Tarantoga
01.12.2005, 19:38 |
Die Bedeutung des SchuldendrucksThread gesperrt |
-->Einige Anmerkungen zur"Machttheorie" aus meiner Sicht:
Wenn man die Machtteorie und ihre Vorgänger so interpretiert, dass es der Schuldendruck ist, der den Fortschritt und das Wachstum antreibt, so geht dies meiner Meinung nach fehl oder ist zumindest sehr unpräzise.
Dottore hat hier mal sinngemäß behauptet, sein Antrieb zum Bücherschreiben wären selbstverständlich unbezahlte Rechnungen. Dies glaube ich ihm (mit Verlaub) nicht eine Sekunde. Wenn ich mir die Dreistigkeit erlaube, mich als Hobbypsychologe zu betätigen, so vermute ich stark, dass z.B. dottores Motivation in Wirklichkeit (wissenschaftliche) Neugier und der Wunsch nach Ruhm und Anerkennung sind. Ebenso treibt keinen Unternehmer der Schuldendruck zu seinem Handeln (jedenfalls im Grunde nicht, im Tagesgeschäft mag das mal vorkommen). Den Unternehmer treibt der Wunsch in und aus Freiheit heraus etwas zu organisieren und zu schaffen.
Diese und vergleichbare Motivationen sind stark in unserer Kultur verankert. Hierin liegt meiner Überzeugung nach die Quelle des Fortschritts, des Wachstums und auch die Stärke der abendländischen Kultur.
Wäre der Schuldendruck die entscheidende Triebfeder, so wäre es sehr schwer zu erklären, warum es immer wieder zu so schweren und schwer behebbaren Deflationskrisen kommt. Nach dem Gedanken vom Schuldendruck müßte doch gerade in der Deflation (= Fehlen neuer Kredite=Fehlen von Investitionen) die stärkste Motivation zum Wachstum entstehen. Es müßte dann der (vom Schuldendruck erzwungene) Fortschritt zum Selbstregulator der Deflation werden. Die historische Erfahrung zeigt aber, dass genau das eben nicht funktioniert. Das System ist nicht in der Lage aus sich heraus eine Lösung für das Deflationsproblem zu finden, vielmehr bedarf es immer einer Art gewalttätigen Ausbruchs (entweder nach innen wie in der französischen Revolution, oder nach aussen wie im 2. Weltkrieg etwa) um dem Fortschritt überhaupt wieder Raum zu verschaffen.
Selbiges gilt auf der individuellen Ebene. Wenn dottore mal tatsächlich kurz vor der Pleite stünde und finanziell nicht mehr ein oder aus wüßte, dann würde ich doch gerne erleben, wie er dann noch eine vernünftige und auch lesenswerte Seite schreiben will. Der aus Profitgier gedrehte Teil 2 eines Films ist wie wir alle sicher wissen meist Zeitverschwendung. So ist auch das immer wieder verherrlichte Prinzip vom"Fordern und Fördern" schlichter Quatsch der nie funktionieren kann. So funktionieren einfach weder Menschen, noch Gesellschaften.
Ich bin daher der Ansicht, dass der Schuldendruck eine etwas andere Bedeutung hat:
Es ist der Schuldendruck, der die oben beschriebenen menschlichen Motivationen in geordnete Bahnen lenkt. Der Schuldendruck treibt das Handeln nicht an, er blockiert vielleicht sogar. Aber er weißt dem einzelnen Wirtschaftsakteur den Weg dahin, wo er seine Motivation und Tätigkeit am besten anbringen kann.
Um ein blödes konkretes Beispiel zu nennen: Vielleicht würde dottore in seinem inneren viel lieber seltsame Liebesgedichte oder bizarre Abhandlungen zur höheren Mathematik schreiben, aber anders als im 13. Jahrhundert hält sich der gesellschaftliche Bedarf nach derartiger Lyrik in engen Grenzen, dottores Feder und Talent wäre aus gesellschaftlicher Sicht verschwendet und innerhalb des Schuldendrucksystems sein Konto böse im Minus.
