-->Auf dem Weg in die Dollarkrise
Die Abwertung der US-Währung bringt nicht nur Europa in Schwierigkeiten. Weltweit ist der Aufschwung in Gefahr
von Frank Stocker
Langsam wird einigen Europäern mulmig. Täglich überschreitet der Euro neue Rekordmarken - am Freitag erreichte er schon 1,33 Dollar. Und 84 Prozent der europäischen Fondsmanager glauben inzwischen, daß der Dollar in den kommenden zwölf Monaten weiter an Wert verlieren wird, wie eine Umfrage der Fonds-Rating-Agentur Morningstar ergab.
Einzelne Experten machen immer drastischere Prognosen. David Kotok von Cumberland Advisors, einem großen US-Vermögensverwalter, sieht den Euro sogar bis auf Werte um 1,60 Dollar steigen."Am 8. September 1992 erreichte der theoretisch rückgerechnete Eurokurs sein Hoch bei 1,69 Dollar - es gibt keinen Grund, warum dieses Niveau nicht wieder erreicht werden könnte", sagt Kotok.
Eine Horrorvorstellung für europäische Politiker und Ã-konomen. Mit dem steigenden Eurokurs schwellen daher ihre Warnungen und Ratschläge an. Mal wird die Europäische Zentralbank aufgefordert, mit Dollarkäufen zu intervenieren, mal soll sie den Leitzins weiter senken.
Doch die EZB kann wenig machen."Den Schlüssel zur Lösung des Problems halten andere in der Hand, erstens die USA und zweitens Ostasien, insbesondere China", sagt Eberhardt Unger, Volkswirt beim unabhängigen Analysehaus Fairesearch.
Ursache der Dollarkrise ist...
Der Großteil dieses Defizits entsteht im Außenhandel mit China. In einem funktionierenden Markt würde der Yuan aufwerten und das Defizit so über kurz oder lang verschwinden. Doch die chinesische Währung ist fest an den Dollar gekoppelt. China hält seine Währung künstlich schwach, um weiter billige Güter in die USA exportieren zu können.
Daher entlädt sich der gesamte Abwertungsdruck auf andere Währungen. Nicht nur der Euro hat in den vergangenen drei Jahren drastisch aufgewertet. Der neuseeländische Dollar legte um über 70 Prozent zu, der südafrikanische Rand um mehr als 67 Prozent.
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Nur der Chinesische Yuan bleibt konstant. Und daran dürfte sich kurzfristig auch nichts ändern. Auf die Frage, ob China eine Lockerung dieser Bindung erwäge, sagte Notenbankpräsident Zhou Xiaochuan erst am vergangenen Wochenende:"Es ist nach wie vor noch nicht der Zeitpunkt, um über technische Arrangements zu sprechen." Derzeit sei Chinas Finanzsystem noch nicht reif dafür.
Stephen Roach, Chefvolkswirt bei Morgan Stanley, hält das jedoch für eine Ausrede."China hat ein massives Reservoir an Währungsreserven aufgebaut - Ende September waren es rund 515 Milliarden US-Dollar - das ihm erlauben würde, Schwankungen des Yuan auf den weltweiten Devisenmärkten sehr effektiv zu steuern", so Roach. Außerdem setze sich China mit seiner Verweigerungshaltung der Gefahr aus, unter politischen Druck zu geraten.
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Doch es lauern noch weit größere Gefahren."Die Ungleichgewichte am Devisenmarkt sind so groß, daß ein starkes Risiko für schwere Erschütterungen besteht", sagt Eberhardt Unger. Denn die USA sind inzwischen vollkommen abhängig von China und Japan."Die beiden Länder finanzieren im Prinzip die Schulden Amerikas", so Unger. Allein China hat rund 500 Milliarden Dollabr in den USA angelegt, meist in Form von Staatsanleihen.
Noch gibt es keine Anzeichen, daß die Attraktivität von Investitionen in den USA nachläßt. Doch selbst US-Notenbankchef Alan Greenspan warnte vor einigen Tagen bei seinem Besuch in Frankfurt:"Irgendwann verlieren die Investoren ihren Appetit auf Dollar-Anlagen."
Falls es so weit kommt, könnte das ganze System in einer Spirale nach unten kollabieren. Denn je weniger Ausländer in den USA investieren, desto stärker wertet der Dollar ab. Damit verlieren die US-Papiere an Wert, viele Investoren sähen sich gezwungen, Dollar-Anlagen zu verkaufen und würden damit die US-Währung noch weiter schwächen.
"Ein Dollarverfall wäre für die gesamte Weltwirtschaft zerstörerisch", sagt John Hatherly, Chefstratege der britischen Fondsgesellschaft M&G. "Die Zinsen in den USA müßten dann steigen, das Wachstum würde einbrechen, die Importe drastisch zurückgehen und das würde wiederum Chinas Wirtschaft in die Krise treiben," so Hatherly. Dann würde auch der Aufschwung in Europa abgewürgt.
Noch scheint das System zwar intakt. Doch am Freitag kamen Gerüchte auf, Chinas Nationalbank verkaufe Dollar. Prompt brach der Kurs des Greenback drastisch ein. Als die Bank dementierte, erholte sich der Kurs zwar, doch die Episode zeigt, was den Märkten blühen könnte. Und das mulmige Gefühl vieler Anleger bleibt.
Artikel erschienen am 28. November 2004
http://www.wams.de/data/2004/11/28/366391.html?s=2
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