Zandow
15.10.2005, 20:03 |
Kauri Thread gesperrt |
-->Hallo Forumsgemeinde,
hier ein Auszug aus einem alten Buch zum frühen Geld:
Wilhelm Gerloff „Die Entstehung des Geldes und die Anfänge des Geldwesens“, 1940
§ 10. Muschelgeld
Unter den mannigfachen Schmuckgegenständen, die in der Entwicklungsgeschichte des Geldes eine Rolle spielten, stehen verschiedene Muschelarten mit an erster Stelle. Auch die Entstehung des Brauches, Muscheln als Geld zu verwenden, hat man mit magischen Vorstellungen, die mit der Verwendung der Muscheln als Amulette, Zaubermittel und dergl. zusammenhängen, zu verknüpfen gesucht. Eine solche Deutung ist richtig, insoweit die Körperschmückung bei den Primitiven aus solchen Motiven wie Schutz vor dem bösen Blick, Verleihung besonderer Kräfte durch das Schmuckstück usw. erklärt werden kann.
Muschelgeld ist, um nur die Hauptgebiete seines Vorkommens zu nennen, in Nordamerika und in der Südsee, auf dem asiatischen Kontinent und in Afrika weit verbreitet. Selbstverständlich sind es verschiedene Muschelarten, die in den verschiedenen Teilen der Welt und zu verschiedenen Zeiten als Geld Verwendung gefunden haben. Darüber liegt eine umfängliche Literatur vor, die jedoch wie überhaupt die gesamte ethnologische und historisch-numismatische „Geldliteratur“ die Erscheinungen des Geldwesens nicht oder nur vorübergehend und andeutungsweise in ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung zu würdigen pflegt. Bemerkenswert ist, daß auch in ein und demselben „Währungsgebiet“ nicht immer die gleichen Muscheln Geldbedeutung hatten, sondern verschiedene Arten einander abgelöst haben, was in einer Geschichte der Muschelwährung noch der Untersuchung bedarf.
Das nach Raum und Zeit am weitesten verbreitete Muschelgeld ist unter dem Namen Kauri bekannt. Es besteht aus dem Gehäuse einer Porzellanschnecke (also genau genommen keiner Muschel), vornehmlich der cypria moneta, jedoch liefern auch einige verwandte Schneckenarten Gehäuse, die als Kaurigeld Verwendung gefunden haben.
Die Verwendung dieser Kaurischneckengehäuse als Geld ist uralt. Darauf weist vor allem die Geschichte der chinesischen Schrift hin. In der chinesischen Hieroglyphenschrift des zweiten, vielleicht sogar des dritten Jahrtausends v. Chr. wird das Kaurizeichen (Symbol der Kaurischnecke) in mannigfachen Verbindungen, die Geld, Reichtum usw. bezeichnen, verwendet. Auch die modernen chinesischen Schriftzeichen weisen solche Beziehungen auf. Ein paar Beispiele gebe ich nach Mitteilungen meiner Schüler Dr. Liao und Quan Yi Git (vergl. die Tafel S. 79). [die Tafel zeigt acht chinesische Schriftzeichen, Z.]
Das erste Schriftzeichen ist in der heutigen chinesischen Zeichenschrift „Be“ (Muschel). Ursprünglich wurde das Zeichen „Be“ in der Form der Kaurimuschel dargestellt. Daraus entwickelte es sich zu seiner heutigen Form.
Das zweite Zeichen setzt sich aus den Zeichen „Be“ (Muschel) und dem Zeichen „Tsai“ zusammen. Die Bedeutung des letzteren war: sich befinden, vorhanden sein. Das Gesamtzeichen, ebenfalls „Tsai“ ausgesprochen, bedeutet Reichtum oder Vermögen, d.h. wo Muscheln vorhanden waren, da ist Reichtum oder Vermögen.
Das dritte Zeichen ist „Dschen“; es bedeutet spenden, unterstützen oder freigebig sein. Neben dem Muschelzeichen steht das Zeichen „Tschen“, d.h. Zeit. Die Bedeutung des Gesamtzeichens ergibt sich aus dem Gedankengang: wenn in Notzeiten Muscheln gegeben werden, so heißt das spenden oder wohltätig sein.
Zeichen 4 besteht aus dem Muschelzeichen und dem Zeichen „Djiän“, d.i. klein oder gering. Das Gesamtzeichen bedeutet billig (geringe oder wenige Muscheln).
Das Zeichen 5 zeigt über dem Muschelzeichen das Zeichen „Fen“, d.h. teilen. Das Gesamtzeichen bedeutet arm oder Armut: wo die Muscheln in viele Teile gehen, da herrscht Armut.
Alle chinesischen Schriftzeichen zeugen von tiefer Lebensweisheit, nicht wenige überraschen den Abendländer durch Geist und Gedankenfülle. Auch an scharfem Witz fehlt es nicht. Ein Beispiel dafür ist das sechste Zeichen. Die linke Seite heißt wie in den vorhergehenden Beispielen „Be“, also Muschel. Die rechte Seite heißt „Wu“, das bedeutet militärisch oder gewaltsam. <font color=#FF0000>Das Gesamtzeichen aber heißt „Fu“, d.i. Steuer. Das bedeutet also, wenn Muscheln mit Gewalt abgefordert werden, so ist das eine Steuer</font>. Es könnte aber auch gesagt werden, daß, wo Militär ist, Steuern erhoben werden oder notwendig sind.
Das siebte Zeichen zeigt neben der Muschel das Zeichen „Jung“. Es bedeutet Lanze oder Waffen. Das Gesamtzeichen „Dse“ bedeutet Dieb oder Räuber. Es besagt: wer Muscheln mit Waffengewalt sich aneignet, ist ein Dieb oder Räuber.
Das achte Zeichen ist „Dsang“, d.h. soviel wie bestechlich, auch gestohlenes Gut, Hehlgut. Neben dem Muschelzeichen steht das Zeichen „Tsang“, d.h. verstecken oder verbergen. Die Deutung ist: wenn man Muscheln versteckt oder verbirgt, so ist das gestohlenes Gut oder Bestechungsgeld.
Die ältere chinesische Literatur ist reich an Belegen für den Gebrauch des Muschelgeldes. Im Altchinesischen heißt Peng soviel wie Halsschmuck aus Muscheln, später wird dieses Wort die Bezeichnung für eine Werteinheit Muschelgeld. In dem Buche Schang Schu, dem wahrscheinlich ältesten Geschichtswerke der Welt, das, nachdem es verlorengegangen war, in der Zeit der Han-Dynastie wiederhergestellt wurde, beklagt sich ein Kaiser aus der Yin-Zeit (um 1400 v.Chr.) über den Untertan, der nur an Muscheln und Jade denkt. Alte Bronzegeräte tragen Inschriften, in welchen die Anzahl von Muscheln angegeben wird, die als Geschenk, Opfer usw. gegeben wurden. <font color=#FF0000>Steuerzahlungen, gemäß Vorschrift der kaiserlichen Regierung in Muscheln entrichtet, sind für Ende des 13. Jahrhunderts n.Chr. in der Provinz Yünnan bekundet</font>. In den folgenden beiden Jahrhunderten, während welchen sich Papiergeld ausbreitet, sehen wir, wie gegenüber diesem von der Bevölkerung hartnäckig auf Muscheln zurückgegriffen wird. Im Oktober des 2. Dscheng Tung Jahres (1437 n.Chr.) bittet das Finanzministerium den Kaiser um Auszahlung der Beamtengehälter in Muscheln an Stelle oder neben der bisherigen Papiergeldzahlung.
Nun hat man in neuerer Zeit in China Muscheln aus Knochen geschnitzt gefunden, wie es aus späterer Zeit solche aus Bronze und Kupfer gibt. Jene werden auf das 13. bis 14. Jahrhundert v.Chr. datiert, so daß man den Gebrauch des Muschelgeldes in China oder in einzelnen Teilen dieses Reiches auf einen Zeitraum von wenigstens drei Jahrtausenden bemessen kann. Im übrigen wird das Vorkommen der Kaurigehäuse als Geld aus den verschiedenen Teilen des asiatischen Kontinents bezeugt, von Japan bis nach Hinterindien, Vorderindien und Persien. Von hier aus dürften die Kauri auf alten Handelswegen sowohl nach Afrika wie nach Kaukasien und Europa gelangt sein. Die zahlreichen prähistorischen Cypreafunde bezeugen natürlich zunächst nur die Verbreitung und die Verwendung der Kauris als Schmuck, können uns aber über einen etwaigen Geldgebrauch nichts aussagen. Hingegen bezeugen Schatzfunde in Indien, vornehmlich im Punjab, daß Kaurimuscheln in vorchristlicher Zeit auch dann offenbar noch als Geld Verwendung fanden, als schon gemünztes Metallgeld in Gebrauch war. Es handelt sich um Schatz- oder Reliquienschreine, in welchen nebeneinander Kaurimuscheln, Gold oder Kupfermünzen verschiedener Herkunft aus der Zeit kurz vor Beginn der christlichen Zeitrechnung enthalten waren. Aus dieser Zusammenstellung kann unbedenklich auf die Geldverwendung der Kauris geschlossen werden.
Verhältnismäßig gut sind wir über die Geldverwendung der Kauris in Afrika unterrichtet. Während die Kauriwährung in ihrer ältesten Heimat anscheinend völlig untergegangen ist, hat sie in Afrika ein gewaltiges Gebiet erobert, in welchem sie sich auch heute noch teilweise behauptet. Aus dem ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts berichtet F. Thorbecke aus Kamerun: „Der Handel ist nicht ein Tausch von Ware gegen Ware, sondern ein regelrechter Kauf mit einem überall anerkannten Zahlungsmittel der Kaurimuschel, die auch heute noch unter den Eingeborenen neben deutschem Nickel- und Silbergeld gilt.“
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Die Kaurimuschel ist eine kleine, ja man kann wohl sagen, winzige Geldeinheit. Einen verhältnismäßig geringen Wert hat das einzelne Stück auch schon vor den großen Entwertungen gehabt, die die Folge riesiger Zufuhren durch den europäischen Handel, insbesondere auch durch Sklavenhändler waren. Wo Kauris das vorherrschende Zahlungsmittel sind, bewegen sich daher die Preise von wertvolleren Dingen in die Tausende und die Zehntausende, ja Angaben über Entgelte für Dienstleistungen, Gastgeschenke, Renten an Häuptlinge für Landkonzessionen usw. beziffern sich auf Hunderttausende dieser Schneckengehäuse. Die Kauris sind daher unter Umständen kein sehr bequemes Geld. Gewisse handelsübliche Packungen verstehen sich dabei von selbst. Dennoch ist die Zählung auch bei größeren Wertübertragungen anscheinend unvermeidlich. So berichtet der Gouverneur der Goldküste, daß im Jahre 1859 16.000 Kauris den Wert eines Pfund Sterling hatten. Um die Summe von 2568 Pfund in Kaudis zu zählen, waren achtzig Menschen einen ganzen Tag lang beschäftigt.
Das ungeheure Verbreitungsgebiet der Geldverwendung der Kauris durch ganz Zentralafrika von der West- bis zur Ostküste und zeitweilig bis weit in den Norden hinauf erklärt sich nur so, daß es Gebiete einer ausschließlichen „Kauriwährung“, wenn überhaupt, nur vorübergehend und von sehr beschränkter Ausdehnung gegeben hat, während im übrigen das Kaurigeld in diesen Weiten nur neben anderem Geld in Umlauf war, so daß mindestens in dem jüngsten Abschnitt der afrikanischen Geldgeschichte Kauris nur Kleingeld oder, wenn man so will, nur Scheidemünzen waren. Auch dafür liegen zahlreiche Belege aus der ethnologischen Literatur (...) vor. <font color=#FF0000>Die wichtige Stellung der Kauris im Geldwesen ergibt sich jedoch daraus, daß sie vielfach als ein ordentliches Zahlungsmittel bei Steuern, Bußen, Sühnegeldern, Zöllen, Wegeabgaben usw. Verwendung gefunden haben</font>, so namentlich im Sudan und in Kolonialgebieten (...).
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Soweit aus dem Buch.
Also nix da mit Tauschmittel! Die Steuer war's!!
Herzliche Grüße in die Runde und ein allseits sonniges Wochenende wünschend, <font color=#008000>Zandow</font>
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Amstrand
16.10.2005, 09:16
@ Zandow
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unzulässige schlussfolgerung |
-->deine schlussfolgerung pro-machttheorie halte ich für nicht haltbar. Glaubst du wirklich, dass Machhtaber auf die originäre Idee gekommen sind, Steuern in Muscheln zu erheben?"Geht an den Strand und bringt uns die Steuern, damit wir mit Muscheln spielen können?" Das macht null Sinn. Die Feudalmacht kann nur etwas bereits als universelles Tauschmittel vorhandenes notgedrungenerweise usurpiert haben und hat dann evtl. das ganze noch mit Schriftzeichen etc. verfestigt. Warum wollte der Machthaber nicht Lindenblätter oder Fischgräten? Kauri werden sich in den Gegenden durchgesetzt haben, wo es kein Metall oder keine Metallförderung gab. Sie haben den Nachteil, dass gute Taucher oder Strandläufer einen Vorteil bekommen können. Wahrscheinlich sind sie auf Inselwelten als Zahlungsmittel im Tauschhandel entstanden, wo alle gleiche Tauchchancen hatten. Sie zerbröselten nicht gleich und man konnte sich zwecks Tauscherleichterung drauf einigen.
Du beweist eher dass die Schrift und das Chronistentum mit der Feudalmacht entstanden sind, über Zahlungsmittel derart Aussagen zu machen ("sie haben zum ersten Mal im Feudalsstaat drüber geschrieben, also gab es das vorher nicht"), halte ich für nicht wissenschaftlich stringent.
Amstrand
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Zandow
16.10.2005, 15:12
@ Amstrand
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Thesaurierung |
-->Hallo Amstrand,
das Forum hier bietet eine Fülle an Infos zu den Kauris. Einfach mal"Kauri" in die Suchfunktion eingeben, dann kannst Du es sehen.
> deine schlussfolgerung pro-machttheorie halte ich für nicht haltbar. Glaubst du wirklich, dass Machhtaber auf die originäre Idee gekommen sind, Steuern in Muscheln zu erheben?
Ja, das ist ja das Überraschende. Die Muscheln waren Zahlungsmittel für Steuern, Abgaben, Zölle und Bodenrenten. Oft mußten die Kauris von weit her besorgt werden.
>"Geht an den Strand und bringt uns die Steuern, damit wir mit Muscheln spielen können?"
Nicht spielen. Die Muscheln wurden thesauriert, gehortet.
> Das macht null Sinn.
Das macht schon Sinn. Mit den Bergen an Kauris wurde Macht und Wohlstand gezeigt. Es ist die Macht, andere zwingen zu können. Eine Demonstration dieser Macht macht also durchaus Sinn.
> Die Feudalmacht kann nur etwas bereits als universelles Tauschmittel vorhandenes notgedrungenerweise usurpiert haben...
Just so war es eben nicht. Unendliche Belege dazu hier im Forum.
> Warum wollte der Machthaber nicht Lindenblätter oder Fischgräten?
Naja, Steingeld, Federgeld, Holzgeld und viele, viele andere Sorten bieten schon eine üppige Auswahl an.
