Taktiker
05.07.2005, 23:41 |
Bürgergeld her. Arbeiten primär, um Spaß zu habenThread gesperrt |
-->Bin durchs Systemfehler-Forum auf diesen Text gestoßen. Hört sich leichtfüßig und kreativ an. Ist mir lieber als das stupide liberale"Wer soll das bezahlen?" - Gemurmel.
Freilich, die Idee hat was ketzerisches: Unattraktive, also harte Arbeit muß höher entlohnt werden, damit sie gemacht wird. Betrifft alle Handwerkenden und Zupackenden. Die Sesselfurzer-Bürojobs mit eingebautem Excel-Rechenblatt und die Berater-Blabla-wir-müssen-das-so-machen-Kuscheljobs werden dann marktgerechter(!) entlohnt, da das ja gerne jeder machen will: Anweisungen geben und bloß nicht anpacken müssen. Fazit: Hört sich gut an. Da kommen auch liberale Träume vom Einschmelzen des Beamtenapparats zum Zuge; es ist also für jeden was dabei... Lest!
<ul> ~ Interview mit DM-Chef Götz Werner</ul>
|
stratege
06.07.2005, 07:22
@ Taktiker
|
Re: Bürgergeld her. Arbeiten primär, um Spaß zu haben |
-->>Bin durchs Systemfehler-Forum auf diesen Text gestoßen. Hört sich leichtfüßig und kreativ an. Ist mir lieber als das stupide liberale"Wer soll das bezahlen?" - Gemurmel.
>Freilich, die Idee hat was ketzerisches: Unattraktive, also harte Arbeit muß höher entlohnt werden, damit sie gemacht wird. Betrifft alle Handwerkenden und Zupackenden. Die Sesselfurzer-Bürojobs mit eingebautem Excel-Rechenblatt und die Berater-Blabla-wir-müssen-das-so-machen-Kuscheljobs werden dann marktgerechter(!) entlohnt, da das ja gerne jeder machen will: Anweisungen geben und bloß nicht anpacken müssen. Fazit: Hört sich gut an. Da kommen auch liberale Träume vom Einschmelzen des Beamtenapparats zum Zuge; es ist also für jeden was dabei... Lest!
Solche Artikel machen mir Mut! Allerdings höre ich so etwas leider von keiner Partei und für 99,9% unserer Bevölkerung ist so etwas völlig utopisch und sie sind nicht bereit, weiter darüber nachzudenken. Ich kann nur jedem empfehlen, so eine Idee nicht gleich abzutun, sondern sich damit auseinanderzusetzen. Denn wenn wir so weitermachen wie bisher bzw. nur die Gürtel enger schnallen, wird das nichts werden: Wir werden eine Verelendung eines grossen Teils der Bevölkerung sehen und darunter zu leiden haben. Ich bin auf die Reaktionen auf diesen Artikel sehr gespannt.
|
Diogenes
06.07.2005, 08:45
@ Taktiker
|
Das Leben ist kein Spaß, sondern Arbeit |
-->Hi Takriker,
>Freilich, die Idee hat was ketzerisches: Unattraktive, also harte Arbeit muß höher entlohnt werden, damit sie gemacht wird.
Womit die Preise entsprechen hoch sind und das Bürgergeld wieder nicht um zu leben reicht.
Resultat wie Zitat:
"Nehmen Sie die frühere DDR. Dort gab es Geld im Überfluss, aber man konnte sich nur sehr wenig kaufen."
Die Bürgergeldphatasten meinen, Konsum ohne Produktion ist machbar. Wir essen Kartoffeln die keiner je gepflanzt hat und fahren Autos die niemand baut.
Wozu noch arbeiten?
>Fazit: Hört sich gut an. Da kommen auch liberale Träume vom Einschmelzen des Beamtenapparats zum Zuge; es ist also für jeden was dabei... Lest!
Wahlkrampf ist, Wahlkrampf ist,....
Gruß
Diogenes
|
NaturalBornKieler
06.07.2005, 10:10
@ Taktiker
|
Re: Bürgergeld her. Arbeiten primär, um Spaß zu haben |
-->Schöner Text, ich finde die Vorschläge sehr eingängig, auch wenn es da einiges nachzurechnen gäbe. Kommt man mit 48% MwSt aus, wenn man alle anderen Steuern abschafft und gleichzeitig noch 1300-1500 Euronen an jeden Bürger verteilen will?
Der Schwarzhandel wird dann auch immer interessanter. Ich erinnere mich verschwommen an eine Satire von Kishon, in der die Mehrwertsteuer ca. 500% betrug. Krieg ich aber nicht mehr zusammen.
In einem Punkt hat der Werner jedenfalls recht: Kein Unternehmer ist ernsthaft an der Schaffung von Arbeitsplätzen interessiert. Und kein normaler Mensch hat Spaß daran, arbeiten zu gehen. Eigentlich herrscht also große Einigkeit...
Cheers
NBK
|
Taktiker
06.07.2005, 10:55
@ stratege
|
Es gibt noch andere Effekte... die liberale Gesellschaft ist am Ende |
-->Allein die Idee, alle direkten Steuern abzuschaffen und lediglich die Mehrwertsteuer wirken zu lassen, also den gesamten Steuerapparat einzustampfen, ist Gold wert:
1. Der ganze Subventionsmechanismus wäre größtenteils außer Kraft
2. All die Steuerspar- und Umgehungswissenschaften würden nutzlos
3. Wenn es keine Direktsteuern gibt, kann auch nicht so schnell mal eine dazukommen.
4. Die Höhe der Mehrwertbesteuerung muß sich in stärkerem Maße marktkonform ausrichten, da bei zu hohen Sätzen Schmuggel und Grenzgang einsetzen, siehe Zigaretten, Benzin. Bei direkten Steuern weniger, da 99% der Zahlenden keine Alternative haben.
Allein die Punkte 1-3 würden den Korrumpierbarkeitsgrad von Politikern erheblich einschränken. Andere Punkte wie Erübrigung der Steuerflucht hat Werner ja schon genannt. Nebenbei entsteht auch ein direktes Interesse des Staates an einem funktionierenden Binnenmarkt. Wir reden mal gar nicht von den positiven gesellschaftlichen Effekten: Eliminierung des allgegenwärtigen Konkurrenzgedankens, Eindämmung von Armut und somit von Kriminalität, erheblich höherer Produktivität und Kreativität dank reduzierter Existenzangst.
Und last not least ist ja der Gedanke abwegig, dass dann eine Gleichmachung mit Folge reduzierter Leistungsbereitschaft einsetzen würde. Wenn man 1300€ Bürgergeld garantiert hat, durch Arbeit aber auf 2600€ kommen kann (macht 1300€ Kosten für den Arbeitgeber), sehe ich da 100% Einkommensteigerung... ein Satz, den man heute so hoch selten finden wird. Nicht vergessen: Durch Wegfall der Lohnsteuer plus Bürgergeldsockel hätten wir dramatisch reduzierte Arbeitskosten. Die Produkte könnten selbst mit 50% MwSt zum gleichen Preis wie heute angeboten werden.
Kleine Rechnung:
Heute: Nettopreis 100€ + 16% MwSt = 116 €
Später: Nettopreis 77€ + 50% MwSt = 116 €
23% geringerer Nettopreis müßten doch mit solch drastisch reduzierten Lohnkosten realisierbar sein, oder nicht?!
Zum psychologischen: Die bisherige Form der"Stütze" hat einen Almosencharakter, weil der Empfänger sich darauf berufen kann, vom System ausgespuckt worden zu sein. Wird aber dank drastisch niedrigerer Lohnkosten für jeden eine Beschäftigung möglich, dann stellt das Bürgergeld keine Stütze mehr da, sondern eine echte Verpflichtung zur Leistungserbringung. Diese Verpflichtung ggü der Gesellschaft, sich einzubringen, zu leisten, muß verinnerlicht, obligatorisch werden. Wird sie lediglich wie jetzt als Zwang und Drohung (sonst Wegfall der Zahlungen) realisiert, dann findet sie keine Akzeptanz.
Kurz: Wenn wir nicht endlich begreifen, dass wir primär MITEINANDER arbeiten und leben müssen, nicht GEGENEINANDER, dann kommen wir aus dem Sumpf nicht heraus. Und das soll kein deutsches Gejammer sein, denn es gilt nicht nur für Deutschland, sondern für alle westlichen Gesellschaften. Die liberale Idee ist tot und fast alle fühlen es, immer mehr Menschen begreifen es.
|
Cornel
06.07.2005, 11:52
@ Taktiker
|
Re: Bürgergeld her. Arbeiten primär, um Spaß zu haben |
-->es tut sich zur Zeit einiges in der Richtung.
Hier noch eine sehr aktive Gruppe (Sascha Liebermann u.a. - smarte Typen)
(habe kürzlich an die gespendet, leider ohne Spendenquitung da kein e.V., aber
ich denke die haben Unterstützung verdient):
Freiheit statt Vollbeschäftigung:
http://www.freiheitstattvollbeschaeftigung.de/
dazu noch ein Text:
---
Sascha Liebermann:
Warum immer dieses Misstrauen?
BEDINGUNGSLOSES GRUNDEINKOMMEN FüR ALLE BüRGER
In allen Bereichen, auch in der Wirtschaft, könnte eine neue Innovationsdynamik entstehen
Wollen wir Chancen zur Reform ergreifen, müssen wir zuallererst fragen: was wollen wir erreichen? Was einfach erscheinen mag, verlangt Offenheit für Unbekanntes - Besinnung darauf, was wir wollen, ist notwendig. Dies wird besonders deutlich an den Reformversuchen, die bislang unternommen worden sind. Sie gleichen einem Aktionismus, der zwar langfristige Lösungen beabsichtigt, zu kurzfristigen Lösungen jedoch gegriffen hat.
Eines scheint in der Debatte unumstritten: Auf jeden Fall muss die Autonomie der Bürger gestärkt, ihnen Verantwortung zurückgegeben werden, wo sie diese übernehmen können, ohne ihre Integrität zu gefährden. Nicht die Marktteilnehmer tragen unser Gemeinwesen, sondern die Bürger - das ist entscheidend. Reformen müssen also die Bürger stärken.
Doch wie kann das geschehen? Wir meinen: nur durch ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bürger - ein"Bürger"-Einkommen, es ist utopisch und realistisch zugleich. Jeder Bürger sollte es erhalten, Kinder wie Erwachsene, von der Wiege bis zur Bahre. Es sollte so hoch als möglich sein, denn je höher es wäre, desto mehr Freiheit eröffnete es. Es sollte immer ausgezahlt werden, ein von jeglicher Leistung unabhängiges Einkommen, das die Bürger als Bürger anerkennte. Das würde jedem Sicherheit verleihen, aber nur in der Höhe eines Grundeinkommens. Eltern würden treuhänderisch das Grundeinkommen ihrer Kinder zum Wohl der Familie einsetzen - bis zur Volljährigkeit.
