dottore
29.08.2004, 14:09 |
Steuern und Immobilien-Deflation Thread gesperrt |
-->Hi,
vieles, was wir heute für common sense halten, war in"früherer" Zeit ganz anders. Wir müssen uns daher bemühen, das zu enträtseln, was die Änderung herbei geführt hat.
Nehmen wir diesen Hinweis von Prof. Baruch Levine als Starter: Auf dem Campus der New York University sind Appartments verkäuflich, allerdings nur zwischen den Angehörigen der der NYU. Wer also ausscheidet, muss sein Appartment verkaufen. Das Preis für das Appartment beträgt das 2,5fache [!] eines gleichwertigen Appartments sonstwo in der Stadt.
Der Grund für diese Differenz ist rasch ausgemacht: Die NYU-Appartments sind steuerfrei.
Daraus lässt sich im Umkehrschluss ableiten: Je höher die steuerliche Belastung eines Grundstücks, desto geringer wäre sein Wert. Das würde nicht nur für allfällige Grundabgaben-Erhöhungen (wie sie hier ja noch und noch vorgeführt und beklagt werden) im Hinblick auf die Grundstückspreise nichts Gutes verheißen, vulgo deren Preise negativ beeinflussen (Deflation).
Diesen Zusammenhang finden wir letztlich auch bei Zinssatz (zur Finanzierung etwaiger Grund-Käufe), sofern wir den Zins als Steuerderivat betrachten. Je höher der Zinssatz, umso geringer die"Nachfrage" nach Grundeigentum (bzw. dessen"Beleihung") und umso niedriger ("fallend") die Grundstückspreise.
Der Grundstücksmarkt und die sich darauf ergebenden"Preise" sind also nicht einfach als Resultat eines sich frei im Raum ergebenden Spiels der Marktkräfte zu sehen (Angebot und Nachfrage), sondern haben in erster Linie etwas mit den darauf liegenden Abgaben zu tun. Dazu werden auch andere Merkwürdigkeiten, welche die heutige Vorstellung, der Landpreis habe etwas mit dem"Ertrag" des Bodens zu tun, in Frage zu stellen, z.B. waren die Landpreise im Italien des 18. Jh. AD umso höher, je näher der Käufer mit dem Verkäufer verwandt war. In Laos wurde eine solche"inverse" Preisgestaltung noch im 20. Jh. AD beobachtet (Hinweis Prof. Johannes Renger, Berlin).
Das lässt sich damit erklären, dass der Verkäufer, wenn er schon über Land verfügt, das per se niedriger (falls überhaupt) besteuert war, dieses innerhalb seiner Familie, die über dieselben (steuerlichen) Privilegien verfügte eben höher auspreisen konnte als jemand, der ohne diese Privilegien von irgendwoher kommt und das Land dann zu ungünstigeren a-priori-Bedingungen erwirbt und ergo weniger bezahlt.
Würden also Mieten (Bodenzins) höher besteuert, würde das dem Immobilienmarkt kaum nach oben drücken. Aber finden wir überhaupt so etwas, wie eine Korrelation zwischen"Ertrag" und"Preis" bei Land?
Dazu gibt es eine eine ganze Reihe von Untersuchungen (leider noch nicht alle durchgekämpft) gerade der allerneuesten Zeit von Prof. Carlo Zaccagnini, der - aufbauend auf seinem wichtigen, auf Unmengen Tontafel-Quellen, speziell für Nuzi (Kirkuk, Irak, mit sehr instruktiven Links) - zu dem Ergebnis kommt, dass der"Kaufpreis" eines Feldes meist nur dem Ertrag eines Erntejahres (selten von zwei) entsprach.
Das leuchtet natürlich nur ein, wenn man beachtet, dass der Käufer (in dem hier schon beschriebenen bondage oder nexum-Verhältnis stand) und sich nicht mehr auf dem"freien Markt" von seinem Land trennen konnte, sondern es dem Gläubiger (Latifundist, absentee landowner) andienen musste. Hatte seine Schuld (entwickelt aus der 33-%-Getreideleihe) den gesamten erzielbaren Ernteertrag erreicht, wurde das Land transferiert.
