dottore
05.03.2006, 16:06 |
Eigentum, Macht, Freiheit - Klärungsversuch Thread gesperrt |
-->Hi,
in einem von Prof. Uwe Wesel zitierten Urteil des BVG heißt es:
„Das Eigentum ist ein elementares Grundrecht, das in einem inneren Zusammenhang mit der Garantie persönlicher Freiheit steht.“ Das ist eine Wischiwaschi-Aussage, die obendrein auch unpräzise ist. Ein „Recht“ ist nicht als „als solches“ vorhanden und steht sozusagen „solo“ im Raum. Handelt es sich um objektives Recht (Normen, Gesetze usw.), setzt dies eine, dieses Recht setzende Herrschaft voraus.
Beim Phänomen der Herrschaft müssen wir auf den bis heute in diesem Punkte weitgehend anerkannten Max Weber zurückgreifen (Kap. 1 von „Wirtschaft und Gesellschaft“). Herrschaft ist ihm institutionalisierte Macht, die wiederum bedeutet: Man kann „Einfluss“ nehmen auf andere und ihr Verhalten. Dazu bedarf es eines „institutionalisierten Zwangsapparates“, der staatliche Befehle (Gesetze letztlich) mit Hilfe physischen Zwangs (Wesel: „manu militari“ - mit bewaffneter Hand) umzusetzen vermag.
Hans-Hermann Hoppe hat sich in „Eigentum, Anarchie und Staat - Studien zur Theorie des Kapitalismus“ (Kap. 4) wie folgt geäußert:
„Nur eine reine Privatrechtsgesellschaft, die jedermann, Privatperson wie Personengesellschaft, unter identisches Recht stellt, ist allgemein rechtfertigbar. Ã-ffentlich-rechtliche Körperschaften bzw. die in ihrem Namen vorgehenden Personen dagegen beanspruchen ein als solches naturgemäß nicht allgemein rechtfertigbares Sonderrecht: das Recht, sich Eigentum anders als durch ursprüngliche Appropriation oder freiwilligen Austausch von Eigentumstiteln zu beschaffen.
[Die „ursprüngliche Appropriation“ ist genau der kritische Punkt: Verfolgt man den Strang der uns interessierenden, weil in ihren Ablauf seit den oft erwähnten Anfängen ex Nahem Osten eingebetteten Geschichte, so steht am Beginn eine Mixtur aus Appropriation von Grund und Boden („Arealen“), die bereits anderen als areales Eigentum zustehen (vgl. die Bernbeck- und/oder Origin-of-War-Diskussionen), wozu das „ius occupandi“, also das Recht (im Sinne einer „Berechtigung“) der Aneignung abgeleitet wird, zu zählen ist und der Aneignung einer „res nullius“ (Sache niemandens), was für unbesiedeltes und auch nicht für teilweise oder vorübergehend genutztes Land (etwa durch Nomaden) gegolten hat. Die „ursprüngliche Appropriation“ bedeutet in jedem Fall die Aneignung von Areal, was unweigerlich zur Entstehung von HERR-schaft und damit von Protostaaten und Staaten selbst führt.
Ist das Areal angeeignet, sind sämtliche Vor- und/oder Frühformen zumindest des Grund-Eigentums beendet. Der HERRscher, später „Staat“ ist der Gesamt-Eigentümer des Areals, im rechtshistorischen Ablauf jedenfalls der Ober-Eigentümer (siehe die frühere Diskussion darüber), der Unter-Eigentum (generell unfreiwillig) in verschiedenen Formen und Sub-Formen zulassen kann und zugelassen hat. Seit der Napoleonischen Zeit jedenfalls hat sich die historisch oft stark verschachtelte Eigentums-Struktur (für den „ganz unten“, den sog. „gemeinen Mann“ existierten oft mehrere Ober-Eigentümer) stark vereinfacht: Nur noch der „Staat“ ist Ober-Eigentümer, etwaige Zwischenstufen wie Grundherren, Adel, Geistlichkeit, usw. sind entfallen.
Das im BVG-Urteil angeführte „Eigentum“ (gemeint: „privates“ Eigentum!) hat stets den Ober-Eigentümer „Staat“ über sich, was sich schon daraus ergibt, dass der „Staat“ den von Max Weber erwähnten Zwangsapparat („manu militari“!) gegenüber den Unter-Eigentümern einsetzen kann ohne Sanktionen gegen sich selbst befürchten zu müssen. Bestenfalls können die den „Staat“ Betreibenden, sie sog. „politische Klasse“ (Helmut Schmidt) durch Nicht-Wiederwahl abgestraft werden.
Dass dadurch alle jene Gesetze („Rechte“ des Staates, bzw. „Berechtigungen“ desselben), die sich gegen das („private“) Untereigentum richten, nullifiziert werden, also der status quo ante (modern: gesetzlicher Zustand vor der betreffenden Legislaturperiode) wieder hergestellt wird - davon kann keine Rede sein und ist auch nirgends bisher beobachtet worden.]
Hoppe fährt fort:
„Sie zwingen Personen, die keinerlei eigentumsrechtliche Verfehlung begangen haben, einen Mitgliedsbeitrag zwecks Finanzierung ihrer Unternehmung zu leisten und/oder sie zwingen i. o. a. Sinn unschuldige Personen, sich einer (Körperschafts-)Verfassung zu unterwerfen, die das exklusive Verfügungsrecht dieser Personen über ihr rechtmäßiges Eigentum betreffen. Beides ist, ob institutionalisiert ablaufend oder in Form sporadischer Übergriffe im Privatrechtsverkehr, Aggression gegen rechtmäßige Eigentumsansprüche:
‚Besteuerung’ fällt in die gleiche rechtliche Kategorie wie ‚Raub’; ‚Zwangsverpflichtung zu sozialen oder Verteidigungszwecken’ gehört zu ‚Versklavung auf Zeit’; und ‚gesellschaftspolitische Maßnahme’ hat ihr Gegenstück in ‚gewaltsame Aneignung von Eigentumstiteln und Neuverteilung oder -veräußerung unrechtmäßig erworbenen Eigentums’ oder, kürzer, in Diebstahl und Hehlerei.“
Dies ist klassisches anarcho-liberales Gedankengut (und daher auch bei mises.org dankenswerterweise zu finden). Es geht von einem „Urzustand“ oder einem „Ur-„ bzw. „Naturrecht“ aus, das auf den ersten Blick auch seine Berechtigung zu heben scheint, zumal dies zahlreiche enthnologische Studien stützen (vgl. Middleton/Tait, „Tribes without Rulers“ u.v.a.m.).
Nun wissen wir, dass sich aus solchen „friedfertigen“ Strukturen nirgends mehr entwickelt hat, als das übliche, für die eigene Subsitenz Produzieren. Auf solche Stämme (z.B. die südsudanesischen Nuer) hinzuweisen ist sicher lehrreich, für die Erklärung des Kapitalismus führen sie jedoch nicht weiter. Selbst Thomas Hobbes, der - außer den amerikanischen Indianern (rudimentär) - keine Kenntnisse über Stammesgesellschaften hatte, schreibt in seinem berühmten Passus „Solange es also keinen Staat gibt...“:
“In einem solchen Zustand arbeitet niemand, weil es sich nicht lohnt.“
Auch wenn Hobbes das Nicht-Arbeiten mehr als Ausfluß seines berühmten „Krieges aller gegen alle“ im Auge hat (beim Dauer-Bürgerkrieg macht es, da laufendes Beutemachen droht, auch wenig Sinn), ist das „Ausbeutungs“-Phänomen im Hoppe’schen Sinne selbstverständlich auch auf den (unerklärten und verdeckt durch die Gesetzesblätter huschenden) Dauerkrieg „Staat gegen Untertanen“ anwendbar.
Niemandem würde es einfallen, zu arbeiten, wenn ihm das Erarbeitete laufend entwendet würde (über die früheren Nicht-Arbeits-Sanktionen wurde ausführlich gepostet, Schuldknechtschaft usw.); dazu müßten nur die Steuern bzw. Steuersätze (aktuell und vertagte) entsprechend in die Höhe gesetzt werden. Würde jedem bewusst, dass die „Staatsschulden“ in Wahrheit seine Schulden, also durch immense Steuerabforderungen (wann auch immer und via Staatsmacht an wen auch immer) auszugleichen sind, würde das das Einkommenserzielungs- und/oder Sparverhalten stark beeinflussen und zwar negativ.
Die Staats“kunst“ (recte: Kunst, die jeweilige Staatsmacht selbst zu erhalten und den „Kollaps“ bzw. Revolution oder Umsturz zu vermeiden, was oft genug in der Geschichte mißlang), besteht also darin, das „Arbeiten“ der Untertanen beizubehalten, es direkt oder indirekt (Subventionen usw.) zu fördern, wobei sich automatisch Produktivitäts-Zuwächse ergeben, da sich niemand ununterbrochen und zeitlebens dem aussetzen möchte, was Mises in einer genialen Wortschöpfung das “Arbeitsleid“ genannt hat.
Zu dem durch Arbeit erzielten bzw. erzielbaren Produktivitäts-Plus gibt es ein interessantes Beispiel zweier im Kongo nebeneinander (nur durch eine Fluß getrennt) existierender Stämme, nämlich der Lele und der Buschong. Die ersten waren arm (wir sprechen von den Zuständen vor der belgischen Kolonialisierung), ihr häufigstes Wort war „Hunger“, die anderen wohlhabend. Der wichtigste Unterschied der beiden, sich in Sprache, Bauten, Kleidung usw. gleichenden Stämme war die gesellschaftliche Struktur. Die Lele waren egalitär und autoritätslos, die Bushong hatten einen starken König und ihm quais machtmäßig „zuarbeitende“ Unter-Häuptlinge.
Wesel kommt zu dem für Machttheoretiker nicht überraschenden Schluss:
“Allgemein lässt sich beobachten, dass der Druck von Zentralinstanzen, auch der Abgabendruck [!], die Ã-konomie früher Gesellschaften intensiviert.“
Und: „Je stärker die politische Herrschaft ist, desto größer wird regelmäßig die Produktivität.“ Wobei er sich dem Urteil des hier schon bekannten Anthropologen Marshall Sahlins („Stone Age Economics“) anschließt. Dass auch andere Faktoren eine Rolle gespielt haben (Polygynie der Lele) sei angemerkt - als wohl eher die Folge als die Ursache des unterschiedlichen Verhaltens.
Nebenbei auch noch: Obwohl die Buschong mit Kanus und Netzen operierten, die Lele (am anderen Flußufer) dagegen nicht, wie sie überhaupt gegen „Investitionen“ waren, widerlegt auch die These, dass es „automatisch“ zu Arbeitsteilung und/oder Handel oder gar „Geld“ als „Tauschmittel“ kommt, sobald die eine Seite in Erfahrung bringt, was die andere alles so drauf hat.
Doch kehren wir zurück zum eingangs zitierten BVG-Urteil. Zunächst einmal ist das Eigentum (bei der ohnehin schon gebrachten Relativierung) kein „Recht“ im objektiven Sinne, sondern eine Berechtigung (= subjektives Recht, wie in jedem Jura-Lehrbuch nachzulesen).