Das Grundeinkommen sollte steuerfrei sein, besteuert würden erst Einkommen aus Arbeit, Kapital, Immobilien et cetera. Welche Art indirekter Steuern noch in Erwägung gezogen, welche abgeschafft werden sollten, wäre zu überdenken.
"Aber wer arbeitet dann noch? Und wer erledigt die Tätigkeiten, die nicht sehr attraktiv, aber doch unerlässlich sind?" - so die Einwände. Erwerbsarbeit würde es weiterhin geben und alle, die dies jetzt schon aus Hingabe an eine Sache tun, sich mit ihr identifizieren, würden noch in ihrem Interesse bestärkt. Sie sind wahrscheinlich auch diejenigen, die schon heute Neuerungen hervorbringen. Doch werden sie dies nicht mehr unter allen Bedingungen tun müssen. Auch dort, wo einfachere Tätigkeiten verlässlich und gewissenhaft verrichtet werden müssen, hätten die Freiheit, schlechte Arbeitsbedingungen abzulehnen - sie müssten sich nicht um jeden Preis verdingen.
Jugendliche wären von dem gemeinschaftlichen Druck befreit, der gegenwärtig herrscht. Sie müssen die gegenwärtigen Debatten und Entscheidungen für besonders widersprüchlich halten. Einerseits sollen sie einen Beruf ergreifen. Andererseits machen sie die Erfahrung, dass menschliche Arbeitskraft in vielen Bereichen ersetzbar geworden ist. Aus Angst, den Erwartungen nicht zu entsprechen, greifen manche zum Naheliegendsten, nicht aber zu dem, wofür sie sich interessieren. Halten wir an dieser Politik fest, verschwenden wir unsere Zukunft, die Jugend, statt ihr die Freiheit zur Entscheidung zu geben.
Wo menschliche Arbeitskraft unersetzlich ist, erführe sie durch das Grundeinkommen eine Aufwertung, aber nicht nur das: die Bürger, als Arbeitnehmer, erhielten Verhandlungsmacht. Sie müssen nicht ihre Integrität, ihre Autonomie, aufs Spiel setzen, um ein Einkommen zu erzielen. Wir zwingen schon heute niemanden, einen bestimmten Beruf zu ergreifen. Auch wer zum Beispiel bei der Müllabfuhr arbeitet, macht dies freiwillig, er hat sich dafür entschieden. Findet sich niemand, der eine solche Tätigkeit ergreift, wird es der Markt richten müssen: höhere Bezahlung eventuell, bessere Arbeitsbedingungen. Falls das nichts hilft, müssen wir eine andere Lösung finden, gegebenenfalls es selbst in die Hand nehmen.
Der Aufschrei - wo soll das hinführen? - ist schon jetzt zu vernehmen, doch alternativ zu dieser Freiheit könnten wir die Bürger nur zwingen. Wir wären also wieder dort, wo Hartz IV uns beinahe hinführt - Zwang zu Arbeit, Arbeitszwang: also Zwangsarbeit. Eine Lösung? Nur für Zyniker, nicht aber für uns, die Bürger unseres Gemeinwesens.
Intrinsische Motivierung ist die Voraussetzung jeglicher Kultur der Neuerung. Bereitschaft zur Hingabe besteht dort, wo sich der Einzelne mit seiner Tätigkeit identifiziert, wo sie eine Herausforderung darstellt, ganz gleich ob im Beruf, dem bürgerschaftlichen Engagement oder der Familie. Eine solche Herausforderung liegt dann nicht mehr vor, wenn ein Automat die Arbeit verrichten kann. Die Bereitschaft dazu wird zerstört, wo Bürger gezwungen werden, sich zu engagieren. Gerade in Bereichen, die vom freiwilligen Engagement für das Gemeinwesen leben, wollen manche dasselbe zu einer Verpflichtung erheben - auch Helga Uhlenhut. Bei allem politischem Freigeist, der ihren Ausführungen innewohnt, woher rührt das Misstrauen? Ihre Überlegungen zum"Bürgeranteil" setzen eigentlich auf die Verantwortung des Einzelnen, seine Bereitschaft, einen Beitrag zu leisten. Doch ein Rest an Misstrauen wohnt ihren Ausführungen inne. Ganz bedingungslos könne der Bürgeranteil doch nicht sein, kommunales Engagement müsse dem Einzelnen abverlangt werden. Weshalb?
Die"schöpferische Zerstörung" der vergangenen Jahrzehnte eröffnet uns Automatisierungsmöglichkeiten in einem Umfang, wie es früher unvorstellbar gewesen ist. Wir stehen heute also vor den Erfolgen der vergangenen Jahrzehnte, dazu gehört auch die Arbeitslosigkeit. Wir wollen jedoch bislang daraus keine Konsequenzen ziehen. Automatisierbare Tätigkeiten sollten automatisiert werden. Statt Unternehmen zu kritisieren, sollten wir sie durch entsprechende Reformen dazu ermuntern. Ihre Aufgabe ist es nicht, Arbeitsplätze zu schaffen, sondern Werte zu erzeugen, von denen unser Gemeinwesen abschöpfen kann. Wohlstand bedeutet doch nicht: zu arbeiten, sondern frei zu entscheiden, wie man seinen Beitrag zum Wohl unseres Gemeinwesens leisten will.
Statt zu diese Möglichkeiten ins Auge zu fassen, werden die Auseinandersetzungen um Reformen in unserem Land von Skepsis und Misstrauen bestimmt. Auch manche Verfechter des Grundeinkommens scheinen nicht frei davon. Wenn Michael Opielka an dieser Stelle davon gesprochen hat, dass"vermutlich... die schlagartige Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens nicht einmal wünschenswert" sei, wie anders könnte dies begründet werden, als mit Skepsis, die letztlich Skepsis dem Einzelnen gegenüber ist. Denn die Chancen eines Grundeinkommens stehen und fallen mit einer öffentlichen Diskussion, da die Parteien sich bislang der Idee verweigern. Solange nicht für ein bedingungsloses Grundeinkommen gestritten wird, es keine Auseinandersetzung öffentlich gibt, ist es ein Leichtes - wie Opielka es tut - zu behaupten, die"Bürger im allgemeinen und die Eliten insbesondere" seien schwer zu überzeugen.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen fordert unsere Werteordnung heraus. Ob die Bürger dazu bereit sind, werden wir erst wissen, wenn es eine solche Debatte gegeben hat. Was pragmatisch erscheinen mag, nämlich die radikale Idee nicht zu verfolgen und vermeintlich naheliegende Wege vorzuziehen, kann große Schritte genauso verhindern und bestehende Probleme festschreiben. Weshalb nicht sogleich aufs Ganze setzen, damit langfristige Wege eröffnen, statt uns mit Mittelwegen zu beschäftigen? Uns fehlt es nicht an kurzfristigen Überlegungen, sondern an langfristigen.
"Wie hoch soll das Grundeinkommen denn sein?" Eine allzu verständliche Frage, doch Angaben über die Höhe eines Grundeinkommens leiden heute unter einem einfachen Problem: die Kaufkraft des Einkommens gilt nach gegenwärtigen Preisen. Wenn das Grundeinkommen aber unser Wertgefüge wandelt, dann wandelt sich auch die Wertschätzung bestimmter Güter und Dienstleistungen. Nicht nur steht zu vermuten, dass manche Güter vom Markt verschwänden, andere würden stärker nachgefragt. Doch können wir dies lediglich vermuten, keine verlässliche Auskunft über reale Entwicklungen geben, wären wir sonst Hellseher.
Vor allem aber ist die gewünschte Höhe des Grundeinkommens nicht durch Expertise zu bestimmen. Experten können allenfalls einschätzen, ob gewollte Höhen realisierbar wären, nicht aber, ob sie gewollt sind. Dazu muss über die Höhe zuerst einmal gestritten werden, sie hängt also wesentlich davon ab, wie hoch es nach unserem Dafürhalten sein soll. Rechenmodelle dürfen politische Gestaltung nicht ersetzen, wie man gegenwärtig oft den Eindruck gewinnen kann.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde uns - die Bürger - anerkennen. Es würde uns darin anerkennen, das Fundament unseres Gemeinwesens zu sein. Wir sind Erbe dessen, was Generationen vor uns hervorgebracht und erarbeitet haben - ein Gut aller und damit ein Gut der Bürger. Dieser Wohlstand erlaubt es, allen Bürgern ein bedingungsloses Grundeinkommen zu gewähren, das an die Stelle gegenwärtiger Sozialleistungen träte. Es bedürfte keiner Arbeits- und Sozialämter alter Gestalt mehr. Vertrauen, nicht Misstrauen in die Bereitschaft der Bürger, ihren Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten, würde unsere politische Ordnung prägen. Sie würde es ermöglichen, sich für eine Tätigkeit jenseits der Erwerbsarbeit so selbstverständlich zu entscheiden, wie es heute nur für Erwerbsarbeit gilt.
Die Freiheit, die das bedingungslose Grundeinkommen eröffnete, könnte für Sinnvolles genutzt werden. Eltern könnten gleichermaßen für ihre Kinder sorgen, mehr Zeit mit ihnen verbringen als heute. Eine Familie könnte sich, so unsere Vision, damit unterhalten, und zwar nicht auf dem gegenwärtigen Sozialhilfeniveau. Existenzsorgen würden verschwinden und die Familien würde gestärkt. Den Vätern stünde es frei, mehr Zeit für ihre Kinder aufzuwenden, gerade dann, wenn sie am meisten benötigt werden.
Neuerungen müßig zu entwickeln, wäre selbstverständlich und nicht mit dem Makel der Spinnerei versehen. Auch wären sie nicht zu früh schon vom Absatz an einem Markt abhängig. Die Wirtschaft könnte auf leistungsbereite Arbeitnehmer setzen, denn sie arbeiteten freiwillig. Allerdings müssten sie diesen Arbeitnehmern auch gute Arbeitsbedingungen bieten, denn der Freiwilligkeit entspräche die Chance, Arbeitsplätze mit schlechten Arbeitsbedingungen abzulehnen. Über die Arbeitszeit und das Arbeitsalter würden die Arbeitnehmer mit ihren Arbeitgebern individuell verhandeln. Allgemeiner Regelungen bedürfte es möglicherweise nicht mehr.
