dottore
18.12.2005, 15:47 |
Origin of War - die nächste, hier: Nordost-Syrien Thread gesperrt |
-->Hi,
als interessantes Gegenstück zu den Mesopot-Stätten Ur, Uruk usw. gilt das im nordöstlichen Syrien nahe der heutigen türkischen Grenze gelgene Tell Hamoukar, das von Amerikanern ausgegraben wird. Zur Lage:
Die Häuser sind „modern“. Es geht um den Hügel selbst und die Ausgrabungen dort:
Die Siedlung dehnte sich dann per Bevölkerungsvermehrung (Stammesvermehrung) aus und erreichte schließlich das Gebiet des ganzen Tells.
durchgezogenen klassische Distributionsökonomie.
Zum zweiten auch aus der Spezialisierung der Herstellungen. Zum Beispiel wurden Keramiken (Töpfe usw.) zunächst in den einzelnen Häusern und Familien selbst gefertigt (typisch Ubaid also), danach ging man zur arbeitsteiligen Produktion über, was z.B. diese ausgegrabenen „Großöfen“ zeigen:
bekannten „Augen-Idole“ gefunden:
[img][/img]
Diese frühen Stadt-„Kulturen“ sind ein interessantes Bindeglied zwischen den ursprünglichen und eigenwirtschaftlich operierenden Multi-Familien oder Stammesgesellschaften, die ihre"falsche Entscheidung" (@Popeye) in Form der Sesshaftwerdung getroffen haben und dem was wir dann als klassische Abgabenökonomien erleben, die in dieser Gegend ihren Ausgang nahmen und mit dem dortigen Großreichen der Mitanni, Hethither (weiter nördlich) und vor allem der Assyrer/Perser ihren ersten Höhepunkt erreichten, wo dann, wie schon des öfteren erwähnt, im Zentrum Babylon alles schließlich ausgebildet war, was wir in unseren „modernen“ Ã-konomien weltweit fast durchgehend auch erleben dürfen.
So fügen die „Cannonballs“ von Hamoukar einen weiteren hübschen Puzzle-Stein in das Gesamtgebilde. „I‘m excited“, sagt Prof. Reichel. Kann ich auch von mir sagen.
Gruß!
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Fremdwort
18.12.2005, 17:10
@ dottore
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Re: Origin of War - dialektisch betrachtet |
-->Hi,
vorab: interessanter Text.
Fragen wir uns erstmal WARUM ein Mensch seine Gesundheit aufs Spiel setzt, wenn er doch sonst ein erträgliches Umfeld hat. Im Tierreich ist das IMHO unbekannt (Affen mal bitte nicht betrachten oder domestizierte Tiere).
Ein schönes Beiaspiel für die ersten Gesetze und damit auch deren Brechen --> Konfliktstoff - sind die Maori. Erst hatten sie Neuseeland als Paradies vorgefunden, Emus liesen sich leicht jagen und lieferten alles überlwebensnotwendige, dann landeten sie im Elend. Eine typische Überschuldung (die hatten ja auch nicht bilanziert:o))
Irgendwan hatten sie den letzten Emu geschlachtet und nun war Feierabend. Sie mussten also Tabus setzen, um nicht noch andere Nahrungsgrundlagen dieser Insel auszurotten. Ich bin mir sicher, das hier der Konfliktstoff zu finden ist für Kriege. Ein Stamm musste sich mit Gewalt gegen den anderen durchsetzen, wenn er durch diesen seine eigenen Lebensgrundlagen gefährdet sah. Dieses Muster haben Kriege eigentlich bis in jüngste Zeit.
Der Irak hat Ã-l, die Amis brauchen es, haben aber keine Gewalt da unten und sehen ihre Wirtschaft gefährdet. Also holen sie es sich mit Gewalt.
Um Saddam kann es nicht gegangen sein, denn der spielte auch mal mit und war der Gute, bis er von der Arschkriecherei die Nase voll hatte.
Geht es einer Gruppe gut, will sie den bislang erreichten Standard mit allen Mitteln erhalten und verteidigen.
Gruß
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- Elli -
18.12.2005, 17:12
@ dottore
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Re: Origin of War / Oaxaca |
-->>Dieser „origin of war“ ähnelt dem ca. 1200/1300 Jahre später datierten, der aus dem Hochtal von Oaxaca (Mexiko) gemeldet wurde (lange Diskussion dazu hier).
Hier der Thread (von Sept. 2003):
http://f17.parsimony.net/forum30434/messages/219559.htm
(der heutige Beitrag kommt natürlich in die Sammlung)
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Holmes
18.12.2005, 17:15
@ dottore
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Re: Origin of War - die nächste, hier: Nordost-Syrien |
-->Hi dottore,
schön, wieder was von Dir zu lesen:-)
>Dabei wurden keine Spuren eines Handels gefunden, die Region war komplett autark.