Daraus folgt, dass der simple Export des Schuldendrucks und des Eigentumsprinzips einem Entwicklungsland sicher nicht hilft. Was dort eher fehlt ist ein vergleichbarer innerer Antrieb der Menschen und der Kultur und vielleicht auch eine vergleichbare Wertung und Zielsetzung einer möglichen Fortentwicklung. (Dies bedeutet bitte keinerlei Wertung! Tolles BIP und technischer Schnickschnack ist nicht alles auf der Welt.)
Daraus folgt auch eine andere Interpretation von Deflationskrisen. In der Deflationskrise läßt der Ordnungsmechanismus Schuldendruck den Menschen nicht mehr die Freiheit Neues zu schaffen, weil er an zu vielen Stellen den gesellschaftlichen Bedarf verneint. Das System ist an seine immanente Grenze gestossen, die herzustellende Ordnung der Tätigkeiten ist gewissermaßen eingetreten und kann aus sich heraus nichtmehr das Entwicklungsbedürfnis und -Potential erfassen und steuern. Das ist der Punkt, wo der kreativen Unordnung wieder Raum gegeben werden muss, wo auch entgegen vermeintlicher Rationalität und Effektivität den Akteueren Freiraum zu Neuem gegeben werden muss. Man darf dann zuversichtlich sein, dass sich neue Räume der Betätigung und Motivation ergeben werden, die dann gegebenenfalls wieder geordnet werden können.
So weit erstmal meine Ansicht.
Grüße an Alle
|
sensortimecom
01.12.2005, 20:35
@ Tarantoga
|
Es ist nicht nur Schuldendruck, sondern auch Gruppenzwang, der antreibt... |
-->[b]Woher dieser"Gruppenzwang" kommt bzw. woraus er resultiert, ob er kulturelle, psychologische oder soziale Wurzeln hat, ist egal. Ein Einzelner, der aus einer konsumwütigen Gesellschaft ausschert, gerät sehr rasch unter Druck, das Versäumt"wieder aufzuholen".
Dann gibts außer dem dottore`schen Schuldendruck noch einen weiteren triftigen Grund zur"Antreibung": Der ist allerdings schwerer zu definieren, aber umso relevanter. Es ist das Bedürfnis des Menschen, das System zu überwinden. Das ambiente System wird immer als repressiv und unvollkommen empfunden. In jedem Menschen steckt ein kleiner"Messias", der das System zu verbessern und zu erneuern versucht. Dies ist die GRÃ-SSTE TRIEBKRAFT für Innovation und Wirtschaftswachstum.
Die gegenwärtigen deflationistischen Tendenzen (die mit Hilfe der"Beimengung" von Hyperinflation"bekämpft" wird, siehe unter:"DEHYPFLATION") haben aber einen singulären Charakter. Der unterscheidet sich völlig von früheren Situationen: Das System zeigt"Erschöpfungssysndrome" hinsichtlich Kreativität und Innovation.
Ich hab das unlängst mal mit der Anzahl von Primzahlen innerhalb des Zahlensystems verglichen: Man denke sich das gesamte Zahlensystem von Null bis Unendlich als Gesamtmenge aller möglichen technischen oder wissenschaftlichen Tätigkeiten, und die Primzahlen als Menge aller monopolisierbaren - weil urheber- oder patentrechtlich schützbaren NEUHEITEN welche von WERT sind, weil sie sich hinsichtlich prior art deutlich von vergangenem KnowHow abheben. So zeigt dies GANZ DEUTLICH, dass es immer aufwendiger und schwieriger wird bzw. länger dauert, eine NEUE, NOCH HÃ-HERE PRIMZAHL zu errechnen (z.Z. ist die zweithöchste per Computer errechnete Primzahl 2^24.036.583-1... warum zweithöchste? na klar, weils jeweils eine noch höhere gibt; s. Satz von Euklid..)
Setzt man diese Veranschaulichung um auf das Gebiet der Wirtschaft und der Innovation, so wird unser gegenwärtiges Problem rasch klar: Fortschritt wird immer schwieriger und teurer; und die Menschheit hat den Übergang von der Innovationsgesellschaft zur Anwendergesellschaft noch nicht gelernt...
Grüße
Erich B.