Arbeit muss wieder an Leistung gemessen werden. Allerdings bedarf Leistung, soll sie ein Motor der Neuerung sein, bestimmter Entfaltungsbedingungen. Diese werden schon in einem Bildungswesen gelegt, das sich auf die Förderung von Neugierde gründet; ein Bildungswesen, das in die naturwüchsige Neugierde von Kindern vertraut, Neugierde auch zum Auswahlkriterium für Studenten erhebt und in ihrer Förderung ihren höchsten Zweck erkennt. Nur auf der Grundlage von Neugierde werden Neuerungen entstehen können, einer solchen politischen Gestaltung bedürfen wir. Sie schafft die Voraussetzungen für eine leistungsstarke Wirtschaft, eine Wirtschaft, die Leistung prämiert. Ein Land, das eine Kultur des Müßiggangs fördert, der die Quelle von Neuerungen ist, wird für jedes Unternehmen ein begehrter Standort werden - ein alter Hut, sollte man meinen.
Eine Innovationsdynamik in allen Bereichen unserer Gemeinschaft - auch in der Wirtschaft - würde entfesselt. Wer nicht arbeitet, wäre nicht arbeitslos und stigmatisiert, sondern frei dazu, seinen Interessen nachzugehen. Diese Freiheit ist auch eine Zumutung, und zwar eine Zumutung an Verantwortung. Wer frei entscheiden kann, wozu er seine Lebenszeit nutzt, muss die Freiheit ergreifen, die ihm die Gemeinschaft ermöglicht. Sie zu verschwenden wäre ein Freiheitsverlust, aber einer, den jeder Bürger selbst zu verantworten hätte. Freiheit der Bürger statt Bevormundung, Freiheit statt Vollbeschäftigung - das ist eine Vision für das 21. Jahrhundert, eine, die manches unserer gegenwärtigen Probleme langfristig lösen würde.
Sascha Liebermann ist Mitbegründer der Initiative Freiheit statt Vollbeschäftigung
www.FreiheitStattVollbeschäftigung.de
>Bin durchs Systemfehler-Forum auf diesen Text gestoßen. Hört sich leichtfüßig und kreativ an. Ist mir lieber als das stupide liberale"Wer soll das bezahlen?" - Gemurmel.
>Freilich, die Idee hat was ketzerisches: Unattraktive, also harte Arbeit muß höher entlohnt werden, damit sie gemacht wird. Betrifft alle Handwerkenden und Zupackenden. Die Sesselfurzer-Bürojobs mit eingebautem Excel-Rechenblatt und die Berater-Blabla-wir-müssen-das-so-machen-Kuscheljobs werden dann marktgerechter(!) entlohnt, da das ja gerne jeder machen will: Anweisungen geben und bloß nicht anpacken müssen. Fazit: Hört sich gut an. Da kommen auch liberale Träume vom Einschmelzen des Beamtenapparats zum Zuge; es ist also für jeden was dabei... Lest!
<ul> ~ Freiheit statt Vollbeschäftigung</ul>
|
Cornel
06.07.2005, 12:01
@ Cornel
|
Freiheit statt Vollbeschäftigung |
-->hier noch ein Text dazu von S.L.:
-------
Freiheit der Bürger statt Arbeitszwang
Auf der Basis eines garantierten Grundeinkommens kann jeder wählen, welchen Beitrag er zum Gemeinwesen leisten will
VON SASCHA LIEBERMANN
Wohin wir - die Bürger unseres Gemeinwesens - wirtschaftlich und sozial gehen wollen, ist die entscheidende Frage, die heute eine Antwort verlangt. Erst wenn sie beantwortet ist, können Reformen auf den Weg gebracht werden, die uns eine langfristige Perspektive eröffnen. Ein Vorschlag, der den Blick auf eine andere Zukunft erlaubt, als sie uns gegenwärtig - unter dem allgegenwärtigen Vorzeichen der Globalisierung - gepredigt wird, ist der eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle Bürger.
Ein solches Grundeinkommen steht im Dienste unseres Gemeinwesens, da es die Autonomie und Integrität der Bürger stärkt. Es wird allen Staatsbürgern bedingungslos gewährt, Erwachsenen wie Kindern, ganz gleich ob sie einer Erwerbsarbeit nachgehen oder nicht. Eine Gegenleistung wird nicht verlangt, denn es ist ein Bürger-Einkommen. Ohne unsere Loyalität gäbe es unser Gemeinwesen gar nicht - ein bedingungsloses Grundeinkommen anerkennt genau dies: wir, die Bürger, sind das Fundament unseres Gemeinwesens.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen eröffnet Freiheit, indem es Entscheidungsmöglichkeiten schafft. Wer will, geht einem Beruf nach und erzielt ein zusätzliches Einkommen, doch er muss es nicht. Schon heute ist der Umfang freiwilligen Engagements für unsere Gemeinschaft enorm. Wesentliche Einrichtungen wie Parteien, Vereine und karitative Organisationen würden gar nicht existieren, gäbe es dieses Engagement nicht. Statt eines Arbeitszwangs werden Muße und Neugierde, das freie Erkunden des Unbekannten, gefördert. Maxime unseres Bildungswesens sollte ihre Förderung sein, denn sie sind es, aus denen Neuerungen erwachsen.
Eltern erhalten die Freiheit, sich ausgiebig um ihre Kinder zu kümmern. Sie kämen erst gar nicht in die Lage, lediglich aus Gründen der Existenzsicherung zu arbeiten. Unsere Gemeinschaft ermöglicht ihnen, selbst die Fürsorge wahrzunehmen, statt die Kinder schon früh Betreuungseinrichtungen zu überlassen. Familien würden dadurch gestärkt, aus ihnen gehen die Bürger unserer Zukunft hervor.
Arbeit wird wieder mehr an Leistung, an den erzeugten Neuerungen gemessen, nicht am bloßen Innehaben eines Arbeitsplatzes. Automatisierung ist gewünscht, denn sie befreit von stupiden, sich wiederholenden Betätigungen. Personal für Dienstleistungen muss umworben werden, die Nachfrage würde es tatsächlich richten können, denn diejenigen, die arbeiten, hätten durch das bedingungslose Grundeinkommen Verhandlungsmacht: über Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen, aber auch darüber, bis in welches Alter sie arbeiten wollen. Einer allgemeinen Regelung bedürfen wir nicht mehr, denn der Einzelne verhandelt über all diese Fragen selbst. Unternehmen müssen um Mitarbeiter werben, statt sie gegeneinander auszuspielen. Mitarbeiter arbeiten freiwillig, sie sind dadurch besonders motiviert. Freiwilligkeit und Neuerung, damit Wertschöpfung, sind zwei Seiten einer Medaille: die eine ist nicht ohne die andere zu haben.
Apologeten der Arbeitsumverteilung und der Einführung eines Niedriglohnsektors sind sich in einem einig: dem Arbeitszwang. Vor den Zwangsverpflichtungen der Bürger, die heute allerorten gepredigt und als Stärkung der Eigenverantwortung verbrämt werden, schützt uns das bedingungslose Grundeinkommen. Woran wir gegenwärtig leiden, ist eine Politik des Arbeitshauses, in der Arbeit zum höchsten Zweck geworden ist, wir bewerten sie höher als unsere Freiheit und höher als den Geist der Neuerung.
Wir sind nicht bereit anzuerkennen, dass der Reichtum unseres Landes auf die gestiegene Produktivität zurückgeht, Rationalisierung und Automatisierung ein Motor dafür waren und sind. Arbeitslosigkeit stellt also vielmehr einen Erfolg dar, doch einen Erfolg, aus dem wir Konsequenzen ziehen sollten: Wir müssen die Vorstellung aufgeben, der Mensch werde erst durch Arbeit zum Menschen. Statt Arbeitszwang und Entwürdigung der Bürger, wie es durch ihre Degradierung zu Kunden der zuständigen Bundesagentur geschieht, sollten wir die Freiheit ergreifen, die der Rückgewinn von Lebenszeit durch Automatisierung ermöglicht.
Wer würde denn dann arbeiten, so der geläufige Einwand?
Die Antwort: Alle, die schon heute sich mit ihrer Tätigkeit identifizieren. Diejenigen, die es heute nicht tun, würden sich überlegen, wofür sie sich engagieren wollen. Findet sich niemand, der bestimmte Dienstleistungen anbieten will, werden wir sie in die eigenen Hände nehmen müssen. Hier erst ist die Rede vom Markt überhaupt seriös, wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber dieselbe Verhandlungsmacht haben.
Freiheit, die das bedingungslose Grundeinkommen eröffnet, ist auch eine Verantwortungszumutung. Jeder wird durch diese Freiheit verpflichtet, sie sinnvoll zu nutzen. Es wird aber nicht vorgeschrieben, worin das Sinnvolle besteht. Die Autonomiechancen zu ergreifen, darin bestünde ein Beitrag zum Gemeinwohl. Vertrauen in die Bereitschaft des Einzelnen, dazu beitragen zu wollen, setzt dies voraus.
Unsere gegenwärtigen politischen Entscheidungen ersetzen Leistung, Engagement für die Gemeinschaft und Familienfürsorge durch Arbeit um jeden Preis. Dem wohnt ein Heilsversprechen inne, das die Apologeten des Arbeitshauses predigen. Sie trauen uns, den Bürgern, nicht zu, selbst entscheiden zu können, wie wir unseren Beitrag zum Gemeinwohl leisten wollen. Marktliberale und Sozialfürsorger sind sich in dieser Frage einig, denn eine wirkliche, eine politische Freiheit ist für beide undenkbar.
Unsere Freiheit wird erst dort wirklich, wo wir die Chancen der Gegenwart ergreifen und eine Zukunft gestalten, die sich uns heute bietet. Ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bürger ist ein erster Schritt dazu.
Der Standpunkt des Autors
Ein Arbeitsplatz gehört zur Kategorie der höchsten Güter. Zugleich machen Automatisierung und Globalisierung viele Tätigkeiten überflüssig. Doch statt die sich daraus ergebenden Freiräume zu nutzen, wird die große Mehrheit dem Zwang des"Arbeitshauses" unterworfen.
Das muss nicht sein. Unser Autor Sascha Liebermann schlägt vor, jedem Bürger ein Grundeinkommen zu gewähren und ihm die Wahl zu lassen, ob er einer klassischen Erwerbstätigkeit oder anderen gesellschaftlich nützlichen Beschäftigungen - etwa in der Erziehung - nachgehen will. Wer aber heute schon Freude und Selbstverwirklichung in seinem Job findet, würde diesen auch nicht aufgeben wollen, Motivation und Engagement wüchsen auf der Basis der Bürgerfreiheit.
