marsch
05.05.2005, 13:05 |
Schuldenabbau doch möglich? (BRD 1953 ff.) Thread gesperrt |
--><table><table border="0" width="600"><tr><td><font face="Arial"><font size=4> </font></font><div align="Justify">
Eine Textpassage aus "Die D-Mark" von Wolfram Bickerich
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Schon 1953 wies der Bundesetat erstmals einen Überschuß auf, der seitdem jährlich größer wurde. Finanzminister Schäffer legte das Geld als Reserve für Notzeiten und für den Fall, daß Deutschland doch wieder eine Armee einrichten würde, bei der Bundesbank still - wie es das Kaiserreich im Juliusturm der Zitadelle in Berlin-Spandau tat, wo bis kurz vor dem Ersten Weltkrieg «für Zwecke der Mobilmachung» die Goldreserve im Wert von 120 Millionen Mark aufbewahrt worden war. Schäffers Notgroschen waren wertvoller: 1956 beliefen sie sich auf die Rekordsumme von 7,8 Milliarden Mark. Diesen Betrag, immerhin 4,1 Prozent vom gesamten Bruttosozialprodukt, entzog der Finanzminister dem Wirtschaftskreislauf, ein heute unvorstellbares Verfahren. Schäffer wollte nur sparen, aber ihm kam zugute, daß seine Politik in der Boomphase antizyklisch wirkte, ein weiteres Wachstum also bremste, auch wenn die Bank deutscher Länder diesen Effekt in ihrem Geschäftsbericht für 1955 skeptisch einschätzte: «Der Wirtschaftsorganismus verstand es offenbar, den <Blutentzug>, den er durch die hohen nicht wieder verausgabten Steuern erlitt, auszugleichen. Teilweise geschah das durch einen erhöhten Auslandsabsatz, der seinen Niederschlag im Zahlungsbilanzüberschuß und der damit verbundenen Vergrößerung des Geldvolumens aufgrund von Devisenzugängen fand. Entscheidend aber war die fortdauernde Zuflucht zum Kredit. Mancherlei Anzeichen sprechen dafür, daß die anhaltend starke Tendenz zur Kreditexpansion in ursächlichem Zusammenhang mit den Überschüssen der öffentlichen Haushalte steht: Die Wirtschaft holt gewissermaßen als Kredit wieder herein, was ihr der Staat in Form von Steuern nimmt und nicht wieder in Gestalt von entsprechenden Ausgaben zuleitet.»
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Auch wenn zu diesem Zeitpunkt schon <a target=_blank href= http://www.destatis.de/indicators/d...in03ad.htm>Schulden</a> angehäuft waren, so klingt mir der gefettete Teil doch sehr danach, daß eine Entschuldung des Staates über Steuereinnahmen, die sich aus der Privaten Kreditaufnahme generieren lassen, prinzipiell möglich ist -hätte Schäffer die Überschüsse nur zur Schuldentilgung verwendet, anstatt sie"nebendran" zu legen.
Ich setze das deshalb hier rein, weil das einer der zwei Hauptpunkte ist, die mir immer noch nicht klar sind (der andere ist, nebenbei gesagt, der Schwenk von der Abgabe zu jetzigem Zins, aber das tut jetzt nichts zur Sache):
Da der Staat seine Schulden niemals begleicht, sondern nur bedient,... <a target=_blank href= http://f17.parsimony.net/forum30434/messages/264769.htm>(hier her)</a>
Nach obigem könnte es doch funktionieren. Und nicht nur durch"Externalisierung" der Einnahmen, sondern wirklich aus dem Innern heraus.
Was ist davon zu halten?
Schöne Grüße und schönen Feiertag noch
MARSCH
</div></td></tr></table>
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Burning_Heart
05.05.2005, 15:11
@ marsch
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Bevor wir uns fragen |
-->Hi
wie wir den Schuldenberg der Regierung wieder gerade biegen können, sollten wir besser ganz vorne ansetzen und aufklären, weshalb der Staat überhaupt Schulden macht.
Er nimmt sich immer mehr Steuern ohne dafür zu leisten, und dann macht er nebenbei auch noch ein paar Schulden die dann einfach stehen gelassen und nie getilgt werden, weil die einzelnen Politiker die Zinsen ja nicht selbst zahlen müssen, sondern jemand anderes.
Warum macht man neben nahezu unbegrenzten Steuereinnahmen auch noch Schulden?
Damit der Wähler/Steuerzahler durch möglichst geringe Steuern bei Laune bleibt.
Müssten sie die laufenden Schuldzinsen selbst zahlen, dann würden die ihre Finger von unsinnigen Schulden und Anleihen lassen und die Staatsverschuldung wäre nahe Null( siehe König oder Kaiserreich ).