Diese Übertragung geschah auch nicht etwa durch "Kauf" und Aushändigung des Kauf"preises" an den Gläubiger (eben um die Schuld ihm gegenüber zu tilgen), sondern durch einen tuppi maruti bezeichneten Vorgang, der als Grundstücks-Adoption (!) bezeichnet wird, wonach der Adoptierer (Großgrundbesitzer) hinfort sich aus den Erträgen bedienen konnte, die"formell" just dem entsprachen, was der Schuldner an laufenden Zins zu entrichten gehabt hätte:
"One single crop is enough to refund the creditor of the whole capital he has lent."
Diese"Adoption" entspricht sehr schön der berühmten "Ankindschaft" der lex salica, wo Eigentum, wie hier schon mal ausführlich diskutiert, in einem komplizierten Verfahren übertragen wurde.
Wollten wir eine (negative) Einschätzung der laufenden Verhältnisse in die Zukunft vornehmen, würde das über kurz oder lang bedeuten:
- Die Grundabgaben (und die mit Grund und Boden, ergo"Behausung" verbundenen"Kosten", denen nicht ausgewichen werden kann), die sich bereits in rasantem Tempo in die Höhe entwickeln (Grundsteuern, Wasser, Gas, Strom usw. usw.) werden die Grundstückswerte drücken.
- Sind diese Abgaben und unausweichlichen Ausgaben in eine bestimmte Höhe geschraubt, ist das"private" Eigentum an Grund und Boden, selbst wenn es Fremd- (also bank-)lastenfrei ist, nicht mehr zu halten. Es wird (oder muss) dann entweder an (noch liquide) Interessenten verkauft (zu mutmaßlich gedrückten Preisen) oder schließlich von den Abgaben-Instanzen an"Zahlungs Statt" eingezogen werden.
Erfreulich wäre das alles nicht. Aber"neu" wäre es auch nicht.
Dennoch schönsten Sonntagsgruß!
|
Diogenes
29.08.2004, 14:31
@ dottore
|
Re: Steuern und Immobilien-Deflation |
-->Hi dottore,
>- Die Grundabgaben (und die mit Grund und Boden, ergo"Behausung" verbundenen"Kosten", denen nicht ausgewichen werden kann), die sich bereits in rasantem Tempo in die Höhe entwickeln (Grundsteuern, Wasser, Gas, Strom usw. usw.) werden die Grundstückswerte drücken.
Das ist nichts besonderes, sondern simple Investitionsrechnung. Einnahmen/Erträge minus Ausgaben/Aufwand (dazu gehören auch die Steuern) ergibt Gewinn, abgezinst ergibt Gegenwartswert.
Heikel wird es, weil sich die zukünftige, wahrscheinlich höhere Steuerbelastung schlecht vorhersagen läßt. Deswegen wird auch dise Unsicherheit in Abschlag gebracht werden müssen.
>- Sind diese Abgaben und unausweichlichen Ausgaben in eine bestimmte Höhe geschraubt, ist das"private" Eigentum an Grund und Boden, selbst wenn es Fremd- (also bank-)lastenfrei ist, nicht mehr zu halten.
Steuern als gewaltsamer Eingriff in das Privateigentum. Wenn die Steuern hoch genug sind, ist es nicht mehr zu halten, egalt was es ist. Mir fallen da die Erbschaftssteuergesetze im Schweden der 80er ein, da war es manchmal billiger, das Erbe gleich gar nicht anzutreten.
Steuern sind eben Raub.
> Es wird (oder muss) dann entweder an (noch liquide) Interessenten verkauft (zu mutmaßlich gedrückten Preisen)...
Zu sicher gedrückten Preisen, welche den Interessenten aber leider keinen Vorteil bringen, wegen obiger Invetitionsrechung. Es sei denn, die Steuern würden wieder sinken, was unwahrscheinlich ist.
>...oder schließlich von den Abgaben-Instanzen an"Zahlungs Statt" eingezogen werden.
Und dann?
Billig verteigern -> Steuerausfall für Staat.
Nicht versteigern -> Ende der Bewirtschaftung und aus mit Steuereinnahmen.
So oder so, den Staat rettet es nicht.