(heute ist das Forum wieder mal fast intellektuell...;-)
|
Josef
01.12.2005, 21:30
@ sensortimecom
|
Es muss doch nicht immer materieller Fortschritt sein? |
-->
>Setzt man diese Veranschaulichung um auf das Gebiet der Wirtschaft und der Innovation, so wird unser gegenwärtiges Problem rasch klar: Fortschritt wird immer schwieriger und teurer; und die Menschheit hat den Übergang von der Innovationsgesellschaft zur Anwendergesellschaft noch nicht gelernt...
>Grüße
>Erich B.
Das kommt doch darauf wie du den Begriff"FORTSCHRITT" definierst,
Es auch gibt auch geistigen Fortschritt, Fortschritt an Erkenntnissen,
an Zusammenhaenge in Kosmos, Natur und Gesellschaft, sogar Philosophie.
Solche neuen Erkenntnisse nehmen seit Jahren rasant zu, so sehr, dass
der Einzelne Schwierigkeiten hat selbst auf einem Spezialgebiet Schritt
zu halten. (Beispiel: Physik, Elektromedizin, Astrophysik usw)
|
sensortimecom
01.12.2005, 21:53
@ Josef
|
Richtig. In einer"post-innovativen Gesellschaft" legt man Wert auf den MENSCHEN (o.Text) |
-->
|
dottore
01.12.2005, 22:00
@ Tarantoga
|
Re: Die Bedeutung des Schuldendrucks |
-->Hi,
Danke für die Anmerkungen. Nur einiges dazu in Kürze:
>Einige Anmerkungen zur"Machttheorie" aus meiner Sicht:
>Wenn man die Machtteorie und ihre Vorgänger so interpretiert, dass es der Schuldendruck ist, der den Fortschritt und das Wachstum antreibt, so geht dies meiner Meinung nach fehl oder ist zumindest sehr unpräzise.
Der Schuldendruck, hergeleitet aus dem Fremdabgabendruck, ist immer die Basis. Das primum movens sozusagen. Den versucht der Gezwungene zu unterlaufen. Dann kommt die Erkentnnis, dass man mit Hilfe dieses Tuns nicht nur dem Druck von"oben" mindern, sondern ihn auch"nach unten" weitergeben kann. Dazu braucht man das Druckmittel schlechthin: Eigentum, sofern es als"asset" andere zwingen kann.
>Dottore hat hier mal sinngemäß behauptet...
Der Hobbypsychologe irrt sich da.
>Ebenso treibt keinen Unternehmer der Schuldendruck zu seinem Handeln (jedenfalls im Grunde nicht, im Tagesgeschäft mag das mal vorkommen). Den Unternehmer treibt der Wunsch in und aus Freiheit heraus etwas zu organisieren und zu schaffen.
Was, wenn er es nicht täte? Er müsste irgendwo als Unterhund dafür sorgen, dass ihn seine Urschuld nicht ins physische Off zwingt. Warum macht sich jemand selbständig? Nicht aus Freiheit heraus, sondern um"frei zu werden". Daher ja auch der schöne Ausdruck"Freiberufler".
>Diese und vergleichbare Motivationen sind stark in unserer Kultur verankert. Hierin liegt meiner Überzeugung nach die Quelle des Fortschritts, des Wachstums und auch die Stärke der abendländischen Kultur.
Kultur, Kultur... Da gab's woanders viel stärkere"Kulturen" und gibt sie heute noch oder schon wieder. Heinsohn (sinngemäß): Der erste Tigerstaat war Deutschland (nach Stein/Hardenberg). Und heute?
>Wäre der Schuldendruck die entscheidende Triebfeder, so wäre es sehr schwer zu erklären, warum es immer wieder zu so schweren und schwer behebbaren Deflationskrisen kommt.
Oft genug erklärt: Weil die Nachschuldner ausbleiben, z.B."neue Unternehmer".
>Nach dem Gedanken vom Schuldendruck müßte doch gerade in der Deflation (= Fehlen neuer Kredite=Fehlen von Investitionen) die stärkste Motivation zum Wachstum entstehen.