> Kauri werden sich in den Gegenden durchgesetzt haben, wo es kein Metall oder keine Metallförderung gab. Sie haben den Nachteil, dass gute Taucher oder Strandläufer einen Vorteil bekommen können.
Nun, das ist fürwahr ein Nachteil. Besser ist, das als Abgabe zu forder, das die Abgabepflichtigen sich eben nicht so einfach besorgen konnten. Die Spitze war dann, daß sich die Abgabepflichtigen das Abgabegut bei denjenigen leihen mußten, denen sie es schuldig waren. Ist halt alles eine Frage der Entwicklung und Erfahrung.
> Wahrscheinlich sind sie auf Inselwelten als Zahlungsmittel im Tauschhandel entstanden, wo alle gleiche Tauchchancen hatten. Sie zerbröselten nicht gleich und man konnte sich zwecks Tauscherleichterung drauf einigen.
Naja, uns liegen die archäologischen Artefakte und Schriften vor. Diese kann man sicherlich unterschiedlich interpretieren. Nur vernachlässigen darf man sie nicht. Mit"wahrscheinlich", also der rein theoretischen Interpretation, kommen wir hier nicht weiter.
Beste Grüße, <font color=#008000>Zandow</font>
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Amstrand
16.10.2005, 15:26
@ Zandow
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Re: Thesaurierung |
-->hi Zandow,
jetzt hast du in deiner Antwort geschickt meine These unterschlagen, dass die Macht-Theorie und der von dir gefundene Abschnitt den Beginn der Buchführung und damit der Schrift beweist, bzw. darüber etwas aussagt, aber nichts über die Geldwirtschaft vorm Feudalstaat.
Und wie ist die Zentralmacht an die Kauris gekommen in the first place? Die sind breit verteilt und verstreut und liegen am Strand rum. Es ist wieder der hier schon von anderen monierte Zirkelschluss. Die Zentralmacht kann Kauris horten, wiel sie die Macht hat, die sie hat, weil sie Kauris hat, ach ne sie hat Gewalt und Waffen (die sie mit Kauris bezahlt hat).
Es muss in deiner/eurer Theorie einen Moment gegeben haben, wo die Zentralmacht ersonnen hat: Wir schaffen ein Zahlungsmittel, nehmen wir doch die Kauri-Muscheln und zwingen alle diese als Steuern zu zahlen. Das klingt nicht sehr glaubhaft (History läuft eher bottom-up als top-down).
Es gibt doch gar keinen Widerspruch. Die Zentralmacht usurpiert etwas in der Tauschgesellschaft bereits entwickeltes und gut ist.
amstrand
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Zandow
17.10.2005, 18:38
@ Amstrand
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Kein Tausch |
-->Hallo amstrand,
> Die Zentralmacht usurpiert etwas in der Tauschgesellschaft bereits entwickeltes und gut ist.
Ne,ne, so ist's nicht. Du setzt hier eine Tauschgesellschaft bereits voraus. Für diese gibt es allerdings keinerlei Belege. Das Axiom des Gütertausches ist eine Ableitung aus der Folge (!) des Bestrebens nach Erlangung des frühen Geldes (Kauris, Matten-, Holz- usw. Geld). VOR Auftreten dieser frühen Geldformen hat es einen Tauschhandel eben nicht gegeben, da jeder Hof das zum Leben Notwendige selbst herstellte. Auch noch lange während der Hortung des frühen Geldes fand kein Handel oder Tausch von Gütern statt. Evtl. Warenübertragungen fanden im Rahmen sozialer Verpflichtungen statt, für die aber keine Gegenleistung erwartet wurde.
Das frühe Geld war an seinen Fundorten in der Regel nicht werthaltig. Einen Wert, der letztendlich zur Hortung beim Häuptling führte, erhielt dieses Geld erst weitab vom Fundort. Von dort mußte es mühsam herangeschaft werden. Dieses Heranschaffen zeigt nun das, was man als Handel bezeichnen könnte und zu der Auffassung geführt hat, dieser Handel sei ursächlich für das frühe Geld. Diejenigen, welche also an das frühe Geld gelangen wollten, mußten etwas den am Fundort Ansässigen anbieten, um an eben jenes Geld zu gelangen. Tempelwerkstätten und Söldner sind hier als Möglichkeit für dieses Angebot zu sehen.
Die Macht des Häuptlings, das frühe Geld als Abgabe zu erzwingen, kommt ursprünglich aus dem Kult. Diese Kulte kennen strafende (!) aber auch gebende Gottheiten. Für beide war die Ablieferung von Dingen im Kult notwendig, teils um Positives (gebende Gottheiten) zu erreichen, teils um Negatives (strafende Gottheiten) zu vermeiden.
Als Gabe von den Göttern erwarteten die Menschen Heilung (Ursprung des Schamanden aus dem Heiler), Wohlergehen, Fruchtbarkeit usw. Um dies zu Erreichen waren Abgaben an die Götter notwendig, die am Tempel bzw. beim Häuptlich oder Priester abzuliefern waren.
Die erste frühe Gottesstrafe, welche den Wert der Abgabemittel erst erzeugte, war das Menschenopfer, das rituelle Töten am Altar.
Die priesterliche Macht, die sich aus der religiösen Geisteswelt ergab, stand zu Beginn auf sehr wackeligen Beinen. Die ersten steinzeitlichen Priestertümer, die das Menschenopfer praktizierten, überlebten wahrscheinlich jeweils nur wenige Generationen, wie die Vielzahl der mitteleuropäischen Kreisgrabenanlagen, die nur wenige Jahre, allerhöchstens wenige Jahrzehnte bestanden, zeigen.
Ein weiterer Aspekt des frühen Geldes:
Nicht nur für die Hortung im Tempel fand das frühe Geld Verwendung, sondern auch zur Zahlung von Bußen. Eine Vermeidung dieser Bußzahlungen war nur um den Preis der Ausstoßung aus der Gemeinschaft möglich, was den sicheren Tod des Ausgestoßenen bedeutet hätte. Die Sanktion, welche also den Wert des Bußzahlungsmittels bestimmte, war der Entzug der sozialen Absicherung.
Zusammen:
Wer von Tausch und einem sich daraus entwickelten Tauschmittel (Kauris oder was auch immer) ausgeht, der muß auch zeigen, WAS, WANN, WO und von WEM getauscht wurde. Dies ist bisher nicht gelungen. Gegenteilig zeigt alle völkerkundliche Literatur, daß das, was als frühes Geld erscheint, letztendlich zur Zahlung von Steuern, Tributen, Bußen und Opfern (!) verwendet wurde. Diese Verwendung ist ursächlich für die weiten Wege, die dieses frühe Geld nahm und das, was es unterwegs in Gang setzte: den Handel. Und erst diese Verwendung gibt den zur Abgabe pflichtigen Dingen einen Wert, der sich aus der Vermeidung von (göttlichen) Strafen und Sanktionen herleitet.
So viel und so kurz erstmal.
Herzliche Grüße, <font color=#008000>Zandow</font>
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R.Deutsch
18.10.2005, 09:16
@ Zandow
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Re: Die Frage, erst Tausch oder erst GZ ist irrelevant |
-->Hi Zandow,
die Frage ist genauso bedeutungslos wie erst Huhn oder Ei.
Wenn GZ nicht als Tauschmitttel akzeptiert wird, entsteht ein anderes Tauschmittel (siehe, DDR-Mark, Rubel etc.). Getauscht wird immer - GZ gibt es immer nur vorrübergehend. Insofern ist auch der Nachweis von Tauschvorgängen in früheren Gesellschaften irrelevant.
Gruß
R.Deutsch
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Zandow
20.10.2005, 18:29
@ R.Deutsch
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Qualitative Wertvergleichung |
-->Hi Reinhard,
> Wenn GZ nicht als Tauschmitttel akzeptiert wird, entsteht ein anderes Tauschmittel (siehe, DDR-Mark, Rubel etc.).
Von"entsteht" kann keine Rede sein. DDR-Mark, Rubel und ander"Tauschmittel", wie z.B. die Westmark in der DDR, sind per Proklamation zum GZ erklärtes Geld (Knapp, 1905).
> Getauscht wird immer - GZ gibt es immer nur vorrübergehend.
GZ darf nicht mit dem frühen Geld (z.B. bei Hortung) verwechselt werden. Jenes gehortete Geld (in welcher Form es auch auftritt; Muscheln, Federn, Matten usw.) diente meist nur dem einmaligen Gebrauch. Von einem regelmäßigen"Tausch" auf permanenten Märkten mit irgendwelchen sich irgendwie ergebenden Werterelationen nirgens eine Spur.
Dazu dies (von Gerloff):
"Die Wertvergleichung verschiedener Güter als qualitative Größen ist dem primitiven Naturmenschen kaum faßbar. So erklären sich die uns in der ethnologischen Literatur begegnenden Angaben, wonach Eingeborenen die Wertgleichheit vielfach als eine quantitative Gleichheit verstehen."
Bewertungen, die Geltung haben, sind, wie ausgeführt, an das Bestehen einer Gemeinschaft geknüpft. In jeder entwickelten Gemeinschaft kommt es zu sozialen oder politischen Wertfestsetzungen für bestimmte Leistungen an die Götter, die Häuptlinge. <font color=#FF0000>Diese Wertfestsetzungen werden zu Wertvorstellungen, die auf andere Beziehungen übertragen werden</font>."
"Weit verbreitet war Reis als Wertmaß, ausgedrückt in gewissen Mengeneiheiten nach <font color=#FF0000>Gewicht</font> oder Raummaß (China, Japan, Indien). Unter den einheimischen <font color=#FF0000>Herrschern</font> in Burma wurde das Einkommen der Eingeborenen in Reis geschätzt; in Kaschmir war es im 16. Jahrhundert ebenso. In mehreren afrikanischen Eingeborenensprachen heißt <font color=#FF0000>Steuer</font> soviel wie Korb, was daran erinnert, daß <font color=#FF0000>Abgabeleistungen</font> in Körben von Früchten (vielfach Hirse) <font color=#FF0000>festgesetzt</font> und entrichtet wurden. <font color=#FF0000>Die Festsetzung solcher Zahlungsverbindlichkeiten schafft eine Wertgröße und ein Wertmaß, die sich einbürgern und dann auch bei anderen Lestungen Anwendung finden</font>."
Ein Gütertausch, der ein wie auch immer geartetes allgemein anerkanntes Taschmittel hervorgebracht hat, ohne daß diese nicht in einer Beziehung zu einem Herrscher oder sonstiger Macht stand, konnte bisher nicht nachgewiesen werden.
Herzliche Grüße, <font color=#008000>Zandow</font>
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dottore
21.10.2005, 17:17
@ Zandow
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Re: Dazu mal was aus China |
-->Hi Zandow,
>Ein Gütertausch, der ein wie auch immer geartetes allgemein anerkanntes Taschmittel hervorgebracht hat, ohne daß diese nicht in einer Beziehung zu einem Herrscher oder sonstiger Macht stand, konnte bisher nicht nachgewiesen werden.
Zur Ergänzung könnte noch ein Blick auf die chinesische Geschichte hilfreich sein, speziell der numismatischen Literatur dazu, wie Coole, Coins in Chinese History (zuletzt 1965), das nach wie vor als Standardwerk dient.
Wenn wir uns noch an Laum („Heiliges Geld“) und seine verunglückte Bratspieß-Theorie („OBELOS“) erinnern, fallen sofort solche erste chinesischen „Geldformen“ auf:
Beide vom 7. Bis 4. Jh. BC (aus der Chronologie-Debatte halte ich mich raus) im Schwange, beides weder aus Küchen- noch Agrar-Werkzeugen ableitbar, sondern dem Phänomen Waffe (ins Laum’sche gewandet: „Kriegsspieß“) zuzuordnen, zumal der „Spaten“ noch erheblich martialischere Ausformungen erhält:
Zu erinnern sei auch an das in Mitteleuropa weit verbreitete sog. „Beilgeld“ (Cu pur, daher als „Werkzeug“ nicht zu gebrauchen).
In China nun startet die Abgaben- - und wenig später Geldgeschichte - mit einem Staatstreich (Schreibweisen nicht eindeutig) im 12. Jh.: Wu Wang aus der Chou-Familie (offenbar ein Sub-Clan) erledigt mit Hilfe von acht nicht-chinesischen Königreichen die Shang-Yu-Dynastie (Zahl der protochinesischen Königreiche: angeblich um die 170). Wu nimmt nicht den Kaiser-Titel an („ti“), der erst ca. 800 Jahre später reaktiviert wird und bleibt beim „Wang“ (König). Das eroberte bzw. usurpierte Land wird unter den Granden aufgeteilt, was anderen Vorgängen ähnelt (z.B. Domesday Book, als nicht appellierbare Besteuerungsgrundlage in dem normannisch eroberten England im 11. Jh. AD):
Es erhalten (in Quadrat-„li“, wobei ein „li“ offenbar = 0,5 km):
- Herzog/Marquis: 100
- Graf: 70
- Viscount/Baron: 50.
Das Land wird dann weiter unterteilt in je 1000 „mu“, jeder Familie werden 100 „mu“ als Subsistenzgrundlage zugeteilt, was größenmäßig etwa dem entsprechen dürfte, was wir auch in Mesopot finden. Dann:
„One-tenth of their produce was to be given to the government“ (Coole), der klassische „Zehnte“ also.
Kurz nach 1100 BC findet eine königliche Standardisierung statt und zwar für Gold, Kupfer (nach Gewichten „chin“ und „chu“) und Seide („regular seize“).
Mitte des 10. Jh. Erscheint ein (neues) Strafgesetz, das nicht nur festlegt was den Delinquenten bei welchem der ca. 3000 Delikten droht (Brandmal / Nase ab / Fuß ab / Kastration / Tod), aber auch mit welchem Gewicht („huan“ jetzt) sich der Betreffende freikaufen kann (100 / 200 / 500 / 500 / 1000). Lokaler Durchstecherei und Korruption war damit Tür und Tor geöffnet.
Diese „huan“ (Yuan)...
Dazu: (Kaiser) Wang Mang destroyed Western Han (206 BC - AD 9) and built a new country, Xin (AD 9 - 24), but it was soon replaced by Eastern Han (AD 24 - 220).“
Da ging’s hoch her..
Heute wird das mit den Kosten der Beschaffung des Abgabenschuld-Tilgungsmittels eleganter gehandelt: Via ZB-Steuer, alias Notenbank-„Zins“. Wird der erhöht, wird es schwerer, sich „Geld“ gegen Leistung zu beschaffen, wird er gesenkt, leichter. So oder so: Das Ganze landet immer wieder, wo es begann: beim bewaffneten Zwang. Also dort:
[img][/img]
China, noch’n Königreich, noch'n Messergeld, ca. 400/300 BC. Klassisch-zeitlose Form. Ob Heckler & Koch sich da Anregungen geholt haben?
Münzbelustigungen also ohne Ende...
Gruß!
