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„Wer die Freiheit zu Gunsten der Sicherheit opfert,
verdient keine von beiden.“- Benjamin Franklin</center>
Signale • Gedanken zur Zeit
Sonntag • 12:10 / 9.1.2005
Vor dem Notstand? Von Wolfgang Sofsky
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Im Ernstfall sind dem Staat alle Mittel recht. Der Notstand ist die Zeit der Exekutive. Bei Gefahr im Verzuge konzentriert sich auch in Demokratien alle Macht bei der Obrigkeit. Allein die Regierung ist unter hohem Zeitdruck überhaupt handlungsfähig. Das Parlament kann später ratifizieren, was längst vollstreckt ist. Die Teilung der Gewalten ist aufgehoben. Die Exekutive handelt rasch und manchmal verdeckt. Gegen die Nachrichtensperre können die Medien wenig ausrichten. Der Souverän ist nicht das Volk, sondern der Staat. Er ruft den Notstand aus, und er geht gestärkt aus der Not hervor. Er gewinnt an Freiheit, was die Bürger an Rechten verlieren.
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Riskanter als die zeitweilige Freiheitsberaubung ist eine langfristige Politik der Vorsorge. Sie schreitet nicht erst ein, wenn sich der Terror tatsächlich ereignet, sondern wenn er für möglich gehalten wird. Welche Gefahr tatsächlich besteht, ist keineswegs ausgemacht. Sind die Hinweise dürftig, nennt man die Gefahr"abstrakt", d.h. keiner weiß, ob sie tatsächlich existiert. Das Wissen der Behörden gelangt nicht in die Ã-ffentlichkeit, geheime Kommandoaktionen sind effektiv, aber häufig illegal. So bleibt die Definition von Gefahren anfällig für Hysterie und Phantasie. In einem Klima der Ängstlichkeit erschöpft sich die Vorsorge keineswegs darin, Maßnahmen für einen künftigen Ernstfall vorzubereiten, sondern sie vorab schon zu ergreifen. Die Freiheit wird eingeschränkt, obwohl sie noch gar nicht bedroht ist. Würde man auch nur die geringste Sicherheitslücke lassen, so der Kalkül, machte man sich schuldig. Angst und Sicherheitswahn senken die Schwelle des Eingriffs und zerstören am Ende jede Freiheit. Es ist die erste Aufgabe eines Bürgerstaates, das Leben und die Freiheit zu schützen. Daran sind alle Vorkehrungen zu messen. Maßnahmen jedoch, die im voraus zerstören, was sie bewahren sollen, sind illegitim, ruinös - und meistens überflüssig. Nicht nur islamistische Gotteskrieger haben die Bürger der westlichen Welt zu fürchten, sondern auch einen Staat, der ihnen letzte Sicherheit verspricht.
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<ul> ~ DeutschlandRadio: Signale, Gedanken zur Zeit</ul>
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