-->
Alterung bedroht EU-Wirtschaftswachstum
Das «Fenster» für politische Massnahmen schliesst sich rasch
Ein Bericht an die Finanzminister der EU warnt davor, dass die Alterung der Bevölkerung das Wirtschaftswachstum bremsen und die öffentlichen Finanzen stark belasten werde. Das Zeitfenster zur Bewältigung dieser Entwicklung werde sich rasch schliessen.
Ht. Brüssel, 13. Februar
Die EU-Staaten müssen ihre Reformanstrengungen verstärken, um die Herausforderungen der Alterung meistern zu können. Dies ist die Quintessenz eines am Montag veröffentlichten gemeinsamen Berichts der EU-Kommission und eines Ausschusses der Mitgliedstaaten, der am Dienstag von den Finanzministern diskutiert wird. Laut dem Report dürfte die Erwerbsbevölkerung der EU-25 (d. h. die Zahl der 15- bis 64-Jährigen) bis 2050 um 48 Mio. oder 16% zurückgehen, die Zahl der über 65-Jährigen hingegen um 58 Mio. oder 77% wachsen, da die «Baby-Boom-Generation» ab 2010 in den Ruhestand tritt und die Lebenserwartung weiter steigt. 2050 werden deshalb nur zwei statt wie derzeit vier Erwerbstätige auf jeden Rentner entfallen.
Halbiertes Potenzial-Wachstum
Die durchschnittliche jährliche Potenzial-Wachstums-Rate des Bruttoinlandprodukts (BIP) der EU-25 könnte sich infolge dieser Entwicklung von 2,4% im Zeitraum 2004-10 auf 1,2% in der Periode 2031-50 halbieren. Der Bericht begründet dies damit, dass der Anstieg der Beschäftigungsquote (infolge einer höheren Beschäftigung der Frauen und älteren Arbeitnehmer) nur bis 2017 den 2012 einsetzenden Rückgang der Erwerbsbevölkerung wettmachen könne. Danach dominiere der Alterungseffekt, und die Arbeitsproduktivität werde zur zentralen, in manchen Staaten gar zur einzigen Wachstumsquelle. Deshalb könne die Zeit bis 2011 als «Fenster» für Strukturreformen angesehen werden.
Die altersbezogenen öffentlichen Ausgaben werden laut dem Bericht in der EU-25 bis zum Jahr 2050 durchschnittlich um etwa 4 Prozentpunkte des BIP steigen. Bei einer länderweisen Betrachtung zeigen sich grosse Unterschiede. So dürfte der - allerdings bereits hohe - Anteil der öffentlichen Rentenausgaben am BIP in der EU-15 in Italien und Schweden bis 2050 nur noch geringfügig wachsen und in Ã-sterreich gar sinken. Irland, Spanien, Luxemburg und Portugal hingegen haben ohne Korrekturen einen Anstieg dieser Ausgaben um etwa 6-10 BIP-Prozentpunkte zu erwarten, der allerdings in Irland von einem tiefen, in Portugal hingegen von einem bereits hohen Niveau ausgeht. Unter den neuen Mitgliedstaaten fällt Polen auf, dessen staatliche Pensionskosten wegen der Umstellung auf ein privat finanziertes System deutlich sinken werden. Umgekehrt gehören Tschechien, Slowenien, Ungarn und Zypern zu den EU-Staaten, denen die grössten Herausforderungen bevorstehen.
Länger arbeiten!
Der Bericht, der auf früheren EU-Vorstössen aufbaut, lobt aber auch, dass die in mehreren Mitgliedstaaten eingeleiteten Rentenreformen das tatsächliche Renteneintrittsalter erhöhten und den künftigen Ausgabendruck eindämmten. Noch bestehe aber kein Grund zur Selbstzufriedenheit, schreibt die Kommission warnend.
Der EU-Finanzminister-Rat (Ecofin) wird laut dem Entwurf seiner Schlussfolgerungen am Dienstag den Hauptaussagen des Berichts zustimmen. Die Minister wollen festhalten, es gebe «ein begrenztes, sich aber schnell schliessendes ‹Fenster›, innerhalb dessen politische Massnahmen ergriffen werden können». Deshalb werden sie ihr Engagement für die bisherige dreigliedrige Strategie bekräftigen: schnelle Rückführung der öffentlichen Verschuldung, Steigerung der Beschäftigungsraten und der Produktivität, Reform der Renten-, Gesundheits- und Langzeitpflegesysteme. Gefördert werden sollen «eine spätere Pensionierung», vermieden hingegen Anreize für einen früheren Austritt aus dem Arbeitsleben.
|