Liebermann ist Mitbegründer der Initiative"Freiheit statt Vollbeschäftigung".
www.FreiheitStattVollbeschäftigung.de
<ul> ~ Freiheit statt Vollbeschäftigung!</ul>
|
Holmes
06.07.2005, 12:22
@ Taktiker
|
Bürgergeld und Debitismus |
-->Hallo,
mich würde interessieren, wie sich das Bürgergeld debitistisch interpretieren läßt. Ich bekomme Geld, aber wer ist es mir schuldig?
Es scheint mir, dass die Bürgergeld-Freunde die Urschuld auf"andere" ablagern. Geld wird einfach gemacht (von wem?) und dann an"alle" verteilt. Jemand, der dann noch mehr"will" (Grundbedürfnisse sind ja alle getilgt), der darf dann auch mehr arbeiten. Aber ist es dann nicht so, dass diese, die dann noch arbeiten, dann die ganze Arbeit erledigen müssen, die von den anderen nicht gemacht wird?
Bin etwas ratlos,
Holmes
|
JLL
06.07.2005, 12:23
@ Cornel
|
Re: Ist diese Bewegung ein Synonym für"Grenzen dicht!" |
-->Was soll denn dann aus all den Mühseligen und Beladenen da draußen werden?
Dürfen die
a) nicht mehr rein?
b) rein, aber als Bürger 2. Klasse?
c) rein, als ganz normale Bürger?
Würde eine derartige Insellösung überhaupt funktionieren? Wenn wir die Grenzen nicht dicht machen, dann wird man sich der Niveauunterschiede mit der Umgebung annehmen müssen. Jeder wird dorthin gehen, wo es ihm besser gefällt. Die Leistungssorientierten und Wettbewerbsfähigen mögen sich vielleicht auch mit weniger Nestwärme begnügen, während andere die neue kuschelige Bürgerlichkeit suchen. Wie, mit welcher Dynamik, werden sich diese Gesellschaften (auseinander)entwickeln?
Zudem bin ich nicht so optimistisch, dass sich die braven Väter ohne den Erwerbsdruck ihren Kindern und Familien widmen, oder fröhlich im heimischen Bastelkeller Ideen für die gemeinsame Zukunft ausbrüten. Ein Gutteil wird mit Bier und Kartoffelchips vor dem Fernseher verfetten, wie heute auch schon. Es gibt ja genügend Erfahrungen mit vollversorgten Arbeitslosen aus der Zeit vor Hartz IV. Durch überdurchschnittliches Engagement im familiären oder gar sozialen Bereich machte diese Gruppe doch eher nicht von sich reden, oder liege ich da falsch?
Schönen Tag
JLL
|
Taktiker
06.07.2005, 12:33
@ Cornel
|
Sehr guter Text! |
-->Was freilich einige stören würde:
"Personal für Dienstleistungen muss umworben werden, die Nachfrage würde es tatsächlich richten können, denn diejenigen, die arbeiten, hätten durch das bedingungslose Grundeinkommen Verhandlungsmacht: über Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen"
Verhandlungsmacht!
Wenn ein Arbeitnehmer natürlich mit dem Verlust seines Jobs die Aussicht hat, seiner Familie unter einer Brücke ein neues Zuhause schaffen zu dürfen, ist es natürlich, dass er tagein, tagaus mit der Zunge den Fußboden ableckt.
|
Cornel
06.07.2005, 12:40
@ JLL
|
Re: Ist diese Bewegung ein Synonym für"Grenzen dicht!" |
-->Bürger sind Menschen mit deutschem Pass.
Für alle anderen werden die Sozialleistungen
so weiterlaufen, oder auch nachgebessert,
jedoch gibt es den Anspruch auf Grundgehalt nur für Menschen
mit der deutschen Staatsbürgerschaft, das schliesst jedoch nicht aus
das Gäste im Lande menschenwürdig behandelt und versorgt werden,
wie bisher auch...
Ohne Erwerbsdruck wird es einen grossen Wandel in der Gesellschaft geben,
auch eine Innovationswelle, natürlich gibt es auch einen passiven Anteil in der Bevölkerung,
wie jetzt auch schon, der sich auch unter anderen Rahmenbedingungen so verhält.
Auf der anderen Seite gibt es viele Menschen mit Potential,
die z.Z. von der Gesellschaft durch Hartz IV etc. ausgeschlossen sind
und sich erst durch das Grundhalt entfalten werden...
>Was soll denn dann aus all den Mühseligen und Beladenen da draußen werden?
>Dürfen die
>a) nicht mehr rein?
>b) rein, aber als Bürger 2. Klasse?
>c) rein, als ganz normale Bürger?
>Würde eine derartige Insellösung überhaupt funktionieren? Wenn wir die Grenzen nicht dicht machen, dann wird man sich der Niveauunterschiede mit der Umgebung annehmen müssen. Jeder wird dorthin gehen, wo es ihm besser gefällt. Die Leistungssorientierten und Wettbewerbsfähigen mögen sich vielleicht auch mit weniger Nestwärme begnügen, während andere die neue kuschelige Bürgerlichkeit suchen. Wie, mit welcher Dynamik, werden sich diese Gesellschaften (auseinander)entwickeln?
>Zudem bin ich nicht so optimistisch, dass sich die braven Väter ohne den Erwerbsdruck ihren Kindern und Familien widmen, oder fröhlich im heimischen Bastelkeller Ideen für die gemeinsame Zukunft ausbrüten. Ein Gutteil wird mit Bier und Kartoffelchips vor dem Fernseher verfetten, wie heute auch schon. Es gibt ja genügend Erfahrungen mit vollversorgten Arbeitslosen aus der Zeit vor Hartz IV. Durch überdurchschnittliches Engagement im familiären oder gar sozialen Bereich machte diese Gruppe doch eher nicht von sich reden, oder liege ich da falsch?
>Schönen Tag
>JLL
|
NaturalBornKieler
06.07.2005, 12:51
@ Taktiker
|
Re: Es gibt noch andere Effekte... die liberale Gesellschaft ist am Ende |
-->>Nicht vergessen: Durch Wegfall der Lohnsteuer plus Bürgergeldsockel hätten wir dramatisch reduzierte Arbeitskosten. Die Produkte könnten selbst mit 50% MwSt zum gleichen Preis wie heute angeboten werden.
>Kleine Rechnung:
>Heute: Nettopreis 100€ + 16% MwSt = 116 €
>Später: Nettopreis 77€ + 50% MwSt = 116 €
>23% geringerer Nettopreis müßten doch mit solch drastisch reduzierten Lohnkosten realisierbar sein, oder nicht?!
Interessante Rechnung, aber im Detail dürfte sich das sehr unterschiedlich darstellen. Einige Denkbeispiele:
Importierte Unterhaltungselektronik aus Fernost:
Heute: Nettopreis 100€ + 16% MwSt = 116€.
Später: Nettopreis 100€ + 50% MwSt = 150€.
Anmerkung: Keine Ersparnis hier, weil Produktion im Ausland. Die Änderung wirkt sich aus wie ein zusätzlicher Importzoll. Das freut den einheimischen Produzenten (auch den Werner, vgl. Artikel) und auch die inländische Sozialkasse, ärgert aber möglicherweise die WTO.
Frischer Spargel:
Heute: Nettopreis 5€ + 16% MwSt = 5,80 € das Kilo.
Später: entweder werden weiter polnische Billigarbeitskräfte zur Spargelernte eingesetzt, die leider nicht in der Genuss des deutschen Bürgergeldes kommen. Dann kostet der Spargel nach obigem Muster 7,50 €. Oder es wird versucht, unter den neuen Bedingungen durch entsprechend attraktive Löhne die Spargelernte für deutsche Arbeitskräfte interessant zu gestalten. Dann dürfte das Kilo Spargel auf etwa 75€ kommen. Oder ein Ingenieur erfindet endlich eine Spargelerntemaschine, die was taugt. Mal sehen.
Altenpflege:
Heute: täglicher Pflegesatz Stufe III z. B. 70€, MwSt. fällt hier meines Wissens nicht an.
Später:??? --- Auch hier stellt sich die Frage, wer macht die (Schwer-!!)Arbeit? Importierte Billigarbeitskräfte? Hochbezahlte, motivierte deutsche Urinkellner? Freiwillige soziale Hobby-Altenpfleger? Die patentierte automatische Altenpflegemaschine? Und wer bezahlt es dann? Selbst mit dem Bürgergeld kommt der pflegebedürftige Mensch in jedem Fall nicht aus, d. h. eine Pflegeversicherung oder vergleichbare Sozialkasse muss noch dazu.
Ich finde den Gedanken des Bürgergeldes charmant, aber mit abstrakten Betrachtungen allein kommt man nicht aus. Nachrechnen und Differenzieren ist angesagt.
Cheers
NBK
|
Taktiker
06.07.2005, 12:54
@ JLL
|
Schwarzmalerei. Pessimismus. Innovationsangst. |
-->>Was soll denn dann aus all den Mühseligen und Beladenen da draußen werden?
>Dürfen die
>a) nicht mehr rein?
>b) rein, aber als Bürger 2. Klasse?
>c) rein, als ganz normale Bürger?
Wenn mit dem Bürgergeld ein entsprechendes Stigma der Leistungseinforderung (im Sinne von Achtung und Ehre für den Leistenden, anders als heute) entsteht, kann man auch Zuzügler integrieren. Wer nur faul rumhängt, wird auf natürliche Weise stigmatisiert, egal, ob Deutscher oder Immigrant.
>Würde eine derartige Insellösung überhaupt funktionieren?
Wieso nicht? Man muß nicht gleich an die Wand malen, dass sich Himmel und Erde nun umkehren werden. Um ein Produkt zu erlangen, muß man genauso Geld dafür hinlegen wie früher. Um es sich komfortabler zu machen, muß man mehr arbeiten. Wer härter und schmutziger arbeitet, wird höher entlohnt, weils unbequemer, also unbeliebter ist. Sind doch hervorragende Ansätze.
> Wenn wir die Grenzen nicht dicht machen, dann wird man sich der Niveauunterschiede mit der Umgebung annehmen müssen.
Warum wird hier implizit unterstellt, dass dann hier alles teurer sein muß? Vielleicht kaufen ja dann die Anrainer bei uns ein, weil Produkte trotz 50% MwSt trotzdem billiger als bei ihnen sind...
> Jeder wird dorthin gehen, wo es ihm besser gefällt.
Aber bitte doch.