Warum sollte man auch handeln, wenn man alles hat, was man braucht?
>In Tell Hamoukar wurden auch die schon aus Tell Brak bekannten „Augen-Idole“ gefunden:
Hat man eine Idee, was die Augen bedeuten? Symbol der Herrschaft = Du bist nie allein? Ich sehe Dich... Panoptikum? Der Blick der Macht? Fixieren = Zielen?
>Diese frühen Stadt-„Kulturen“ sind ein interessantes Bindeglied zwischen den ursprünglichen und eigenwirtschaftlich operierenden Multi-Familien oder Stammesgesellschaften, die ihre"falsche Entscheidung" (@Popeye) in Form der Sesshaftwerdung getroffen haben und dem was wir dann als klassische Abgabenökonomien erleben, die in dieser Gegend ihren Ausgang nahmen und mit dem dortigen Großreichen der Mitanni, Hethither (weiter nördlich) und vor allem der Assyrer/Perser ihren ersten Höhepunkt erreichten, wo dann, wie schon des öfteren erwähnt, im Zentrum Babylon alles schließlich ausgebildet war, was wir in unseren „modernen“ Ã-konomien weltweit fast durchgehend auch erleben dürfen.
Wieso Zwischenstufe? Es hört sich so an, als wäre die Struktur bereits da?
Beste Grüsse,
Holmes
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dottore
18.12.2005, 17:50
@ Holmes
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Re: Origin of War - die nächste, hier: Nordost-Syrien |
-->Hi Holmes,
>>In Tell Hamoukar wurden auch die schon aus Tell Brak bekannten „Augen-Idole“ gefunden:
>Hat man eine Idee, was die Augen bedeuten?
Leider nein. Ich kannte sie bisher nur aus Tell Brak (hab selbst welche). Sie sind ziemlich"common". Laufen unter Sammelbegriff"Idole". Von griech = eidos = Bild. Berühmt sind auch jene der Kykladen, z.B.
Ähnlich sog."Magna Mater"-Figurinen, à la Venus von da und dort, hier Skopje:
[img][/img]
Das würde auf das höchst komplizierte Phänomen des Übergangs von matrilinearen Strukturen (auf Catal Hüyük war schon verwiesen worden) zum Patriarchat hinweisen.
Heinsohn hatte dazu schon 1982 etwas publiziert (Mimeo):"Privates Grundeigentum, patriarchalische Monogamie und geldwirtschaftliche Produktion".
>Symbol der Herrschaft = Du bist nie allein? Ich sehe Dich... Panoptikum? Der Blick der Macht? Fixieren = Zielen?
Nein, sicher nicht.
>>Diese frühen Stadt-„Kulturen“ sind ein interessantes Bindeglied zwischen den ursprünglichen und eigenwirtschaftlich operierenden Multi-Familien oder Stammesgesellschaften, die ihre"falsche Entscheidung" (@Popeye) in Form der Sesshaftwerdung getroffen haben und dem was wir dann als klassische Abgabenökonomien erleben, die in dieser Gegend ihren Ausgang nahmen und mit dem dortigen Großreichen der Mitanni, Hethither (weiter nördlich) und vor allem der Assyrer/Perser ihren ersten Höhepunkt erreichten, wo dann, wie schon des öfteren erwähnt, im Zentrum Babylon alles schließlich ausgebildet war, was wir in unseren „modernen“ Ã-konomien weltweit fast durchgehend auch erleben dürfen.
>Wieso Zwischenstufe? Es hört sich so an, als wäre die Struktur bereits da?
"Zwischenstufe" eben bezogen auf Matrilinear - Patriarchat. Auf frauengeleitete frühe Geballt-Siedlungen und dann männerkriegergeleitete Siedlungen in Konkurrenz zu anderen. Sehr weites und schwieriges Feld. Für das"späte Hamoukar" scheint alles klar, aber wer war Chef(in) in der allerersten Phase?
Beste Grüße zurück!
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dottore
18.12.2005, 18:09
@ Fremdwort
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Re: Origin of War - dialektisch betrachtet |
-->Hi Fremdwort,
>vorab: interessanter Text.
>Fragen wir uns erstmal WARUM ein Mensch seine Gesundheit aufs Spiel setzt, wenn er doch sonst ein erträgliches Umfeld hat. Im Tierreich ist das IMHO unbekannt (Affen mal bitte nicht betrachten oder domestizierte Tiere).