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Holmes
21.10.2005, 19:27
@ Zandow
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Re: Einführung eines Geldes durch die Tribut-Forderung |
-->Hallo Zandow,
beim Lesen Deines Beitrages fiel mir ein, wie man ein GZ in einer Gesellschaft einführen kann:
>Das frühe Geld war an seinen Fundorten in der Regel nicht werthaltig. Einen Wert, der letztendlich zur Hortung beim Häuptling führte, erhielt dieses Geld erst weitab vom Fundort. Von dort mußte es mühsam herangeschaft werden. Dieses Heranschaffen zeigt nun das, was man als Handel bezeichnen könnte und zu der Auffassung geführt hat, dieser Handel sei ursächlich für das frühe Geld. Diejenigen, welche also an das frühe Geld gelangen wollten, mußten etwas den am Fundort Ansässigen anbieten, um an eben jenes Geld zu gelangen. Tempelwerkstätten und Söldner sind hier als Möglichkeit für dieses Angebot zu sehen.
Das ist der Trick: es darf von den Schuldnern nicht einfach zu beschaffen sein, muss also von woanders herkommen.
Beispiel: ein Land, in dem eigentlich alles da ist, was man zum Leben braucht. Jetzt kommt eine Herrscher-Clique mit Waffen ins Land und fordert die schönen grünen Steine aus den Bergen des Nachbarlandes als Steuern. DAVOR hat sich niemand dafür interessiert, weder die Einheimischen, noch die Nachbarn. JETZT werden die Steinchen auf einmal ein wertvoller Gegenstand, weil die Einheimischen die Steine brauchen und bersit sind, dafür Produkte und Dienstleistungen zu erbringen. Die Nachbarn freuen sich auch, denn für das Ausgraben der Steine bekommen sich auch die tollen Dinge von nebenan.
Alles paletti, oder? Und SO wird aus all den Dingen, die eigentlich niemand"braucht" (Gold, Silber, Kauri, Papier,...) GELD.
Dieses Modell müsste sich doch historisch nachweisen lassen, oder?
Beste Grüsse,
Holmes
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Zandow
23.10.2005, 14:13
@ dottore
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Den Hammer ans Fundament! |
-->Hallo dottore,
Dank für das schöne posting.
Die frühen chinesischen Geldformen (erstes Bild) erinnern irgendwie an die bronzezeitlichen nordeuropäischen Rasiermesser (neulich in Speyer zu sehen gewesen). Das Interessante an diesen Rasiermessern ist nicht nur ihre seltsame Form, sondern auch ihre Gravuren. Diese zeigen den Lauf der Sonne im Tages- und Jahresverlauf (kann Mann sich mit Bronzemessern wirklich rasieren??). Eine Interpretation dieser Rasiermesser ähnlich den chinesischen Geldformen erscheint mir nun durchaus möglich, mit aller Vorsicht natürlich.
Die Untersuchungen von Gerloff und auch H. Schurtz ("Grundriss einer Entstehungsgeschichte des Geldes", 1898) weisen uns den Weg in die Völkerkunde. Es geht eben nicht gut, die Verhältnisse moderner (Industrie-)Gesellschaften auf frühe Gesellschaften zu übertragen und dann damit auch noch die modernen Verhältnisse erklären zu wollen. Man muß bei der Erklärung heutiger Abläufe und Verhältnisse wirklich ganz früh anfangen. Schurtz dazu:
„Wenn es die Aufgabe der Völkerkunde ist, allen mit ihr verwandten Wissenschaften nunmehr, nachdem diese andern sich längst entwickelt haben, eine breitere und festere Grundlage ihrer Theorien zu geben, so wird sie auch die Lehren der Volkswirtschaft in diesem Sinne nachzuprüfen und bald besser zu stützen, bald auf Grund ihrer tieferen Einsicht umzubilden oder ganz zu verwerfen haben. Diese Aufgabe ist nicht immer leicht. Wer oben in dem glänzenden Gebäude wohnt, fragt ungern nach der Sicherheit des Baugrundes und der unteren Mauern, und der Ethnolog, der prüfend mit dem Hammer an den Fundamenten herumklopft, ist ihm unangenehm und lästig. Ist es doch so viel dankbarer, immer neue Stockwerke und Türme aufzusetzen, als zuzugeben, dass das ganze Bauwerk auf schwankenden Grunde ruht, oder gar in die Tiefe zu steigen und dort, fern vom Lärm und Beifall des Tages, die schadhaften Mauern auszubessern.
Die Geschichte des Geldes ist eines der lehrreichsten Beispiele dieses Verhältnisses zwischen der Völkerkunde und einer ihr nahestehenden Wissenschaft. Soweit diese Geschichte von Nationalökonomen geschrieben wird, stützt sie sich nach guter alter Sitte ausschliesslich auf die Ueberlieferungen der altklassischen und der neueren Kulturvölker; diese gelten schlechthin als typisch für die Menschheit. Auf dieser beängstigend schmalen Grundlage wachsen dann die verwegensten Theorien bis in den Himmel, und Gold- und Silbermänner verkünden aus der schwindelnden Höhe dem erstaunten Volke ihre Weisheit. Unter ihrem Lärme wird die Forderung der Völkerkunde, die Basis der Forschung zu verbreitern, zunächst gewiß unbeachtet verklingen, aber sie wird endlich gehört werden müssen, wenn die Verwirrung auf andere Weise nicht mehr zu lösen ist und statt der kämpfenden Interessen wieder einmal die Wahrheit zu Worte kommen darf. Aber auch zu ihrem eigensten Vorteil wird die Völkerkunde sich mit den Fragen beschäftigen, die sich auf die Anfänge und die Entwicklung des Geldwesens beziehen, denn weil der Begriff ‚Geld’, wie wir ihn gebrauchen, eine Errungenschaft der Kultur ist, so stiftet seine kritiklose Anwendung auf einfachere Verhältnisse allerlei Unheil, besonders in den Reiseberichten.“
Also in diesem Sinne:
Den Hammer zur Hand und ran ans Fundament!
Herzliche Grüße, <font color=#008000>Zandow</font>
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Zandow
23.10.2005, 14:52
@ Holmes
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Grüne Steine (und blaue) |
-->Hallo Holmes,
>Dieses Modell müsste sich doch historisch nachweisen lassen, oder?
Na aber klar doch (dottore könnte sicherlich"aus der Kalten" eine Vielzahl solcher historischer Abläufe zeigen).
Die Römer hatten ihr Gold aus Spanien und der Türkei, erst als Tribut, später als Steuer.
Das Zinn für die Bronzeherstellung kam aus einem nordtürkischen Gebirge oder von noch weiter östlich (so genau weiß man's wohl noch nicht; auch die Entdecker des Mischungsverhältnisses [90 Kupfer, 10 Zinn] sind noch nicht gefunden).
Die Ägypter verwendeten für die Totenmasken Gold und einen blauen (Edel-?)Stein, der aus einem Gebirge in Afghanistan kam, also auch sehr weit weg.
Die großen Muschelhorte sind weit im Landesinneren gefunden worden, also auch weit weg von ihrem Fundort.
Ein sehr schönes, zeitlich näheres Beispiel, ist auch die Verleihung der Handelsprivilegien an Kaufleute, was dann zur Entstehung der Hanse geführt hat. Diese Kaufleute verkauften die in den königlichen Manufakturen hergestellten Produkte gegen Geld (und sind dabei natürlich selbst wohlhabend geworden). Also nix mit 'freier Handel' und 'freie Vereinbarung'. Der Starter dessen, was dann als Handel zu sehen ist, war das Bestreben der Macht zur Erlangung von Edelmatall u.a.. Nun aber nicht über Krieg und Tribut, sondern über Handel.
Gerloff war gaaaanz dicht dran und hat immer wieder die Rolle des frühen Geldes als Zahlungsmittel für Sterern, Tribute, Bußen und Opfer erwähnt:
„... ist der kriegerische Verkehr, der die Entstehung und Ausbildung des Geldes und des Geldwesens schon in früherster Zeit vorantreibt. Hervorgehoben seien hier die folgenden Tatbestände:
1. Hortstücke gelangen aus Anlaß kriegerischer Unternehmungen in den Verkehr; sie dienen zur Werbung von Bundesgenossen [Söldner, Z.], zur Zahlung von Tributen usw., wie vielfach dargelegt worden ist.
2. Kriegerische Horden lernen auf ihren Eroberungszügen das Geld höher entwickelter Völker kennen. Sie übernehmen es, wenn auch nicht als Tauschmittel, sondern als Schatzbildner. So gelangen die Germanen auf ihren Kriegszügen als Besieger oder als Söldner Roms in den Besitz römischen Metallgeldes, das sie in die Heimat bringen, wo es zunächst kaum wirtschaftliche Verwendung findet.
3. Infolge kriegerischer Unternehmungen entsteht ein Geldbedarf, der zur Entwicklung oder Übernahme eines Geldsystems führt, das bisher unbekannt war. So ist es im karthagischen Reich trotz reicher Entfaltung seines wirtschaftlichen und kulturellen Lebens erst ziemlich spät zur Einführung des gemünzten Geldes gekommen, dann nämlich, als seine kolonialen Unternehmungen zur Anwerbung von Söldnern führten, die in Hartgeld entlohnt werden wollten.“
Trotzdem hat er die ursächliche Bedeutung dessen für die Geldentstehung nicht erkannt.
Die Entstehung von Wert bei scheinbar nutzlosen Dingen entsteht aus dem Kult heraus. Zu dieser Wertentstehung ist also ein Kult notwendig, der den scheinbar nutzlosen Dingen einen Wert verleiht. Dazu beschwören die Priester die Götter. Die Legitimität ergibt sich nun aus dem (vermeintlichen Nutzen) der gebenden Götter für die Menschen. Über diesen Ablauf erhalten die Priester die Möglichkeit, mit den nun wertvollen Dingen einen Teil des Sozialproduktes zu kaufen, das sie sonst in einer Art Sklavenverhältnis erzwingen müßten. Der Kult führt jedoch zu einer scheinbaren Freiwilligkeit bei Leistung der Abgabe an den Tempel. Hierin liegt der Grund, warum 'gebende' Mächte länger überleben, als nur erzwingende. Dieses Geben, ursprünglich nur solches wie Jagdglück, Schutz vor Krankheiten usw., hat sich dann bis zur vollkommenen sozialen Absicherung entwickelt. Eine Macht, welche die existenziellen Lebensrisiken der Abgabepflichtigen sichert, kann sich lange erhalten, denn sie wird von den Abgesicherten aktiv mitgetragen. An Umsturz oder Beseitigung dieser Macht denken die Abgabepflichtigen erst, wenn diese Absicherung nicht mehr oder nicht mehr ausreichend gelingt.
Schönen Sonntag noch, <font color=#008000>Zandow</font>
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Popeye
23.10.2005, 15:44
@ Zandow
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Re: Den Hammer ans Fundament! |
-->Hallo, @Zandow,
Du solltest Deinen Freund Bernhard Laum erschöpfend konsultieren. In einem kleinen Büchlein „Das Eisengeld der Spartaner“ 1925 folgt Laum der ursprünglichen Anregung der Altphilologen Ullrich von Wilamovitz-Moellendorff (1848-1931) und Frederik Poulsen (1876-1950), dass die auf einigen spartanischen Inschriften erkennbaren Sicheln tatsächlich das gefeierte Eisengeld der Spartaner seien. > Gebrauchsgegenstand >Opferwerkzeug > Opfer > Tauschmedium. Dort hättest Du das Sichelgeld schon finden können.
Leider hat Laum mit seiner These nicht viele Freunde gefunden.
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Popeye
23.10.2005, 16:23
@ Zandow
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Re: Grüne Steine (und blaue) |
-->Wieso scheinbar?
„Der Kult führt jedoch zu einer scheinbaren Freiwilligkeit bei Leistung der Abgabe an den Tempel.“
Haben Sie freiwillig gegeben oder nicht?
Es ist der elementare Tausch/Kauf: Opfer gegen Wohlergehen und Abwehr von Übel.
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Zandow
24.10.2005, 20:36
@ Popeye
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Scheinbares und Unscheinbares |
-->Hallo Popeye,
>Wieso scheinbar?
>„Der Kult führt jedoch zu einer scheinbaren Freiwilligkeit bei Leistung der Abgabe an den Tempel.“
>Haben Sie freiwillig gegeben oder nicht?
Tja, das ist ja die Frage, die ich zunächst verneinen möchte. Die Freiwilligkeit ist eben nur scheinbar. Fällt der von den Priestern/Religionen ins Leben gerufene und am Leben erhaltene Kult weg, wird auch nicht mehr geopfert. Die Freiwilligkeit zum Opfer ist eben m.E. nur scheinbar, denn dahinter steckt ein kaum sichtbarer Zwang, der über eine Ideologie/Kult/Religion transportiert wird und natürlich auch die entsprechenden Sanktionen breithält. Just aus diesem Grunde meine derzeitige Beschäftigung mit dem Menschenopfer. (Hast mir ja viel Stoff zum Lesen gegeben. Dank dafür!)
>Es ist der elementare Tausch/Kauf: Opfer gegen Wohlergehen und Abwehr von Übel.
Die Verbindung von Wohlergehen und Abwehr von Übel zu einem Opfer muß erstmal hergestellt werden. Diese konstruierte Verbindung ist von den Priestern ersonnen worden und wird über den Kult transportiert. Von"elementar" (evtl. im Sinne von naturgegeben) kann also keine Rede sein. Götter, Kulte, Religionen sind ebenso wie atheistische Ideologien Menschenwerk! Der eben nur scheinbaren Freiwilligkeit des Opfers liegt also ein Zwang inne. Bei Nichtleistung des Opfers tritt eine göttliche (menschengemachte!) Sanktion ein. Es liegt nun an der Ausgestaltung des Kultes, die Verantwortung für diese Sanktion von der Person des Priesters zu trennen und auf die Götter zu übertragen. In dieser Übertragung liegt die Ursache, daß das Opfer als freiwillig gegeben erscheint.
Herzliche Grüße, <font color=#008000>Zandow</font>
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Zandow
24.10.2005, 21:01
@ Popeye
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So ein Pech aber auch |
-->Hi Popeye,
> „Das Eisengeld der Spartaner“ 1925
Bedauerlicherweise z.Z. keine Angebote. [img][/img] Heul, heul...
Z.
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Popeye
24.10.2005, 21:08
@ Zandow
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Re: Scheinbares und Unscheinbares |
-->Das sind plausible Ausführungen, lieber @Zandow.
Sie setzen jedoch insgesamt voraus, dass „Glauben“ oder wenn Du willst „Aberglauben“ einen Priester, eine oder eine fordernde Institution voraussetzt. Ist das wirklich so? Hast Du Dich noch nie dabei bei einem ähnlichen Gedanken ertappt:
Wenn das und das „Gewünschte“ (zufällig) eintritt, dann mache ich das und das? Also ein Versprechen an Dich selbst, abhängig von einem (zufälligen) gewünschten Ergebnis.
Wie viele Gründe muss es für Menschen vor 10 oder 20.000 Jahren gegeben haben solche Ereignisse herbeizuwünschen. Jedes Naturereignis war unerklärlich und deshalb bedrohlich und hat zu übernatürlichen Erklärungen herausgefordert.
Ob die Gewalt des Meeres, des Windes, des Feuers, des Blitzes oder des Donners, selbst der Fruchtbarkeit, alles war unerklärlich, übernatürlich und Angst einflössend. Böse Geister, Dämonen und schließlich Götter (Beschützer) wurden in der Phantasie der Menschen erschaffen und mussten besänftigt oder freundlich gestimmt werden. Wie wohl?