Die Berechtigung wird dabei unzulässigerweise im Sinne nur eines ausschließlichen und absoluten (also gegenüber jedermann geltenden) Verfügungsrechtes definiert. Also: Jeder hat seine „Habe“ (mobiles Eigentum) und seinen Grund und Boden (immobil) und kann jeden anderen entsprechend aus-grenzen (im buchstäblichen Sinn des Wortes). Darum geht es aber überhaupt nicht. Damit wird nur der Status selbst beschrieben und als „Recht“ verteidigt, was ihm Handhaben aller Art gibt, dieses Recht (mit dem Eigentum auch machen zu können, was man will) zu „verteidigen“ bzw. mit Hilfe von Machtapparaten sichern und verteidigen bzw. entsprechende „Berechtigungsbrecher“ bestrafen oder sanktionieren zu lassen.
Mit dieser Einschränkung wird völlig ausgeblendet, dass der Eigentümer auch Berechtigungen gegenüber dem Nicht-Eigentümer hat, sobald oder sofern dieser gezwungen ist, das Eigentum zu nutzen, in Sonderheit, sich darauf aufzuhalten. Das Modell geht also von der ganz falschen Voraussetzung aus, dass auch der Nicht-Eigentümer „frei“, also mitnichten und mit Nichts dem Eigentümer gegenüber verpflichtet ist oder verpflichtet werden kann.
Das „Eigentum“, das dem BVG vorschwebt, ist nur das „private“ Unter-Eigentum: Hat jeder sein eigenes Haus mit Grund und Boden, ist er zwar keinem anderen Unter-Eigentümer gegenüber verpflichtbar (Mietzins, Pachtzins) und in diesem Sinne „frei“. Gegenüber dem Ober-Eigentümer (früher Herrscher, heute „Staat“) ist und bleibt er jedoch unfrei und hat in welcher Form und Höhe auch immer seinen Steuerzins zu entrichten, den hier schon ausführlich dargestellten „Zinnß“.
Den Steuerzins wiederum zu beseitigen, hieße den Machtapparat „Staat“ beseitigen. Die logische Konsequenz daraus: Das „private“ (Unter-)Eigentum wäre nicht zu besichern, jedenfalls nicht jenes, das zur Zinsung von Nicht-(Unter-)Eigentümern „berechtigt“. (In sog. „vorstaatlichen“ Gesellschaften existiert durchaus Eigentum - Wesel bringt diverse Beispiele - aber grundsätzlich nur solches, das seinerseits nicht andere zu Leistungen oder Abgaben zwingen kann).
Die „persönliche Freiheit“ oder gar deren „Garantie“ im besagten BVG-Urteil hört sich zwar vielversprechend an. Sie kann aber immer nur gegenüber anderen „privaten“ (Unter-)Eigentümern eine Rolle spielen oder angestrebt werden, niemals gegenüber dem Macht- und Abgaben-Monopolisten „Staat“.
Der BVG-Satz sei demnach umformuliert:
“Das Ober-Eigentum des Staates an seinem Staats-Areal ist eine elementare Berechtigung des Staates, die in einem inneren Zusammenhang mit der Garantie persönlicher Unfreiheit der Staatsbürger dem Staat gegenüber steht.“
Der gern gehörte Hinweis, dass das Recht inzwischen auch ein Mittel zur Kontrolle von Herrschaft geworden ist, ist formal nicht zu bestreiten. Welche Kraft dieses „Recht“ beim nervus rerum der Staaten, nämlich ihrer finanziellen Unterlegung hat, erleben wir bei den Rechtsbrüchen, sowohl des Völkerrechts (Maastricht) als auch der Bundes- und Landesverfassungen (Schuldenaufnahme > Investitionen, also contra legem schlechthin) laufend. Oder wer oder was kann die Einhaltung etwa des Art. 115 GG einklagen? NIEMAND.
Wesel daher zu Recht: „Auch staatliche Herrschaft ist an das Recht gebunden [welches Recht konkret, wenn schon die Verfassung ausscheidet?], muss sich kontrollieren lassen.“ [Und WAS passiert nach der Kontrolle? Nach den Berichten der Rechnungshöfe? Wird jemand verhaftet? Bestraft? Was heißt das in diesem Zusammenhang immer wieder gern gehörte „Übernahme der Verantwortung“? WIE sieht diese „Übernahme“ aus?]
Und Wesel bringt es dann auf den Punkt: “Wobei allerdings [aha!] der Staat selbst die Rahmenbedingungen dafür gesetzt hat.“
Das nochmals zur grundsätzlichen Klärung diverser Punkte. Dank fürs Lesen und Gruß!
|
Theo Stuss
05.03.2006, 16:49
@ dottore
|
Re: Ich hätte noch einen anderen Themenvorschlag |
-->Hallo Dottore,
schön, wieder etwas von Ihnen zu lesen. Ich hätte einen weiteren Vorschlag um debitistisch weiter auszuholen. Ende der 70er war ja die Matriarchatsliteratur das Modethema überhaupt, an sich ein versteckter dialektischer Ansatz aus der maxistischen Kiste.
Wie wäre es, wenn man angesichts der debitistischen Kritik diese Matriarchatsdebatte als Scheingefecht entlarven würde. Herrschaft bleibt Herrschaft und keine Herrschaftsform kommt an der Vorfinanzierung ihrer Machtmittel vorbei, mag sie sich nun Patriarchat, oder Matriarchat schimpfen. Gab es kein Abgabensystem, dann gab es auch weder einen Patriarchatsstaat, noch den Matriarchatsstaat des"goldenen Zeitalters".
Die voreilige Ausflucht der Suffragetten, daß nur das böse Patriarchat die Steuer erfunden habe und damit an der Existenz des Staates schuldig sei, kann man bestimmt leicht widerlegen. Vor allem, wer soll was hervorgebracht haben? Das Patriarchat die Steuer, oder die Steuer das Patriarchat?
Was meinen Sie?
Gruß,
Theo
|
Amstrand
05.03.2006, 16:53
@ dottore
|
Re: Eigentum, Macht, Freiheit - Klärungsversuch |
-->Frage: hat es nicht z.B. Reichstädte und/oder Hansestädte gegeben, in denen"Staat" und Eigentum habende Bürger identisch waren, da nur eben diese Bürger aktives und passives Wahlrecht hatten. Der Reichtum der Hansestädte ist evtl. auch darauf zurückzuführen, dass nur Abgaben für gemeinsame Unternehmungen gezahlt wurden, wie Feuerwehr, Straßenbau, Exekutiv-Söldner und die nicht Eigentum habenden auch keinen Anteil an Macht und Staat hatten.
|
moneymind
05.03.2006, 17:26
@ dottore
|
Re: Eigentum, Macht, Freiheit - Klärungsversuch |
-->Hallo dottore,
danke für den ausführlichen Beitrag! Kurz einige Anmerkungen (muß gleich weg):
>in einem von Prof. Uwe Wesel zitierten Urteil des BVG heißt es:
>„Das Eigentum ist ein elementares Grundrecht, das in einem inneren Zusammenhang mit der Garantie persönlicher Freiheit steht.“ Das ist eine Wischiwaschi-Aussage, die obendrein auch unpräzise ist. Ein „Recht“ ist nicht als „als solches“ vorhanden und steht sozusagen „solo“ im Raum. Handelt es sich um objektives Recht (Normen, Gesetze usw.), setzt dies eine, dieses Recht setzende Herrschaft voraus.
Klar.
>Beim Phänomen der Herrschaft müssen wir auf den bis heute in diesem Punkte weitgehend anerkannten Max Weber zurückgreifen (Kap. 1 von „Wirtschaft und Gesellschaft“). Herrschaft ist ihm institutionalisierte Macht, die wiederum bedeutet: Man kann „Einfluss“ nehmen auf andere und ihr Verhalten. Dazu bedarf es eines „institutionalisierten Zwangsapparates“, der staatliche Befehle (Gesetze letztlich) mit Hilfe physischen Zwangs (Wesel: „manu militari“ - mit bewaffneter Hand) umzusetzen vermag.
Selbstverständlich.
>Hans-Hermann Hoppe hat sich in „Eigentum, Anarchie und Staat - Studien zur Theorie des Kapitalismus“ (Kap. 4) wie folgt geäußert:
>„Nur eine reine Privatrechtsgesellschaft, die jedermann, Privatperson wie Personengesellschaft, unter identisches Recht stellt, ist allgemein rechtfertigbar. Ã-ffentlich-rechtliche Körperschaften bzw. die in ihrem Namen vorgehenden Personen dagegen beanspruchen ein als solches naturgemäß nicht allgemein rechtfertigbares Sonderrecht: das Recht, sich Eigentum anders als durch ursprüngliche Appropriation oder freiwilligen Austausch von Eigentumstiteln zu beschaffen.
"Nur... allgemein rechtfertigbar" = für mich: naturrechtliches Trallala.
>[Die „ursprüngliche Appropriation“ ist genau der kritische Punkt: Verfolgt man den Strang der uns interessierenden, weil in ihren Ablauf seit den oft erwähnten Anfängen ex Nahem Osten eingebetteten Geschichte, so steht am Beginn eine Mixtur aus Appropriation von Grund und Boden („Arealen“), die bereits anderen als areales Eigentum zustehen (vgl. die Bernbeck- und/oder Origin-of-War-Diskussionen), wozu das „ius occupandi“, also das Recht (im Sinne einer „Berechtigung“) der Aneignung abgeleitet wird, zu zählen ist und der Aneignung einer „res nullius“ (Sache niemandens), was für unbesiedeltes und auch nicht für teilweise oder vorübergehend genutztes Land (etwa durch Nomaden) gegolten hat. Die „ursprüngliche Appropriation“ bedeutet in jedem Fall die Aneignung von Areal, was unweigerlich zur Entstehung von HERR-schaft und damit von Protostaaten und Staaten selbst führt.
Ob das"unweigerlich" zu staatlicher Herrschaft führt, weiß ich nicht. Daß aber auf dieser Ebene Macht und Gewalt herrschen, ist mir völlig klar. Bestreite ich nicht. Sinnvollerweise sollte man hier aber von"Besitznahme" und nicht von"Aneignung" (mißverständlich wegen dem"eig") reden (und die H/S-Unterscheidung Besitz/Eigentum konsequent durchhalten).
>Ist das Areal angeeignet, sind sämtliche Vor- und/oder Frühformen zumindest des Grund-Eigentums beendet.
Des Grund-BESITZES.
>Der HERRscher, später „Staat“ ist der Gesamt-Eigentümer des Areals, im rechtshistorischen Ablauf jedenfalls der Ober-Eigentümer
Bestenfalls Ober-BESITZER, da Eigentum eine übergeordnete Vollstreckungsinstanz voraussetzt. Da sollte man schon konsequent die doch sinnvolle Unterscheidung von H/S durchhalten.
>(siehe die frühere Diskussion darüber), der Unter-Eigentum (generell unfreiwillig) in verschiedenen Formen und Sub-Formen zulassen kann und zugelassen hat. Seit der Napoleonischen Zeit jedenfalls hat sich die historisch oft stark verschachtelte Eigentums-Struktur (für den „ganz unten“, den sog. „gemeinen Mann“ existierten oft mehrere Ober-Eigentümer) stark vereinfacht: Nur noch der „Staat“ ist Ober-Eigentümer, etwaige Zwischenstufen wie Grundherren, Adel, Geistlichkeit, usw. sind entfallen.
Zustimmung.
>Das im BVG-Urteil angeführte „Eigentum“ (gemeint: „privates“ Eigentum!) hat stets den Ober-Eigentümer „Staat“ über sich, was sich schon daraus ergibt, dass der „Staat“ den von Max Weber erwähnten Zwangsapparat („manu militari“!) gegenüber den Unter-Eigentümern einsetzen kann ohne Sanktionen gegen sich selbst befürchten zu müssen. Bestenfalls können die den „Staat“ Betreibenden, sie sog. „politische Klasse“ (Helmut Schmidt) durch Nicht-Wiederwahl abgestraft werden.