Verwechslung von Alt-Schuldnern (vorhanden, hilflos, da die Schulden real immer größer werden) mit Neu-Schuldnern, die ausbleiben, da sie das Schicksdal der Alt-Schuldner (Unternehmer usw.) abschreckt. Erst nachdem die Pleiten tabula rasa gemacht haben (auch eine Form von clean slates) geht's wieder weiter, und das nicht ohne Tempo aufwärts.
>Es müßte dann der (vom Schuldendruck erzwungene) Fortschritt zum Selbstregulator der Deflation werden. Die historische Erfahrung zeigt aber, dass genau das eben nicht funktioniert. Das System ist nicht in der Lage aus sich heraus eine Lösung für das Deflationsproblem zu finden, vielmehr bedarf es immer einer Art gewalttätigen Ausbruchs (entweder nach innen wie in der französischen Revolution, oder nach aussen wie im 2. Weltkrieg etwa) um dem Fortschritt überhaupt wieder Raum zu verschaffen.
1. In der Defla fällt vielen eine Menge ein - aber sie warten ab. 2. Der Ausbruch muss nicht gewalttätig sein, auch wenn er's meistens war. Der Ausbruch ist dann das üble Finale und wie's nach Abwicklung der Revolution in Frankreich weiterging (post Napoleon) oder nach WKII ist deutlich. 3. Ein mit sich steigernden Abgaben operierendes Zwangssystem führt immer in eine Deflation, was auch für vertagte Abgaben (Staatsverschuldung) gilt. Für die erst recht.
>Selbiges gilt auf der individuellen Ebene. Wenn dottore mal tatsächlich kurz vor der Pleite stünde und finanziell nicht mehr ein oder aus wüßte, dann würde ich doch gerne erleben, wie er dann noch eine vernünftige und auch lesenswerte Seite schreiben will.
Schreiben nicht, aber eine Schaufel hilft auch weiter.
>Der aus Profitgier gedrehte Teil 2 eines Films ist wie wir alle sicher wissen meist Zeitverschwendung. So ist auch das immer wieder verherrlichte Prinzip vom"Fordern und Fördern" schlichter Quatsch der nie funktionieren kann. So funktionieren einfach weder Menschen, noch Gesellschaften.
Und Harry Potter? Das Marketing (= Nachschuldnerfindung) muss halt gut sein.
>Ich bin daher der Ansicht, dass der Schuldendruck eine etwas andere Bedeutung hat:
>Es ist der Schuldendruck, der die oben beschriebenen menschlichen Motivationen in geordnete Bahnen lenkt. Der Schuldendruck treibt das Handeln nicht an, er blockiert vielleicht sogar. Aber er weißt dem einzelnen Wirtschaftsakteur den Weg dahin, wo er seine Motivation und Tätigkeit am besten anbringen kann.
Motivation ist nicht der plumpe Schuldendruck, sondern die Vermeidung der Ãœberschuldung. Um diese Finesse geht es.
>Um ein blödes konkretes Beispiel zu nennen: Vielleicht würde dottore in seinem inneren viel lieber seltsame Liebesgedichte oder bizarre Abhandlungen zur höheren Mathematik schreiben, aber anders als im 13. Jahrhundert hält sich der gesellschaftliche Bedarf nach derartiger Lyrik in engen Grenzen, dottores Feder und Talent wäre aus gesellschaftlicher Sicht verschwendet und innerhalb des Schuldendrucksystems sein Konto böse im Minus.
Bisher hat die Ãœberschuldungs-Vermeidung noch funktioniert.
>Daraus folgt, dass der simple Export des Schuldendrucks und des Eigentumsprinzips einem Entwicklungsland sicher nicht hilft. Was dort eher fehlt ist ein vergleichbarer innerer Antrieb der Menschen und der Kultur und vielleicht auch eine vergleichbare Wertung und Zielsetzung einer möglichen Fortentwicklung. (Dies bedeutet bitte keinerlei Wertung! Tolles BIP und technischer Schnickschnack ist nicht alles auf der Welt.)
"Antrieb"? Ohne Eigentum, Verschuldungs-(Investitions-)Möglichkeiten? Ohne besicherte Kontrakte? Der Ex-DDR hätte nichts mehr geholfen als die Platten den Mietern direkt zu übertragen. Von den VEBs an die Belegschaften in Form von Aktien ganz zu schweigen. Denen wäre mehr für sich eingefallen als der Treuhand oder sich einen anderen Feudalherrn zu suchen, der"hilft".