Priester, die die Rituale beherrschten und dafür „Opfer“ - aus Eigennutz forderten - (siehe AT) tauchten erst viel später auf. Ähnlich wie fordernde Häuptlinge oder „Big Men“ erst viel später auftauchten.
Zunächt war das"Opfer" ebenso die die Reziprozität der Gruppe freiwillig - so jedenfalls meine Überzeugung.
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nereus
24.10.2005, 22:22
@ Popeye
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Re: Scheinbares und Unscheinbares - Popeye |
-->Hallo Popeye!
Du schreibst: Ob die Gewalt des Meeres, des Windes, des Feuers, des Blitzes oder des Donners, selbst der Fruchtbarkeit, alles war unerklärlich, übernatürlich und Angst einflössend. Böse Geister, Dämonen und schließlich Götter (Beschützer) wurden in der Phantasie der Menschen erschaffen und mussten besänftigt oder freundlich gestimmt werden.
Wenn die Geister und Götter in der Phantasie der Menschen erschaffen wurden, dann wäre auch eine Erklärung hilfreich, wie sie da eigentlich hinein kamen (in die Phantasie).
Vom Fliegen kann man z.B. nur träumen, weil man fliegende Vögel am Himmel sehen kann oder ein Flugzeug, Gleitschirm oder ähnliches beobachtet.
Wenn man in der Nacht vom Fliegen träumt und glaubt man flöge, dann macht man Schwimmbewegungen, weil wir Menschen nicht wirklich fliegen können und nur das nachempfinden, was wir wirklich einmal erfahren haben.
Beim nächsten Traumflugerlebnis bitte einmal auf die Bewegungsabläufe achten.
mfG
nereus
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CRASH_GURU
25.10.2005, 08:51
@ nereus
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Re: Scheinbares und Unscheinbares - Popeye |
-->Hi, darf ich auch mal was dazu sagen?
>Hallo Popeye!
>Du schreibst: Ob die Gewalt des Meeres, des Windes, des Feuers, des Blitzes oder des Donners, selbst der Fruchtbarkeit, alles war unerklärlich, übernatürlich und Angst einflössend. Böse Geister, Dämonen und schließlich Götter (Beschützer) wurden in der Phantasie der Menschen erschaffen und mussten besänftigt oder freundlich gestimmt werden.
>Wenn die Geister und Götter in der Phantasie der Menschen erschaffen wurden, dann wäre auch eine Erklärung hilfreich, wie sie da eigentlich hinein kamen (in die Phantasie).
Gute Frage, vielleicht gab es gab schon immer"Gäubige" die gerne glauben und"Priester" die deren Fantasie auf die Sprünge halfen? Das gründet vermutlich in den frühen Kindheitserfahrungen.
>Vom Fliegen kann man z.B. nur träumen, weil man fliegende Vögel am Himmel sehen kann oder ein Flugzeug, Gleitschirm oder ähnliches beobachtet.
>Wenn man in der Nacht vom Fliegen träumt und glaubt man flöge, dann macht man Schwimmbewegungen, weil wir Menschen nicht wirklich fliegen können und nur das nachempfinden, was wir wirklich einmal erfahren haben.
Nein, ich mache sicher keine Schwimmbewegungen!
Das Gehirn kann nicht unterscheiden zwischen dem was wir sehen und was es als"Erfahrung" abgespeichert hat, d.h. bei entsprechender Fantasie kann auch eine überzeugend erzählte Geschichte zu"Erfahrung" werden.
>Weiterhin wäre zu klären, wie die dummen Menschen es seinerzeit nicht schafften, die himmlischen Mogelpackungen zu durchschauen.
Schaffen sie heute auch nicht... siehe 911, Selbstmordbomber, Fatima etc. etc.
>Wenn also ausschließlich natürliche Ursachen die Menschen zu freiwilligen Abgaben nötigten, dann wäre zu fragen, warum sie nicht irgendwann merkten, daß ihre Opfer und der gute Wille der Götter (alias die Natur) nur sehr schwer übereinkamen.
Kissinger und Arafaat haben auch den Friedensnobelpreis erhalten!?
Alles kann umgedeutet werden, Kommunisten haben im Westen immer ein besonders menschenfreundliches, soziales Image, aber mehr Menschen umgebracht als alle anderen polit. Glaubensrichtungen. Und?
>Und schließlich wäre dann noch zu hinterfragen, wie es dann die Priester danach noch bewerkstelligten mit dem gleichen Klamauk weitere tausend Jahre die Massen zu veralbern.
Diese Fage stelle ich mir jeden Tag wenn ich die Nachrichten lese, aber im Falle der Abgabe (zB. Kirchensteuer) spielt heutzutage natürlich eine Konditionierung, die schon im frühen Kindesalter begonnen hat, eine wichtige Rolle, auch Gruppendruck etc. und diese Kondition wieder abzuschütteln ist mE äusserst schwierig.
>Lese ich jedoch Zitate aus den grauen Vor-Zeiten, dann kommen mir die Menschen dieser Epochen so dämlich nun auch wieder nicht vor.
>Wie gelang es aber nun den Priestern die Massen zu überzeugen bzw. geistig in Schach zu halten?
Man verspricht ihnen zB das ewige Leben? -:)
>Ein paar Beweise bzw. Erfolge der positiven Einflußnahme hätte es doch sicher bedurft, oder?
Das lässt sich doch leicht arrangieren!
Man verkauft den Menschen heute doch tagtäglich Dinge die nicht die verspochene Wirkung haben! Kosmetik, Pharma etc.??? Alles eine Glaubensfrage -:)
>Das Phänomen der Götter ist ja nicht nur bei hochorganisierten Zivilsationen aufgetreten, sondern auch bei primitiven Völkern, wo keine bewaffnete Heerschar den Glauben zwangsweise verordnete.
>Da nun aber die steinernen Zeugen der Vergangenheit einen z.T. gigantischen kultischen Aufwand über die Jahrtausende nachweisen, müssen die vielen Mißerfolge der unbeeinflußbaren Naturgewalten und die opferbereiten Menschenmassen irgendwie in Deckung zu bringen sein.
>Das sich die Natur ihrerseits per Zufall an den Opfergaben der Menschenkinder orientierte, dürften wir beide nicht glauben, dagegen spricht nämlich die Wahrscheinlichkeit.
Na ja, wie bei EW Prechter, einmal richtig (?) gelegen reicht offenbar für den Rest seines Lebens...
>Und nun? Vielleicht hatte von Däneken doch recht??
Gruss
Wenn Dreiecke einen Gott hätten, würden sie ihn mit drei Ecken ausstatten. (Charles-Lois Baron de Montesquieu, frz. Philosoph, 1689-1755)
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Popeye
25.10.2005, 10:28
@ nereus
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Re: Scheinbares und Unscheinbares - @nereus |
-->Hallo, @nereus
Dort wo wir Einblick in das frühe religiöse Denken unserer Vorfahren haben (Mesopotamien, Griechenland, Nordische Götterwelt) können wir immer feststellen, dass die Götter eine sehr menschliche Verhaltensweise an den Tag legen. Die Götterwelt war im gewissen Sinne ein Spiegelbild der menschlichen Welt - durchlässig (Halbgötter) unmittelbar (Götter kamen auf die Erde) und gewalttätig (Strafen - z. B. Flut) und immer für eine Überraschung gut (sprich: willkürlich). - Noch mal zu Gustav Schwab oder zum Gilgamesh Epos greifen wenn die Unmittelbarkeit der Götterwelt unserer Vorfahren nicht mehr gegenwärtig ist.
Wenn Du nun fragst:
Wenn die Geister und Götter in der Phantasie der Menschen erschaffen wurden, dann wäre auch eine Erklärung hilfreich, wie sie da eigentlich hinein kamen (in die Phantasie).
kann ich auch nur spekulieren, denn ich war nicht dabei.
Eine Möglichkeit beginnt mit dem Totenkult. Wir wissen, dass es schon sehr früh Beisetzungsriten gab - mit Grabbeigaben, die man auch so interpretieren kann, dass dies die Dinge sind, die ein Verstorbener in seinem ‚nächsten Leben’ benötigt. Diese Praxis könnte also darauf hinweisen, dass es schon vor 15.000 Jahren eine (wie auch immer geartete) Vorstellung von „diesseits“ und „jenseits“ gab. Spätestens damit war aber das „Tor zu den Göttern“ aufgestoßen, denn der Geist der Ahnen/Toten blieb „lebendig“.
In der nächsten Stufe wurde die Zwiesprache zwischen Lebenden und toten Ahnen intensiver: Der Kopf der Toten wurde vom Rumpf getrennt, mit Ton überzogen und an einer praktikablen Stelle zur täglichen Zwiesprache aufgestellt.
<center>[img][/img] </center>.
Zusätzlich wurde der Rumpf der Toten unmittelbar unter der Lehmfußboden der Hütten beigesetzt.
M.a.W. die Zwiesprache zwischen Lebenden und Toten war also sehr intensiv und die Phantasie der Lebenden konnte den Toten alle Möglichkeiten direkt oder indirekt zusprechen,- zum Beispiel auch den direkten Kontakt zu den Göttern - die den Lebenden nicht oder nicht unmittelbar zugänglich waren.
Vielleicht war dies der Türöffner - vielleicht auch nicht, so jedenfalls die archäologische Faktenlage im Nahen Osten.
Deine zweite Frage:
Weiterhin wäre zu klären, wie die dummen Menschen es seinerzeit nicht schafften, die himmlischen Mogelpackungen zu durchschauen.
geht m. E. von einer nicht richtigen Prämisse aus - siehe auch mein Posting an @Zandow.
Die Erklärungsnot unserer Vorfahren angesichts praktisch aller Naturereignisse war echt. Welche Erklärung hätte den überhaupt näher liegen können als einen Blitz, ein Erdbeben, eine Sonnenfinsternis oder eine Missernte als göttliches Zeichen zu deuten? (Wenn Du kleine Kinder im Haus hast, weißt Du was z. B. bei einem nächtlichen Gewitter los ist!)
Von dieser Richtung her war (und ist) es keine „Mogelpackung“. Auch Du und ich tragen eine Vorstellung im Kopf mit uns über die Fragen zu denen die Naturwissenschaft (noch?) keine Antwort geben kann. Und wenn es diese Antworten einmal gäbe, würden wir wieder neue Fragen stellen.
Und wenn die Opfer unserer Vorfahren nicht die erwünschte Wirkung hatten oder nicht angenommen wurden, dann waren unsere Opfer zu gering, oder dem falschen Gott geopfert, oder zur falschen Zeit oder das Falsche wurde geopfert. Jedenfalls lag die vermeintliche Schuld immer bei dem Opfernden.
Das aber, ist das Einfallstor durch das die Priesterkaste marschierte: Die Anmaßung „zu wissen“ - so jedenfalls meine Interpretation. Zu wissen wie man mit den Göttern spricht damit sie die Opfer gnädig akzeptieren. Die rituelle Verbrämung der Zwiesprache mit den Göttern.
Dies war der erste Tempel den wir im Nahen Osten kennen - <a href="http://condor.depaul.edu/~sbucking/ubaidtemp.jpg">Eridu</a> - etwa 5.000 Jahre v. Chr. im Süden Mesopotamiens. Ein kleiner Raum, etwa 3 x 3 m und so sieht ein Tempel 7.000 Jahre später aus.
Damit wären wir bei Deiner 3. - wohl eher rhetorischen - Frage:
Und schließlich wäre dann noch zu hinterfragen, wie es dann die Priester danach noch bewerkstelligten mit dem gleichen Klamauk weitere tausend Jahre die Massen zu veralbern.
Sie haben die Zwiesprache mit den Göttern monopolisiert, d.h. der Weg zu den Göttern führt nur über die Priester und sie haben die Zwiesprache so manipuliert, dass der Erfolg der Zwiesprache mit der individuellen Schuldfrage verknüpft wurde. M. a. W. für den etwaigen Misserfolg des erbrachten Opfers ist nicht der Priester, sondern der Opfernde, wegen seiner übergroßen Schuld (= Regelverstöße) verantwortlich. Ein perfektes System, aus dem es kein Entrinnen gibt.
Grüße
P.S.
Ich kann nur hoffen, dass ich niemandes religöse Empfindungen verletzt habe.
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bernor
25.10.2005, 23:23
@ Popeye
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Warum Priestertum? |
-->Hi Popeye,
Das aber, ist das Einfallstor durch das die Priesterkaste marschierte: Die Anmaßung „zu wissen“ - so jedenfalls meine Interpretation. Zu wissen wie man mit den Göttern spricht damit sie die Opfer gnädig akzeptieren. Die rituelle Verbrämung der Zwiesprache mit den Göttern.
da bleibt noch zu klären, wie - separat vom ursprünglichen Schamanen- und Privat-Kult - das, durchweg"hochkulturelle", Priestertum überhaupt entstanden ist: es hatte zwar mit dem"Vermittlungsmonopol" auch eine Legitimationsfunktion für das jeweilige Machtsystem (gegen Sicherung der Tempeleinkünfte) und war somit mit diesem, anscheinend unverzichtbar, symbiotisch verbunden, aber eine solche alleinige Funktion wäre von den"Gläubigen" = Untertanen schnell"durchschaut" und damit unwirksam geworden.
Das Priestertum mußte also schon vorher etwas Originäres an sich gehabt haben, welches es
1) sowohl für die jeweiligen, erst später von außerhalb auftretenden Machthaber (Nachfolger der ersten Priesterkönige Mesopotamiens u.a.) als"Partner" attraktiv erscheinen ließ
2) als auch vom Schamanentum unterschied.
An dieser Stelle ist es jetzt wichtig, zwischen dem alltäglichen Unbill, der den Menschen ankommen konnte und sie folgerichtig den"einfachen" Kult entwickeln ließ (Amulette als Abwehrzauber u.a.) und den mit dem Priesterreligionen ebenfalls untrennbar verbundenen apokalyptischen Szenarien zu unterscheiden: mit letzteren ist die - dem"Naturkult" mangels entsprechender Erfahrungen fremde - Vorstellung vom allumfassenden Weltuntergang verbunden - wie kommen Menschen, denen zwar Unheilvolles, aber hierin auch"Alltäglichliches", weil Überlebbares, widerfährt, zu der Vorstellung, daß ihre Welt als solche irgendwann einmal"zu Ende" gehen könnte?
Das spricht nun dafür, daß frühe (Jetzt-)Menschen ein- oder mehrmals etwas erlebt haben, was fast einen Weltuntergang darstellte, in seiner Wirkung zumindest aber über das bisher gewohnte Unheil (einschließlich"normaler" Sturmfluten, denen man ausweichen konnte) weit hinausging.
Tatsächlich gibt es Zeugnisse von (durch was auch immer verursachten) Großkatastrophen während der Bronzezeit: Überschwnmmungen in einem später nie wieder erreichtem Ausmaß in Mesopotamien, vollständig verbrannte Städte (bei denen sich z.B. schon die Ausgräber von Ugarit in Syrien 1937 darüber gewundert haben, daß die 'üblichen Verdächtigen', die"Seevölker" nicht nur die Stadt, nach gewiß untypischer vorheriger Beseitigung aller Kampfspuren, einfach in Brand steckten, sondern hierzu auch alles brennbare Material aus der weiten Umgebung hätten heranschaffen müssen) und von starken Beben zerstörte Städte mit eingestürzten Großbauten wie Zigguraten etc.