Natürlich.
>Dass dadurch alle jene Gesetze („Rechte“ des Staates, bzw. „Berechtigungen“ desselben), die sich gegen das („private“) Untereigentum richten, nullifiziert werden, also der status quo ante (modern: gesetzlicher Zustand vor der betreffenden Legislaturperiode) wieder hergestellt wird - davon kann keine Rede sein und ist auch nirgends bisher beobachtet worden.]
Ja.
>Hoppe fährt fort:
>„Sie zwingen Personen, die keinerlei eigentumsrechtliche Verfehlung begangen haben, einen Mitgliedsbeitrag zwecks Finanzierung ihrer Unternehmung zu leisten und/oder sie zwingen i. o. a. Sinn unschuldige Personen, sich einer (Körperschafts-)Verfassung zu unterwerfen, die das exklusive Verfügungsrecht dieser Personen über ihr rechtmäßiges Eigentum betreffen. Beides ist, ob institutionalisiert ablaufend oder in Form sporadischer Übergriffe im Privatrechtsverkehr, Aggression gegen rechtmäßige Eigentumsansprüche:
>‚Besteuerung’ fällt in die gleiche rechtliche Kategorie wie ‚Raub’; ‚Zwangsverpflichtung zu sozialen oder Verteidigungszwecken’ gehört zu ‚Versklavung auf Zeit’; und ‚gesellschaftspolitische Maßnahme’ hat ihr Gegenstück in ‚gewaltsame Aneignung von Eigentumstiteln und Neuverteilung oder -veräußerung unrechtmäßig erworbenen Eigentums’ oder, kürzer, in Diebstahl und Hehlerei.“
Natürlich. Um seine Infrastruktur sicherzustellen, muß der Staat als"Ober-Besitzer" und Garant des"Privat" - Eigentums natürlich auf andere Prinzipien des"Ausgleichs von Geben und Nehmen" zurückgreifen als auf das Prinzip der privaten Wirtschaft. Steuergewalt ist Herrschaft, völlig klar. Aber das ist doch ein alter Hut. Frage ist doch, wie werden diese Abgaben verwendet, und wie ist das vom"Volk" kontrollierbar.
>Dies ist klassisches anarcho-liberales Gedankengut (und daher auch bei mises.org dankenswerterweise zu finden). Es geht von einem „Urzustand“ oder einem „Ur-„ bzw. „Naturrecht“ aus, das auf den ersten Blick auch seine Berechtigung zu heben scheint, zumal dies zahlreiche enthnologische Studien stützen (vgl. Middleton/Tait, „Tribes without Rulers“ u.v.a.m.).
Naja, ganz so zwanglos scheint es mir auch in solchen Gesellschaften nicht abzugehen. Gruppendruck: wer herumketzert, fliegt raus."Ketzerische Freiheiten" wohl in bürg. Ges. konkurrenzlos groß; schon deshalb, weil Innovationen oft Profitmöglichkeiten bieten und deshalb gesucht werden, während man in traditionalen Gesellschaften für"Innovationen" eher rausfliegt.
>Nun wissen wir, dass sich aus solchen „friedfertigen“ Strukturen nirgends mehr entwickelt hat, als das übliche, für die eigene Subsitenz Produzieren.
Natürlich!
>Auf solche Stämme (z.B. die südsudanesischen Nuer) hinzuweisen ist sicher lehrreich, für die Erklärung des Kapitalismus führen sie jedoch nicht weiter.
Genau.
>Selbst Thomas Hobbes, der - außer den amerikanischen Indianern (rudimentär) - keine Kenntnisse über Stammesgesellschaften hatte, schreibt in seinem berühmten Passus „Solange es also keinen Staat gibt...“:
>“In einem solchen Zustand arbeitet niemand, weil es sich nicht lohnt.“
In einem solchen Zustand arbeitet niemand mehr, als nötig. Ist ein sehr gemütlicher Zustand. Wußte schon Marx, siehe dessen Brotschneiderbeispiel MEW 23, S. (zu faul jetzt nachzuschlagen). Mehrarbeit ist eine Erfindung der Zivilisation,"schrankenlose Mehrarbeit" wohl eine des Kapitalismus - Stichwort Schuldendruck.
>Auch wenn Hobbes das Nicht-Arbeiten mehr als Ausfluß seines berühmten „Krieges aller gegen alle“ im Auge hat (beim Dauer-Bürgerkrieg macht es, da laufendes Beutemachen droht, auch wenig Sinn), ist das „Ausbeutungs“-Phänomen im Hoppe’schen Sinne selbstverständlich auch auf den (unerklärten und verdeckt durch die Gesetzesblätter huschenden) Dauerkrieg „Staat gegen Untertanen“ anwendbar.
>Niemandem würde es einfallen, zu arbeiten, wenn ihm das Erarbeitete laufend entwendet würde (über die früheren Nicht-Arbeits-Sanktionen wurde ausführlich gepostet, Schuldknechtschaft usw.); dazu müßten nur die Steuern bzw. Steuersätze (aktuell und vertagte) entsprechend in die Höhe gesetzt werden. Würde jedem bewusst, dass die „Staatsschulden“ in Wahrheit seine Schulden, also durch immense Steuerabforderungen (wann auch immer und via Staatsmacht an wen auch immer) auszugleichen sind, würde das das Einkommenserzielungs- und/oder Sparverhalten stark beeinflussen und zwar negativ.
Ja schon. Aber die Staatsschulden können ja eben nicht vollstreckt werden, und es traut sich natürlich auch keiner, die alle wirklich von den Steuerzahlern einzufordern, weil jeder weiß, das würde die Wirtschaft komplett abwürgen. Also werden sie ewig weiter in die Zukunft hinausgeschoben...
>Die Staats“kunst“ (recte: Kunst, die jeweilige Staatsmacht selbst zu erhalten und den „Kollaps“ bzw. Revolution oder Umsturz zu vermeiden, was oft genug in der Geschichte mißlang), besteht also darin, das „Arbeiten“ der Untertanen beizubehalten, es direkt oder indirekt (Subventionen usw.) zu fördern, wobei sich automatisch Produktivitäts-Zuwächse ergeben, da sich niemand ununterbrochen und zeitlebens dem aussetzen möchte, was Mises in einer genialen Wortschöpfung das “Arbeitsleid“ genannt hat.
Ob das der einzig mögliche Schluß ist? Einem eventuellen Lob der Faulheit möchte ich mich ausdrücklich anschließen - jedenfalls manchmal ;-)
>Zu dem durch Arbeit erzielten bzw. erzielbaren Produktivitäts-Plus gibt es ein interessantes Beispiel zweier im Kongo nebeneinander (nur durch eine Fluß getrennt) existierender Stämme, nämlich der Lele und der Buschong. Die ersten waren arm (wir sprechen von den Zuständen vor der belgischen Kolonialisierung), ihr häufigstes Wort war „Hunger“, die anderen wohlhabend. Der wichtigste Unterschied der beiden, sich in Sprache, Bauten, Kleidung usw. gleichenden Stämme war die gesellschaftliche Struktur. Die Lele waren egalitär und autoritätslos, die Bushong hatten einen starken König und ihm quais machtmäßig „zuarbeitende“ Unter-Häuptlinge.
Überrascht mich überhaupt nicht.
>Wesel kommt zu dem für Machttheoretiker nicht überraschenden Schluss:
>“Allgemein lässt sich beobachten, dass der Druck von Zentralinstanzen, auch der Abgabendruck [!], die Ã-konomie früher Gesellschaften intensiviert.“
Natürlich, volle Zustimmung.
>Und: „Je stärker die politische Herrschaft ist, desto größer wird regelmäßig die Produktivität.“ Wobei er sich dem Urteil des hier schon bekannten Anthropologen Marshall Sahlins („Stone Age Economics“) anschließt. Dass auch andere Faktoren eine Rolle gespielt haben (Polygynie der Lele) sei angemerkt - als wohl eher die Folge als die Ursache des unterschiedlichen Verhaltens.
>Nebenbei auch noch: Obwohl die Buschong mit Kanus und Netzen operierten, die Lele (am anderen Flußufer) dagegen nicht, wie sie überhaupt gegen „Investitionen“ waren, widerlegt auch die These, dass es „automatisch“ zu Arbeitsteilung und/oder Handel oder gar „Geld“ als „Tauschmittel“ kommt, sobald die eine Seite in Erfahrung bringt, was die andere alles so drauf hat.
>Doch kehren wir zurück zum eingangs zitierten BVG-Urteil. Zunächst einmal ist das Eigentum (bei der ohnehin schon gebrachten Relativierung) kein „Recht“ im objektiven Sinne, sondern eine Berechtigung (= subjektives Recht, wie in jedem Jura-Lehrbuch nachzulesen).
Volle Zustimmung - automatische Ausdifferenzierung der Arbeitsteilung ist ein systemtheoretischer Mythos.
>Die Berechtigung wird dabei unzulässigerweise im Sinne nur eines ausschließlichen und absoluten (also gegenüber jedermann geltenden) Verfügungsrechtes definiert. Also: Jeder hat seine „Habe“ (mobiles Eigentum) und seinen Grund und Boden (immobil) und kann jeden anderen entsprechend aus-grenzen (im buchstäblichen Sinn des Wortes). Darum geht es aber überhaupt nicht. Damit wird nur der Status selbst beschrieben und als „Recht“ verteidigt, was ihm Handhaben aller Art gibt, dieses Recht (mit dem Eigentum auch machen zu können, was man will) zu „verteidigen“ bzw. mit Hilfe von Machtapparaten sichern und verteidigen bzw. entsprechende „Berechtigungsbrecher“ bestrafen oder sanktionieren zu lassen.
>Mit dieser Einschränkung wird völlig ausgeblendet, dass der Eigentümer auch Berechtigungen gegenüber dem Nicht-Eigentümer hat, sobald oder sofern dieser gezwungen ist, das Eigentum zu nutzen, in Sonderheit, sich darauf aufzuhalten. Das Modell geht also von der ganz falschen Voraussetzung aus, dass auch der Nicht-Eigentümer „frei“, also mitnichten und mit Nichts dem Eigentümer gegenüber verpflichtet ist oder verpflichtet werden kann.
Ja. Wußte schon Marx, wenn er das Argument auch anders wendete (Produktionsmitteleigner vs. doppelt freie Lohnarbeiter).
>Das „Eigentum“, das dem BVG vorschwebt, ist nur das „private“ Unter-Eigentum: Hat jeder sein eigenes Haus mit Grund und Boden, ist er zwar keinem anderen Unter-Eigentümer gegenüber verpflichtbar (Mietzins, Pachtzins) und in diesem Sinne „frei“. Gegenüber dem Ober-Eigentümer (früher Herrscher, heute „Staat“) ist und bleibt er jedoch unfrei und hat in welcher Form und Höhe auch immer seinen Steuerzins zu entrichten, den hier schon ausführlich dargestellten „Zinnß“.
Natürlich.
>Den Steuerzins wiederum zu beseitigen, hieße den Machtapparat „Staat“ beseitigen. Die logische Konsequenz daraus: Das „private“ (Unter-)Eigentum wäre nicht zu besichern, jedenfalls nicht jenes, das zur Zinsung von Nicht-(Unter-)Eigentümern „berechtigt“.