>Daraus folgt auch eine andere Interpretation von Deflationskrisen. In der Deflationskrise läßt der Ordnungsmechanismus Schuldendruck den Menschen nicht mehr die Freiheit Neues zu schaffen, weil er an zu vielen Stellen den gesellschaftlichen Bedarf verneint.
Was ist"gesellschaftlicher Bedarf"?
>Das System ist an seine immanente Grenze gestossen, die herzustellende Ordnung der Tätigkeiten ist gewissermaßen eingetreten und kann aus sich heraus nichtmehr das Entwicklungsbedürfnis und -Potential erfassen und steuern. Das ist der Punkt, wo der kreativen Unordnung wieder Raum gegeben werden muss, wo auch entgegen vermeintlicher Rationalität und Effektivität den Akteueren Freiraum zu Neuem gegeben werden muss. Man darf dann zuversichtlich sein, dass sich neue Räume der Betätigung und Motivation ergeben werden, die dann gegebenenfalls wieder geordnet werden können.
>So weit erstmal meine Ansicht.
Gut. Und wie eine"kreative Unordnung" schaffen bei 16 laufenden Regalmetern Gesetzen, einer Bürokratie (korrupt obendrein), die ins Aschgraue ufert? Und die ca. 16.000 (oder so) EU-Verordnungen nicht vergessen.
"Neue Räume" - jawoll, Tarantoga. Genau diese fehlen. Und die vorhandenen sind heute kleiner denn je. Und werden täglich noch enger.
Gruß zurück!
|
Tarantoga
02.12.2005, 01:55
@ dottore
|
Re: Die Bedeutung des Schuldendrucks |
-->>Der Schuldendruck, hergeleitet aus dem Fremdabgabendruck, ist immer die Basis. Das primum movens sozusagen. Den versucht der Gezwungene zu unterlaufen. Dann kommt die Erkentnnis, dass man mit Hilfe dieses Tuns nicht nur dem Druck von"oben" mindern, sondern ihn auch"nach unten" weitergeben kann. Dazu braucht man das Druckmittel schlechthin: Eigentum, sofern es als"asset" andere zwingen kann.
Und dann zwingen alle alle herum und die Kosten dessen werden unabtragbare Staatsschulden.
>Was, wenn er es nicht täte? Er müsste irgendwo als Unterhund dafür sorgen, dass ihn seine Urschuld nicht ins physische Off zwingt. Warum macht sich jemand selbständig? Nicht aus Freiheit heraus, sondern um"frei zu werden". Daher ja auch der schöne Ausdruck"Freiberufler".
Den Unternehmer treibt der Wunsch IN und AUS Freiheit heraus etwas zu organisieren und zu schaffen. ;)
>Kultur, Kultur... Da gab's woanders viel stärkere"Kulturen" und gibt sie heute noch oder schon wieder. Heinsohn (sinngemäß): Der erste Tigerstaat war Deutschland (nach Stein/Hardenberg). Und heute?
Und was ist mit dem Tigerstaat Deutschland passiert? Kulturpessimismus in Ehren, aber Geschichte ist eine lange Angelegenheit.
Wenn ich in diesem Zusammenhang von Kultur rede, dann meine ich keine deutsche Leitkultur nach der auch der Deutschtürke zweiter Generation bitte Bier zu trinken und Tatort zu sehen hat.
>1. In der Defla fällt vielen eine Menge ein - aber sie warten ab. 2. Der Ausbruch muss nicht gewalttätig sein, auch wenn er's meistens war. Der Ausbruch ist dann das üble Finale und wie's nach Abwicklung der Revolution in Frankreich weiterging (post Napoleon) oder nach WKII ist deutlich. 3. Ein mit sich steigernden Abgaben operierendes Zwangssystem führt immer in eine Deflation, was auch für vertagte Abgaben (Staatsverschuldung) gilt. Für die erst recht.