Hier tat sich für die späteren Priester (vormalige Schamanen?) ein neues Betätigungsfeld auf, welches Gunnar Heinsohn in"Die Erfindung der Götter" so beschreibt: die"Besänftigung" der Gemeinde durch rituelles"heilendes Nachspielen" der jeweiligen Katastrophe - mit"vertauschten Rollen" wie im Kinderspiel: daß furchterfüllte, paralysierte Erwachsene in ihrem Verhalten durchaus auf die Stufe eines Kindes zurückfallen können, ist bekannt und wurde damals durch die obige"Gruppentherapie" im gemeinsam erlebten Opferakt"geheilt": die durch die im voraus bestimmte Opferfigur, Tier oder (wohl überwiegend) Mensch, personifizierte Gottheit wird für das von ihr angerichtete Unheil"bestraft" - das anschließende"Wiedergutmachungs"-Ritual führt über die göttergleiche Verehrung des Opfers schließlich zu überwiegend"vermenschlichten" Göttern.
Man kann Heinsohns These vielleicht in einzelnen Punkten anzweifeln, z.B. das von Immanuel Velikovsky übernommenen, im einzelnen eher spekulative Szenario von sich zeitweilig auf erratischen Bahnen bewegenden Planten (Merkur, Venus, Mars) als Verursacher der Großkatastrophen - müßte sich dann aber nicht nur fragen, auf welche Weise sonst (heutzutage) schwache Lichtpunkte am Nachthimmel derartige übermäßige Reaktionen (mit Menschenopfern und dergleichen) hervorrufen sollten, sondern auch, wie die damaligen großkatastrophisch getroffenen Gesellschaften sonst wieder hätten"stabilisiert" werden können.
Gruß bernor
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Popeye
26.10.2005, 08:19
@ bernor
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Re: Warum Priestertum? |
-->Danke, @bernor,
"Wiedergutmachungs"-Ritual sehr schön, und man weiß ja wohin das führte. Leider kenne ich „Die Erfindung der Götter“ noch nicht - wird umgehend nachgeholt. In anderem Zusammenhang, aber ähnlich brisant übrigens - Jan Assmann, Die Mosaische Unterscheidung - oder der Preis des Monotheismus, 2003.
Auf Deinen Halbsatz „….aber eine solche alleinige Funktion wäre von den"Gläubigen" = Untertanen schnell"durchschaut" und damit unwirksam geworden.“ werde ich nach dem Studium von Heinsohn evtl. nochmals zurückkommen.
Dank & Grüße
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Holmes
26.10.2005, 16:03
@ bernor
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Re: Warum Priestertum? |
-->Hi bernor und alle anderen, die am Thread beteiligt sind!
Ich war beruflich unterwegs und konnte mich in den Thread, den ich da wiederbelebt hatte, gar nicht einbringen.
Die Diskussion um das Entstehen der Priesterschaft finde ich sehr interessant und wesentlich. Ich habe noch keine fundamentalen Literaturkenntnisse, aber zur Frage, warum man eigentlich einen"Führer" braucht und was diesen ausmacht, hat Esther Vilar in dem Buch"Die betörende Macht der Dummheit" eine interessante Argumentation gebracht, die ich gleich darstelle.
Zunächst kann man feststellen, dass das Leben kompliziert ist und ein Leben, welches nicht komplett durch bewährte Routinen geprägt ist, zeitweilig recht anstrengend sein kann. Es gibt viele Möglichkeiten, etwas falsch zu machen und dann ist man auch noch selber schuld. Viel schöner und bequemer ist es, wenn jemand anderes einem die Entscheidungen abnimmt. Erstens braucht man sich nicht mehr den Kopf zu zerbrechen und es ist zweites der Entscheider schuld. Noch besser, wenn auch dieser die Schuld wieder an jemand höheren abgeben kann, z.B. an einen Gott. Dann sind es Gottes unergründliche Wege, die dazu geführt haben, dass wir dieses Jahr nichts zu essen haben. Wahrscheinlich haben wir es nicht besser verdient, basta. Noch mehr Opfer an den Gott. Wie kann dieses System (exisitiert es erst einmal) wieder korrigiert werden? Nicht aus sich selbst, sondern nur durch solche Dinge wie Aufklärung und Wissenschaft (siehe Kant: Was ist Aufklärung?)
Zwischenfazit: aufgrund der Qual von Entscheidungen in komplexen Umgebungen ist es immer bequemer, einen Entscheider zu akzeptieren, als selbst zu denken. Trend zur Hierarchisierung, Abgabe von Verantwortung nach oben.
Wer wird"Entscheider"/Führer?
Hier kommt Esther Vilars nette Idee und ein kleiner Anlauf: Man kann jemanden als intelligent bezeichnen, der sich 1. die verschiedenen Folgen/Konsequenzen von Entscheidungen vorstellen kann (Phantasie) und der 2. sich in die Menschen, die von diesen Entscheidungen/Folgen betroffen sind, einfühlen kann (Empathie). Ein intelligenter Mensch ist oft ein schlechter, zaghafter Führer, weil er genau weiß, dass er gar nicht alle Konsequenzen seiner Entscheidungen vorhersehen kann und er immer dabei mitfühlt, welche Menschen unter den verschiedenen Optionen leiden müssen.
Ein dummer Mensch ist dagegen jemand, der sich nicht viele Gedanken über die Konsequenzen seiner Entscheidungen macht und der die Gefühle anderer Menschen auch nicht antizipieren kann. Der Dumme nimmt daher die Enstcheidung, die KURZFRISTIG für IHN gut ist, weil er alles andere gar nicht verstehen kann.
Dumme sind die idealen Führer, denn sie sind in der Lage, schnell Entscheidungen zu treffen und diese sehr überzeugt darzustellen. Sie stehen hinter ihren Entscheidungen, weil sie wirklich davon überzeugt sind, dass es die beste ist, die sie treffen konnten und das spüren die Geführten auch.
Ein dummer Führer zweifelt nie (kann er gar nicht) und wirkt deswegen extrem kompetent und sicher. Er hat auch keine Skrupel (weiss gar nicht, was das ist) und damit auch kein schlechtes Gewissen.
Nun, was sind jetzt Priester? Ebenfalls Menschen, die ein klares, einfaches Weltbild haben, die nicht mehr zweifeln, sondern glauben und daher auch eine extrem überzeugende Art an sich haben. DESWEGEN sind die Menschen ihnen auch hinterhergelaufen, weil die Priester eine Sicherheit vermitteln, die es nicht gibt, die man aber gerne haben möchte.
Spannend in diesen Zusammenhang ist die schon lange zunehmende Welle von religiösen Fundamentalismen in Ost und West. In einer unsicheren und komplexen Welt kommt die Sucht nach Sicherheit und Wahrheit wieder hoch.
Die Wissenschaft weiss, dass es Wahrheit nicht gibt, gute Theorien harte Arbeit sind und man geistig sehr flexibel sein muss. Der ideale Wissenschaftler zweifelt an allem"De Omnibus dubitandum" und verwirft mit Konrad Lorenz jeden Morgen eine seiner Lieblingshypothesen:-)
Der normale Mensch klammert sich an seine Vorurteile, sobald er sie selbst geäußert hat, weil er sich nun mit ihnen identifiziert. Das verhärtet die Fronten, vor allem, weil es keine Verfahren gibt, die es einem erlauben, ohne Gesichtsverlust in der Ã-ffentlichkeit dazu zu lernen. Also bleiben alle bei ihren vermeintlichen Wahrheiten...
Wieder einmal eine prima Situation für Aberglauben und starre Denksysteme, ich denke, das Mittelalter könnte schon bald wiederkommen...
Beste Grüsse,
Holmes
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Zandow
26.10.2005, 20:56
@ Popeye
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Göttliches Gewitter |
-->Hallo Popeye,
bin in Eile, deswegen nur kurz:
> Die Erklärungsnot unserer Vorfahren angesichts praktisch aller Naturereignisse war echt. Welche Erklärung hätte den überhaupt näher liegen können als einen Blitz, ein Erdbeben, eine Sonnenfinsternis oder eine Missernte als göttliches Zeichen zu deuten? (Wenn Du kleine Kinder im Haus hast, weißt Du was z. B. bei einem nächtlichen Gewitter los ist!)
Das Beispiel ist gut. Wenn sich Kinder vor einem Gewitter fürchten, so verlangt dessen Deutung als ein göttliches Zeichen eine gigantische Abstraktionsleistung. Den natürlichen Vorgängen eine göttliche Ursache zu geben, liegt m.E. gar nicht nahe. Dem Kinde wird im Laufe seiner Erziehung der göttliche Gedanke nahe gebracht; von seinen Eltern oder eben geistlichen Lehrern. Ließe man das Kind ohne die Bekanntschaft zu einem Gedanken an eine göttliche Kraft aufwachsen, so würde sich eben jene Abstraktion nicht herausbilden.
Zum von bernor angesprochenen Schamanismus:
Probst schreibt in seinem Buch"Deutschland in der Steinzeit""... so war wahrscheinlich der Schamane der erste, der ein arbeitslosen Einkommen erzielte."
Über das steinzeitliche Schamanentum wissen wir wenig. Alle wesentlichen Untersuchungen dazu stammen aus neuerer Zeit (so Ende 19./Anfang 20. Jhh.); insbesondere aus Sibirien, auch Nordamerika und Arktis. Die Vorstellungswelt (Ober- und Unterwelt; Wohnorte der Geister) ist stark an die natürlichen Gegebenheiten angelehnt (Flüsse, Wälder, Wiesen usw., ganz besonders Bäume: zentrale Vorstellung der Lebensbaum).
Nun geschah folgendes:
Mit der Entstehung der Sowjetunion mit ihrer atheistischen Ideologie wurden die Schamanen verfolgt, ermordet, eingesperrt, umerzogen. Heute bleibt der sibirische Schamanismus nur noch in Rudimenten. Die Träger und Vermittler der Vorstellungswelt (eben jene Schamanen) sind nahezu ausgrottet. Eine lebendige Vorstellungswelt hat sich bei den sibirischen Stämmen nur in Rudimenten erhalten. Dazu kommen darin auch neuere westliche Einflüsse vor, so z.B. die Ufologie. Der Schamane reist jetzt nicht mehr durch die Geisterwelten, sondern wird von Außerirdischen getragen.
Geistige Vorstellungswelten, wie auch immer sie geartet sind, sind gedankliche Abstraktionen, die einem bestimmten (materiellen!) Zweck dienen. Zur Erreichung dieser Zwecke werden diese Vorstellungswelten von den Begünstigten (Priester) ersonnen, perfektioniert und vermittelt (!). Fällt diese Vermittlung weg, so verschwindet mit der Zeit auch die Vorstellungswelt bei den Menschen. Neue Vorstellungswelten entstehen erst dann, wenn eine neue Schicht, die zur Macht drängt, erscheint und zwingend neue Vorstellungswelten zur Legitimierung (!) ihrer Macht benötigt.
Muß Schluß machen.
Beste Grüße, <font color=#008000>Zandow</font>
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Popeye
26.10.2005, 21:24
@ Zandow
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Re: Göttliches Gewitter |
-->Hallo, @Zandow -
Den natürlichen Vorgängen eine göttliche Ursache zu geben, liegt m.E. gar nicht nahe.
Aus meiner Sicht ist das eine Aussage, die unsere Diskussion beenden muss. Du machst diese Aussage als ein aufgeklärter Mensch, der für die meisten Naturphänomene eine rationale Antwort parat hat und ich kann weder Dich (noch mich) in die Bewusstseinslage eines Menschen vor 20.000 Jahren versetzen für den ein Blitz oder ein Erdbeben eben keine rationale Erklärung hatte. Er musste sie in völliger Unkenntnis über die Zusammenhänge interpretieren. Welche Schlussfolgerungen für ihn nahe lagen und welche nicht…wer kann das wissen - zumal, wenn Du das nachstehende 'Vordenkmodell' als wahrscheinlich oder realistisch betrachtest:
Geistige Vorstellungswelten, wie auch immer sie geartet sind, sind gedankliche Abstraktionen, die einem bestimmten (materiellen!) Zweck dienen. Zur Erreichung dieser Zwecke werden diese Vorstellungswelten von den Begünstigten (Priester) ersonnen, perfektioniert und vermittelt (!). Fällt diese Vermittlung weg, so verschwindet mit der Zeit auch die Vorstellungswelt bei den Menschen. Neue Vorstellungswelten entstehen erst dann, wenn eine neue Schicht, die zur Macht drängt, erscheint und zwingend neue Vorstellungswelten zur Legitimierung (!) ihrer Macht benötigt.
Für mich kann und will ich jedenfalls ein solches deprimierendes Modell nicht in Anspruch nehmen.
Grüße
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nereus
26.10.2005, 22:28
@ Popeye
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Re: Göttliches Gewitter - Popeye |
-->Hallo Popeye!
Zunächst möchte ich mich bei Dir entschuldigen, daß ich auf Dein Posting nicht geantwortet habe.
Aber ich dachte in unserer beider „Fundamentalposition“ wird wenig zusammengehen und ein Disput würde wenig bringen.
Zandow hat aber eine, wie ich finde, hochinteressante Sichtweise dargelegt und ich ärgere mich ein wenig, daß ich nicht selbst darauf gekommen bin. [img][/img]
Er schrieb: Wenn sich Kinder vor einem Gewitter fürchten, so verlangt dessen Deutung als ein göttliches Zeichen eine gigantische Abstraktionsleistung. Den natürlichen Vorgängen eine göttliche Ursache zu geben, liegt m.E. gar nicht nahe. Dem Kinde wird im Laufe seiner Erziehung der göttliche Gedanke nahe gebracht; von seinen Eltern oder eben geistlichen Lehrern. Ließe man das Kind ohne die Bekanntschaft zu einem Gedanken an eine göttliche Kraft aufwachsen, so würde sich eben jene Abstraktion nicht herausbilden.
Du antwortest darauf etwas ausweichend: Aus meiner Sicht ist das eine Aussage, die unsere Diskussion beenden muss. Du machst diese Aussage als ein aufgeklärter Mensch, der für die meisten Naturphänomene eine rationale Antwort parat hat und ich kann weder Dich (noch mich) in die Bewusstseinslage eines Menschen vor 20.000 Jahren versetzen für den ein Blitz oder ein Erdbeben eben keine rationale Erklärung hatte. Er musste sie in völliger Unkenntnis über die Zusammenhänge interpretieren. Welche Schlussfolgerungen für ihn nahe lagen und welche nicht…wer kann das wissen -..
Zwar stimme ich Deiner Meinung zu, daß wir das heute nicht unbedingt wissen können, was die Menschen vor 20.000 Jahren dachten, aber wenn Du das so einfach in die Runde wirfst, dann entkräftest Du gleichzeitig Deine vorherige Annahme, daß unsere Ahnen sich dafür die Götter schufen.
Entweder wir wissen es nun oder wir wissen es nicht.
Der Gedanke an Gott, Dämonen und böse Geister ist, genau wie es Zandow beschrieb, eine Erziehungsleistung, von wem immer sie kommen mag (Eltern, Geschwister, Freunde, Erzieher, Bücher, TV usw.).