Völlig richtig. Deswegen braucht es zur Garantie der bürgerlichen Freiheiten die Steuergewalt. Ohne die geht´s nicht. Aber gegenüber einem reinen Abgabensystem schränken diese Freiheiten die Abgabenpflichten doch erheblich ein (siehe z.B. oben ketzerische Freiheiten, Innovationsfreiheit etc.).
>(In sog. „vorstaatlichen“ Gesellschaften existiert durchaus Eigentum - Wesel bringt diverse Beispiele - aber grundsätzlich nur solches, das seinerseits nicht andere zu Leistungen oder Abgaben zwingen kann).
Kein Eigentum, BESITZ bzw. Besitzrechte, s.o.
>Die „persönliche Freiheit“ oder gar deren „Garantie“ im besagten BVG-Urteil hört sich zwar vielversprechend an. Sie kann aber immer nur gegenüber anderen „privaten“ (Unter-)Eigentümern eine Rolle spielen oder angestrebt werden, niemals gegenüber dem Macht- und Abgaben-Monopolisten „Staat“.
Natürlich. Denn der garantiert ja diese (relativen) Freiheiten überhaupt erst. Es ist aber ein Unterschied, ob ein Staat das tut oder ob er es nicht tut. Ich ziehe ersteres letzterem vor.
>Der BVG-Satz sei demnach umformuliert:
>“Das Ober-Eigentum
nein, der OBER-BESITZ
>des Staates an seinem Staats-Areal ist eine elementare Berechtigung des Staates, die in einem inneren Zusammenhang mit der Garantie persönlicher Unfreiheit der Staatsbürger dem Staat gegenüber steht.“
Kann man so sehen. Aber"Garantie persönlicher Unfreiheit" ist zu undifferenziert. Einschränkung persönlicher Freiheit wäre präziser. Denn diese Einschränkung ist in bürg. Ges. geringer als in reinen Abgabensystemen. Alles unter dem Begriff"Macht" zusammenzuziehen und die Unterschiede zu übersehen, bringt m.E. nichts. Hier kommt es darauf an, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede differenziert und präzise herauszuarbeiten. Daß die"Macht" dabei der"übergreifende Pol" des gesamten Verhältnisses ist und immer die Gefahr birgt, die"zedierten Freiheiten" immerm weiter einzuschränken und sogar wieder zu beseitigen, bleibt dabei (von mir) unbestritten.
>Der gern gehörte Hinweis, dass das Recht inzwischen auch ein Mittel zur Kontrolle von Herrschaft geworden ist, ist formal nicht zu bestreiten. Welche Kraft dieses „Recht“ beim nervus rerum der Staaten, nämlich ihrer finanziellen Unterlegung hat, erleben wir bei den Rechtsbrüchen, sowohl des Völkerrechts (Maastricht) als auch der Bundes- und Landesverfassungen (Schuldenaufnahme > Investitionen, also contra legem schlechthin) laufend. Oder wer oder was kann die Einhaltung etwa des Art. 115 GG einklagen? NIEMAND.
>Wesel daher zu Recht: „Auch staatliche Herrschaft ist an das Recht gebunden [welches Recht konkret, wenn schon die Verfassung ausscheidet?], muss sich kontrollieren lassen.“ [Und WAS passiert nach der Kontrolle? Nach den Berichten der Rechnungshöfe? Wird jemand verhaftet? Bestraft? Was heißt das in diesem Zusammenhang immer wieder gern gehörte „Übernahme der Verantwortung“? WIE sieht diese „Übernahme“ aus?]
Richtige Fragen. Leider ist dieses Problem von vorneherein im Kap. eingebaut und ich wüßte nicht, wie es rauszuoperieren wäre. Wenn der trotzdem für mich die bequemste oder angenehmste Gesellschaftsform ist (und sei es nur deshalb, weil ich halt an sie gewöhnt bin), dann werde ich mich doch über unabänderliche Tatsachen nicht mein Leben lang ärgern, sondern sie beiseite legen und Dinge tun, die mehr Spaß machen.
>Und Wesel bringt es dann auf den Punkt: “Wobei allerdings [aha!] der Staat selbst die Rahmenbedingungen dafür gesetzt hat.“
Im großen und ganzen Übereinstimmung - ich ziehe halt nur andere Konsequenzen.
Schönen Gruß
moneymind
|
FOX-NEWS
05.03.2006, 18:08
@ dottore
|
@dottore - Sie widerlegen ein ums andere mal Clausewitz |
-->Nicht der Krieg ist der Vater aller Dinge... es ist der Abgabendruck!
[img][/img]
Gruss
|
Holmes
05.03.2006, 19:02
@ dottore
|
Re: Lele und Buschong |
-->Hi dottore,
schön, von Dir zu lesen, ausgezeichnet. Ein paar Fragen:
1. Gibt es zu den Lele und Buschong eine Literaturquelle?
2. In Bezug auf die Wirtschaftsthematik bestätigt die Geschichte von den Stämmen ja irgendwie ein ziemlich heikles Dilemma für den modernen Menschen: will man eine Gesellschaft ohne HERRschaft, so endet man in der Subsistenz. Will man eine produktive Gemeinschaft, so braucht man Zwang. Gibt es wenigstens Beispiele, die zwar mit Zwang (und der entsprechenden Organisation) funktionieren, aber wenigstens nachhaltig und größtmöglich egalitär sind? Wie sieht es mit Firmen aus, die eine hohe Partizipation aller Beteiligten anstreben? Kibbuzim?
3. Was ist Deine Vorhersage in Bezug auf künftige Gesellschaftsformen, was kommt nach dem Staatsmodell? Haben wir noch eine Chance, eine Innovation zu entwickeln, die keinen Rückfall ins Mittelalter (oder noch weiter) darstellt?
Ich lese gerade Van Crefeldt's"Zukunft des Krieges" in der er dem Staat (als noch recht junger Erscheinung) keine rosige Zukunft bescheinigt, weil er den kommenden"low intensity conflicts" nicht mehr widerstehen wird. Was sagtst Du dazu?
Beste Grüsse,
Holmes
|
prinz_eisenherz
05.03.2006, 22:28
@ moneymind
|
Besitz, Eigentum, Macht, Freiheit - eine Geschichte vom Russlandfeldzug |
-->Hallo moneymind,
deine konsequente Unterscheidung zwischen Besitz und Eigentum, die kann ich nachvollziehen und ist auch schlüssig aber, ich stelle dir mal eine kleinen Text hier herein, einfach nur so, aus dem TV - Programm, um in Erinnerung zu rufen, das Besitz oder Eigentum so flüchtig sein können, wie ein scheues Reh:
## Flammen über Qatna - Ein versunkener Palast in Syrien
Kostbare Grabbeigaben aus Alabaster, Gold, Silber und Edelsteinen, Überreste von rituellen Totenmalen, vor allem aber Särge mit zahlreichen Gebeinen heben den versunkenen Stadtstaat ins Visier der Forschung. Darüber hinaus fanden die Ausgräber ein Archiv aus 73 Keilschrifttafeln - eine wissenschaftliche Sensation. Die Texte geben Aufschluss über den Alltag der einstigen Bewohner, ihren wirtschaftlichen Wohlstand und die Politik ihrer Herrscher. Die Regenten von Qatna agierten als kluge Händler und verwandelten den bronzezeitlichen Siedlungsplatz allmählich in eine bedeutende Handelsmacht. Der Ort lag an einem wichtigen Knotenpunkt antiker Verkehrsstraßen, die Vorderasien, Ägypten und Europa verbanden.
-----------------------------------------------------------
Ab hier nähern wir uns den empfindlichen Definitionen von Besitz und Eigentum:
Der märchenhafte Reichtum und der wachsende Einfluss der Metropole riefen die benachbarten Großmächte auf den Plan. Mehrfach widerstand die Stadt den Heeren ägyptischer Pharaonen. Dem gewaltigen Ansturm der Hethiter aus dem Norden hingegen war Idanda, der letzte König von Qatna, nicht gewachsen. Um 1340 v.Chr. ging sein Palast in einem Flammenmeer unter, die gesamte Stadt versank in Schutt und Asche.##
Zusammengefassung:
So kann es kommen, da erobert man sich einen Besitz, die einheimische Macht sichert diesen als Eigentum und ein böser Nachbar kommt und kümmert sich einen feuchten Kehricht darum. Ist das Recht, oder ist es die Macht, die da die Karten verteilt?
eine schöne Woche
eisenherz
|
moneymind
05.03.2006, 23:01
@ Holmes
|
Re: Egalitäres Wirtschaften und Subsistenz - Holmes |
-->Hi Holmes,
bin zwar nicht gefragt, erlaube mir aber, kurz meinen Senf dazuzugeben:
>2. In Bezug auf die Wirtschaftsthematik bestätigt die Geschichte von den >Stämmen ja irgendwie ein ziemlich heikles Dilemma für den modernen Menschen: >will man eine Gesellschaft ohne HERRschaft, so endet man in der Subsistenz.
>Will man eine produktive Gemeinschaft, so braucht man Zwang.
Yep, denke auch daß es in etwa so aussieht.
>Gibt es wenigstens Beispiele, die zwar mit Zwang (und der entsprechenden >Organisation) funktionieren, aber wenigstens nachhaltig und größtmöglich >egalitär sind? Wie sieht es mit Firmen aus, die eine hohe Partizipation aller >Beteiligten anstreben? Kibbuzim?
Naja, verschiedene kommunitäre Ansätze vielleicht - Kibbuzim sagtest Du ja schon, Hutterer, Genossenschaftsbewegung etc. - die Anhänger von George Rapp (mir fällt dazu ein Kapitel in Tom Bethell: The Noblest Triumph ein, in dem er kurz über sozialistisch-kommunitäre Experimente berichtet, unter anderem das von Robert Owen (New Harmony) und einen kurzen Abschnitt über die"Rappites". Vielleicht auch die Amish?
Kann mich jetzt nicht an alle Details erinnern, er faßt sein Kapitel so zusammen, daß - aus seiner Sicht - die meisten dieser kommunitären Experimente an"Trittbrettfahrer-Verhalten" ("freerider syndrome") gescheitert sind. Es gab immer welche, die auf Kosten anderer lebten (könnte man abfällig Schmarotzer nennen), und andere, die dafür Leistung für nothing erbrachten und denen das irgendwann zu bunt wurde.
Er kommt, wenn ich mich recht entsinne, zu dem Schluß, daß derart egalitäres/kommunitäres Zusammenleben wohl nur von kleinen Gruppen möglich ist, die ein entsprechendes gemeinsames religiöses Glaubenssystem teilen (wie das anscheinend ja bei vielen kleinen (meist christlichen) Gemeinschaften im Nordamerika des 19. Jhdts der Fall war. Interessant scheint mir auch, daß anscheinend fast alle dieser Gemeinschaften eine landwirtschaftliche Lebensweise beibehalten und Technik etc. ablehnen (Amish z.B.). Die hochtechnisierten Kibbuzim scheinen da eine echte Ausnahme zu sein und scheinen zu zeigen, daß es auch kommunitär und hochtechnisiert geht. Scheint aber am Abbröckeln zu sein.
Hatte zum Kibbutz vor Jahren mal ein interessantes Buch von Ludwig Liegle in der Hand: Krise und Zukunft des Kibbutz (vielleicht ja interessant für Dich).
Ein sehr interessantes demographisches Pattern zeigt sich im Kibbutz: dort gibt es nämlich den für Lohnarbeitergesellschaften typischen Geburtenrückgang nicht! (Lohnarbeit ist dort ja auch zugunsten der kommunitären Struktur aufgehoben - nach außen dagegen hat jeder Kibbutz Eigentums-/Geldbeziehungen).