Punkt 1 ist ein interessanter Aspekt. Aber warten sie wirklich freiwillig? Oder nur weil die Schwierigkeiten des Umfeldes zu groß sind?
Punkt 3 ist meiner Meinung nach der wertvollste Teil der Theorie. Der Nachweis macht sie erst bedeutsam.
>Und Harry Potter? Das Marketing (= Nachschuldnerfindung) muss halt gut sein.
Mit Verlaub, haben sie ihn gesehen? Ich jedenfalls nicht...
>Motivation ist nicht der plumpe Schuldendruck, sondern die Vermeidung der Ãœberschuldung. Um diese Finesse geht es.
Man verzeihe mir meine vereinfachende Bezeichnung.
>"Antrieb"? Ohne Eigentum, Verschuldungs-(Investitions-)Möglichkeiten? Ohne besicherte Kontrakte? Der Ex-DDR hätte nichts mehr geholfen als die Platten den Mietern direkt zu übertragen. Von den VEBs an die Belegschaften in Form von Aktien ganz zu schweigen. Denen wäre mehr für sich eingefallen als der Treuhand oder sich einen anderen Feudalherrn zu suchen, der"hilft".
Bezüglich der DDR ist das vollkommen richtig. Hier haben Kohl und Schäuble fürchterlichsten Unverstand oder aber ihre Korruption bewiesen.
Aber muss das Eigentum wirklich so wie heute sein?
>Was ist"gesellschaftlicher Bedarf"?
In dem Fall wohl simple Nachfrage.
>Gut. Und wie eine"kreative Unordnung" schaffen bei 16 laufenden Regalmetern Gesetzen, einer Bürokratie (korrupt obendrein), die ins Aschgraue ufert? Und die ca. 16.000 (oder so) EU-Verordnungen nicht vergessen.
Muss man mir nicht sagen. Ich bin Jurist - und deshalb Anarchist.
Dieser Haufen an weitgehend überflüssigen Gesetzen mit all ihren Umsetzungskosten sind ein wesentlicher Teil der Ineffektivität. Und dabei meine ich nichtmal die schlichten bürokratischen Umständlichkeiten. Muss man wirklich jemanden dafür beschäftigen, dass er mit der Knarre an der Seite sicherstellt, dass alle im Auto angeschnallt sind? Das ist doch lächerlich.
Grüße
|
moneymind
02.12.2005, 20:26
@ Tarantoga
|
Re: Die Bedeutung des Schuldendrucks - Tarantoga |
-->Hi Tarantoga,
Du schreibst:
"Wenn man die Machtteorie und ihre Vorgänger so interpretiert, dass es der Schuldendruck ist, der den Fortschritt und das Wachstum antreibt, so geht dies meiner Meinung nach fehl oder ist zumindest sehr unpräzise.
(...)
keinen Unternehmer (treibt) der Schuldendruck zu seinem Handeln (jedenfalls im Grunde nicht, im Tagesgeschäft mag das mal vorkommen). Den Unternehmer treibt der Wunsch in und aus Freiheit heraus etwas zu organisieren und zu schaffen.
Da kann ich Dir teilweise zustimmen. Ich denke zwar auch ähnlich wie dottore, daß der Schuldendruck bzw. die Kombination Verlierbarkeit des Eigentums als Existenzgrundlage in Verbindung mit arbeitsteiligem Wirtschaften, das im Kern als Konkurrenz um (oft) knappes Geld organisiert ist, eine ganz wesentliche Triebfeder für Unternehmer darstellt - jedenfalls liegt hier eine oft als"Sachzwang" wahrgenommene Bedingung, die jeder Unternehmer in seinen Plänen auf alle Fälle berücksichtigen muß und die diese Pläne deshalb auch stark beeinflussen werden.
Insofern läßt sich die Bedeutung des Schuldendrucks kaum ignorieren, und natürlich ist es genau der, der vom Unternehmer jene Risikobereitschaft verlangt, die hierzulande (im Vergleich zu den USA etwa) so wenige an den Tag legen.
Daß aber das"alles" oder gar"die Hauptsache" dessen ausmachen soll, was einen Unternehmer tatsächlich motiviert, glaube ich - ganz ähnlich wie Du - auf keinen Fall.