Bei Risikominimierung (Überraschungsangriff) ist das mit der Gesundheit nicht so dramatisch. Dass es gemacht wurde, steht außer Frage. Die Bilder der Uni Chicago (leider nicht einstellbar) sind völlig klar. Die Geschosse waren bisher unbekannt, immerhin bis 15 cm (oder so) Durchmesser. Neue Waffen, neues Glück. In H. wurde auch Cu gefunden - wie steht's um Bronze? Bisher noch nichts gefunden, wie bei Bronze überhaupt ein Elend, da verrottet (in Ebla ist wenigstens einiges gefunden worden).
>Ein schönes Beiaspiel für die ersten Gesetze und damit auch deren Brechen --> Konfliktstoff - sind die Maori. Erst hatten sie Neuseeland als Paradies vorgefunden, Emus liesen sich leicht jagen und lieferten alles überlwebensnotwendige, dann landeten sie im Elend. Eine typische Überschuldung (die hatten ja auch nicht bilanziert:o))
Die Bevölkerungsvemehrung ist ein ganz wichtiger Aspekt. Entsprechend auch die zahlreichen Versuche der"europäischen" Geburtenkontrolle usw. (das"Hexenproblem" etc.).
>Irgendwan hatten sie den letzten Emu geschlachtet und nun war Feierabend. Sie mussten also Tabus setzen, um nicht noch andere Nahrungsgrundlagen dieser Insel auszurotten. Ich bin mir sicher, das hier der Konfliktstoff zu finden ist für Kriege. Ein Stamm musste sich mit Gewalt gegen den anderen durchsetzen, wenn er durch diesen seine eigenen Lebensgrundlagen gefährdet sah. Dieses Muster haben Kriege eigentlich bis in jüngste Zeit.
Gewiss. Nur waren die Lebensgrundlagen in Mesopot ziemlich lange abundant (viel Fläche, wenig Arbeiter). Es ging nicht nur um Landraub, sondern zunächst um Maximierung der in"Zwangsarbeit" zu schickenden, daher agrarian usury.
>Der Irak hat Ã-l, die Amis brauchen es, haben aber keine Gewalt da unten und sehen ihre Wirtschaft gefährdet. Also holen sie es sich mit Gewalt.
Andere Baustelle. Ressourcen-Kriege gibt's natürlich auch.
>Um Saddam kann es nicht gegangen sein, denn der spielte auch mal mit und war der Gute, bis er von der Arschkriecherei die Nase voll hatte.
>Geht es einer Gruppe gut, will sie den bislang erreichten Standard mit allen Mitteln erhalten und verteidigen.
Speziell die Top-Dogs wollen ihren"herrschaftlichen" Standard halten. Der"arme" Herrscher ist ein Hansel, siehe Friedrich III., Johann"ohne Land" usw.
[img][/img]
Was F. III. da zeigt, musste er mehrmals verpfänden. Aber langes Leben und gutes Geschick beim Ausspielen der Gegner hat dann doch die Grundlage zur Habsburger Weltmacht legen können (Maximilian, Karl V.).
Gruß!
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Holmes
18.12.2005, 19:57
@ dottore
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Re: Augen-Idole als stellvertretende Herrscher in Massengesellschaften |
-->Hi dottore,
das Internet ist ein selsamer Ort: Google findet bei"augenidole" nur 13 Treffer, aber schon der erste ist der Interessante.
"Die Proliferation von Gesichtern muß als ein typisches Merkmal des Zivilisationsprozesses verstanden werden - als Ausdruck indirekter Kommunikationssysteme, dieser"Kunst des menschlichen Zusammenlebens in Städten von solcher Größe, daß nicht mehr jeder jeden kennt". Die Gesichter fungierten als Elemente einer überlebensnotwendigen Repräsentationsarbeit: sie vertraten einen abwesenden Herrscher und Gottkönig, dessen Befehlsgewalt und unverbrüchlich gegenwärtige Macht imaginiert und akustisch halluziniert werden mußte, um den Fortbestand des jeweiligen Gemeinwesens zu garantieren. Je schneller die betreffenden Gesellschaften anwuchsen, desto schwieriger mußte es allerdings werden, mit präparierten Ahnenschädeln allein und zunehmend pompöser gestalteten Zentralbauwerken - »Sendeanlagen« wie der babylonischen Zikkurat - das Auslangen zu finden. Als neues »Massenmedium« zur Stabilisierung jener sozialen Synthesis, die im Zuge der »neolithischen Revolution« etabliert wurde, begannen sich daher rasch die vieltausendfach verbreiteten Idole durchzusetzen."
Also schon damals:"Big Brother is watching you"?
Beste Grüsse,
Holmes
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