Aber in Demokratien ohne einen Oberaufpasser ist sich jeder selbst der nächste und alle Mittel recht.
Durch ständiges Hauen und Stechen kommen so die skrupellosen Mafiosies immer höher. Dieses vierjährige Wahlen heizt das Schuldenmachen erst richtig an.
Ein König oder eine Königin macht keine Schulden für die persönliche Karriere den sie braucht nicht gewählt werden.
Also her mit dem Obermakker, den Demokratie ist für das Volk eh nonexistent.
Und mit einem blauen Auge kommen wir nicht davon.
Eher wird das kommende Schuldenunglück neue Maßstäbe setzen.
Gruß
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dottore
05.05.2005, 18:17
@ marsch
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Re: Schuldenabbau doch möglich? (BRD 1953 ff.) |
-->Hi marsch,
wie Du der Verschuldungstabelle (in Euro) entnehmen kannst, ist die Verschuldung des Bundes in den betreffenden Jahren stärker gestiegen als die Summe des Betrages, den der tüchtige Schäffer in seinen"Juliusturm" gepackt hat.
Es lief also darauf hinaus, dass der"Juliusturm" dergestalt gefüllt wurde, dass Staatstitel begeben wurden, doch deren Erlös nicht verausgabt, sondern thesauriert wurde. Das entspräche theoretisch einer Eichel-Anleihe in Höhe von 200 Mrd Euro, obwohl für den nächsten Haushalt nur 70 Mrd (oder so) etatisiert sind und die 130 Mrd"auf die hohe Kante wandern" könnten.
Der Schäffer'sche Überschuss kam so zustande: Bei Aufstellung des Etats musste mit Krediten gearbeitet werden, was seinen Grund in 115 GG hat, wonach zusätzliche Schulden und Investitionen im Einklang stehen müssen. Hätte Schäffer auf die Kreditaufnahme verzichtet und auf höhere Steuereinnahmen"gehofft" (er wusste schon, dass es"besser" als etatisiert laufen würde), wäre dies darauf hinausgelaufen, dass Investitionen aus dem laufenden Steueraufkommen finanziert worden wären. Das wiederum hätte die Frage aufgeworfen, warum nicht Steuern sofort gesenkt werden, usw.
Nun war also die"Überraschung" da und die Haushaltsrechnung (nicht die Haushaltsplanung = der Etat) wies die Überschüsse aus.
Was tun mit dem Segen?
Schäffer hätte:
- die bereits aufgelaufenen Schulden reduzieren können. Das ging aber nicht so ohne weiteres, da er sie nicht einfach kündigen konnte (ging nur bei bestimmten Titel, aber wurscht). Er hätte die Anleihen also letztlich am Markt zurückkaufen müssen. Aber dann hätte man wieder auf 115 gestützt gefragt, warum, usw.
- das Geld bei Banken anlegen können. Wieder eine Latte von Fragen.
- das Geld, wie dann auch geschehen, bei der BdL einstellen können. Dadurch hätte (und hat sich) die Passivseite der BdL verändert (simpel: statt Noten, damals zahlte man Steuern direkt bei den Finanzkassen ein, Verbindlichkeiten gegenüber dem Bund).
Das als kleine Zwischen-Nachricht, da ich schleunigst das Weite suchen muss. Morgen geht's weiter (hoffentlich), auch zum leidigen Abgaben-Zins- ---> Privat-Zins-Problem.
Schneller, herzlicher Gruß!
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fridolin
05.05.2005, 20:37
@ dottore
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Frage... Artikel 115 GG |
-->Der Schäffer'sche Überschuss kam so zustande: Bei Aufstellung des Etats musste mit Krediten gearbeitet werden, was seinen Grund in 115 GG hat, wonach zusätzliche Schulden und Investitionen im Einklang stehen müssen. Hätte Schäffer auf die Kreditaufnahme verzichtet und auf höhere Steuereinnahmen"gehofft" (er wusste schon, dass es"besser" als etatisiert laufen würde), wäre dies darauf hinausgelaufen, dass Investitionen aus dem laufenden Steueraufkommen finanziert worden wären. Das wiederum hätte die Frage aufgeworfen, warum nicht Steuern sofort gesenkt werden, usw.
<font color=#0000FF>Hallo dottore,
Artikel 115 GG sagt in der jetzigen Fassung, daß die Kreditaufnahme nicht die veranschlagte Investitionssumme überschreiten darf (abgesehen von der Geschichte mit der"Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" und der Frage, wie man Investitionen genau definiert). Art 115 wurde aber im Laufe der Zeit mehrfach geändert. Galt er in dieser Form zu Herrn Schäffers Zeiten im wesentlichen genauso wie heute?