> Die Leistungssorientierten und Wettbewerbsfähigen mögen sich vielleicht auch mit weniger Nestwärme begnügen
Auch als Leistungsorientierter wird man Vorteile von mehr Gemeinsinn haben: Z.B. ein deutlich höheres Einkommen und weniger Kosten für Absicherung (Versicherungen: BU, Alter) und Vermögensschutz.
> während andere die neue kuschelige Bürgerlichkeit suchen.
Warum denn nicht? Es gibt viele Leute, die leisten viel für wenig Geld: soziale Aufgaben in Gemeinden, Nachbarschaft, Vereinen, Familie. Oder z.B: Idealisten, die Dinge aus Neugier und Begeisterung tun: Freeware programmieren, Erfinden und Tüfteln, Handwerken. Was weiß ich. Für solche Leistungen gibts derzeit einfach keine Entlohnung, also sterben sie aus.
> Ein Gutteil wird mit Bier und Kartoffelchips vor dem Fernseher verfetten
Warum nicht? Auch das ist Freiheit. Du verkennst, dass viele das aus Resignation tun. In einer echten Bürgergesellschaft würden die Leute aber von früh an auf bestimmte Werte eingeschworen, die da heißen: Du solltest (nicht mußt!) der Gesellschaft etwas geben. Nur faulenzen und kassieren ist unfein. Die Macht solcher Werte wird verkannt, weil wir beinahe alle Werte abgegeben haben zugunsten einer calvinistischen"Erlaubt ist, was nicht verboten ist"-Mentalität.
Gruß.
|
FOX-NEWS
06.07.2005, 12:56
@ Cornel
|
Re: Ist diese Bewegung ein Synonym für"Grenzen dicht!" |
-->>Bürger sind Menschen mit deutschem Pass.
>Für alle anderen werden die Sozialleistungen
>so weiterlaufen, oder auch nachgebessert,
>jedoch gibt es den Anspruch auf Grundgehalt nur für Menschen
>mit der deutschen Staatsbürgerschaft, das schliesst jedoch nicht aus
>das Gäste im Lande menschenwürdig behandelt und versorgt werden,
>wie bisher auch...
Warum? In Australien ist es doch auch möglich ohne. Wer nach 10 Jahren einen soliden Erwerbs- und Lebenswandel nachweisen kann, kann dann Aussi werden mit Anspruch auf Sozialleistungen. Ich finde das nur fair.
>Ohne Erwerbsdruck wird es einen grossen Wandel in der Gesellschaft geben,
>auch eine Innovationswelle, natürlich gibt es auch einen passiven Anteil in der Bevölkerung,
>wie jetzt auch schon, der sich auch unter anderen Rahmenbedingungen so verhält.
>Auf der anderen Seite gibt es viele Menschen mit Potential,
>die z.Z. von der Gesellschaft durch Hartz IV etc. ausgeschlossen sind
>und sich erst durch das Grundhalt entfalten werden...
Viel mehr als Sozialhilfeniveau sollte das Bürgergeld nicht haben. Ein bisschen Anreiz zur Verbesserung der Lebensumstände muss schon sein. Der Zwang muss weg. Wer mit Wenigem zufrieden ist, stellt anderen seinen Arbeitsplatz zur Verfügung.
Gruss
|
Taktiker
06.07.2005, 13:04
@ Holmes
|
Re: Bürgergeld und Debitismus |
-->>Hallo,
>Es scheint mir, dass die Bürgergeld-Freunde die Urschuld auf"andere" ablagern. Geld wird einfach gemacht (von wem?) und dann an"alle" verteilt. Jemand, der dann noch mehr"will" (Grundbedürfnisse sind ja alle getilgt), der darf dann auch mehr arbeiten.
> Aber ist es dann nicht so, dass diese, die dann noch arbeiten, dann die ganze Arbeit erledigen müssen, die von den anderen nicht gemacht wird?
Der Markt wird ja nicht abgeschafft: Wenn dann keiner Müllmann sein will, dann wird der Müllmann-Job eben lukrativer werden müssen. Wenn dann keiner Sekretärin sein will, dann wird der Sekretärinnen-Job eben lukrativer werden müssen. Das nenne ich dann mal einen echten Arbeitsmarkt, wo sich Nachfrage und Angebot auf einen Preis einigen.
>Ich bekomme Geld, aber wer ist es mir schuldig?
Im Gegensatz zu heute nicht einige wenige Steuerzahler, sondern grundsätzlich alle zu gleichen Teilen.
|
Cornel
06.07.2005, 13:10
@ FOX-NEWS
|
Re: Ist diese Bewegung ein Synonym für |
-->>Warum? In Australien ist es doch auch möglich ohne. Wer nach 10 Jahren einen soliden Erwerbs- und Lebenswandel nachweisen kann, kann dann Aussi werden mit Anspruch auf Sozialleistungen. Ich finde das nur fair.
Ich denke das wird hier genauso sein...
Wer sich als Zugezogener etabliert und deutscher Staatsbürger wird, wird damit in den Genuss der Rechte und Pflichten als Staatsbürger kommen, so wie in Australien auch...
|
Taktiker
06.07.2005, 13:13
@ FOX-NEWS
|
Höhe des Bürgergeldes |
-->>Viel mehr als Sozialhilfeniveau sollte das Bürgergeld nicht haben. Ein bisschen Anreiz zur Verbesserung der Lebensumstände muss schon sein. Der Zwang muss weg. Wer mit Wenigem zufrieden ist, stellt anderen seinen Arbeitsplatz zur Verfügung.
Aber das Bürgergeld ist doch dann eine direkte Subvention zu den Lohnkosten! Gibts Du zu wenig Bürgergeld, dann werden die Lohnkosten nicht entsprechend herunterkommen -> wenig gewonnen. Wenn die Schere zwischen"keine Arbeit" und"Arbeit" Faktor 10 betragen soll, kann man kaum von einer Grundsicherung sprechen. Würde heißen, es wäre rational, dass ein Arbeitender 10mal mehr konsumieren kann als ein Nichtarbeitender.
Das Verhältnis zwischen Bürgergeld und Arbeitslöhnen sollte der Markt finden. Statt das Bürgergeld ("muß gering sein") mit einem fixen Lohn zu vergleichen, sollte man andersrum denken: Das Bürgergeld ist fix, sagen wir einfach 1000€. Und jetzt pendeln sich die Löhne so ein, dass Bürgergeld + Lohnzahlung genau soviele Arbeitende anziehen, wie benötigt werden.
Ich wette, einige heute"unattraktive" Jobs würden dann mächtig lukrativ werden.
|
Holmes
06.07.2005, 14:02
@ Taktiker
|
Re: wo kommt da Geld her, wenn sich keiner verschulden muß? |
-->Hallo Taktiker,
die Frage ist wie oben: Wer verschuldet sich noch, wenn er ein Bürgergeld bekommt? Wo kommt aber dann das Geld her, wenn sich keiner verschuldet?
Wer MUSS leisten? Keiner? Wenn PCM und der Debitismus richtig liegen, dann passiert der ganze Spass mit Geld etc. doch nur, weil sich jemand verschuldet hat und jetzt leisten muss. Geld braucht immer einen Schuldner. Wer ist das?
>>Ich bekomme Geld, aber wer ist es mir schuldig?
>Im Gegensatz zu heute nicht einige wenige Steuerzahler, sondern grundsätzlich alle zu gleichen Teilen.
Wenn alle schon von vorneherein Geld bekommen, dann müßten es ja alle als Steuern gleich wieder abführen, damit sie es bekommen?!?
Nein, ich habe überhaupt noch nicht verstanden, wie das technisch funktionieren kann...
Gruß,
Holmes
|
Taktiker
06.07.2005, 14:29
@ Holmes
|
Wieso keine Verschuldung mehr? |
-->Hallo Holmes,
> Wer verschuldet sich noch, wenn er ein Bürgergeld bekommt?
Ich denke, diese Prinzipien bleiben erhalten. Natürlich kann man weiterhin als Investor auftreten, um viel Geld zu verdienen. Der Unterschied zwischen Bürgergeld und Sozialhilfe ist doch nur, dass ersteres bedingungslos und an jeden gezahlt wird. Der Kreativität (Unternehmungen) werden ja damit keine Grenzen gesetzt. Im Gegenteil, sie wird befördert.
> passiert der ganze Spass mit Geld etc. doch nur, weil sich jemand verschuldet hat und jetzt leisten muss.
Und das Geld bleibt ja erhalten.
> Wenn alle schon von vorneherein Geld bekommen, dann müßten es ja alle als Steuern gleich wieder abführen, damit sie es bekommen?!?
Aber eben über den Verbrauch: MwSt. Damit leistet (zahlt) dann auch, wer eigentlich nichts leistet (arbeitet). Grundsätzliche Maxime bleibt doch wie von Werner gesagt: Wir können in Summe mehr produzieren als wir (sinnvoll) verbrauchen. Wenn es nicht möglich ist, das allen zugute kommen zu lassen, ist ein Fehler im System. Und wenn man den auch schnell bei leistungsunwilligen Bürgern suchen will, so bleibt er dennoch ein Fehler des Systems.
>Nein, ich habe überhaupt noch nicht verstanden, wie das technisch funktionieren kann...
Die Technik hat Werner ja schon beschrieben. Für mich bleibt fraglich, wie man diesen Zustand erreichen will. Es muß wohl Stück für Stück in diese Richtung laufen. Per Dekret geht da gar nichts.
|
JLL
06.07.2005, 14:31
@ Taktiker
|
Re: Graumalerei. Realismus. Innovationsfreude. |
-->Die meisten Gesellschaftsutopien gehen von idealisierten Menschen aus, das ist - denke ich - hier nicht anders. Mitunter endet es dann damit, dass Menschen, die partout keine"Neuen Menschen" sein wollen ein trauriges Ende erwartet...
Es steht und fällt doch damit, wieviel real in einer solchen Gesellschaft erwirtschaftet wird. Ein wichtiger Faktor wird sein, wie hoch der Anteil der Menschen ist, die grundsätzlich nicht motivierbar ist, allenfalls unter Druck den Allerwertesten ein wenig hebt. Nun bin ich in einem Verein, da sind die Leute freiwillig, zahlen ihren Beitrag, sollen aber darüber hinaus auch etwas zum Gelingen der monatlichen Sitzungen beitragen. Schätzungsweise 70 % sind grundsätzlich auch nach Jahren nicht motivierbar, auch nur einen 5-minütigen Beitrag zu bringen - sie sind also mehr oder weniger mit den Brocken zufrieden, die ihnen vorgeworfen werden; manche maulen wenigstens hin und wieder. 20 % sind aktiv und 10 % halten die Sache am Laufen. Alles ohne Bezahlung versteht sich. Wenn ich dann noch davon ausgehe, dass in dem Verein ein im Vergleich zur Gesamtbevölkerung noch überdurchschnittlich leistungsbereiter Teil vertreten ist (Universitätsabschluß, Abitur als Standard), dann bin ich noch weniger optimistisch, dass so etwas auf Ebene der Gesamtgesellschaft ohne Druck funktioniert.