Es gibt einige interessante papers von Heinsohn dazu:"Frauen und Mütter im israelischen Kibbutz" (kann ich Dir bei Interesse gegen Kopierkosten zuschicken - Adresse an mich über Elli) und"Liebe ist in gewissem Sinn überflüssig: Über die Aufhebung der Eigentümer- und Lohnarbeitererziehung im Kibbuz", in Sozialmagazin, August 1979.
Interessant auch deswegen, weil sie die These vom Zusammenhang zwischen Lohnarbeit und Geburtenrückgang (Heinsohn/Knieper/Steiger) zu stützen scheinen, die ich hier in Ansätzen im Geburtenrückgangs-Thread beschrieben habe.
Gruß
moneymind
|
moneymind
05.03.2006, 23:07
@ prinz_eisenherz
|
Re: Recht oder Macht - Prinz |
-->Hi Prinz,
>Zusammengefassung:
>So kann es kommen, da erobert man sich einen Besitz, die einheimische Macht sichert diesen als Eigentum und ein böser Nachbar kommt und kümmert sich einen feuchten Kehricht darum. Ist das Recht, oder ist es die Macht, die da die Karten verteilt?
Macht natürlich. Würde ich nie bestreiten, habe ich ja auch nicht. Die Macht ist das"übergreifende", die allein"Recht" einigermaßen"garantieren" kann - aber halt nur intern, nicht im Außenverhältnis zu anderen Staaten/Mächten. (Und auch intern nur eingeschränkt - aber immerhin, besser als nix, oder?).
Gruß
hm (honeymind - Andrés Namensvorschlag gefällt mir irgendwie)
|
bernor
06.03.2006, 01:17
@ moneymind
|
Eigentum vs. Besitz |
-->Hi moneymind,
>Der HERRscher, später „Staat“ ist der Gesamt-Eigentümer des Areals, im rechtshistorischen Ablauf jedenfalls der Ober-Eigentümer
Bestenfalls Ober-BESITZER, da Eigentum eine übergeordnete Vollstreckungsinstanz voraussetzt. Da sollte man schon konsequent die doch sinnvolle Unterscheidung von H/S durchhalten.
entscheidend für die Abgrenzung des Eigentums vom bloßen Besitz ist nicht (nur) die übergeordnetet Vollstreckungsinstanz, sondern (einfacher), daß das Eigentum unantastbar ist bzw. sein soll - entweder das"Obereigentum" durch Waffengewalt oder das"Untereigentum" des"Staatsbürgers" eben durch die übergeordnete, staatliche Vollstreckungsinstanz (also letztendlich ebenfalls qua Waffengewalt).
Dabei ist zu beachten, daß im staatlichen Innenverhältnis der Staat gegenüber seinem Bürger stets Obereigentümer und dieser gegenüber dem Staat nur (Unter-)Besitzer ist ("Eigentümer" ist er nur im Verhältnis zu anderen Bürgern!)
Im Verhältnis zu anderen (unabhängigen!) Staaten ist der"souveräne" Staat ebenfalls Eigentümer, sofern er diese anderen auf Distanz halten kann - und dagegen nur Besitzer, wenn er sich einem anderen Staat unterordnen muß.
Gruß bernor
|
bernor
06.03.2006, 01:24
@ bernor
|
Leichte Korrektur... |
-->... des letzten Satzes:
Im Verhältnis zu anderen Staaten ist der"souveräne" Staat ebenfalls Eigentümer, sofern er diese anderen entweder dominieren oder zumindest auf Distanz halten kann - und dagegen nur Besitzer, wenn er sich selbst einem anderen Staat unterordnen muß.
|
Zandow
06.03.2006, 03:28
@ dottore
|
HHH, das Eigentum und der Staat |
-->Hallo dottore,
mit H&S sollte die Eigentums- und Freiheitsproblematik eigentlich erledigt sein:
"Freiheit ist... definiert als Schutz legal erworbenen Eigentums und die Möglichkeit es frei zu nutzen und zu veräußern, ohne die Eigentumsrechte anderer zu beeinträchtigen."
Wobei:
"Eigentum steht für einen Rechtstitel. Wann immer wir von Eigentum reden, ist dieser Titel gemeint."
Dieser Rechtstitel kann ursprünglich nur verliehen werden. Dazu bedarf es allerdings einer Instanz, welche diesen verliehenen Titel (der anschließend natürlich zu den sog. Eigentumsoperationen wie Kauf, Verkauf, Beleihung, Verpfändung usw. genutzt werden kann/muß) auch schützen kann. Schützen kann aber nur, wer mächtig dazu ist.
HHH geht, wie die gesamte libertäre Ideologie, von der Idee des Naturrechts aus. Dessen Grundlage bildet das Eigentum an sich selbst, d.h. insbesondere das Eigentum an den Ergebnissen der eigenen Arbeit. (Just aus diesem Grunde hatte ich den Link unten hier zur Diskussion gestellt. Eine ernsthafte Diskussion scheint wohl an dieser Stelle nicht gewünscht zu sein. Oder?)
HHH und alle anderen libertären Vordenker scheiten jämmerlich an den Konsequenzen ihrer Gesellschaftsmodelle. Dies trifft besonders auf David Friedman zu. Das Problem sind die Kosten. Eigentum bedarf eines konkreten Schutzes! Sowohl vor Diebstahl als auch vor Vernichtung. Die Kosten für eben jenen Schutz können von den Eigentümern NICHT selbst aufgebracht werden!!!!!!!
Da helfen auch private Rechts- und Sicherheitsagenturen nicht weiter. Denn die aufzubringenden Kosten müssen HÃ-HER liegen, als diejenigen Kosten, die ein potentieller Angreifer bereit und/oder in der Lage ist aufzubringen. Selbst im Falle eines waffentechnischen Patts kann der Eigentümer nur verlieren, wenn der potentielle oder reale Angreifer die Kosten über das rein Materielle hinaus steigert: das eigene Leben!!! Ein Angreifer, der das Leben in den Kampf, wirft ist gegenüber dem Eigentümer immer im Vorteil (wobei hier nicht das Leben des eigentlichen Angreifers riskiert wird, sondern das von Söldnern bzw. ideologisch verblendeten Kämpfern).
Somit bleibt bei der ganzen Debatte um das Eigentum nur der Naturrechtsgedanke übrig. Dieser Gedanke taucht allerdings in allen Ideologien auf (je nach Gusto eben religiös, rassistisch, logisch usw.). Jede Macht benötigt zu ihrer Legitimation eine Rechtfertigung. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Rechtferigung nun religiös oder areligiös oder sonstwie daher kommt. Jene Rechtfertigung ist zur Senkung der Machterhaltungskosten zwingend notwendig; anderenfalls bleibt nur die blanke Diktatur, deren Kosten schnell ins Unermessliche steigen.
Schon bei Aristoteles mit seine ellenlangen Abhandlungen über die Vernunft sehen wir nichts anderes als die Legitimation von Macht. Diese Vernunft (göttlich hergeleitet) bildet nun die Grundlage der Herrschaft:
"Was aber das größte und nützlichste von allen Gütern ist, ergibt sich aus folgendem. Wir alle geben zu, daß der Tüchtigste und von Natur Trefflichste HERRSCHEN sollte und daß allein das GESETZ HERRSCHE und Geltung habe. Das aber ist die Vernunft und der aus der Vernunft entspringende Gedanke."
(Anmerkung: Auf Grund der Fundgeschichte der Schriften des Aristoteles halte ich sämtliche seiner Schriften nicht für historisch. Vielmehr scheinen diese Schriften erst im ausgehenden Mittelalter für zunehmend sekulär geprägte Gesprächssalons verfasst worden zu sein.)
Bleibt nun noch die von Dir aufgeworfene Frage nach der Kontrolle der Macht. Hierbei stehen wir vor dem Problem der Definition von 'STAAT'. Meiner Meinung nach bildet NICHT das Parlament oder gar die Regierung mit ihren Behörden den Staat, sondern als Staat verstehe ich die Verteilungsinstitutionen (abgeleitet von Bernbeck). In unserer heutigen demokratischen Gesellschaftsverfassung ist diese Konstruktion kaum noch zu erkennen. Doch schaut man genau hin, so sieht man, daß diejenigen, welche an der Verteilung und Nutznießung beteiligt sind, auch diejenigen sind, die ihre Vertreter in die Parlamente senden.
Eine Kontrolle von Macht wird sich von daher nie gegen die Verteilungsinstitutionen oder deren Nutznießer wenden. Zeitweise anders laufende Entwicklungen werden schon nach wenigen Jahren korrigiert; oder durch Umstürze!
Sorry für die Kürze, schon spät jetzt.
Herzliche Grüße, <font color=#008000>Zandow</font>
Lissabon: 11°C, windig und regnerisch
<ul> ~ Self-Ownership</ul>
|
thoughtful
06.03.2006, 04:30
@ dottore
|
Re: Eigentum, Macht, Freiheit - Klärungsversuch |
-->Guten Tag dottore
Mir fällt da sofort ein Aphorismus von Ludwig von Mises ein:
"Der Staatsapparat ist ein Zwangs- und Unterdrückungsapparat. Das Wesen der Staatstätigkeit ist, Menschen durch Gewaltanwendung oder Gewaltandrohung zu zwingen, sich anders zu verhalten, als sie sich aus freiem Antriebe verhalten würden." Ludwig von Mises http://www.mehr-freiheit.de/idee/mises.html
Und zur Freiheit die Definitionen bei Ayn Rand: http://www.aynrand.org und http://www.ayn-rand.com/
Freedom
What is the basic, the essential, the crucial principle that differentiates freedom from slavery? It is the priciple of voluntary action versus physical coercion or compulsion.
[America’s Persecuted Minority: Big Business, CUI, 46]
Freedom in a political context, has only one meaning: the absence of physical coercion.
[Ibid]
Since knowledge, thinking, and rational action are properties of the individual, since the choice to exercise his rational faculty or not depends on the individual, man’s survival requires that those who think be free or the interference of those who don’t. Since men are neither omniscient nor infallible, they must be free to agree or disagree, to cooperate or to purse their own independent course, each according to his own rational judgment. Freedom is the fundamental requirement of men’s mind.
A rational mind does not work under compulsion; it does not subordinate its grasp of reality to anyone’s orders, directives, or controls: it does not sacrifice its knowledge, its view of the truth, to anyone’s opinions, threats, wishes, plans, or “welfare”. Such a mind may be hampered by others, it may be silenced, proscribed, imprisoned, or destroyed; it cannot be forced; a gun is not an argument. (An example and symbol of this attitude is Galileo.)
It is from the work and inviolate integrity of such minds - from the intransigent innovators - that all of mankind’s knowledge and achievements have come (See The Fountainhead). It is to such minds that mankind owes its survival (See Altas Shrugged).
[What Is Capitalism?, CUI,17]
Foggy metaphors, sloppy images, unfocused poetry, and equivocations - such as “A hungry man is not free” - do not alter the fact, that only political power is the power of physical coercion.
[America’s Persecuted Minority: Big Business, CUI, 46]
Freedom, in a political context, means freedom from government coercion. It does not mean freedom from the landlord from the laws of nature which do not provide men with automatic prosperity. It means freedom from the coercive power of the state - and nothing else.
[Conservatism: An Obituary, CUI, S. 192]
The issue is not slavery for a “good” cause versus slavery for a “bad” cause: the issue is not dictatorship by a “good” gang versus dictatorship by a “bad” gang. The issue is freedom versus dictatorship.