Schönen Gruß!</font>
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fridolin
05.05.2005, 20:51
@ fridolin
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Schon erledigt... ;-) |
-->Selber schon passende Textstelle im Web gefunden.
Artikel 115 GG wurde einmal am 12.05.1969 geändert.
Fassung davor:
Im Wege des Kredits dürfen Geldmittel nur bei außerordentlichem Bedarf und in der Regel nur für Ausgaben zu werbenden Zwecken und nur auf Grund eines Bundesgesetzes beschafft werden. Kreditgewährungen und Sicherheitsleistungen zu Lasten des Bundes, deren Wirkung über ein Rechnungsiahr hinausgeht, dürfen nur auf Grund eines Bundesgesetzes erfolgen. In dem Gesetze muß die Höhe des Kredites oder der Umfang der Verpflichtung, für die der Bund die Haftung übernimmt, bestimmt sein.
Fassung danach (bis heute gültig):
(1) Die Aufnahme von Krediten sowie die Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Rechnungsjahren führen können, bedürfen einer der Höhe nach bestimmten oder bestimmbaren Ermächtigung durch Bundesgesetz. Die Einnahmen aus Krediten dürfen die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten; Ausnahmen sind nur zulässig zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.
(2) Für Sondervermögen des Bundes können durch Bundesgesetz Ausnahmen von Absatz 1 zugelassen werden.
Änderungsindex: http://www.verfassungen.de/de/gg-index.htm
Quelle für alle Textversionen des GG: http://user.cs.tu-berlin.de/~gozer/verf/ggbrd1949/
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bernor
06.05.2005, 00:24
@ Burning_Heart
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Re: Bevor sich jemand den"Obermakker" herbeiwünscht... |
-->Also her mit dem Obermakker, den Demokratie ist für das Volk eh nonexistent.
...so frage er sich:
Wirst du ertragen ein leben am barbarenhofe,
Finstren gesetzen dich beugen, strengem herrscherwink,
Zögling der losesten freiheit?
(aus S. George: An Kallimachus)
Das Gedicht handelt von jemandem, der einst aus barbarischen Gefilden in ein Land kam, welches ihm als"heitrer bildung wohnsitz" eine neue Heimat wurde, in der er"in geglätteten sprüchen es uns gleichgetan" und das er nun - aus einem unbekannten Grund - leider wieder, Richtung alte Heimat, verlassen muß, beweint von seinen Freunden - sein Name Kallimachus bedeutet übrigens"Schönstreiter" (= Demokrat?).
Gruß bernor
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FOX-NEWS
06.05.2005, 11:20
@ dottore
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Verwirrung... |
-->>Der Schäffer'sche Überschuss kam so zustande: Bei Aufstellung des Etats musste mit Krediten gearbeitet werden, was seinen Grund in 115 GG hat, wonach zusätzliche Schulden und Investitionen im Einklang stehen müssen. Hätte Schäffer auf die Kreditaufnahme verzichtet und auf höhere Steuereinnahmen"gehofft" (er wusste schon, dass es"besser" als etatisiert laufen würde), wäre dies darauf hinausgelaufen, dass Investitionen aus dem laufenden Steueraufkommen finanziert worden wären. Das wiederum hätte die Frage aufgeworfen, warum nicht Steuern sofort gesenkt werden, usw.
Bisher war ich der Meinung, dass das Schuldenmachen zwecks Investition ein"Kann", nicht ein"Muss" ist.
[img][/img]
Gruss
sam
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marsch
06.05.2005, 11:58
@ dottore
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Re: Schuldenabbau doch möglich? (BRD 1953 ff.) |
--><table><table border="0" width="600"><tr><td><font face="Arial"><font size=4> </font></font><div align="Justify">
Hallo dottore,
ein weiteres mal vielen Dank. Tut mir Leid, daß immer du dran glauben mußt:-).
Zum Thema:
>wie Du der Verschuldungstabelle (in Euro) entnehmen kannst, ist die Verschuldung des Bundes in den betreffenden Jahren stärker gestiegen als die Summe des Betrages, den der tüchtige Schäffer in seinen"Juliusturm" gepackt hat.