Das"Wegstreben von der Überschuldungsschwelle" ist ja nur ein negativ definiertes Ziel, das inhaltlich gar keine positive Richtung vorgibt; ginge es also Unternehmern wirklich nur darum, könnten sie ja auch auswandern und sich in irgendwelchen kanadischen Wäldern als Selbstversorger betätigen.
Wenn man Unternehmer mal fragt, was sie motiviert, dann ist das doch oft eine Faszination mit einer Erfindung, einer bestimmten Problemlösung oder etwas ähnlichem, eine Besessenheit von einer Idee und ihrer Verwirklichung etc. etc. - also an der Wurzel menschliche Kreativität und menschlicher Schaffensdrang, der Wunsch etwas neues aufzubauen usw. usf.
Ich glaube, daß es so einen Drang in allen Gesellschaften gibt, daß aber im"Kapitalismus" oder der"debitistischen Eigentumswirtschaft" die besten Bedingungen herrschen, um gute Ideen tatsächlich auch praktisch umzusetzen.
Das hat wiederum mit den Schulden zu tun. Ist nämlich"Geld" (später fällige Schulden) gegenüber aktuell fälligen Schulden knapp, dann herrscht - weil Waren so ausgepreist werdern, daß mindestens kostendeckend gewirtschaftet werden kann - ein"Überangebot von Waren" auf dem Markt. Das vorhandene Geld kann nicht alle Waren kaufen. Tendenziell also volle Regale und knappes Geld und nicht, wie im Sozialismus, knappe Güter, die man über langwierige und komplizierte Ringtauschaktionen besorgen muß, weil die Leute Güter als Tauschmittel und Wertspeicher horten.
Dieses Warenüberangebot macht es nun einem kreativen Unternehmer leicht, seine Idee praktisch zu verwirklichen --- denn er kommt leicht an die dafür nötigen Rohstoffe und Materialien heran. Alles, was er dafür braucht, ist Geld - ggf. ein Kredit etc.
Das würde bedeuten: selbst wenn in allen Gesellschaften gleichviel gute innovative Ideen entstünden (und ich halte grundsätzlich alle Menschen für kreativ in der einen oder anderen Form), könnten sie im Kapitalismus am ehesten verwirklicht werden.
Zusätzlich droht dem Unternehmer ja nicht nur der Bankrott, wenn es mit der Umsetzung seiner Idee nicht hinhaut. Sondern bei erfolgreicher Umsetzung winkt ja auch finanzieller Erfolg.
D.h. die negative Motivation des Schuldendrucks reicht nicht aus, sie stellt nur eine Seite der Medaille dar. Ein Unternehmen entsteht erst aus einem Zueinander einer nur negativ definierten"Vermeidungs"-Motivation (weg von Überschuldungsschwelle streben) und einer positiv inhaltlich konkret definierten"Hin-Zu"-Motivation. Beides muß vorhanden sein für eine effektive Motivation --- und letzteres ignoriert dottore weitgehend, aus welchen Gründen auch immer.
Ihm scheint halt der Zwangsgedanke so zu gefallen, daß er dazu tendiert, alles darauf zurückzuführen --- aber die Freiheit ist ja das komplementäre Prinzip, ohne das auch Zwang gar nicht denkbar wäre. Es macht also in meinen Augen wenig Sinn, eine der beiden komplementären Seiten zu leugnen.
Bei dottore fällt auf, daß er - als Spiegelbild der Zwangsoptimisten/Positivdenker und als erklärter"con-man" - fast nur auf Vermeidungsmotivationen ("weg von etwas") und Zwangsmotivationen ("müssen") schaut.
Dieses Weltbild erscheint mir genauso einseitig wie das der zwanghaften Positivdenker und Hurra-Liberalisten, die gern jegliche Zwänge übersehen und leugnen.
Unternehmer als allein vom Schuldendruck getriebene Knechte anzusehen (was in einer Krise naürlich für eine wachsende Zahl von Unternehmen zutrifft), scheint mir jedenfalls eine ziemliche Verkürzug darzustellen.