[Ibid, 193]
A “right” is a moral principle defining and sanctioning a man’s freedom of action in a social context.
[Man’s Right, VOS, 124; bp 93]
If one upholds freedom, one must uphold man’s individual rights; if one upholds man’s individual rights, one must uphold his right to his own life, to his own liberty, to the pursuit of his own happiness - which means: one must uphold a political system thar guarantees and protects these rights - which means: the politico-oeconomic system of capitalism.
[Conservativism; An Obituary, CUI, 193]
During the nineteenth century, mankind came close to economic freedom, for the first and only time in history. Observe the results. Observe also the degree of a country’s freedom from government control, was the degree of its progress. America was the freest and achieved the most.
[The Intellectual Bankcuptcy of Our Age, pamphlets, 7]
Intellectual freedom cannot exist without economic freedom; a free mind and a free market are corollaries.
[For the New Intellectual, FNI, 23: pb 25]
These two - reason and freedom - are corollaries, and their relationship is reciprocal: when men are rational, freedom wins; when men are free, reason wins.
[Faith and Force; The Destroyers of the Modern World, PWNI, 80, pb 66]
Do not be misled by an old collectivist trick which goes like this: there is no absolute freedom anyway, since you are not free to murder; society limits your freedom when it does not permit you to kill; therefore, society holds the right to limit your freedom in any manner it sees fit; therefore, drop the delusion of freedom - freedom is whatever society decides it is.
It is not society, nor any social right, that forbids you to kill - but the inalienable individual right of another man to live. This is not a “compromise” between two rights - but a line of division that preserves both right untouched. The division is not derived from an edict of society - but from your own inalienable individual right. The definition of this limit is not set arbitrarily by society - but is implicit in the definition of your own right. Within the sphere of your own right, your freedom is absolute.
[Textbook of Americanism, pamphlet, 6]
-.-
Murray N. Rothbards"Man, Economy and State" paßt auch gut dazu: http://www.mises.org/rothbard/mespm.PDF
Gruß
thoughtful
|
moneymind
06.03.2006, 11:44
@ bernor
|
Re: Eigentum vs. Besitz - bernor |
-->Hi bernor,
ich finde, H/S definieren die Unterscheidung Eigentum/Besitz (modellbaustrategisch gesehen) sinnvoller:
Besitz = materielles Nutzungsrecht. Bezieht sich auf die Ressourcensphäre.
Eigentum = immaterielles Vermögensrecht. Bezieht sich auf die Geldsphäre.
In other words:
Nutzungsrechte inclusive des Rechts, anderen die Nutzung zu übertragen (zeitweise = verleihen, für immer = schenken oder tauschen) nennen H/S BESITZrechte. Diese beziehen sich immer auf die physische Verwendung der Sache oder, mit Marx gesprochen, auf ihren"Gebrauchswert".
Vermögensrechte inclusive des Rechts, anderen diese Rechte zu übertragen (zeitweise: Belastung z.B. Hypothek, komplett: Verkauf) nennen H/S EIGENTUMSrechte. Diese schließen aber die Pflicht ein, bei nichterfüllten vertraglichen Schulden mit diesen Vermögensrechten zu haften und ggf. die Zwangsvollstreckung zu dulden.
(Vermögen besteht nie im Gegenstand selber (Grundstück z.B.), sondern nur in den Eigentumsrechten daran - kannste in jedem Lehrbuch zum Zivilrecht nachlesen).
Also, analog zu Marx:
Besitz bezieht sich auf den Gebrauchswert einer Sache (Ressourcensphäre)
Eigentum bezieht sich auf den Vermögenswert einer Sache (Geldsphäre)
Haftung mit Eigentum (Verlustrisiko durch legale Zwangsvollstreckung!) ist also (bei H/S) ein Definitionsmerkmal des Eigentums. Um dieses Verlustrisiko dreht sich doch die komplette H/S-Theorie und der komplette debitismus (und, nebenbei, die gesamte Wirtschaft). Also macht es allen Sinn, das als Definitionsmerkmal des Eigentums herzunehmen, auch wenn die herkömmliche juristische Definition das nicht beinhaltet, sondern sich nur auf die Rechte konzentriert, die ein Eigentumstitel mit sich bringt, die Pflichten und Risiken aber bequem woanders abhandelt (Schuldrecht); so läßt sich halt das alte Lied vom Naturrecht problemloser bis zum Umfallen weiterdudeln.
Welcher Staat kann sein"Ober-eigentum" durch Zwangsvollstreckung verlieren? Keiner. Weder andere Staaten noch die Bürger selbst können in dieses Obereigentum zwangsvollstrecken lassen (mit welcher Instanz denn?).
Also sollte man sinnvollerweise nicht Ober-Eigentum, sondern Ober-Besitz des Staates sprechen.
Gruß
moneymind
|
Theo Stuss
06.03.2006, 11:51
@ Amstrand
|
Re: Das ändert nichts |
-->Jeder Bundesbürger hat aktives und passives Wahlrecht. Kann ich deswegen verhindern, daß man gegen mich vollstreckt?
Die freien Reichsstädte hatten eine Vorausverschuldung, wie alle anderen Staatengebilde, siehe Stadtmauer. So etwas entsteht nicht ohne Verschuldung. Absolut freiwillig und entgeldlos dürfte wohl niemand beim Bau geholfen haben.
|
Holmes
06.03.2006, 11:53
@ moneymind
|
Re: Egalitäres Wirtschaften und Subsistenz - moneymind |
-->Hi moneymind,
vielen Dank für die Links, sehr gut.
>Kann mich jetzt nicht an alle Details erinnern, er faßt sein Kapitel so zusammen, daß - aus seiner Sicht - die meisten dieser kommunitären Experimente an"Trittbrettfahrer-Verhalten" ("freerider syndrome") gescheitert sind. Es gab immer welche, die auf Kosten anderer lebten (könnte man abfällig Schmarotzer nennen), und andere, die dafür Leistung für nothing erbrachten und denen das irgendwann zu bunt wurde.
Ist es in Hierarchie-Systemem nicht ebenso, dass eine Schicht auf Kosten anderer lebt, aber sich die anderen eben nicht so einfach wehren können (Waffenmonopol)? Wobei man in der Tat einen gewissen organisatorischen Nutzen nicht wegreden kann, wenn die Herrscher es offensichtlich schaffen, auch den Unterdrückten mehr Komfort zukommen zu lassen, als wenn sich die Leute selbst organisieren.
Der"Todesschweiss" der Kapitalisten lässt sich in einer offenen, freundlichen Gemeinsschaft eben nicht erzeugen, weil man sofort wieder nett zueinander wäre.
Höchste Leistung kommt scheinbar eben nur im (Wett-)Kampf...
Beste Grüsse,
Holmes
|
Amstrand
06.03.2006, 14:40
@ Theo Stuss
|
Re: Das ändert nichts |
-->hallo theo,
>Jeder Bundesbürger hat aktives und passives Wahlrecht. Kann ich deswegen verhindern, daß man gegen mich vollstreckt?
das ist doch nicht die frage. wer ist außerdem"man"?
die Eigentumsbürger schließen verträge und verpfänden gegenseitig ihr eigentum, heinsohn-steiger-style.
hab grad noch mal nachgelesen, die Freien und Reichsstädte haben keine Steuern oder Abgaben an den Kaiser oder irgendjemand gezahlt und keine Trupen gestellt.
>Die freien Reichsstädte hatten eine Vorausverschuldung, wie alle anderen Staatengebilde, siehe Stadtmauer. So etwas entsteht nicht ohne Verschuldung.
sagt ja niemand. Verschuldung bei sich selbst eben, heinsohn-steiger-style.
>Absolut freiwillig und entgeldlos dürfte wohl niemand beim Bau geholfen haben.
in hamburg an der petrikirche ist ein keller, in dem die ausgrabung der ersten ansiedlung der hammbaburg zu sehen ist plus eines modells. das haben die ersten siedler noch selbst hingeschaufelt bekommen, glaub mir. die wackersteine lagen herum und der matsch war auch in fülle vorhanden.
ich will ja nur sagen, dass es imho 3 arten von geldschöpfung gibt und man sich nicht darüber streiten braucht und genau das konkurrieren von feudalgeld wie es die machttheorie beschreibt und eigentumsbürgergeld wie es hs beschreiben einiges erklärt, auch heute noch.
nothing for ungood,
amstrand
|
dottore
06.03.2006, 14:46
@ Holmes
|
Re: Lele und Buschong |
-->Hi Holmes,
>1. Gibt es zu den Lele und Buschong eine Literaturquelle?
Über die Lele hat Mary Douglas sehr viel publiziert (60er Jahre). Die Buschong hat ausführlich besucht und beschrieben Emil Torday, einer der ersten großen Anthropologen (Reisen vor WK I, Publikationen vor allem in den 20ern).
>2. In Bezug auf die Wirtschaftsthematik bestätigt die Geschichte von den Stämmen ja irgendwie ein ziemlich heikles Dilemma für den modernen Menschen: will man eine Gesellschaft ohne HERRschaft, so endet man in der Subsistenz.
Ja, jeder arbeitet nur noch für sich (als"sein eigener Herr" - niemand zwingt zu nichts).
>Will man eine produktive Gemeinschaft, so braucht man Zwang. Gibt es wenigstens Beispiele, die zwar mit Zwang (und der entsprechenden Organisation) funktionieren, aber wenigstens nachhaltig und größtmöglich egalitär sind? Wie sieht es mit Firmen aus, die eine hohe Partizipation aller Beteiligten anstreben? Kibbuzim?
Hat was. Aber selbst solche"Genossenschaften" (Horde, Stamm, Familie, Kloster, Kibbuz usw.) bräuchten dann ein"Umfeld", das unter Druck steht oder das sie unter Druck (Zwang) setzen können. Schönes Beispiel die Zisterzienser im östlichen Deutschland, die sogar Monetärzinsgeschäfte betrieben). Klöster, die ohne Grundherrschaft operierten, sind nichts geworden. Andere schafften es zu großem Reichtum (Fulda) oder kamen sogar in den Reichsfürstenstand ("Fürstäbte", z.B. Kempten, die dann mit der Reichsstadt Kempten"konkurrierten").
>3. Was ist Deine Vorhersage in Bezug auf künftige Gesellschaftsformen, was kommt nach dem Staatsmodell?
Großstaatsgebilde sind im Ansatz gut zu erkennen (EU usw.). UNO-Truppen sind schon in ca. der Hälfte aller Staaten"im Einsatz".
>Haben wir noch eine Chance, eine Innovation zu entwickeln, die keinen Rückfall ins Mittelalter (oder noch weiter) darstellt?
"Rückfall" ist Ansichtssache. In den"dark ages" hat es sich wohl auch ganz gut gelebt.
>Ich lese gerade Van Crefeldt's"Zukunft des Krieges" in der er dem Staat (als noch recht junger Erscheinung) keine rosige Zukunft bescheinigt, weil er den kommenden"low intensity conflicts" nicht mehr widerstehen wird. Was sagtst Du dazu?
Genau in die Richtung läuft's. Auch die sog."Staatsverdrossenheit" ist"low intensive". Der Demokratie kommt die Legitimität abhanden, wenn keiner mehr zur Wahl gehen will. Selbst die Große Koalition ist - bezogen auf die Gesamtbevölkerung - ein Minderheiten-Regime.