Freeware gedeiht ja auch heute schon, und an (abstrusen - sorry) Tüftlern und Tüfteleien vom Typ"verkanntes Genie" herrscht auch kein offensichtlicher Mangel.
Wenn eine Einheit (in diesem Fall ein Bürger) im Zustand der Nichtproduktivität zumindest seine Grundsicherung, oder auch noch mehr ohne Gegenleistung erhält, dann lebt er, um es auf den Punkt zu bringen, auf Kosten anderer. Geht ja nicht anders. Notwendigerweise, muss es also jemanden geben, der das erwirtschaftet und ihm zur Verfügung stellt. Für"Neue Menschen" ist das sowohl auf der Nehmer- als auch auf der Geberseite sicher kein Problem, aber der jetzt anzutreffende Typus Mensch mag damit schon seine Schwierigkeiten haben - insbesondere auf der Geberseite. Deshalb enden auch so viele Utopien mit Gefangenenlagern und stacheldrahtbewehrten Grenzen.
Wie der Geldschleier bei so einem System funktioniert ist eigentlich egal. Da können 10.000 Euro im Ergebnis den gleichen Effekt haben, wie NULL Euro. Entscheidend ist, wer real - und das auch noch fröhlich und freiwillig - das erwirtschaftet, was den passiven Elementen gratis zur Verfügung gestellt wird. Alles andere sind doch nur Nebelkerzen.
Das Erschreckende ist, dass wir uns alle bereits so an das fürsorgliche Wirken von Vater Staat gewöhnt haben, dass uns plötzlich selbst die Degradierung zu"Taschengeldempfängern", also die höchste Form der Abhängigkeit des Individuums vom Apparat qua Vollsubventionierung, als erstrebenswerte Utopie erscheint. Das ist schon einigermaßen traurig.
Schönen Tag
JLL
|
Taktiker
06.07.2005, 14:49
@ JLL
|
Re: Graumalerei. Realismus. Innovationsfreude. |
-->Aber wieso ist ein"passiver" Bürger schlecht, wenn er doch gar nicht benötigt wird? Wenn technische Innovation und Produktivitätssteigerung willkommen sind, dann brauchen wir eben nur noch 1/4 der Fischer in Island, welche dann die vierfache Menge Fisch produzieren.
Die 75% rausgefallenen Fischer sind ja nicht böswillig passiv geworden, sondern werden nicht mehr benötigt. Wenn es viele Leistungswillige gibt, dann fällt der Preis für die wenige Arbeit, die noch benötigt wird. So gewöhnen sich einige ihren Eifer wieder ab, bis schließlich die Attraktivität zu leisten wieder steigt. Wo ist das Problem? Wer DAUERHAFT nicht leistet, wird nach diesem Modell erheblich schlechter gestellt als heute.
|
JLL
06.07.2005, 14:55
@ Taktiker
|
Re: Das kannst Du besser. Ãœberleg' noch mal.:-) (o.Text) |
-->
|
Holmes
06.07.2005, 15:53
@ Taktiker
|
Re: Wieso keine Verschuldung mehr? |
-->>Hallo Holmes,
>> Wer verschuldet sich noch, wenn er ein Bürgergeld bekommt?
>Ich denke, diese Prinzipien bleiben erhalten. Natürlich kann man weiterhin als Investor auftreten, um viel Geld zu verdienen. Der Unterschied zwischen Bürgergeld und Sozialhilfe ist doch nur, dass ersteres bedingungslos und an jeden gezahlt wird. Der Kreativität (Unternehmungen) werden ja damit keine Grenzen gesetzt. Im Gegenteil, sie wird befördert.
Hallo Taktiker,
ich dachte der Punkt beim Debitismus ist, dass man sich verschulden MUSS. Ohne Verschuldung kann ich als Unternehmer keine Arbeiter bezahlen, keine Vorprodukte kaufen etc. Der Beginn der Industrialisierung in England kam, weil die Lanlords zwar Land, aber keine Landarbeiter mehr hatten. Deswegen Verschuldung der Landlords, um die Arbeiter zu bezahlen. Ähnliches Problem: auch die Landlords wollten nicht Arbeiter einstellen, um sie von de Strasse zu holen, sondern, weil sie sonst selbst nichts zu beissen gehabt hätten. Auch die Unternehmer sind nur Unternehmer, weil sie unter Druck stehen. Wenn der Druck aber jetzt genommen wird, dann werden auch einige Unternehmer aufhören zu arbeiten (oder es schwarz machen). Wie PCM in einem seiner Bücher so schön geschrieben hat: Jeder Unternehmer würde aufhören, wenn er ein angemessenes Gehalt einfach so bekommen würde. Ich weiss nicht, wieviele Kleinunternehmer bei Bürgergeld einfach aufhören würden, anstatt sich dem Stress auszusetzen, Pleite zu gehen.
>> Wenn alle schon von vorneherein Geld bekommen, dann müßten es ja alle als Steuern gleich wieder abführen, damit sie es bekommen?!?
>Aber eben über den Verbrauch: MwSt. Damit leistet (zahlt) dann auch, wer eigentlich nichts leistet (arbeitet).
Ja, er zahlt, ohne dass geleistet wurde! Das ist aber doch IMHO das Pferd falsch herum aufgezogen. Die Quelle des Geldes ist der verschuldungsbereite Eigentümer (nach Heinsohn/Steiger-Modell). Der nimmt einen Kredit auf, um zu produzieren. Dann wird geleistet, die Waren gekauft und der Kredit getilgt. Waren produziert und an die Leute verteilt, Geld ist wieder verschwunden.
Im Bürgergeld-Modell bekommen die Menschen Geld, damit sie konsumieren können, nicht WEIL sie geleistet haben. Das kann doch nicht funktionieren. Ok, wir können alle Supermarktregale leerkaufen, aber was passiert dann? Wer stellt sich noch an die Maschine und produziert?
>Grundsätzliche Maxime bleibt doch wie von Werner gesagt: Wir können in Summe mehr produzieren als wir (sinnvoll) verbrauchen. Wenn es nicht möglich ist, das allen zugute kommen zu lassen, ist ein Fehler im System. Und wenn man den auch schnell bei leistungsunwilligen Bürgern suchen will, so bleibt er dennoch ein Fehler des Systems.
Klarerweise wird in einem Konkurrenzsystem mehr erschaffen, als verbraucht wird. Sonst wäre es ja auch keine Konkurrenz, denn jeder würde seine Waren ja los und die Kosten kämen für alle wieder rein. Ich denke, die gravierende Überproduktion, die wir haben, ist eh' eine Krankheit und nicht der Normalzustand. Da sollte man sich nicht drauf verlassen, denn in einer solchen Welt gehen viele Firmen wieder pleite, nämlich die, deren Produkte nicht gekauft werden und die deswegen ihre Schulden nicht bezahlen können. Wenn man jetzt aber versucht, so viel Geld zu verteilen, dass die Produkte alle gekauft werden können, dann ist die Frage, woher kommt das Geld?
Letztendlich scheint es darauf hinauszulaufen, dass alles gleichverteilt wird, oder? Und dann strengen sich alle genauso an, wie in der alten DDR. Mmmh, ich dachte, das Kapitel hätten wir schon durch?
>>Nein, ich habe überhaupt noch nicht verstanden, wie das technisch funktionieren kann...
>Die Technik hat Werner ja schon beschrieben. Für mich bleibt fraglich, wie man diesen Zustand erreichen will. Es muß wohl Stück für Stück in diese Richtung laufen. Per Dekret geht da gar nichts.
Die Technik verstehe ich nicht. Geld ist doch nicht einfach DA. Es muß immer wieder durch Verschuldung neu erzeugt werden. Aber wer verschuldet sich noch, wenn er Geld bekommen kann, ohne was zu tun, ohne Risiko?
Ich befürchte, dass das Modell nach hinten losgeht.
Wenn ich Heinsohn/Steiger und PCM richtig verstehe, brauchen wir mehr Eigentümer, die ihr Eigentum beleihen können und damit Geld und Druck schaffen.
Man müsste einen neuen Romulus haben, der das Eigentum neu verteilt, damit jeder eine Basis hat, von der aus er selbstständig wirtschaftlich tätig sein kann. Das Bürgergeld ist genau das Gegenteil, es macht die Leute vom Staat noch mehr abhängig und unselbstständig, oder?
Gruß,
Holmes
|
sensortimecom
06.07.2005, 16:10
@ NaturalBornKieler
|
Re: Es gibt noch andere Effekte... die liberale Gesellschaft ist am Ende |
-->NBK:
"....Oder ein Ingenieur erfindet endlich eine Spargelerntemaschine, die was taugt. Mal sehen..."
[b]Hallo.
Gäb`s Bürgergeld, würden sich vielleicht tausende arbeitslose Ingenieure den Kopf zerbrechen, einen solchen Spargelernte-Roboter zu entwickeln - VORAUSGESETZT: das Patentwesen würde FUNKTIONIEREN!
Eben weil es NICHT funktioniert, und jeder heutzutage ein TROTTEL ist, wenn er sich im Alleingang den Kopf zerbricht, weil ihm die Großindustrie die Patente abkupfert oder die Sache ganz einfach nachbaut..... deshalb, und solange, bleibt ein solches System UTOPIE.
Dennoch: An der grundsätzlichen Idee mit dem Bürgergeld und der erhöhten Mwst. ist was dran. Nur glaube ich nicht an einen evolutionären Übergang (d. h. ohne Crash) vom gegenwärtigen Leistungsprinzip auf ein solches System. Übrigens wozu überhaupt Geld. Man kann den Staat (und somit den Zwang zur Steuereintreibung und zur Staatsverschuldung) durchaus abschaffen, und den damit verbundenen Debitismus mit dazu. Man könnte durchaus das GZ durch eine Art"elektronischen Tauschhandel" (Leistungs-Bonuspunkte etc.) ersetzen. Die technologischen Voraussetzungen dazu sind bereeits gegeben.
Wurde in diversen Diskussionen mit @dottore" alles schon mal gesagt.
Erich B.