Erfolgt bei einem Menschen keinerlei (Aus-) Bildung dann ist das Resultat totaler Stumpfsinn und nahezu tierischer Instinkt, wie immer wieder einige wenige „Wolfskinder“ beweisen.
Der Input wächst nicht „evolutionär“ aus sich selbst heraus, sondern muß zunächst von außen kommen.
Der heiße Ofen oder die brennende Kerze muß eben doch wenigsten einmal im Leben berührt sein, um zu erahnen, was „heiß“ eigentlich bedeutet.
Sprechen, schreiben und lesen, die maßgeblichen Voraussetzungen für den Denkprozeß, müssen erlernt werden und fallen nicht einfach so vom Himmel.
Will sagen, alle unsere geistige Vorstellungswelt muß irgendwie erfahren werden, auch wenn uns dieser Lernprozeß oftmals nicht bewußt wird.
Wie nun unter diesen Voraussetzungen virtuelle Gottheiten mit all ihren Verantwortlichkeiten aus dem Nichts erschaffen worden sein sollen, muß dann etwas rätselhaft bleiben, auch wenn es überall so geschrieben steht.
mfG
nereus
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Holmes
26.10.2005, 22:51
@ Popeye
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Re: Emotion, Wahrheit und das Staatsspiel |
-->Hallo Popeye!
>Für mich kann und will ich jedenfalls ein solches deprimierendes Modell nicht in Anspruch nehmen.
Ist es der Fall, dass Du bestimmte Deutungen/Theorien a priori deswegen nicht anerkennen kannst, weil sie zunächst deprimierend sind? Das finde ich nachvollziehbar, aber leider nicht rational.
Der entscheidende Schritt zum Wissen ist es, auch unangenehme"Wahrheiten" anzuerkennen, obwohl sie das eigene Weltbild zerstören und auch die ethischen Grundlagen zunächst ankratzen können. So ähnlich muss es wohl den Menschen gegangen sein, als sie anfingen, die Schöpfungsgeschichte in Frage zu stellen und an der Wahrheit der Heiligen Schrift zu zweifeln (Mensch im Mittelpunkt der Erde, Krone der Schöpfung etc.).
Dabei denke ich 1. dass bestimmte ethische Richtlinien unabhängig von Göttern sind, sondern sich aus der Reflexivität ableiten lassen (Goldene Regel, Kant'scher Imperativ) und dass sie 2. gleichzeitig beweisbare Verhaltensregeln für nachhaltige Sozialsysteme darstellen. Gut ist, was einer Gruppe von Menschen hilft, weiterzuexistieren und Böse ist etwas, was diese Gruppe zerstört.
Ich weiss nicht, wie weit die Priester sich ihrer Rolle komplett bewußt waren (vermute eher nicht), es ist auch nicht notwendig. Entscheidend ist, dass sich Gesellschaftsstrukturen entwickelt haben, die eine Eigendynamik entwickelten, deren problematische Auswirkungen uns heute klar werden. Das darf man nicht deswegen ablehnen, weil es nicht in das eigene Menschenbild passt. Man muß schauen, ob es eine plausible Erklärung ist und die beobachtbaren Phänomene erklärt. Sollte das der Fall sein, muss man sich überlegen, was man tun kann. Und eventuell ist eine pessimistischere Theorie besser als eine optimistische, weil man sich weniger Illusionen über die Eingriffsmöglichkeiten macht.
Triebtäter können ihr Verhalten nicht abschalten, weil es nicht auf rationalen Erwägungen, sondern auch Dominanzstreben beruht. In ähnlicher Weise vermute ich, dass Machtstrukturen eine Eigendynamik haben, die vom Verhalten und den Einstellungen der sie enthaltenden Menschen relativ uinabhängig sind. Beim Tennnis gibt es auch immer Gewinner und Verlierer, egal wie sehr sich die Spieler gegenseitig mögen, so ist eben das Spiel.
In ähnlicher aber viel komplexerer Weise funktioniert das"Staatsspiel".
Beste Grüsse,
Holmes
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Holmes
26.10.2005, 23:09
@ nereus
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Re: Kulturelle Entwicklung - Nereus |
-->Hi Nereus!
>Der Input wächst nicht „evolutionär“ aus sich selbst heraus, sondern muß zunächst von außen kommen.
...
>Wie nun unter diesen Voraussetzungen virtuelle Gottheiten mit all ihren Verantwortlichkeiten aus dem Nichts erschaffen worden sein sollen, muß dann etwas rätselhaft bleiben, auch wenn es überall so geschrieben steht.
IMHO sind Götter genauso wie Sprache, Wissenschaft und imaginäre Zahlen alles menschliche Erfindungen, kulturelle Produkte. Tiere scheinen weder Götter anzubeten, noch komplexere Sprachen zu sprechen und sie brauchen es auch nicht. Der Mensch hat all diese Dinge entwickelt, weil sie ihm nützten bzw. den Genen und Memen. Kein einzelner Mensch könnte"from scratch" die Kultur der Menschheit wieder erfinden, dieses war wirklich eine Generationenleistung, an der Milliarden von Menschen ihren Anteil hatten. Und jeder Mensch muss mit seiner Geburt wieder damit anfangen, den kulturellen"State-of-the-art" zu lernen, um dann eventuell sein kleines Quentchen Innovation dazu beizutragen.
Die Erfindung der Götter war in einer bestimmten Phase der Entwicklung ein sinnvoller Schritt, der aber mittlerweile überwunden werden könnte, genauso wie das ptolemäische Weltbild überwunden wurde. Das Problem ist dabei bloss, dass ganz konkrete Menschen und Machtpositionen damit verbunden sind und nur wenige Menschen eine Machtposition freiwillig aufgeben. Der Zen-Buddhismus ist meines Erachtens eine sehr moderne und interessante Glaubensrichtung, aber er deutlich weniger Machtinstrumente als die katholische Kirche, die ihre Glaubensbasis durch körperliche Vermehrung zu steigern vermag, während Buddhisten diese Mittel nicht nutzen. Wer hat wohl mehr"Kunden"?
Und so zeigt sich wieder, dass nicht die Wahrheit oder Eleganz einer Idee ausschlaggebend sind, sondern ihre Fähigkeit, sich auszubreiten und für ihre Vermehrung zu sorgen. Und scheinbar sind Religionen eine sehr effiziente Idee, die einen Selbstläufer-Charakter haben und nicht mehr von selbst verschwinden werden.
Beste Grüsse,
Holmes
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Popeye
26.10.2005, 23:29
@ nereus
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Re: Göttliches Gewitter - @nereus |
-->Hallo, @nereus,
nun greif ich doch noch mal in die Tastatur:
Ich darf mich konzentriert nur mit dem nachstehenden Absatz befassen, weil er wohl den Kern Deines/Zandows Argument enthält:
Der Gedanke an Gott, Dämonen und böse Geister ist, genau wie es Zandow beschrieb, eine Erziehungsleistung, von wem immer sie kommen mag (Eltern, Geschwister, Freunde, Erzieher, Bücher, TV usw.).
Erfolgt bei einem Menschen keinerlei (Aus-) Bildung dann ist das Resultat totaler Stumpfsinn und nahezu tierischer Instinkt, wie immer wieder einige wenige „Wolfskinder“ beweisen.
Der Input wächst nicht „evolutionär“ aus sich selbst heraus, sondern muß zunächst von außen kommen.
Der heiße Ofen oder die brennende Kerze muß eben doch wenigsten einmal im Leben berührt sein, um zu erahnen, was „heiß“ eigentlich bedeutet.
Sprechen, schreiben und lesen, die maßgeblichen Voraussetzungen für den Denkprozeß, müssen erlernt werden und fallen nicht einfach so vom Himmel.
Götter werden nicht an einem Tag geschaffen: Der Mensch ist ein soziales Tier und Erfahrenes wird besprochen, diskutiert und interpretiert. Vielleicht hat es mehrere tausend Jahre gebraucht bis die geistige Vorstellung von „Göttern“ überhaupt in die Gedankenwelt unserer Vorfahren Einzug gehalten hat. Die Erfahrung des Feuers lässt sich in Bruchteilen einer Sekunde machen und ist körperlich. Eine gedankliche Erziehungsleistung wiederum kann erst erfolgen wenn vermeintliches Wissen (Erfahrung) kollektiv interpretiert worden ist.
Dass ein Einzelner oder eine elitäre Gruppe (so wie von Zandow behauptet) dieses kollektive Wissen schafft ist aus meiner Sicht zwar theoretisch vorstellbar, aber unwahrscheinlich. Warum? Es gab schlicht zu viele Götter - in Mesopotamien hunderte. Nicht nur jede Stadt hatte ihren eigenen Gott, nahezu jede Großfamilie hatte ihren eigenen persönlichen Gott. Dies wiederum deutet darauf hin, dass Götter zunächst etwas höchst persönliches waren - möglicherweise verknüpft mit dem Ahnen und Totenkult, der der Zwiesprache mit Göttern überhaupt erst die Tür öffnet.
Das zweite Phänomen, das man interpretieren muss ist der Umstand, warum viele der uns überlieferten Gottheiten nun mal einen konkreten Naturbezug hatten. (Aufzählung darf ich mir ersparen). Warum wohl?
Wenn @Zandows These richtig wäre und kollektives Bewusstsein so gestaltbar ist, hätte es doch sehr viel mehr Sinn gemacht, dass sich die Priester/Priesterkönige gleich unmittelbar zu Göttern erklärt hätten - wie später ja auch oft genug geschehen. Warum also der Umweg über a.) eine Vielzahl von Göttern und b.) ausgerechnet Götter mit Naturbezug, die nun wirklich schwer manipulierbar waren?
Dass der Transport der Religion über Generationen mittels des von Dir beschriebenen Mechanismus erfolgt wird von mir nicht bestritten. Aber die lange Phase der „Erschaffung der Götter“ hatte - so glaube ich - nichts mit einer ausbeutenden Priesterkaste zu tun. Keine mesopotamische Priesterkaste konnte hunderte von Göttern erschaffen. Im Gegenteil, nachdem die Theokratie in Mesopotamien so richtig am Rollen war, wurden es immer weniger Götter - und das Ende kennen wir ja.
Grüße
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Uwe
26.10.2005, 23:30
@ nereus
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Re: @Nereus: Göttliches Gewitter |
-->>Nereus:[i]Zwar stimme ich Deiner Meinung zu, daß wir das heute nicht unbedingt wissen können, was die Menschen vor 20.000 Jahren dachten, aber wenn Du das so einfach in die Runde wirfst, dann entkräftest Du gleichzeitig Deine vorherige Annahme, daß unsere Ahnen sich dafür die Götter schufen.
>Entweder wir wissen es nun oder wir wissen es nicht.
>Der Gedanke an Gott, Dämonen und böse Geister ist, genau wie es Zandow beschrieb, eine Erziehungsleistung, von wem immer sie kommen mag (Eltern, Geschwister, Freunde, Erzieher, Bücher, TV usw.).[/i]
Hallo, Nereus,
wir wissen es nicht. Doch vermute ich, das Popeye doch den besseren Fingerzeig gibt, wenn man davon ausgeht, dass sich"Gott" und"die Rituale um ihn" aus den Naturereignissen und deren Auswirkungen auf die Gemeinschaft entwickelt hat, zumal wenn man bedenkt, das dieses Auswirkungen über nicht mehr und nicht weniger als über das Überleben entschieden.
Nicht ungewöhnlich ist es in diesem Zusammenhang, dass das Fehlverhalten Einzelner dabei als Ursache für die"Ungenade der Natur" identifiziert wurde, der wohl dann dementsprechende Konsequenzen zu tragen hatte.
Wie groß sind die Schritte, von dieser Sichtweise zur Religion, bei einem größer werdenen Stammesverband, der zudem noch seßhaft wird, in dem das Fehlverhalten gegenüber den Göttern, die die Naturgewalten vertreten und symbolisieren, als"Sündenfall" ausgemacht wird, der das Gemeinschaftleben stört, wenn"Wächter" die Aufgabe übernehmen, über die Einhaltung von Riten zu wachen oder eben als Mittler zu diesen Göttern auftreten bzw. ihnen entsprechende Fähigkeiten zugetraut wurden (Lesen und Schreiben braucht es m.E. für diese Entwicklung nicht).
Die"Erziehungsleistung" wurde also, so stelle ich es mir jedenfalls vor, in einem der ersten Schritte in der Gemeinschaft durchgeführt, wo es darum ging, u.a."Jagdglück" und andere günstige Einflüße für das Überleben zu beschwören.
Gruß,
Uwe
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Popeye
26.10.2005, 23:40
@ Holmes
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Re: Emotion, Wahrheit und das Staatsspiel |
-->>Hallo Popeye!
>>Für mich kann und will ich jedenfalls ein solches deprimierendes Modell nicht in Anspruch nehmen.
>Ist es der Fall, dass Du bestimmte Deutungen/Theorien a priori deswegen nicht anerkennen kannst, weil sie zunächst deprimierend sind? Das finde ich nachvollziehbar, aber leider nicht rational.
Hallo, @Holmes
zugegeben, dass war und ist mißverständlich. Gemeint war - dieses"Füher-wir-folgen-Dir-Modell" (ist zwar deprimierend), aber für mich deutet nichts darauf hin, dass die frühe Menscheitsgeschichte (und nur von der rede ich) von diesem Modell beherrscht wurde. Im Gegenteil!
Grüße
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Holmes
26.10.2005, 23:56
@ Popeye
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Re: Emotion, Wahrheit und das Staatsspiel |
-->>>Hallo Popeye!
>>>Für mich kann und will ich jedenfalls ein solches deprimierendes Modell nicht in Anspruch nehmen.
>>Ist es der Fall, dass Du bestimmte Deutungen/Theorien a priori deswegen nicht anerkennen kannst, weil sie zunächst deprimierend sind? Das finde ich nachvollziehbar, aber leider nicht rational.
>Hallo, @Holmes
>zugegeben, dass war und ist mißverständlich. Gemeint war - dieses"Füher-wir-folgen-Dir-Modell" (ist zwar deprimierend), aber für mich deutet nichts darauf hin, dass die frühe Menscheitsgeschichte (und nur von der rede ich) von diesem Modell beherrscht wurde. Im Gegenteil!
Einverstanden. Die Buschmänner sind meines Wissens auch recht lockere Typen ohne Herrschaftsstrukturen etc. Sind auch Nomaden, die keinem gehorchen und in kleinen Gruppen leben. Kennst Du"Guns, Germs and Steel" von Jared Diamond? In dem Buch gibt es mehrere Stufen der Gesellschaftssysteme und sie gehen über Gruppen, zu Stämmen zu Häuptlingsgesellschaften zu Staaten. Erst mit den Häuptlingen kommen die Machtstrukturen ins Spiel. Leider sind wohl auch die Gruppen etc. nicht gerade friedlich, sondern sehr aggressiv zu den Nachbargruppen und Stämmen. Von daher zweifle ich an der Theorie der edlen und guten Wilden. Ich denke, die Menschen waren immer schon sehr aggressiv und feindselig, weil sie es sein mussten und im Konfliktfall eben derjenige siegt, der den anderen tötet und selbst nicht getötet wird (ob mit der Keule oder mit der Steinschleuder ist egal). Gegen einen Agressor waren die Friedfertigen immer unterlegen, auch wenn sie es vielleicht geschafft haben, im Schatten der Macht zu überleben.
