-->Das Creutz-Syndrom, Teil 2: Der Populist
Hinweis: Populismus = Literaturbewegung, die den Klassenkampfgedanken vertritt
Das Zinszauberstück ist zwar das gefährlichste, aber längst nicht das einzigste Täuschungsmanöver des Meisters. Die Liste seiner großen und kleinen Zaubernummern ist lang. Immer wieder gern gesehen wird zum Beispiel die Serie „BuBa-Daten frisieren - leicht gemacht“. Beispielsweise EXPONENTIELLES WACHSTUM lässt sich zwar schön in der Theorie zeigen (Josephspfennig), ist aber in der Praxis oft nicht so ausgeprägt, wie nach der Theorie zu erwarten. In dem Zusammenhang wurde ein hier eingestelltes Diagramm „Geldvermögen und Sozialprodukt, Entwicklungsvergleich 1950-2000“ (Quelle: Bundesbank, H. Creutz Nr. 110) von Paul C. Martin als „unsägliche Grafik“ bezeichnet und angeboten, mitzuteilen, was die angebliche „Quelle“ (Bundesbank) dazu gesagt hat. Atemberaubend auch der Schocker „Vom Zins zum Dritten Weltkrieg“. Hübsch wiederum die Nummer „Halbe Antwort“, wo auf meine Frage nach den Aufgaben der Banken die Tatsache verschwiegen wurde, dass 40 % der Einlagen von anderen Banken stammen - ein Schelm, der Böses dabei denkt. Eine mitreißende Lachnummer ist dann die Behauptung, „saldierte Restgrößen“, also etwa die Differenz aus den
Zinserträgen von 24 Mrd. Euro
und den
Zinsaufwendungen von 55,5 Mrd. Euro
der inländischen Unternehmen in 2001 von
55,5 Mrd. - 24 Mrd. = 31,5 Mrd.
taugten nicht für finanztechnische Untersuchungen. (Zinserträge sollen gefälligst mit Zinseinnahmen ADDIERT werden, damit eine ordentliche LAST entsteht, hier dann fast 70 Mrd.) Spannung verspricht dann wieder die Krimi-Rätselfolge „Eigene Ermittlungen“. Besonders eindrucksvoll jedoch ist folgende Vorführung:
„Statistiker aufs Creutz gelegt - reich macht arm“
Dabei bewegt sich der Meister mit viel Dynamik am Rande der Legalität - prickelnd! In der fünften Auflage des Zauberbuchs „Das Geld-Syndrom“ startet die Nummer auf Seite 395 mit der Frage
„Wie kommt es zu den Wechselbeziehungen zwischen Arm und Reich?“
Als Basis für die Antwort definiert der Meister sodann die Hälfte des Durchschnittseinkommens (70.000 DM pro Jahr) als ARMUTSGRENZE und das Doppelte als REICHTUMSGRENZE. Diese Grenzen betragen also 35.000 und 140.000 DM.
Dann stellt er fest, dass die über dem Durchschnitt liegenden Einkommensanteile in der Bevölkerung immer so groß sein müssen wie die unteren. Das ist auch völlig logisch: Wir stellen uns die Bevölkerung als nur zwei Menschen vor, der eine verdient 100.000, der andere 40.000. Das Durchschnittseinkommen ist dann
(100.000+40.000)/2 = 70.000.
Der eine verdient
100.00-70.000 = 30.000
über, der andere
70.000-40.000 = 30.000
unter dem Durchschnitt - rein mathematisch geht es nicht anders.
Nach diesem eher langweiligen Teil kommt nun der eigentliche Showeffekt. Eine Grafik der Verteilung der verfügbaren Einkommen (Quelle: Eigene Ermittlungen) mit einer rasant nach oben weisenden Kurve fasziniert zunächst das Auge, dann ertönt die Stimme des mathematischen Magiers: „Und je mehr auf der rechten Seite die Einkommen in die Höhe schießen, umso eher fallen auf der linken Seite Einkommen unter die Armutsgrenze. Zunehmende Armut in einem Land ist also immer ein Zeichen überproportional wachsenden Reichtums!“
Das sitzt! Reich macht arm, irgendwie hat das Publikum das ja schon immer gewusst, nun hat es der Meister eindrucksvoll BEWIESEN.
Seine Schlussfolgerung: Der hohe Armutsanteil in Portugal oder Großbritannien „beweist nur, dass der Wohlstand einer extremeren Verteilung unterliegt, die Diskrepanzen zwischen Arm und Reich also größer sind als in den Ländern mit geringeren Armutsquoten. Eine Anhebung der Wirtschaftsleistung würde in den betroffenen Ländern nur dann zu einem Abbau der Armutsquote führen, wenn die Reicheren ihre Ansprüche an den Zuwachs des Sozialprodukts reduzieren würden.“
Dass dies nun sehr starker Tobak ist, fiel mir bereits auf, als ich vor einiger Zeit noch selbst mit im Publikum saß. Komisch, dass es sonst keiner bemerkt hat.
Wir betrachten wieder unsere Zwei-Personen-Gesellschaft! Der besser Verdienende hat sich beruflich qualifiziert und verdient dadurch 120.000. Damit steigt das Durchschnittseinkommen auf (120.000+40.000)/2 = 80.000. Die Armutsgrenze liegt nun bei 40.000 - und der weniger Verdienende statt früher um 30.000 nun um 40.000 darunter. Nach der Sichtweise von Creutz hat ihn der besser Verdienende durch seine berufliche Qualifikation um 10.000 weiter unter die Armutsgrenze gestoßen. Zwar merkt der weniger Verdienende davon nichts, denn für ihn hat sich absolut gesehen überhaupt nichts geändert, aber wenn man ihm das erklärt, dass er durch den besser Verdienenden nun „um 10.000 ärmer“ geworden ist, dann könnte er doch wenigstens ein bisschen Hass entwickeln auf diesen reichen Pinkel dort oben, oder?
Auch hier ist der Trick ganz plump. Während die Statistiker eine Armutsgrenze immer STATISCH (als festen Einkommenswert) definieren, zieht der Meister eine eigens selbst gebastelte Armutsgrenze aus dem Zauberhut, welche DYNAMISCH ist, weil sie dem Durchschnittseinkommen folgt. Das bringt den gewünschten Effekt.
Und den könnte man dann als populistische Demagogie ansehen. Hierzu passt der folgende Ausfluss aus dem düsteren Pamphlet „Die Schatten des Zinses sind nicht nur unmoralisch“:
„ALLE Zinsen fließen IMMER von der Arbeit zum Besitz. Mit jeder Zinszahlung erhalten also diejenigen noch mehr Geld, die bereits ZUVIEL hatten und es verleihen konnten. Umgekehrt fließt zusätzliche Kaufkraft bei jenen ab, denen bereits Geld FEHLTE und die es sich deshalb leihen MUSSTEN“
Zum Glück für ihn kann man auch hier wohl nicht von Böswilligkeit ausgehen, sondern höchstens von Vorsatz. Dass jedoch der Meister in seiner Schrift denjenigen Teil der Bevölkerung, der über der „Reichtumsgrenze“ liegt, verächtlich macht, lässt sich wohl kaum leugnen.
Wenden wir uns nun aber der aktuellen Nummer zu, für die der Meister schon fleißig geprobt hat! Diese finde ich besonders fies, weil sie DEN EIGENEN LEUTEN einen Erfolg versprechenden Weg in die Zukunft versperrt. Sie heißt
„The Magic Trap - die magische Falle“.
Vorhang auf!
|