Beste Grüße zurück!
|
dottore
06.03.2006, 15:31
@ Zandow
|
Re: HHH, das Eigentum und der Staat |
-->Hi Zandow,
>mit H&S sollte die Eigentums- und Freiheitsproblematik eigentlich erledigt sein:
>"Freiheit ist... definiert als Schutz legal erworbenen Eigentums und die Möglichkeit es frei zu nutzen und zu veräußern, ohne die Eigentumsrechte anderer zu beeinträchtigen."
Diese Freiheit gibt's nicht, da immer in das Eigentum der Person an sich selbst eingegriffen wird.
>Wobei:
>"Eigentum steht für einen Rechtstitel. Wann immer wir von Eigentum reden, ist dieser Titel gemeint."
Schon klar. Aber einen Rechtstitel, der nicht einen anderen beeinträchtigt, gibt's nicht. Das HS-Modell von der Roma Quadrata übersieht, dass Romulus nach der Gründung Roms und dem Brudermord (Remulus) sein Schwert nicht im Tiber versenkt, sondern behalten hat. Also ist das Eigentum an der Waffe (diesen Titel wiederum besichert der Besitz der Waffe) bereits ein beeinträchtigender Titel.
>Dieser Rechtstitel kann ursprünglich nur verliehen werden.
Ich kann keinen Titel schaffen (und dann"verleihen"), wenn ich nicht bewaffnet bin.
>Dazu bedarf es allerdings einer Instanz, welche diesen verliehenen Titel (der anschließend natürlich zu den sog. Eigentumsoperationen wie Kauf, Verkauf, Beleihung, Verpfändung usw. genutzt werden kann/muß) auch schützen kann. Schützen kann aber nur, wer mächtig dazu ist.
Manu militari.
>HHH geht, wie die gesamte libertäre Ideologie, von der Idee des Naturrechts aus. Dessen Grundlage bildet das Eigentum an sich selbst, d.h. insbesondere das Eigentum an den Ergebnissen der eigenen Arbeit. (Just aus diesem Grunde hatte ich den Link unten hier zur Diskussion gestellt. Eine ernsthafte Diskussion scheint wohl an dieser Stelle nicht gewünscht zu sein. Oder?)
Eigentum an sich selbst entsteht wie? In Bayern heißt es bis heute gegenüber Minderjährigen nicht:"Wie heißt du?" Sondern:"Wem gehörst du?"
Der Link kann nicht diskutiert werden, da er von etwas ausgeht, das es nicht ab Zeitpunkt des Erscheinens einer Person (Geburt) gibt. Beispiel Brautpreisleistungen:"Sie finden sich in matri- und patrilinearen Gesellschaften und dienen als Ausgleich dafür, dass die lineage der Frau - durch ihren Wegzug an den Wohnort des Mannes - ihre Arbeitskraft verliert oder die lineage des Mannes ihre Kinder erhält" (Wesel). Schlussfolgerung: Die Braut hat kein Eigentum an sich selbst.
>HHH und alle anderen libertären Vordenker scheiten jämmerlich an den Konsequenzen ihrer Gesellschaftsmodelle. Dies trifft besonders auf David Friedman zu. Das Problem sind die Kosten. Eigentum bedarf eines konkreten Schutzes! Sowohl vor Diebstahl als auch vor Vernichtung. Die Kosten für eben jenen Schutz können von den Eigentümern NICHT selbst aufgebracht werden!!!!!!!
Richtig. Aber es geht nicht nur um den Schutz des passiven, sondern den des aktiven (= andere zwingenden) Eigentums. Die Kosten für den Schutz des Zwangs (= Titel des Zwingens) sind noch viel höher.
>Da helfen auch private Rechts- und Sicherheitsagenturen nicht weiter. Denn die aufzubringenden Kosten müssen HÃ-HER liegen, als diejenigen Kosten, die ein potentieller Angreifer bereit und/oder in der Lage ist aufzubringen. Selbst im Falle eines waffentechnischen Patts kann der Eigentümer nur verlieren, wenn der potentielle oder reale Angreifer die Kosten über das rein Materielle hinaus steigert: das eigene Leben!!! Ein Angreifer, der das Leben in den Kampf, wirft ist gegenüber dem Eigentümer immer im Vorteil (wobei hier nicht das Leben des eigentlichen Angreifers riskiert wird, sondern das von Söldnern bzw. ideologisch verblendeten Kämpfern).
Ja. Aber, wie gesagt, die Kosten sind weit höher. Und falls der gesamte Youth Bulge mit Sprenggürteln einreist - Game totally over! Daher auch die vielen Mythen und Religionsmärchen vom Vatermord. Vater = ZwingHERR im Kleinen. Auch schön: Die griechische Nummer von Uranos - Gaia - Kronos (beider Sohn). Warum hasste Uranos seine Kinder wohl? Warum verschlang Kronos wiederum seine Kinder?
>Somit bleibt bei der ganzen Debatte um das Eigentum nur der Naturrechtsgedanke übrig. Dieser Gedanke taucht allerdings in allen Ideologien auf (je nach Gusto eben religiös, rassistisch, logisch usw.). Jede Macht benötigt zu ihrer Legitimation eine Rechtfertigung. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Rechtferigung nun religiös oder areligiös oder sonstwie daher kommt. Jene Rechtfertigung ist zur Senkung der Machterhaltungskosten zwingend notwendig; anderenfalls bleibt nur die blanke Diktatur, deren Kosten schnell ins Unermessliche steigen.
Sehr fein. Jede Rechtfertigung (Legitimisierung) senkt die Machterhaltungskosten. Weshalb sie (vornehmlich Religion) eine Folge der Macht ist, und nicht ihr Ursprung. Dass sich die HERRschaften dabei"naturreligiöser" Phänomene bediente, ist klar. Eine Naturgott ist sofort auf die Probe zu stellen (oh, wieder kein Regen?!), weshalb sich die"Götter" immer weiter"entfernen" und schließlich monopolisiert werden mussten - bis hin zum"Ich bin der ich bin" (aha!) usw.
>Schon bei Aristoteles mit seine ellenlangen Abhandlungen über die Vernunft sehen wir nichts anderes als die Legitimation von Macht. Diese Vernunft (göttlich hergeleitet) bildet nun die Grundlage der Herrschaft:
>"Was aber das größte und nützlichste von allen Gütern ist, ergibt sich aus folgendem. Wir alle geben zu, daß der Tüchtigste und von Natur Trefflichste HERRSCHEN sollte und daß allein das GESETZ HERRSCHE und Geltung habe. Das aber ist die Vernunft und der aus der Vernunft entspringende Gedanke."
Feines Geeiere, Danke für den Text.
>(Anmerkung: Auf Grund der Fundgeschichte der Schriften des Aristoteles halte ich sämtliche seiner Schriften nicht für historisch. Vielmehr scheinen diese Schriften erst im ausgehenden Mittelalter für zunehmend sekulär geprägte Gesprächssalons verfasst worden zu sein.)
Sehe ich ganz genau so. Die Geschichte der Textüberlieferungen ex Antike ist ein einziges Debakel, vgl. Herbert Hunger u.a.
>Bleibt nun noch die von Dir aufgeworfene Frage nach der Kontrolle der Macht. Hierbei stehen wir vor dem Problem der Definition von 'STAAT'. Meiner Meinung nach bildet NICHT das Parlament oder gar die Regierung mit ihren Behörden den Staat, sondern als Staat verstehe ich die Verteilungsinstitutionen (abgeleitet von Bernbeck).
Einverstanden.
>In unserer heutigen demokratischen Gesellschaftsverfassung ist diese Konstruktion kaum noch zu erkennen. Doch schaut man genau hin, so sieht man, daß diejenigen, welche an der Verteilung und Nutznießung beteiligt sind, auch diejenigen sind, die ihre Vertreter in die Parlamente senden.
Ja.
>Eine Kontrolle von Macht wird sich von daher nie gegen die Verteilungsinstitutionen oder deren Nutznießer wenden. Zeitweise anders laufende Entwicklungen werden schon nach wenigen Jahren korrigiert; oder durch Umstürze!
Ja. Deshalb nochmals Karl Polanyi!"The Great Transformation" (= Marktwirtschaft als Verteilungssystem weltweit --> max!) ist ein Ausrutscher des 19. Jh. Wo sich monarchische und demokratische Machtsysteme zufällig geschnitten und vorübergehend"balanziert" hatten.
Dank + Gruß!
|
Elli (Boardmaster)--
06.03.2006, 16:02
@ dottore
|
Re: Eigentum, Macht, Freiheit - Klärungsversuch / ---- Sammlung (o.Text) |
-->
|
dottore
06.03.2006, 16:04
@ thoughtful
|
Re: Dank für das schöne Bukett... |
-->Hi thoughtful,
sehr schöne Zusammenstellung. Nur leider...
... bleiben wir beim "inalienable individual right" stecken.
Was mag das sein? Wie kommt es daher? Wer verleiht es? Ist es ein"Recht" (Gesetz, Naturrecht, Naturgesetz, objektiv, subjektiv)? Eine"Berechtigung"? Berechtigt dann wozu? Wozu nicht? Warum dann nicht?
Ein Recht ("right") als Nicht-Berechtigung zur Verletzung der Rechte (Berechtigungen) anderer zu definieren - führt zu nichts anderem als zu einem Zirkelschluss."Inalienable" - was heißt das? Gibt's Sanktionen, falls"alieniert" wird? Wer hat sie eingeführt und wann? Warum darf sich Kain schleichen und Städtebauer werden, nachdem er Abel gekillt hatte?
Was, wenn ich freiwillig"alieniere"? In der Antike konnte ich mich in die Sklaverei verkaufen und mit dem Geld eigene Geschäfte machen. Was ist mit dem zitierten"Hunger"? Soll ich ihn sich weiter entwickeln lassen - oder zwingt mich etwas, ihn zu stillen? (Muss ja nicht mal der Selbsterhaltungs"trieb" sein, sondern die Meidung von Unlustgefühlen, wenn ich - meine Urschuld nicht mehr tilgend - Frau, Kind und Kegel sich selbst überlasse).
Leigt's an unserem"Bewusstsein"? Am"Gewissen"? Beides lateinisch: conscius - es erscheint also mein Double in mir selbst (con = zusammen, gemeinsam, scire = wissen).
Da hakt's also. Alle Libertären usw. ziehen heute als ultimativen Trumpf ein"menschelndes" Axiom. Das kann aber keins sein, da es nicht die Menschheitsgeschichte durchgängig gegolten hat. Oder ist es ein"verborgenes Axiom", das erst Rand, Mises usw. gefunden haben?
Nochmals Dank + Gruß!
|
dottore
06.03.2006, 16:15
@ FOX-NEWS
|
Re: @dottore - Sie widerlegen ein ums andere mal Clausewitz |
-->>Nicht der Krieg ist der Vater aller Dinge... es ist der Abgabendruck!
Hi,
was ist daran lächerlich? Der Krieg (coercive power, was Mann/Mann-Waffen voraussetzt), ob heiß oder kalt führt doch erst den Abgabendruck herbei.
Im übrigen Clausewitz: "Der Krieg beginnt mit der Verteidigung!"
Wozu also Krieg führen? Wäre freiwillige Unterwerfung (oft genug geschehen) und Abgabenleistung nicht schlauer? Ein Drittel Arbeit für sich, ein Drittel für andere, ein Drittel, um sich das bessere Unterwerfungsinstrument einfallen zu lassen. Muss ja keine Waffe, kann auch ein Fluch oder"Bannstrahl" sein. Bei de Molay (Templer) hat's funktioniert, bei Innozenz IV. u.a. (gegen Staufer) auch. Und die Ethnologie ist randvoll mit Beispielen (z.B."der böse Blick").