Beste Grüsse,
Holmes
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Popeye
27.10.2005, 08:01
@ Holmes
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Re: Emotion, Wahrheit und das Staatsspiel |
-->Hallo, @Holmes, natürlich ist Jared Diamond bekannt (Übrigens letzten Sonntag auf SR-TV mit seinem Collapse-Thema zu bewundern gewesen).
Unvergesslich bleibt mir der Anfang des Buches (Yali’s Question) - wo in einer einzigen schlichten Frage das Grundsatzrätsel der Ã-konomie formuliert wird.
Wenn Dir Guns, Germs and Steel gefallen hat und Du die Zeit aufbringst solltest Du auch „After the Ice“ lesen.
Grüße
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CRASH_GURU
27.10.2005, 10:23
@ Popeye
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Re: Göttliches Gewitter @ Popeye |
-->Ich lese hier ab und zu mal mit und empfinde das meiste eigentlich eher als typisch deutsche Akademikerdiskussion
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Popeye
27.10.2005, 11:27
@ CRASH_GURU
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Re: Göttliches Gewitter @CG |
-->….eher als typisch deutsche Akademikerdiskussion da das meiste auf Geschichten und Annahmen beruht.
Guten Morgen, @CG… kein Einspruch, kein Protest, die Frage stellt sich nur -wo ist das nicht der Fall?
Grüße
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CRASH_GURU
27.10.2005, 12:32
@ Popeye
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Re: Göttliches Gewitter @CG |
-->Guten Morgen!
Na ja, zB. hier http://tillerfoundation.com/ConActsCreation.pdf ist das nicht der Fall, der Mann kann sogar Geisteskraft"messen":
<ul> ~ http://tillerfoundation.com/newpapers.htm</ul>
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dottore
27.10.2005, 17:54
@ Popeye
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Re: Nochmals Waffengeld |
-->Hi @Popeye,
>Du solltest Deinen Freund Bernhard Laum erschöpfend konsultieren. In einem kleinen Büchlein „Das Eisengeld der Spartaner“ 1925 folgt Laum der ursprünglichen Anregung der Altphilologen Ullrich von Wilamovitz-Moellendorff (1848-1931) und Frederik Poulsen (1876-1950), dass die auf einigen spartanischen Inschriften erkennbaren Sicheln tatsächlich das gefeierte Eisengeld der Spartaner seien. > Gebrauchsgegenstand >Opferwerkzeug > Opfer > Tauschmedium. Dort hättest Du das Sichelgeld schon finden können.
Waren die Sicheln Gebrauchsgegenstände oder Waffen?
Die Spartaner arbeiteten selbst nicht mit Sicheln (mähen und so), dafür hatten sie ihre Heloten und die Messener. Warum sollten sie die Sicheln als Gebrauchsgegenstand epigraphisch festgehalten haben?
Bei Sichelschwertern (m.W. keine in situ erhalten) macht das Sinn. Von solchen Tribut- und/oder Beute-Erzwingungswaffen lebten sie und trainierten deren Einsatz emsig. Ein Sichelschwert schafft erheblich mehr BIP zum eigenen Konsum herbei als eine Mähsichel.
Und was einem so schön hilft, wird verehrt. Die Geschichte der Waffenverehrung und -mythisierung ist lang. Waffen wurden bis zur Gegenwart priesterlich gesegnet.
Damit sie auch in Zukunft funktionieren, wurden Abbilder davon in Tempeln hinterlegt, quasi als Votivtafeln. Die sind auch viel kleiner als das Original, um das es geht.
Ein Blick nach China (ziemlich zeitgleich, also ab 8. Jh. BC abwärts):
Die Waffe selbst, klassische Hellebarde:
Dieses Stück
Die Stücke gehen ab ca. 5 g, das größte (keine Abb.) liegt bei 56 g. Dass im Kampf eingesetzte Schilde mehr gewogen haben, dürfte unbestreitbar sein.
Das"Schildgeld" hat sich der Einfachheit halber durchgesetzt: Loch durch und man konnte es schön aufreihen. Wer ein solches Votiv-Stück haben wollte, musste wohl etwas dafür abliefern und konnte es anschließend wieder hinterlegen.
Wer viel ablieferte, konnte viele solcher runder Dinger aus der Hinterlegungsstelle holen und es dann selbst jenen andienen, die sie hinterlegen mussten - als Steuer schließlich.
>Leider hat Laum mit seiner These nicht viele Freunde gefunden.
Mit der These freunde ich mich mehr und mehr an. Nur müsste man"Gebrauchsgegegenstand" durch Waffe ersetzen. Das war auch schon bei Laums misslungener OBELOS-Deutung (Brat- statt Waffenspieß!) diskutiert worden.
Wer hinterlegt im Tempel wohl einen Bratspieß, noch dazu aus Holz?
Bei der Waffentheorie des Geldes bzw. der Geldentstehung ist China äußerst hilfreich. Es ist nicht einzusehen, warum die chinesischen Machtmenschen anders getickt haben sollten als jene weiter westlich.
Gruß (in Eile)!
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Popeye
27.10.2005, 18:43
@ dottore
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Re: Nochmals Waffengeld |
-->Hallo, @dottore -
>Waren die Sicheln Gebrauchsgegenstände oder Waffen?
Sichelförmige Messer (konkret erfährt man sehr wenig darüber) - bestenfalls geeignet einem Bullen die Halsschlagader durchzuschneiden. Entsprechend viel erfährt man deshalb über Stierkämpfe. Gelegentlich erhälst Du einen Scan.
Gruß
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Popeye
27.10.2005, 19:02
@ Popeye
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Nachtrag: Wechselkurse für Sichelgeld:-)) |
-->...nach dem Motto: Enkelkinder wissen mehr
<ul> ~ http://www.answers.com/topic/money-in-harry-potter</ul>
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Diogenes
27.10.2005, 20:01
@ dottore
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Re: Nochmals Waffengeld |
-->Hi dottore,
>>Leider hat Laum mit seiner These nicht viele Freunde gefunden.
>Mit der These freunde ich mich mehr und mehr an. Nur müsste man"Gebrauchsgegegenstand" durch Waffe ersetzen.
>Das war auch schon bei Laums misslungener OBELOS-Deutung (Brat- statt Waffenspieß!) diskutiert worden.
>Wer hinterlegt im Tempel wohl einen Bratspieß, noch dazu aus Holz?
Die Priester vielleicht? Wäre immerhin möglich, daß sie damit ihr Fleisch brieten. Im Alten Testament finden sich Vorschriften was vom Opfer verbrannt wird und was für die Priesterschaft ist. Immerhin benötigen auch Priester ihren Unterhalt.
>Bei der Waffentheorie des Geldes bzw. der Geldentstehung ist China äußerst hilfreich.
Mir ist nicht klar, wieso die Formgebung den Entstehungsproßeß belegen soll. Es scheint mir plausiebler anzunehmen, daß für das Gießen der Münzen die gleiche Technik wie für das Gießen von Waffen verwendet wurde.
Insofern belegt die Form keineswegs die Machttheorie.
Gruß
Diogenes
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sammelleidenschaft
27.10.2005, 21:46
@ dottore
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Re: Nochmals Waffengeld |
--><font color=#0000FF>Normalerweise werden ja Postings von mir sofort gelöscht, egal, was ich erzähle. Mal schauen, wie lange dieses Posting überlebt.:-)</font>
Das war auch schon bei Laums misslungener OBELOS-Deutung (Brat- statt Waffenspieß!) diskutiert worden.
>Wer hinterlegt im Tempel wohl einen Bratspieß, noch dazu aus Holz?
<font color=#0000FF>Mißlungene Obelos-Deutung? Mir erscheint ein Bratspieß erheblich plausibler als ein doofer Waffenspieß.
Ein Bratspieß (Döner Kebab lässt grüssen) lässt sich viel leichter opfern, weil Stücke Heiliger Stiere dran sind.
Laum erzählt doch vom Heiligen Geld.</font>
<ul> ~ Heiliges Geld</ul>
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- Elli -
27.10.2005, 22:17
@ sammelleidenschaft
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Re: Nein, nicht egal |
-->><font color=#0000FF>Normalerweise werden ja Postings von mir sofort gelöscht, egal, was ich erzähle.</font>
Nein, das ist nicht egal, und das solltest du auch wissen. Deine Werbepostings werden selbstverständlich gelöscht.
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sammelleidenschaft
28.10.2005, 00:40
@ - Elli -
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Re: Nein, nicht egal, ja was dann? |
-->>><font color=#0000FF>Normalerweise werden ja Postings von mir sofort gelöscht, egal, was ich erzähle.</font>
>Nein, das ist nicht egal, und das solltest du auch wissen. Deine Werbepostings werden selbstverständlich gelöscht.
<font color=#0000FF>Lieber Elli,
ich mache doch keine Werbung, insofern können es keine Werbepostings sein, die Du gelöscht hast. Die Postings, die Du alle löschtest, bezogen sich auf die Veröffentlichungen des Kunstfonds.
Der Kunstfond, den ich betreue, ist eine geschlossene Veranstaltung bildender Künstler, in dem Geldinvestoren nicht oder nur eingeschränkt zugelassen sind. Der wirbt schon mal nicht, weil das ja Quatsch wäre.
Rheingold, den ich sehr gerne mag, für den werbe ich in der Tat gerne. Jedoch, diese Postings hast Du nicht gelöscht.</font>
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dottore
28.10.2005, 12:16
@ sammelleidenschaft
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Re: Nochmals Waffengeld |
-->Hi sammelleidenschaft,
zum"Bratspieß" bitte dieses Posting zu lesen.
Der verlinkte Text stammt übrigens von meiner Wenigkeit, wie auch am Ende deutlich ausgewiesen.
Es erscheint mir redlicher, frühere Analysen/Meinungen oder so zu ändern, zumindest zu modifizieren als immer nur den selben Ton zu spielen. Wissenschaft, egal wie definiert, kommt nicht voran, wenn immer nur das nachgeflötet wird, was vorgeflötet wurde.
Selbstversuch erbeten: In der nächsten Döner- oder Hähnchen-Bude den Spieß bitte mal mit bloßen Händen anfassen und schön langsam drehen.
Gruß!
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---Elli---
28.10.2005, 12:40
@ sammelleidenschaft
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Re: Nein, nicht egal, ja was dann? - sammellleidenschaft |
-->>... in dem Geldinvestoren nicht oder nur eingeschränkt zugelassen sind.
Du musst alle Leser für ziemlich blöd halten.
Zitat von der website:
"Der Leser ist deswegen herzlich eingeladen, sich mit einem kleinen Obulus am Kunstfond zu beteiligen, denn Anteilsnoten werden bereits ab einer Investition von 1.000 Euro abgegeben."
Rote Karte für wiederholte Werbung trotz mehrfacher Hinweise. Und besonders rot für das dreiste Für-dumm-Verkaufen aller Leser dieses Foums.
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dottore
28.10.2005, 12:50
@ Diogenes
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Re: Nochmals Waffengeld |
-->Hi Diogenes,
>>Das war auch schon bei Laums misslungener OBELOS-Deutung (Brat- statt Waffenspieß!) diskutiert worden.
>>Wer hinterlegt im Tempel wohl einen Bratspieß, noch dazu aus Holz?
>Die Priester vielleicht?
Wie sollte sich aus priesterlichen Holz-Bratspießen"Geld" entwickelt haben? Dann hätte sich jeder Haushalt sein Geld selber schnitzen können?
Der Waffenspieß (siehe die schöne Darstellung der Etrusker-Ausstellung, hier schon gezeigt; auch griechische Vasenbilder dazu en mase) war der Ober- bzw. Kriegerkaste vorbehalten (das bekannte Waffen- als Machtausübungs- und -erhaltungs-Monopol). Die erheblich zahlreicheren Heloten, Metoiken und andere Unterworfene (außerhalb des Kernmachtbereichs) waren waffenlos.
>Wäre immerhin möglich, daß sie damit ihr Fleisch brieten.
Ja, aber was sagt uns das?
>Im Alten Testament finden sich Vorschriften was vom Opfer verbrannt wird und was für die Priesterschaft ist. Immerhin benötigen auch Priester ihren Unterhalt.
Das"Wertvolle" war nicht der Bratspieß, sondern das Fleisch des Opfertiers. Aber noch viel wertvoller war die Waffe, mit deren Hilfe Fleisch herbeigezwungen werden konnte.
>>Bei der Waffentheorie des Geldes bzw. der Geldentstehung ist China äußerst hilfreich.
>Mir ist nicht klar, wieso die Formgebung den Entstehungsproßeß belegen soll.
Das ist zunächst die These Laums. Warum ist er denn auf"Spieß" (OBELOS) und damit eine ziemlich klar definierte Form gekommen? Die komplizierte Form der China-"Münzen" hätte man sich doch sparen können. Das Kupfer im gleichen Gewicht hätte auch als gegossene Kugel erscheinen können. Warum also die Form, die ganz genau der Waffenform entspricht?
>Es scheint mir plausiebler anzunehmen, daß für das Gießen der Münzen die gleiche Technik wie für das Gießen von Waffen verwendet wurde.
Die Münzen wurden genauso als Rohling gegossen wie die Waffen. Dann freilich kam die Feinarbeit der Schmiede. Wozu sich bei Münzen solche Mühe machen, damit sie ganz genau wie Angriffs- oder Abwehr-Waffen ausschauen? Beim ältesten"shield money" haben wir auf dem Revers angelötete"Griffe" - ganz genau wie beim Kampfschild, das man sonst nicht hätte halten/führen können.
Wozu also Schild-Griffe bei Münzen, die kleiner sind als ein 10-Cent-Stück?
Wieso haben einige der von mir (zufällig) entdeckten Mini-Münzen auf dem Avers eine hauchdünne Gold- und Silber-Plattierung? Damit die Münze schicker ausschaut?
>Insofern belegt die Form keineswegs die Machttheorie.
Also ist die Form der Waffe der Form der Münze entlehnt? Die Münze war also vor der im Aussehen gleichen Waffe in der Welt? Die Waffenschmiede wussten nicht, welche Form sie der Waffe geben sollten - und siehe da: Sie schauten auf die Münzen. HEUREKA!
Mir ist schon klar, dass Du das annimmst. Ich nicht.
Gruß!
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dottore
28.10.2005, 13:13
@ Popeye
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Re: Nochmals Waffengeld |
-->Hi @Popeye,
>>Waren die Sicheln Gebrauchsgegenstände oder Waffen?
>Sichelförmige Messer (konkret erfährt man sehr wenig darüber) - bestenfalls geeignet einem Bullen die Halsschlagader durchzuschneiden.
Wieso Messer? Wie steht's denn damit:
[img][/img]
Sichelschwerter der Armee der Pharaonen. Diese Machthalter arbeiteten mit Söldner-Armeen und lt. Bild-Nachweis sollen diese Schwerter aus"Asien" (Truppenbewaffnung dort) gekommen sein. Den Hyksos (Seevölkern) werden sie zugeschrieben. In Ebla (Syrien) wurden sie ebenfalls gefunden (hier schon mal gezeigt, glaube auch im Vortrag"Gewaltmetall"), leider stark korrodiert, aber zweifelsfrei als Sichelschwert erkennbar (Format usw.). In assyrischen Schlachtendarstellungen finden wir sie auch (gerade kein Bild verfügbar). Die Sichel als Waffe finden wir an den Streitwagen-Achsen.