Gruß & schönen Sonntag
Diogenes
|
JoBar
29.08.2004, 14:41
@ dottore
|
Re: Siehe, die Bestätigung dafür gibt es doch so (zeit-) nah |
-->>Wollten wir eine (negative) Einschätzung der laufenden Verhältnisse in die Zukunft vornehmen, würde das über kurz oder lang bedeuten:
>- Die Grundabgaben (und die mit Grund und Boden, ergo"Behausung" verbundenen"Kosten", denen nicht ausgewichen werden kann), die sich bereits in rasantem Tempo in die Höhe entwickeln (Grundsteuern, Wasser, Gas, Strom usw. usw.) werden die Grundstückswerte drücken.
>- Sind diese Abgaben und unausweichlichen Ausgaben in eine bestimmte Höhe geschraubt, ist das"private" Eigentum an Grund und Boden, selbst wenn es Fremd- (also bank-)lastenfrei ist, nicht mehr zu halten. Es wird (oder muss) dann entweder an (noch liquide) Interessenten verkauft (zu mutmaßlich gedrückten Preisen) oder schließlich von den Abgaben-Instanzen an"Zahlungs Statt" eingezogen werden.
>Erfreulich wäre das alles nicht. Aber"neu" wäre es auch nicht.
Du mußt doch keine Zeitreisen antreten um darauf bestätigende Antworten zu erhalten [img][/img]
Es reicht vollkommen, wenn Du die Relationen zwischen gemeindlichem/kantonalen Steuerfuß der Schweizer Gemeinden und die dortigen Grundstücks-/ Immobilien-Preise betrachtest.
Ich empfehle dafür zum Beispiel Kreuzlingen/TG und das direkt angrenzende Bottighofen/TG (= Millionärsdorf mit tiefen Steuern, aber schön hohen Immo-Preisen).
J.
|
zucchero
29.08.2004, 15:32
@ dottore
|
Und was kommt dann |
-->Hallo,
wenn man den Gedanken fortführt, kommt man zwangsläufig zu folgender Kette.
1. Eigentum wird unmäßig hoch belastet.
2. Der Eigentümer kann die Belastung nicht tragen und ist gezwungen zu verkaufen.
3. Jetzt kommt der liquide Käufer ins Spiel. Die Frage ist aber, wer noch liquide sein kann. Letztlich nur ein privilegierter Abgabenbefreiter. Dieser Typus wächst vorzugsweise nur in Polizeistaaten.
4. Aufstand der Massen. Aus, ende!
Viel interessanter ist jedoch das Szenario mit relativ hohen Abgaben. Dabei gäbe es für die einzelnen Belastungskomponenten durchaus Strategieen, die einen Verkauf vermeiden helfen.
-Grundsteuer: intensive Nutung von Grund und Boden, weniger Wohnraum je Bürger
-Energiekosten: steigen die Energiekosten auf das 10fache, wird man sicher auch mit der hälfte oder einem Drittel von heute auskommen
-Ver-Entsorgung: hier könnte der Faktor 5 realistisch sein - auch das wäre zu stemmen
Wohnen muß man immer, und der Staat hat kein Geld den Markt mit Dumpingpreisen kaputtzumachen. Wenn also die Kosten für alle steigen, bleibt das Preisgefüge vermutlich relativ gleich - evtl. etwas unter dem aktuellen Stand.
Die große Frage ist vermutlich, ob es bessere Staaten als Deutschland gibt.
|
dottore
29.08.2004, 17:22
@ Diogenes
|
Re: Steuern und Immobilien-Deflation |
-->Hi Diogenes,
>Das ist nichts besonderes, sondern simple Investitionsrechnung. Einnahmen/Erträge minus Ausgaben/Aufwand (dazu gehören auch die Steuern) ergibt Gewinn, abgezinst ergibt Gegenwartswert.
Schon klar. Nur steht zu befürchten, dass bei selbstgenutzten Immobilien, die keine Einnahmen / Erträge (Bodenzins) erwirtschaften irgendwann bei dem"als Wert" landen, was die Ausgaben/Abgaben selbst sind - das ist das Problem. Das Haus wird dann zu diesem"Ertragswert" an diejenigen übertragen, die aus der Immobilie aktiv berechtigt sind.
>Heikel wird es, weil sich die zukünftige, wahrscheinlich höhere Steuerbelastung schlecht vorhersagen läßt. Deswegen wird auch dise Unsicherheit in Abschlag gebracht werden müssen.