<ul> ~ http://www.miprox.de/Wirtschaft_allgemein/DOTTORE-Krise_der_Staatsfinanzen.html</ul>
|
Taktiker
06.07.2005, 18:31
@ Holmes
|
Es ist nicht die Frage des Bezahlenkönnens! |
-->>ich dachte der Punkt beim Debitismus ist, dass man sich verschulden MUSS.
Eher, dass man bereits verschuldet ist, wenn man geboren ist -> Urschuld....und dann schaffen muß, um überhaupt existieren zu können. Das mag ja eine korrekte Abstrahierung des Lebens sein, muß deswegen aber nicht so gelebt werden.
> Jeder Unternehmer würde aufhören, wenn er ein angemessenes Gehalt einfach so bekommen würde.
Was ist angemessen? Ein Unternehmer unternimmt, weil er sich ein MEHR verspricht ggü wenn er lohnarbeitend tätig wäre. Das ist doch auch beim Bürgergeld gegeben.
> Ich weiss nicht, wieviele Kleinunternehmer bei Bürgergeld einfach aufhören würden, anstatt sich dem Stress auszusetzen, Pleite zu gehen.
Du gibst Dir selbst die Antwort. Einige ja, andere nicht.
>Klarerweise wird in einem Konkurrenzsystem mehr erschaffen, als verbraucht wird.
Konkurrenz wird nicht abgeschafft! Aber sie wird in bestimmten Bereichen abgeschwächt.
> Ich denke, die gravierende Ãœberproduktion, die wir haben, ist eh' eine Krankheit und nicht der Normalzustand.
Wieso Überproduktion? Es gäbe für jedes produzierte Produkt garantiert einen Abnehmer. Es ist nur Überproduktion, weil es zu dem aktuellen Preis zuwenig Nachfrage gibt. Demnach ists keine Krankheit, sondern Fortschritt. Nur der kommt aktuell nicht allen zugute.
> Da sollte man sich nicht drauf verlassen, denn in einer solchen Welt gehen viele Firmen wieder pleite, nämlich die, deren Produkte nicht gekauft werden
Daran soll und wird sich nichts ändern.
> Wenn man jetzt aber versucht, so viel Geld zu verteilen, dass die Produkte alle gekauft werden können, dann ist die Frage, woher kommt das Geld?
Es wird anders verteilt. Es ist NICHT die Frage, WOHER das Geld kommt!!! Bildhaft: Wenn 80 Millionen Deutsche am Tag 40 Millionen Brote herstellen, dann ergibt das ein halbes Brot für jeden Deutschen. Wenn aber 60 Millionen Deutsche sich nur ein achtel Brot täglich KAUFEN können, dann ist was faul! Die einzige Frage ist: Kann die gesamte Produktion die Grundbedürfnisse befriedigen? Das kann sie schon lange, tut es aber nicht! Das Medium für den Tausch ist das Geld, und somit läuft alles über die Versorgung der Menschen mit Geld. Hält man sie hier knapp, dann macht man sie leichtens abhängig. Und da man Abhängige gut erpressen kann, hält man sie knapp bei Kasse.
Man stelle sich vor, ein Stamm erjagt genug zum essen für alle. Ans Fleisch kommt man aber nur mit den schwarzen Steintalern ran, welche der Häuptling hortet und sparsam ausschüttet. Jetzt bekommen alle Hunger, aber der Sprecher des Häuptlings sagt, es sei unmöglich, alle ausreichend zu ernähren. Um an die Talerchen ranzukommen, muß man sich schon ein wenig prostituieren. Nachdem man die umlaufenden Steine gezählt und mit dem Fleischpreis verglichen hat, glaubt man, man könne nicht alle ausreichend ernähren. Ist es nun maßgeblich, ob genügend Fleisch da ist oder ob die umlaufenden Steinchen das auch kaufen können?
> Letztendlich scheint es darauf hinauszulaufen, dass alles gleichverteilt wird, oder? Und dann strengen sich alle genauso an, wie in der alten DDR
Aber wieso denn? Verschiedene Tätigkeiten werden verschieden bezahlt. Wer nie arbeitet, wird deutlich weniger einnehmen als Leistende. Man kann auch Unternehmungen starten (Privateigentum), sogar mit viel niedrigeren Lohnkosten, also reduziertem Risiko. Was hat das mit DDR zu tun?
> Das Bürgergeld ist genau das Gegenteil, es macht die Leute vom Staat noch mehr abhängig und unselbstständig, oder?
Nein, die Leute sind nicht vom Staat abhängig, sondern von ihren Mitbürgern, denen ggü sie sich rechtfertigen müssen. Abhängig sind Lohnleistende, die ggü ihrem Arbeitgeber keine Verhandlungsposition mehr haben, weil ihnen ein tiefer Fall droht.
|
BillyGoatGruff
06.07.2005, 21:28
@ Holmes
|
einfache debitistische Antwort |
-->>Hallo,
>mich würde interessieren, wie sich das Bürgergeld debitistisch interpretieren läßt. Ich bekomme Geld, aber wer ist es mir schuldig?
Du schuldest es Dir selber.
Gruss,
BGG
|
bernor
06.07.2005, 23:39
@ Holmes
|
Re: Wieso keine Verschuldung mehr? |
-->Hi Holmes,
Die Technik verstehe ich nicht. Geld ist doch nicht einfach DA. Es muß immer wieder durch Verschuldung neu erzeugt werden. Aber wer verschuldet sich noch, wenn er Geld bekommen kann, ohne was zu tun, ohne Risiko?
Ich befürchte, dass das Modell nach hinten losgeht.
(...)
Das Bürgergeld ist genau das Gegenteil, es macht die Leute vom Staat noch mehr abhängig und unselbstständig, oder?
wenn:
1) das sog. Bürgergeld derart niedrig angesetzt wird, daß es nur für"Wasser und Brot", also quasi Hartz-IV, reicht
2) und jeder eigene (Netto-)Verdienst höchstens zur Hälfte angerechnet wird,
könnte es interessant werden:
Die Hartz-IV-Bürokratie fiele größtenteils weg (nur Einkommen müßte angegeben werden, ebenso Vermögen, soweit mit diesem ein Einkommen erzielbar ist/wäre, z.B. leerstehende oder selbstgenutzte Wohnung): bei Kommunen teilweise, die der Arbeits-"agenturen" komplett (die reine Arbeitsplatzsuche können auch private Vermittler übernehmen).
Wenn ich Heinsohn/Steiger und PCM richtig verstehe, brauchen wir mehr Eigentümer, die ihr Eigentum beleihen können und damit Geld und Druck schaffen.
Eigentlich sind nicht neue Eigentümer, die noch fehlen, das Problem, sondern jene die hoch- bzw. überschuldet sind - man macht es sich zu einfach, wenn man nur nach einem neuen schnittigen Segler Ausschau hält, anstatt sich zu überlegen, wie man den alten Kahn, mit dem man auf die Sandbank gelaufen ist, wieder flottmachen könnte.
Alle neuen Eigentümer = neue Schuldner verlagern nur das Schuldenproblem, anstatt es zu"lösen".
Man müsste einen neuen Romulus haben, der das Eigentum neu verteilt, damit jeder eine Basis hat, von der aus er selbstständig wirtschaftlich tätig sein kann.
Damit auch (fast) alle wieder brav"wirtschaftlich tätig" werden können und"wollen", bedarf es ebenso einer Streichung aller Schulden = Forderungen, aus denen bisher leistungslose Einkommen bezogen wurden (im wesentlichen Staatsschulden, siehe die hier bekannten"clean slates") - aber auch sonstige Schulden, soweit unbedienbar geworden.
Leider muß man dann auch beim Geld wieder neu anfangen, weil dieses zuletzt fast gänzlich durch Staatschulden/-"Garantien" o.ä."gedeckt" war.
Aber mit einem ordentlichen"Romulus" an der Spitze klappt das schon - und dafür ist der Staat an sich ja unerläßlich, wie wir hier längst wissen.
The same procedure as every time...
Gruß bernor
|
JLL
07.07.2005, 10:22
@ JLL
|
Re: Kleiner Tipp: Die Wirtschaft dürfte nicht nur aus Fischern bestehen... |
-->... die bei Wegfall ihres Arbeitsplatzes gemütlich die Hände auf Kosten der verbleibenden 25 % in den Schoß legen, oder aus Kesselflickern, Korbflechtern, Lokomotivheizern. Der Gedanke, dass diese"nicht böswillig" passiv wurden, führt in die falsche Richtung, wenn daraus abgeleitet wird, die 75 % der Fischer und 100 % der Korbflechter und Lokomotivheizer hätten aufgrund fehlender Böswilligkeit, nun einen Anspruch gegen den Rest der Gemeinschaft auf dauerhaft alimentierte Passivität. Derlei statisches Denken erklärt dynamische Prozesse außerdem nur unzureichend.
Zudem ist der technische Fortschritt ja keine Erfindung der letzten 20 Jahre, den gibt es bereits seit Jahrhunderten. Beständig kamen aber mehr Menschen in Lohn und Brot. Die Erklärung hast Du selbst schon geliefert, wenn mehr Arbeit angeboten als nachgefragt wird, sinkt der Preis. Pustekuchen, er sank eben gerade nicht, sondern war weitestgehend zementiert. Die Starrheit des Preises für den Faktor Arbeit dürfte die Haupttriebfeder sowohl der Rationalisierung als auch der Verlagerung ins Ausland gewesen sein.
Ich bin zudem schon überhaupt nicht der Ansicht, dass es (real) keine Arbeit, oder nichts zu tun gäbe. Besonders augenfällig ist dies ja in unser aller Umfeld, da braucht man sich nur mal den Zustand von Schulhäusern und Straßen, oder die Vermüllung des Waldes oder einiger Wohnviertel anzusehen. Aber offensichtlich werden diese Arbeiten - aus welchen Gründen auch immer - nicht erledigt. Schon von daher hielte ich es für eine krasse Fehlentwicklung, Bürger zu leistungslos taschengeldempfangenden Kindern zu degradieren.
Auch die Grundthese, dass staatliche Vollversorgung Kreativität fördere, würde ich als einigermaßen abenteuerlich einschätzen. Mindestens ebenso gut könnte man postulieren, dass sie Faulheit, Trägheit und Müßiggang fördert. Wie es so schön heißt:"Not macht erfinderisch" oder"Müßiggang ist aller Laster Anfang". Aber lassen wir das.
Du behauptest ferner, dass sich die DAUERHAFTEN Nichtleister, schlechter stellen würden als heute. Nun gut, das ist eine nette Behauptung. Aber vielleicht kannst Du mir kurz erläutern, WARUM das so sein sollte?