Sicheln in allen möglichen Formen sind höchst effektive Kampfwaffen für große Truppenverbände in sich über Stunden hinziehenden Schlachten. Man schlägt sich durch die Reihen der Gegner, ermüdet nicht so leicht. Schwerter (schwer, da ganzmetallig) dienen mehr dem"ehrenvollen Zweikampf". Der Dolch ist dem innersten Machtbereich vorbehalten.
>Entsprechend viel erfährt man deshalb über Stierkämpfe. Gelegentlich erhälst Du einen Scan.
Stierkämpfe in Sparta? Interessant! Ich freue mich auf den Scan.
Gruß!
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dottore
28.10.2005, 13:29
@ Popeye
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Re: Nachtrag: Wechselkurse für Waffen |
-->Hi @Popeye,
Dank für den Hinweis auf die Harry-Potter-Paritäten. Endlich weiß auch ich Dämlack, dass eine"Sichel" ca. 30 Pence entspricht.
Bei der Sichel als Waffe, die nicht aus der Weltgeschichte zu leugnen ist, gilt eine andere Parität:
Der Kurs der Waffe entspricht just dem, was mit ihrer Hilfe abgezwungen werden kann (Beute, Tribut, Steuer). Ein höchst delikater, da stark schwankender Kurs. Armeen sind überhaupt schwer auszupreisen. Welchen Kurs sie haben, weiß man allerdings spätestens nach Siegelung des Friedens-, Unterwerfungs- oder Tributvertrages. Das ist dann der Kurs zur Kasse.
Sind die Tribute nicht nur"Reparationen" und auf einen Schlag zu zahlen (1871), sondern auf längere Dauer angelegt (1919), muss der Kurs entsprechend diskontiert werden. Klar.
Gruß!
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Diogenes
28.10.2005, 13:36
@ dottore
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Re: Nochmals Waffengeld |
-->Hi dottore,
>>>Wer hinterlegt im Tempel wohl einen Bratspieß, noch dazu aus Holz?
>>Die Priester vielleicht?
>Wie sollte sich aus priesterlichen Holz-Bratspießen"Geld" entwickelt haben?
Warum soll sich denn aus einem Bratspieß"Geld" entwickeln? Weil deine Hypohese es so verlangt?
>Dann hätte sich jeder Haushalt sein Geld selber schnitzen können?
Jeder Haushalt konnte sich seinen Bratspieß selber schnitzen, wieso auch nicht.
Was veranlaßt dich zu glauben, ein hölzerner Bratspieß soll"Geld" gewesen sein? Du überinterpretierst.
>Der Waffenspieß (siehe die schöne Darstellung der Etrusker-Ausstellung, hier schon gezeigt; auch griechische Vasenbilder dazu en mase) war der Ober- bzw. Kriegerkaste vorbehalten (das bekannte Waffen- als Machtausübungs- und -erhaltungs-Monopol). Die erheblich zahlreicheren Heloten, Metoiken und andere Unterworfene (außerhalb des Kernmachtbereichs) waren waffenlos.
Eine Waffenspieß ist etwas gänzlich anderes als ein Bratspieß.
>>Wäre immerhin möglich, daß sie damit ihr Fleisch brieten.
>Ja, aber was sagt uns das?
Das sagt uns, daß der Holzspieß ein Haushaltsgerät war.
>>Im Alten Testament finden sich Vorschriften was vom Opfer verbrannt wird und was für die Priesterschaft ist. Immerhin benötigen auch Priester ihren Unterhalt.
>Das"Wertvolle" war nicht der Bratspieß, sondern das Fleisch des Opfertiers.
Ja, was anderes behauptet keiner.
>Aber noch viel wertvoller war die Waffe, mit deren Hilfe Fleisch herbeigezwungen werden konnte.
Mit einem hölzernen Bratspieß?
>>>Bei der Waffentheorie des Geldes bzw. der Geldentstehung ist China äußerst hilfreich. >
>>Mir ist nicht klar, wieso die Formgebung den Entstehungsproßeß belegen soll.
>Das ist zunächst die These Laums. Warum ist er denn auf"Spieß" (OBELOS) und damit eine ziemlich klar definierte Form gekommen? Die komplizierte Form der China-"Münzen" hätte man sich doch sparen können. Das Kupfer im gleichen Gewicht hätte auch als gegossene Kugel erscheinen können. Warum also die Form, die ganz genau der Waffenform entspricht?
Ästätische Gründe vielleicht? Warum wurden beispielsweise Krüge verziert?
>>Es scheint mir plausiebler anzunehmen, daß für das Gießen der Münzen die gleiche Technik wie für das Gießen von Waffen verwendet wurde.
>Die Münzen wurden genauso als Rohling gegossen wie die Waffen. Dann freilich kam die Feinarbeit der Schmiede. Wozu sich bei Münzen solche Mühe machen, damit sie ganz genau wie Angriffs- oder Abwehr-Waffen ausschauen? Beim ältesten"shield money" haben wir auf dem Revers angelötete"Griffe" - ganz genau wie beim Kampfschild, das man sonst nicht hätte halten/führen können.
>Wozu also Schild-Griffe bei Münzen, die kleiner sind als ein 10-Cent-Stück?
>Wieso haben einige der von mir (zufällig) entdeckten Mini-Münzen auf dem Avers eine hauchdünne Gold- und Silber-Plattierung? Damit die Münze schicker ausschaut?
Damit sie kostbarer ausschaut und schicker, ja. Auf alle Fälle macht eine schön gearbeitete"Münze" mehr her, als ein plumper Klumpen. Menschen sind eitel.
Hätten sie mit der Waffenform-Münze vielleicht in den Kampf ziehen sollen?
>>Insofern belegt die Form keineswegs die Machttheorie.
>Also ist die Form der Waffe der Form der Münze entlehnt? Die Münze war also vor der im Aussehen gleichen Waffe in der Welt? Die Waffenschmiede wussten nicht, welche Form sie der Waffe geben sollten - und siehe da: Sie schauten auf die Münzen. HEUREKA!
Umgekehrt. Sie haben die Münzform der Waffenform nachempfungen.
>Mir ist schon klar, dass Du das annimmst. Ich nicht.
Offen gesagt mache ich mir langsam Sorgen um dich. Du interpretierst alles nur noch als Waffe, sofern es nur irgendwie geht. Alles was sich nicht als Waffe interpretieren läßt, ist automatisch Tribut. Daneben existiert für dich nichts mehr.
Münzformen und Holzbratspieße als Waffen darstellen, schießt eindeutig übers Ziel hinaus. Was kommt als nächstes? Tonkrüge als Wurfgeschosse? Dreschflegel als Armeeausrüstung? Damenkleider als Zwangsjacken? Hirtenstäbe für Soldaten?
Mir scheint, deine Hypothese beginnt dich"aufzufressen".
Gruß
Diogenes
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dottore
28.10.2005, 19:13
@ Diogenes
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Re: Nochmals Waffengeld |
-->Hi Diogenes,
>Warum soll sich denn aus einem Bratspieß"Geld" entwickeln? Weil deine Hypohese es so verlangt?
Nein. Das ist die These von Bernhard Laum Heiliges Geld (1924). Geld habe sich aus sakralem Opfer entwickelt und das"Symbol" dafür sei der"Spieß" (OBELOS), den er als"Bratspieß" deutet (an dem die geopferten Tier steckten), mit der Wortwandlung OBOLOS = OBOL. Heute"Obolus".
>>Dann hätte sich jeder Haushalt sein Geld selber schnitzen können?
>Jeder Haushalt konnte sich seinen Bratspieß selber schnitzen, wieso auch nicht.
>Was veranlaßt dich zu glauben, ein hölzerner Bratspieß soll"Geld" gewesen sein? Du überinterpretierst.
Interpretation von Laum, der dabei allerdings von einem metallenen Bratspieß ausgeht.
>Eine Waffenspieß ist etwas gänzlich anderes als ein Bratspieß.
Just, was ich sage.
>>>Wäre immerhin möglich, daß sie damit ihr Fleisch brieten.
>>Ja, aber was sagt uns das?
>Das sagt uns, daß der Holzspieß ein Haushaltsgerät war.
Ja, und ergo kaum als Geld-"Ursprung" zu deuten.
(...)
>>Aber noch viel wertvoller war die Waffe, mit deren Hilfe Fleisch herbeigezwungen werden konnte.
>Mit einem hölzernen Bratspieß?
Nein, mit dem Waffenspieß.
>>>Mir ist nicht klar, wieso die Formgebung den Entstehungsproßeß belegen soll.
>>Das ist zunächst die These Laums. Warum ist er denn auf"Spieß" (OBELOS) und damit eine ziemlich klar definierte Form gekommen? Die komplizierte Form der China-"Münzen" hätte man sich doch sparen können. Das Kupfer im gleichen Gewicht hätte auch als gegossene Kugel erscheinen können. Warum also die Form, die ganz genau der Waffenform entspricht?
>Ästätische Gründe vielleicht? Warum wurden beispielsweise Krüge verziert?
Ja, auch Waffenschilde waren verziert. Die davon"abgekupferten" Münzen genauso.
Die Münze ist Vs. goldplattiert, wiegt 2,6 Gramm (20 x 12 mm). Was haben die Griffe mit Eitelkeit zu tun? Erklärs mir bitte!
>Hätten sie mit der Waffenform-Münze vielleicht in den Kampf ziehen sollen?
Nein. Aber mit der Waffe selbst.
>>>Insofern belegt die Form keineswegs die Machttheorie.
>>Also ist die Form der Waffe der Form der Münze entlehnt? Die Münze war also vor der im Aussehen gleichen Waffe in der Welt? Die Waffenschmiede wussten nicht, welche Form sie der Waffe geben sollten - und siehe da: Sie schauten auf die Münzen. HEUREKA!
>Umgekehrt. Sie haben die Münzform der Waffenform nachempfungen.
Sag ich doch: Waffe vor Münze!
>>Mir ist schon klar, dass Du das annimmst. Ich nicht.
>Offen gesagt mache ich mir langsam Sorgen um dich. Du interpretierst alles nur noch als Waffe, sofern es nur irgendwie geht.
Nein. Für die China-Münzen sind Waffen das Vor-Bild gewesen.
>Alles was sich nicht als Waffe interpretieren läßt, ist automatisch Tribut.
Nein. Die Waffe erzwingt den Tribut. Entweder die Waffe wird in der Münze"verehrt" (Votivgabe, ähnelt der Laum-These, nur nicht"friedlich"). Oder die Münze ist eine Abgabe, die mit der Waffe erzwungen wurde. Waffen auf Münzen gibt es Zehntausende verschiedener Gepräge.
>Daneben existiert für dich nichts mehr.
Es geht um Ursprung und Anfang des"Geldwesens". Nicht mehr, nicht weniger.
>Münzformen und Holzbratspieße als Waffen darstellen, schießt eindeutig übers Ziel hinaus.
Offenbares Missverständnis, siehe bitte oben. Rest daher, wiewohl witzig, geschenkt.
Gruß!
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Diogenes
28.10.2005, 21:27
@ dottore
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Re: Nochmals Waffengeld |
-->Hi dottore,
>>Damit sie kostbarer ausschaut und schicker, ja. Auf alle Fälle macht eine schön gearbeitete"Münze" mehr her, als ein plumper Klumpen. Menschen sind eitel.
>Wozu die Griffe?
>[img][/img]
>Die Münze ist Vs. goldplattiert, wiegt 2,6 Gramm (20 x 12 mm). Was haben die Griffe mit Eitelkeit zu tun? Erklärs mir bitte!
Zum Auffädeln auf eine Schnur oder an einen Ring vielleicht?
Streben nach vorblidgetreuer Modellierung?
Demonstration handwerklicher Kunstfertigkeit?
>Sag ich doch: Waffe vor Münze!
Klar, Waffen hatte man bereits in der Steinzeit, Münzen erst in der späteren Bronzezeit.
>Nein. Die Waffe erzwingt den Tribut. Entweder die Waffe wird in der Münze"verehrt" (Votivgabe, ähnelt der Laum-These, nur nicht"friedlich").
Mir scheint, der Mensch verehrt eher das Geld der Macht wegen, die das Geld ihm verschafft - unabhängig von den Abbildungen darauf
>Oder die Münze ist eine Abgabe, die mit der Waffe erzwungen wurde. Waffen auf Münzen gibt es Zehntausende verschiedener Gepräge.
Schon, aber das beweist nicht den Schluß Waffe-erzwingt-Geldwesen. Naturalien wurden auch als Tribut gefordert, ohne daß diese waffenförmig gewesen wären. Umgekehrt gibt es Vasen mit kriegerischen Motiven, aber soll das heißen, das Waffen die Töpferei heibegezungen haben?
>>Daneben existiert für dich nichts mehr.
>Es geht um Ursprung und Anfang des"Geldwesens". Nicht mehr, nicht weniger.
Ich frage mich, wieso die lateinamerikanischen Hochjulturen dann kein Münzwesen entwickelt haben. Sie hatten Waffen, forderten Tribut,"verehrten" Gold, waren fähige Verwalter - und trotzdem blieb es bei den Naturalabgaben.
>>Münzformen und Holzbratspieße als Waffen darstellen, schießt eindeutig übers Ziel hinaus.
>Offenbares Missverständnis, siehe bitte oben. Rest daher, wiewohl witzig, geschenkt.
Dann bin ich beruhigt. *g*
Gruß
Diogenes
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Dimi
29.10.2005, 01:39
@ Diogenes
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Re: Fischgeld |
-->Hallo!
Nachdem mancher Beitrag den Eindruck erweckt, es hätte nur Waffen und Waffengeld gegeben, obwohl der Anteil an historischem Geld <<1% ist,
hier Glockengeld
und hier Fischgeld
und hier das wichtige Muschelimitat-Geld
[img][/img]
welches auch gleich verdeutlicht, daß längst bezahlt wurde, und womit, bevor es all diese Gelder gab.
Gruß, Dimi
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Diogenes
29.10.2005, 09:33
@ Dimi
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Gracias! - die Welt ist bunt, Gott-sei-Dank (o.Text) |
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Zandow
08.11.2005, 18:39
@ dottore
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Waffengeld: Schildling |
-->Hi dottore,
die Parallelitäten und Ähnlichkeiten sind schon erstaunlich:
"Die Hauptumsatzmittel, welche bei den Franken unter den Merowingern und Karolingern während eines Zeitraumes von 500 Jahren im Gebrauch standen, waren:
A. Das Pfund Gold,
1. der Goldsolidus, solidus aureus oder einfach solidus, aureus (von solidus stammt die spätere Münzbezeichnung der Italiener soldo und der Franzosen sol-sou entsprechend dem deutschen Schilling oder ursprünglich Schildling, von dem auf die Münzen geprägten Wappenschild,
..."
(Max Wirth"Das Geld", 1884)
Leider kein Bild von den Schildlingen verfügbar.
Grüße, <font color=#008000>Zandow</font>
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