Du schreibst noch:
"Diese und vergleichbare Motivationen sind stark in unserer Kultur verankert. Hierin liegt meiner Überzeugung nach die Quelle des Fortschritts, des Wachstums und auch die Stärke der abendländischen Kultur."
Hm, mag sein, daß Risikobereitschaft in verschiedenen Kulturen unterschiedlich ausgeprägt ist, aber ich denke, jeder hat das Potential, entsprechende Fähigkeiten zu entwickeln, wenn er mal ins kalte Wasser gesprungen ist. Die Kultur der Selbständigkeit ist ja hierzulande auch nicht unbedingt weit verbreitet... aber sicherlich müßte in Entwicklungsländern auch da viel getan werden, um eine Entrepreneurship-Kultur zu fördern und ermöglichen.
Was Deflationskrisen angeht, bin ich mit dottore dagegen weitgehend einer Meinung.
Du schreibst weiter:
"So ist auch das immer wieder verherrlichte Prinzip vom"Fordern und Fördern" schlichter Quatsch der nie funktionieren kann. So funktionieren einfach weder Menschen, noch Gesellschaften."
Hm, auch das sehe ich nicht ganz so wie Du. Ich denke, Herausforderungen und Zwänge wirken schon motivierend, wenn sie eine gewisse kritische Schwelle (die zur Überforderung, die dann eher lähmend wirkt) nicht überschreiten. Menschen besinnen sich oft erst in Not-, Druck- oder Gefahrensituationen auf ihre wirklichen Fähigkeiten und entdecken oft erst angesichts einer solchen Herausforderung, daß sie zu mehr imstande sind als sie eigentlich von sich selbst geglaubt haben. Und"Schuldendruck" kann auch als so eine Herausforderung wirken, ist also meiner Meinung nach nicht nur negativ.
Du schreibst dann noch:
"Ich bin daher der Ansicht, dass der Schuldendruck eine etwas andere Bedeutung hat:
Es ist der Schuldendruck, der die oben beschriebenen menschlichen Motivationen in geordnete Bahnen lenkt. Der Schuldendruck treibt das Handeln nicht an, er blockiert vielleicht sogar. Aber er weißt dem einzelnen Wirtschaftsakteur den Weg dahin, wo er seine Motivation und Tätigkeit am besten anbringen kann."
Da kann ich wiederum weitgehend zustimmen (siehe auch http://f17.parsimony.net/forum30434/messages/152484.htm)
>Daraus folgt, dass der simple Export des Schuldendrucks und des Eigentumsprinzips einem Entwicklungsland sicher nicht hilft. Was dort eher fehlt ist ein vergleichbarer innerer Antrieb der Menschen und der Kultur und vielleicht auch eine vergleichbare Wertung und Zielsetzung einer möglichen Fortentwicklung. (Dies bedeutet bitte keinerlei Wertung! Tolles BIP und technischer Schnickschnack ist nicht alles auf der Welt.)
Ich denke, daß solche"inneren Antriebe" dann schon entstehen, wenn erstmal ein"unternehmerisches", marktförmiges Umfeld da ist. War doch in anderen Ländern, die nachholend modernisiert haben, auch so (incl. D, aber auch Japan, Südkorea, Taiwan etc.).
>Daraus folgt auch eine andere Interpretation von Deflationskrisen. In der Deflationskrise läßt der Ordnungsmechanismus Schuldendruck den Menschen nicht mehr die Freiheit Neues zu schaffen, weil er an zu vielen Stellen den gesellschaftlichen Bedarf verneint. Das System ist an seine immanente Grenze gestossen, die herzustellende Ordnung der Tätigkeiten ist gewissermaßen eingetreten und kann aus sich heraus nichtmehr das Entwicklungsbedürfnis und -Potential erfassen und steuern. Das ist der Punkt, wo der kreativen Unordnung wieder Raum gegeben werden muss, wo auch entgegen vermeintlicher Rationalität und Effektivität den Akteueren Freiraum zu Neuem gegeben werden muss. Man darf dann zuversichtlich sein, dass sich neue Räume der Betätigung und Motivation ergeben werden, die dann gegebenenfalls wieder geordnet werden können.
Yep, das kann ich wieder weitgehend unterschreiben.
Gruß
moneymind
|