Die Kernfrage im Schlaraffenland der Bürgergeldempfänger bleibt aber unbeantwortet: Wer erwirtschaftet real, was den Müßiggängern im Ergebnis kostenlos zur Verfügung gestellt werden soll? Wie motiviere ich diese Mehrleister dazu, überhaupt für die Müßiggänger tätig zu sein? Zuckerbrot (vielleicht wieder mit netten Blechorden oder"Mitarbeiter des Monats"-Auszeichnungen?) oder doch, wie so oft, die bewährte Peitsche (Ächtung, Pranger, Lager, etc.)?
Schönen Tag
JLL
|
dottore
08.07.2005, 17:39
@ Taktiker
|
Re: Bürgergeld? Zurück (oder vorwärts?) zur Stammesgesellschaft |
-->Hi,
bekanntlich gibt es Stammes- und Nicht-Stammesgesellschaften. In Stämmen existiert Besitz, aber kein Eigentum bzw. dieses nur in minimalen Ansätzen (vgl. Uwe Wesel's Erkenntnisse), die ihrerseits nicht zu dem führen, was wir die heutige"Eigentümer-Gesellschaft" nennen, mit Geld, Märkten, Zins usw..
In Stammesgesellschaften finden wir außerhalb der Subsistenzstruktur (Vorratshäuser usw.) keinerlei Investitionen. Das gemeinsam Erwirtschaftete wird verteilt und verkonsumiert. Der"Häuptling" investiert auch nicht (außer zur Erleichterung der Subsistenzbeschaffung, vgl. die Mythen vom Säer, Pflanzer, Damm- bzw. Kanalbauer usw.), vielmehr zeichnet er sich durch vergleichsweise"höheren" Konsum aus (der"fette" König, die Big-Chief-Problematik auf Hawaii, parallel dazu die frühe Bezeichnung LU.GAL in Mesopotamien ="Großer Mann"), was bis hin zu Anlage von entsprechend voluminösen Accessoires inkl. Gräbern reicht.
In Nicht-Stämmen haben wir in historischer Folge zunächst den"ersten wirklichen privaten Eigentümer" (Hudson), also den Clan- und/oder Priester-Chef (beides gern im Mix) nach der Eroberung von Fremd-Arealen ("gelobtes Land" usw.), der im bekannten Zessionsverfahren ("Privilegia") von seinem Eigentum am Gesamten (vgl."Eroberer" wie Alexander oder William) mehr und mehr abtritt, um sich selbst (auch Clan,"Dynastie") zumindest als Ober-Eigentümer zu erhalten. Die Linie führt zum (vermeintlich) a-personalen"modernen" Staat der Jetztzeit. Dabei kommt jener Clan (Partei) ans Ruder, der mehr verspricht und dann auch verteilt als der andere.
Da nicht mehr verteilt werden kann als erwirtschaftet wurde, muss eine Methode institutionalisert werden, die denen, die auf Sofort-Konsum verzichten, einen Anreiz bietet, sich dieses zu enthalten. Dafür werden Anrechte konstruiert, die jemand zu erfüllen hat, der (in Ermangelung eines unmittelbar zu Unterwerfenden und zu Leistenden) sich"irgendwo" in der Zukunft tummelt und noch nicht erschienen ist ("künftige Generation"), aber dann (dann!) gefälligst das zusätzlich nachzuliefern oder -leisten hat, was aktuell nicht zur Verfügung stand, weil es nicht erwirtschaftet wurde.
Dieser Versuch des"Transports" von aktuell (zu aktuellen Preisen logischerweise, die eine Markträumung verhindern) fehlenden Gütern und Leistungen in die Zukunft (dann aber kommen sie bestimmt!) erklärt die Subventionierung von"Forschung und Bildung" (Ziel: mehr"Wachstum") sowie der Bevölkerungsvermehrung, vom Kindergeld etc. bis neuartigen Parteiprogrammen (SPD), was dem nämlichen Ziel dienen sollte.
Kurzum: Das Phänomen der Staatsverschuldung konnte sich in"Demokratien" nur beschleunigen, um nur ja den Zahltag möglichst lange hinauszuzögern, an dem jene, die den Abgabentitel halten mit Hilfe von bewaffnetem Zwang (coercive power) und nicht etwa über"Märkte", was geflissentlich übersehen wird sich die Güter und Leistungen jener aneignen können, die dann ebenfalls unter dem dann gegen sie gerichteten bewaffneten Zwang via Abgaben leisten und dienen müssen.
Das derzeitige System der Verteilung entfernt sich umso stärker vom seit 300 Jahren in Schwang gekommenen"marktwirtschaftlichen" System, je höher der Anteil der Staatsverschuldung an der gesamtwirtschaftlichen Leistung (BIP) wächst.
Das"neo-liberale" Modell läuft also in der Tat aus und die intensiven Befeuerungsversuche (gern mit Hilfe noch höherer Staatsausgaben und gern auch mit Hilfe sinkender Staatseinnahmen) machen diesen"freiheitlichen" Ansatz vollends zur Posse. Karl Polanyi hatte dies in seiner Great Transformation schon 1944 (1957) absolut klar gesehen (auch wenn er zu den Ursachen nicht vorgestoßen war): Die"große Transformation" (marktwirtschaftlicher Industriekapitalismus) ist eine letztlich ephemere Verteilungs-Struktur, die im 19. Jh. ihre Klimax erreicht hatte - ohne allerdings die Verteilungs-Strukturen der Stammes- (Gleichheit, Brüderlichkeit!)und gar der Feudal-Systeme (Abgaben unter Zusicherung von Schutz vor...!) zu beseitigen oder auch nur zu gefährden.
In seinem Vorwort zur Paperback-Ausgabe (2001) schreibt Joseph Stiglitz:
"There never was a truly free, self-regulating market system."
Dass Stiglitz uns die Ursachen dafür vorenthält (nämlich die Persistenz von Abgaben-, also Zwangs- (und ergo non-market-)Systemen), steht auf einem anderen Blatt. Die Ã-konomen schaffen es eben nicht, das zweifelsfrei nicht-marktwirtschaftliche Staats-System in ihre Modelle einzubauen. Kein Wunder, da sie selbst Teil dieses Systems sind und man ungern hinterfragt, was für eine Hand einen da wohl füttert.
Der"moderne Staat" zeichnet sich dadurch aus, dass er jene zum"Herrscher" ausruft, die unbezweifelbar die Beherrschten (Abgabenverpflichteten) sind ("Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus"). Das ist freilich schon deshalb ein Scherz, da das"Volk" kein Etat- und damit Sich-Selbst-Besteuerungsrecht hat, das nach wie vor beim"Staat" verblieben ist. Dieser stützt sein <b<Abgabenmonopol[/b] mit Hilfe seines Waffenmonopols ab und kann jederzeit festlegen, worin die Abgaben zu leisten sind (Geldmonopol).
Die Forderung nach einem "Bürgergeld" ist nun die logische Konsequenz aus alledem. Wir scheinen zwar in Richtung eines Neo-Liberalismus / Neo-Konservativismus zu marschieren, tatsächlich aber sitzen wir mit hohem Tempo in einem ICE namens "Neo-Etatismus" (Neo-Feudalismus - der Feudalherr grüßt unter dem Label"Staat"), der seinerseits die sog."freien Märkte" trotz aller gegenteiliger Beteuerungen und Bemühungen ("Globalisierung") bis zur Unkenntlichkeit verzerrt (allein das Umbuchen der Afrika-Schulden auf die Abgabenverpflichteten der"Industrienationen" statt die allein"marktwirtschaftliche", also die Konkurs-, Vollstreckungs- und Ausbuchungslösung auch nur zu erwägen!).
Kommen wir zurück auf die Verteilungssysteme und die Tatsache, dass wir uns vom (selbst idealtypisch)"marktwirtschaftlichen" Verteilungssystem längst verabschiedet haben, steuern wir also auf einen interessanten Mix zu: Wie kann das quasi stammes-rituelle"Bürgergeld" ("Grundsicherung" für alle!) mit dem neo-feudalen Staatszwangssystem dergestalt vereinbart werden, dass sich die aus allen Abgabensystemen resultierenden"Segnungen" wie Eigentum, Geld, Zins usw. nicht gleichzeitig, parallel dazu oder in geziemender zeitlicher Folge verflüchtigen?
Es geht also in der Tat nicht um die Frage des"Bezahlens", sondern vielmehr darum, was passiert, sobald es eingerichtet ist und jedermann einen Anspruch darauf hat, also (auf dem formalen Umweg über den"Staat") in die Rolle dessen schlüpft, der Zwangsabgaben einfordern kann.
Es wird über kurz oder lang zu einer Zwangs-Stammesgesellschaft kommen. Solange noch Abgaben in"Geld" (GZ / STZM) erhoben werden (können), werden sich"Marktreste" (also der Versuch Abgabenverpflichteter, den Abgaben durch Einsatz von Know-how, Produktivität usw. zu entziehen) halten. Bricht das GZ-STZM-System zusammen, ist wieder Subsistenzwirtschaft angesagt. Alle sitzen um ihre Lagerfeuer, teilen die physischen Subsistenzmittel untereinander auf, wobei die"härter Arbeitenden" in der Tat die größeren Stücke verzehren dürfen.
Und das gesamte BIP wird wieder aus dem bestehen, aus dem es schon einmal bestanden hatte: Aus Konsumgütern. Hat was.
Irgendwann (nach Staatserledigung) erscheint dann wieder ein Trupp Bewaffneter am Horizont, um die Surplus-Erzwingung zu seinen Gunsten zu vollziehen. Und die nächste Nummer kann steigen.
Die Richtung stimmt also und was den Gang der Dinge dahin beschleunigt (und das"Bürgergeld" ist ein Riesenschritt) mag begrüßen, wer möchte.
Gruß!
|
LenzHannover
08.07.2005, 23:43
@ JLL
|
Unser Pseudo-Taktiker hätte die Zone gerne wieder.. |
-->alle Arbeitslosen rüber und wir dürfen als Preis Gerechtigkeit eine West-Ost Ausgleich überweisen.
Wo sind die tollen theoretischen Arbeit aus der Ex-DDR?
Verdient wurde ja nicht viel, warum sonst gab es die"blauen Kacheln" als seperater Währung. Mach dich auf nach Nord-Korea, in das gelobte Land der Gerechtigkeit.
Das geht mir genauso auf die Nerven wie die Punker, die diese verhaßten Spießer anbetteln. Wenn aussteigen, dann bitte richtig - in den Wäldern ist genug Platz und bitte nicht die Straßen der Spießer nutzen [img][/img].
|