Überschüsse = 7,8 Mrd.DM; Bund, Erhöhung des Schuldenstandes 1953 - 1956: 6,2 Mrd. DM
Ich vermute mal, daß du in die Spalte"Insgesamt" gerutscht bist. Dort: Erhöhung des Schuldenstandes 1953 - 1956: 14,86 Mrd. DM
>Es lief also darauf hinaus, dass der"Juliusturm" dergestalt gefüllt wurde, dass Staatstitel begeben wurden, doch deren Erlös nicht verausgabt, sondern thesauriert wurde. Das entspräche theoretisch einer Eichel-Anleihe in Höhe von 200 Mrd Euro, obwohl für den nächsten Haushalt nur 70 Mrd (oder so) etatisiert sind und die 130 Mrd"auf die hohe Kante wandern" könnten.
Sehr interessant! Vielen Dank. Ich habe mal ein wenig gekramt:
<font face="Arial,Helvetica"><font size=-1>Bund:</font></font>
<font face="Arial,Helvetica"><font size=-1></font></font><font face="Arial,Helvetica"><font size=-1></font></font>
<font face="Arial,Helvetica"><font size=-1>Erhöhung der Steuereinnahmen 1953 - 1956 = 6,626 Mrd. DM (>>)</font></font>
<font face="Arial,Helvetica"><font size=-1>Erhöhung des Schuldenstandes 1953 - 1956 = 6,2 Mrd. DM</font></font>
<font face="Arial,Helvetica"><font size=-1>Ausgaben des Bundes 1953 - 1956, insg. = 91,894 Mrd. DM (>>)</font></font>
<font face="Arial,Helvetica"><font size=-1>Steuereinnahmen 1953 - 1956, insg. = 91,525 Mrd. DM (>>)</font></font> [/b]
<font face="Arial,Helvetica"><font size=-1>Auzug aus der "<font color="#000000">Kabinettssitzung [der Bundesregierung] am Mittwoch, den 4. November 1953"</font><font color="#000000"> </font><font color="#000000"></font></font></font> <font face="Arial,Helvetica"><font size=-1><font color="#000000">Trotzdem rechnet der Bundesfinanzminister mit einem [b]Fehlbetrag von 3.333 Mio. DM </font>[i]<font color="#000000">[für 1954]</font><font color="#000000">. Er erläutert die von ihm aufgezeigten verschiedenen Deckungsmöglichkeiten und gibt bekannt, daß er zum Ausgleich des außerordentlichen Haushalts zwei Bundesanleihen zu je 500 Mio. DM etwa zu Ostern und im Spätherbst 1954 ausgeben wolle. Wenn 400 Mio. DM Wohnungsbaumittel aus dem ordentlichen in den außerordentlichen Haushalt übertragen würden, bliebe in diesem noch ein Fehlbetrag von 425 Mio. DM ungedeckt, um den er die schwebende Schuld vergrößern oder den Kreditplafond bei der Bank deutscher Länder in Anspruch nehmen wolle.</font></font></font>[/i] <font face="Arial,Helvetica"><font size=-1><font color="#000000">Und:</font></font> <font face="Arial,Helvetica"><font size=-1><font color="#000000">Gegenüber 1952 hatten sich die Kassenüberschüsse des Bundes von 840 Millionen DM auf ca. 1,6 Milliarden DM erhöht. Diese Entwicklung war teils dadurch bedingt, daß die Besatzungsmächte die Etatansätze für Besatzungskosten nicht ausschöpften, teils dadurch, daß im Haushalt für den deutschen Verteidigungsbeitrag 1,45 Milliarden DM zwar eingestellt waren, aber nicht beansprucht wurden.</font> (>>)</font></font> </font>[/b]
Nicht das ich gezweifelt hätte:-), aber ich denke, daß das deine Aussage bestätigt!
Schöne Grüße zurück
MARSCH
</div></td></tr></table>
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dottore
06.05.2005, 18:33
@ FOX-NEWS
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Re: Verwirrung... |
-->>>Der Schäffer'sche Überschuss kam so zustande: Bei Aufstellung des Etats musste mit Krediten gearbeitet werden, was seinen Grund in 115 GG hat, wonach zusätzliche Schulden und Investitionen im Einklang stehen müssen. Hätte Schäffer auf die Kreditaufnahme verzichtet und auf höhere Steuereinnahmen"gehofft" (er wusste schon, dass es"besser" als etatisiert laufen würde), wäre dies darauf hinausgelaufen, dass Investitionen aus dem laufenden Steueraufkommen finanziert worden wären. Das wiederum hätte die Frage aufgeworfen, warum nicht Steuern sofort gesenkt werden, usw.
>Bisher war ich der Meinung, dass das Schuldenmachen zwecks Investition ein"Kann", nicht ein"Muss" ist.
Richtig. Aber dann musst Du ohne"investiven" Haushalt starten und schauen, ob am Jahresende mehr Steuern einlaufen als (zu Ausgabenzwecken) etatisiert waren. Die Differenz kannst Du dann nehmen.
Gruß!
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