Ein Einfamilienhaus in D lässt sich mit Ab- und unausweichlichen Ausgaben (sofern es überhaupt bewohnbar bleiben soll) schon gut mit 600 Euro plus p.m. berechnen. Eine ETW (nicht Luxus) steht - mit erwarteter Zweitwohnungssteuer - schon mit 300/350 Euro p.a. zu Buche. Würde vermietet, zahlt der Mieter nicht, sondern lacht unter Hinweis auf die diversen Gesetzeslagen.
>>- Sind diese Abgaben und unausweichlichen Ausgaben in eine bestimmte Höhe geschraubt, ist das"private" Eigentum an Grund und Boden, selbst wenn es Fremd- (also bank-)lastenfrei ist, nicht mehr zu halten.
>Steuern als gewaltsamer Eingriff in das Privateigentum.
Da bin ich bekanntlich anderer Meinung. Auch beim sog."Privateigentum" bleibt der Staat Obereigentümer, siehe schon sein Vorkaufsrecht und dann die open-end-Besteuerungsmöglichkeit. Umgekehrt kann der Privateigentümer nicht den Staat besteuern. Er kann ihm bestenfalls Bodenrente abpressen wie dem Mieter auch. Dem aber weicht der Staat wiederum aus, indem er die Abgabenlast (noch nicht kassierte Steuern) Jahr für Jahr immer höher schraubt.
Das Geld ist ja nicht"er" schuldig, sondern der Steuerbürger. Der Staat ist bestenfalls beim Inkasso behilflich.
>Wenn die Steuern hoch genug sind, ist es nicht mehr zu halten, egalt was es ist. Mir fallen da die Erbschaftssteuergesetze im Schweden der 80er ein, da war es manchmal billiger, das Erbe gleich gar nicht anzutreten.
>Steuern sind eben Raub.
Wie wahr - die bewährte Rückkehr zum Start der staatlichen Gewaltherrschaft.
>> Es wird (oder muss) dann entweder an (noch liquide) Interessenten verkauft (zu mutmaßlich gedrückten Preisen)...
>Zu sicher gedrückten Preisen, welche den Interessenten aber leider keinen Vorteil bringen, wegen obiger Invetitionsrechung. Es sei denn, die Steuern würden wieder sinken, was unwahrscheinlich ist.
Die Sätze können sinken, die Steuerlast (aktuelle und vertagte) nimmermehr.
>>...oder schließlich von den Abgaben-Instanzen an"Zahlungs Statt" eingezogen werden.
>Und dann?
>Billig verteigern -> Steuerausfall für Staat.
>Nicht versteigern -> Ende der Bewirtschaftung und aus mit Steuereinnahmen.
Hier liegt das Problem: Der Staat zieht das von ihm - immer wieder in Schüben - zedierte Eigentum wieder an sich - der in Häusern Lebende ist dann direkt sein Dienstmann.
>So oder so, den Staat rettet es nicht.
Diesen nicht. Aber dann wird's ein anderer sein. Und der wird keinem von uns gefallen.
Sonntagsgruß zurück!
|
Kris
30.08.2004, 01:28
@ dottore
|
Was passiert wirklich? |
-->Dass Vermögen sich als Summe auf den jetzigen Zeitpunkt abgezinsten zukünftigen Erträge erklären lässt, ist klar. Bei Eigennutzung ist entsprechend der Nutzwert als Ertrag zu verwenden. Dass Abgaben zunächst den Ertrag mindern und somit den Wert eines so berechneten Vermögens, ist klar.
Was allerdings mir zumindest nicht klar ist, sind die Folgen einer solchen Immobiliensteuer. Wie entwickeln sich die gesamten laufenden Kosten (incl. Kapitalkosten) für Wohnraum? Wie entwickeln sich die Miet-Kosten oder der entsprechende Nutzwert?
Wie sich eine Steuer-/Abgabe-/Kostenerhöhung zwischen Mietern und Vermietern aufteilt, ist u.a. von der Elastizität der Nachfrage abhängig.
Welche Folgen hätte ein Freibetrag?
Im Weiteren wären die Folgen der Verwendung dieser Steuer zu betrachten: Erhöhte Staatsnachfrage oder Steuersenkung in anderen Bereichen? Könnte sich dadurch die Nachfrage nach Immobilien sogar erhöhen?
Selbst wenn die Immobilienpreise im ersten Moment stark sänken, blieben sie in der Folge jedoch konstant. Ist hier wirklich der Begriff Deflation angebracht?
|