der ihr nicht"gut genug" war.
>...
><hr>
>Und wie ist das mit der von Dir immer so hervorgehobenen Machtposition des Herrschers?
Der Fürst hat - siehe oben - die Steuern, Taxen usw. festgelegt.
>Man beachte: Das hier war keine Folge einer kriegerischen Eroberung oder Unterwerfung.
Der Krieg hatte Ã-sterreich-Ungarn und deren ZB vernichtet. Daraufhin gingen die Nachfolgestaaten verschiedene Wege. Dem hätte sich auch Liechtenstein anschließen können, hat aber den damit verbundenen Aufwand gescheut.
>Wohl eher das Gegenteil:)
>
>Gespannt auf Deine Anmerkungen [img][/img]
>J.
Mir ist schon klar, worauf Du hinaus willst. Dann schalte doch auch eine Sattler-Anzeige ("liefere nur gegen..."). Nur wird es Dir wie dem Sattler ergehen: An Steuern und Abgaben lautend auf das aktuelle GZ wirst Du kaum vorbei kommen. Der Sattler ist ja nicht durch seine Fakturierung in Franken die (noch) auf Kronen lautenden Zahlungsverpflichtungen gegen seinen Fürsten los und damit zum"freien (abgabenfreien) Mann" geworden.
Besten Dank für die interessante Schnurre + Gruß!
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Popeye
24.08.2004, 18:54
@ dottore
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Schottland - gesetzliches Zahlungsmittel |
-->Eine besonders kuriose Situation bezüglich des formellen gesetzlichen Zahlungsmittels besteht in Schottland.
Formal sind in Schottland alle Banken berechtigt Banknoten auszugeben. Tatsächlich tun dies nur noch drei Banken: Die Bank of Scotland, die Royal Bank of Scotland und die Clydesdale Bank.
Schottische Banknoten (gleichgültig von welcher schottischen Bank) sind jedoch kein gesetzliches Zahlungsmittel.
Nur die 1 Pfund Münze der Royal Mint ist in Schottland in unbegrenzter Höhe gesetzliches Zahlungsmittel.
Entsprechend sind auch englische Banknoten und Münzen in Schottland kein gesetzliches Zahlungsmittel noch schottische Münzen und Noten in England.
De facto funktioniert aber alles reibungslos gleichgültig ob man in England mit schottischem oder in Schottland mit englischem Geld bezahlt.
Mehr hier:
<ul> ~ http://www.scottish.parliament.uk/research/briefings-03/sb03-51.pdf</ul>
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fridolin
24.08.2004, 21:50
@ Popeye
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Re: Schottland - gesetzliches Zahlungsmittel |
-->Bei der sprichwörtlichen Sparsamkeit der Schotten braucht man dort wahrscheinlich sowieso kaum Geld zum Bezahlen. [img][/img]
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bernor
25.08.2004, 03:08
@ dottore
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In Liechtenstein kein Problem... |
-->Hi dottore,
Selbstverständlich kann sie auch das GZ/STZM anderer Staaten nehmen. Sie muss nur sagen, dass dieses GZ/STZM jetzt auch GZ/STZM im eigenen Beritt ist. Kleine Staaten ohne eigene Notenbank nehmen halt das des größeren Nachbarn. So kam Monaco an den Franc. Im Vatikan gilt der Euro, usw. Israel wollte schon mal den US-Dollar einführen. Die ganze Karibik ist voller Inseln, die keine"eigene" Währung haben, obwohl sie sich"selbst" regieren.
Siehe auch Montenegro - dieser"Staat" (tatsächlich politisch eine Ansammlung von reichen"Familien" mit dubiosen bis kriminellen Hintergründen, einschließlich des zur Zeit herrschendes Clans) hatte, wenn ich mich recht erinnere, schon in den 90er Jahren neben dem Dinar auch die Deutsche Mark zum GZ erklärt.
>Diese inoffizielle und einseitige Einführung erfolgte ohne Einwilligung [!] der Schweiz. Erst am 26. Mai 1924 wurde der Schweizer Franken im Einvernehmen mit der Schweiz zur offiziellen Währung Liechtensteins erhoben.
>Das"Einvernehmen" hätten sie sich auch sparen können. Aber wer so klein ist, holt es sich dann doch gern ein.
Auch die Bundesbank ist damals wohl nicht gefragt worden - und auch an die EZB wird die o. a."ehrenwerte Gesellschaft" bestimmt nie eine solche"Bitte" herantragen (oder weißt Du es anders?).
Die SNB hat Wechsel rediskontiert. Darunter waren möglicherweise auch Liechtensteiner Wechsel. Die hätte die SNB dann zurückweisen können wie jede ZB damals jeden Wechsel zurückweisen konnte, der ihr nicht"gut genug" war.
Auch die EZB/Bundesbank wird mit irgendwelchen montenegrinischen Wechseln keine Probleme haben - weil solche vermutlich gar nie einreicht werden...
Der Krieg hatte Ã-sterreich-Ungarn und deren ZB vernichtet. Daraufhin gingen die Nachfolgestaaten verschiedene Wege. Dem hätte sich auch Liechtenstein anschließen können, hat aber den damit verbundenen Aufwand gescheut.
Wie Montenegro (aus"DM" wurde später"Euro"): neben dem größten Teil des Fuhrparks okkupierte man auch die Währung nach Banditenmanier - dies kann man sozusagen als Variante der Machttheorie betrachten: Warum sich den Aufwand mit einer ordentlichen Währung machen, wenn man den"Ertrag" kassieren, sprich: fremdes Geld, hier DM/Euro-Noten, umlaufen lassen kann, ohne sich am"Geldschöpfungs-"Prozeß selbst zu beteiligen?
Das ist eben das altbekannte Problem: daß ein nicht unerheblicher Teil einer"stabilen" Währung im Ausland kursiert (bei der DM sollen es 30-40% gewesen sein) und damit dem inländischen Kreislauf, der ja auf den Rückfluß angewiesen ist, auf Dauer ausscheidet. Somit ist, wenn ich das richtig sehe, auch die stabilste und"angesehendste" Währung (siehe auch den Dollar) in einer solchen Situation allein schon aus diesem Grund - soll sie nicht (vorzeitig) untergehen - auf den"Hilfsmotor" Staat als"Geldschöpfer" angewiesen.
Gruß bernor
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