Gruß!
|
dottore
06.03.2006, 16:43
@ moneymind
|
Re: Eigentum vs. Besitz - bernor |
-->Hi moneymind,
dazu, so erlaubt:
>ich finde, H/S definieren die Unterscheidung Eigentum/Besitz (modellbaustrategisch gesehen) sinnvoller:
>Besitz = materielles Nutzungsrecht. Bezieht sich auf die Ressourcensphäre.
>Eigentum = immaterielles Vermögensrecht. Bezieht sich auf die Geldsphäre.
Einspruch, wie schon vorgetragen: Eigentum muss bei HS schon vorhanden sein, da sich sonst ihr"Geld" nicht schaffen ließe. Der HS-"Zins" gleicht die verlorene"Eigentumsprämie" aus. Dagegen: Der Zins gleicht die vom Machthalter (manu militari) ex nihilo und nicht etwa durch vorangegangenen Kontrakt in die Welt gesetzte Schuld aus.
Was für einen Kurs sollte auch die"Eigentumsprämie" haben, wenn der Eigentümer (die berühmte"Notlage"!) gezwungen ist, sein Eigentum zur Verpfändung/Besicherung anzubieten? Wer in Not ist (insolvent/illiquide), kann weder"Geld" emittieren noch"Zins" auf diesem Weg der"Geldschaffung" kassieren.
Warum sollte ein"notloser" Eigentümer sein Eigentumsrecht beschränken?
Bei nichterfüllten vertraglichen Schulden läuft die Debitismus-Maschine. Nur (und das ist eben die über die Schalmeien-Theorie [es gibt nur"private Freie" und keine Zwingmacht] von HS hinausreichende Variante): Warum geht jemand Kontraktschulden ein - außer er ist - via Sanktion usw. - gezwungen, Ex-Nihilo-Schulden zu tilgen?
Noch zum Staats-Eigentum/Staats-Besitz: Der Besitz der Waffe sichert ihr Eigentum (ganz ungeldsphärlich). Das Eigentumsrecht an der Bewaffnung (obendrein monopolisiert und ideologisiert) besichert die Berechtigung, sanktionslos abzugreifen. Geht das Eigentum an der Bewaffnung verloren (Volk stürmt Zeughäuser und Waffenlager) - geht's andersrum.
Vae Victis!
Gruß!
|
Holmes
06.03.2006, 16:53
@ dottore
|
Re: @dottore - Unterwerfungsinstrumente |
-->> Wäre freiwillige Unterwerfung (oft genug geschehen) und Abgabenleistung nicht schlauer? Ein Drittel Arbeit für sich, ein Drittel für andere, ein Drittel, um sich das bessere Unterwerfungsinstrument einfallen zu lassen. Muss ja keine Waffe, kann auch ein Fluch oder"Bannstrahl" sein. Bei de Molay (Templer) hat's funktioniert, bei Innozenz IV. u.a. (gegen Staufer) auch. Und die Ethnologie ist randvoll mit Beispielen (z.B."der böse Blick").
Hi dottore,
das eröffnet ja eine ganz neue Welt für mich. In der Tat wäre es sehr spannend, eine Geschichte der"Unterwerfungsinstrumente" zu erforschen. Dazu gehören eben dann auch die Mittel, die nicht nur physische sondern auch psychische Gewalt entstehen lassen. Im Prinzip eleganter (können nicht rosten:-), leider wohl nur bei entsprechend vorbereiteten Untertanen einsetzbar. Die müssen nämlich ein Glaubenssystem haben, in dem diese"Waffen" wirken. Stösst eine solche Kultur mit einer zusammen, die für solch einen"Spökenkram" keinen Febel haben, verlieren sie den Kampf, weil die physische Waffe letztlich doch besser ist.
Im Prinzip steht diese Überlegung auch in Verbindung mit psychologischer Kriegführung, Propaganda etc.
Gibt es dazu Quellen?
Beste Grüsse,
Holmes
|
Tarantoga
06.03.2006, 18:11
@ bernor
|
Ober-Besitz passt besser |
-->Hallo Bernor!
Stammt die von Dir getätigte Unterscheidung tatsächlich von H/S? Ich glaube eher nicht. Aber ich teile Deine Definition des Unterschieds. Eigentum ist ein Recht. Als Recht bedarf es dann aber natürlich einer Vollstreckungsinstanz um durchgesetzt zu werden. So weit ein heutiger Staat selbst Eigentum hat, ist er dann auch selber Vollstreckungsinstanz, jedoch tut der Staat hierbei letztlich ja so, als wäre er ein Bürger, er stellt sich in Verfahren und Durchsetzung seinen Bürgern gleich (es wird auch Zivilrecht und nicht öffentliches Recht angewendet, es geht also nicht um hoheitliches Handeln). Beim Begriff des"Obereigentums" wäre das nicht der Fall. Hierfür gibt es keine Vollstreckungsinstanz, die Recht anwendet um zur Vollstreckung zu gelangen. Daher ist Obereigentum kein Eigentum.
Die Position des Staates zum Eigentum seiner Bürger würde ich auch dem Besitz näher sehen. Denn Besitz ist ein tatsächliches Verhältnis. Die Definition des Besitzes lautet: tatsächliche Sachherrschaft. Der Besitzer ist daher aus sich selbst heraus Herrscher über die Sache, er braucht keine Vollstreckungsinstanz.
Man muss aber auch sagen, dass der Staat jedenfalls kein direkter Besitzer ist, denn er übt die Herrschaft über die Dinge ja nicht aus, dies überläßt er den Bürgern. Das Recht kennt dann noch die Figur des mittelbaren Besitzes. Dabei überlässt der Besitzer einem anderen den direkten Besitz, behält aber auch noch einen mittelbaren Besitz, der dann bedeutet, dass er der tatsächlichen Sachherrschaft zwar ferner als der unmittelbare Besitzer, aber immer noch näher als jeder Dritte ist. So ähnlich verhält es sich wohl mit dem Staat.
Aufgrund des Gewaltmonopols hätte der Staat das Potential jeden Besitz an sich zu reissen, aber dennoch bleibt es nur ein Potential, weswegen weder Besitz noch Eigentum für die Position des Staates wirklich präzise Begrifflichkeiten sind.
LG,
Tarantoga
|
Tarantoga
06.03.2006, 18:35
@ dottore
|
Re: Eigentum, Macht, Freiheit - Klärungsversuch |
-->Hallo dottore!
>in einem von Prof. Uwe Wesel zitierten Urteil des BVG heißt es:
>„Das Eigentum ist ein elementares Grundrecht, das in einem inneren Zusammenhang mit der Garantie persönlicher Freiheit steht.“
Dazu erlaube ich mir eine Anmerkung: Wenn das BVG (btw: BVerfG oder BVerwG? dieses BVG der Medien ist schrecklich unpräzise) zu Art. 14 GG (der Eigentumsgarantie) Stellung nimmt, dann geht es nie um das Eigentumsrecht als absolutes Recht oder als Recht der Bürger gegeneinander. Es geht stattdessen um ein Abwehrrecht der Bürger gegen den Staat. In Art. 14 GG hat der Staat seine übergeordnete Herrschaft bereits an die Bürger zediert, die dadurch Eigentum haben können, das dann der Staat quasi als Selbstbeschränkung zu akzeptieren hat.
So gesehen ist der Satz richtig und auch präzise. Denn die Überlassung von Eigentum an die Bürger gibt diesen die Freiheit innerhalb der Grenzen des Rechts mit den Dingen zu verfahren.
>Das im BVG-Urteil angeführte „Eigentum“ (gemeint: „privates“ Eigentum!) hat stets den Ober-Eigentümer „Staat“ über sich, was sich schon daraus ergibt, dass der „Staat“ den von Max Weber erwähnten Zwangsapparat („manu militari“!) gegenüber den Unter-Eigentümern einsetzen kann ohne Sanktionen gegen sich selbst befürchten zu müssen. Bestenfalls können die den „Staat“ Betreibenden, sie sog. „politische Klasse“ (Helmut Schmidt) durch Nicht-Wiederwahl abgestraft werden.
Hier muss ich kurz Einspruch erheben. Was Du sagst ist richtig, wenn man den heutigen Staat so reduziert betrachtet, dass er auf seine archaischen Wurzeln beschränkt wird. Mir scheint, wir sollten in unseren Diskussionen mehr Rücksicht darauf nehmen, wie komplex die heutigen Verhältnisse wirklich sind. Denn heute kann der Staat seinen Zwangsapperat gerade nichtmehr beliebig gegen seine Untereigentümer einsetzen. Das Eigentum wird garantiert, Enteignungen sind nur in engen Grenzen und nur gegen Entschädigung möglich. Das BVerfG hat ja sogar entschieden, dass der Staat die Einkünfte seiner Bürger nicht beliebig hoch besteuern darf. So gibt es durch die Grundrechte und die Justiz innerhalb des Staates eine halbwegs unabhängige Instanz, die dem Staat selber entgegen tritt. Der demokratische Rechtsstaat mit Gewaltenteilung ist ein kompliziertes System von"Checks and Balances", die die staatliche Herrschaftsausübung weitgehend beschränken. Das System ist so konstruiert, dass es sich selbst beschränkt und weil die unterschiedlichen Teile so sehr miteinander verwoben sind, so sehr von sich abhängig sind, kein Teil mehr wirkliche Herrschaftsfreiheit hat. Wenn die Diskussion der Wirklichkeit gerecht werden will, dann muss man das meiner Ansicht nach berücksichtigen.
>Der BVG-Satz sei demnach umformuliert:
>“Das Ober-Eigentum des Staates an seinem Staats-Areal ist eine elementare Berechtigung des Staates, die in einem inneren Zusammenhang mit der Garantie persönlicher Unfreiheit der Staatsbürger dem Staat gegenüber steht.“
Dieser Satz ist allerdings sehr richtig. Irgendwo in Ellis Sprüche-Sammlung steht er andersrum formuliert:
"Das Privateigentum wurde erfunden, um die Unterordnung unter das Gesetz etwas schmackhafter zu machen."
Bertrand 3. Earl of Russell (1872 - 1970), englischer Mathematiker und Philosoph
LG,
Tarantoga
|
moneymind
07.03.2006, 00:24
@ dottore
|
Re: Eigentum vs. Besitz - dottore |
-->Hallo dottore,
und vielen Dank, daß Sie sich die Mühe machen, zu antworten und ihre Argumente nochmals zu posten. Einige Anmerkungen dazu aus meiner Sicht:
>>ich finde, H/S definieren die Unterscheidung Eigentum/Besitz (modellbaustrategisch gesehen) sinnvoller:
>>Besitz = materielles Nutzungsrecht. Bezieht sich auf die Ressourcensphäre.
>>Eigentum = immaterielles Vermögensrecht. Bezieht sich auf die Geldsphäre.
>Einspruch, wie schon vorgetragen: Eigentum muss bei HS schon vorhanden sein, da sich sonst ihr"Geld" nicht schaffen ließe.
Was bei H/S für die erstmalige Entstehung"vorhanden sein" muß, ist nicht irgendein abstraktes"Eigentumsrecht".
Sondern die Abwesenheit (=Freiheit von) solidargesellschaftlicher und befehlswirtschaftlicher Formen der sozialen Sicherung, d.h. Freiheit von traditional bestimmten interpersonalen Rechten und Pflichten.
Das wird leider aus H/S´ neueren Darlegungen nicht deutlich genug, weil sie meiner Meinung nach das Problem einer systematischen Darstellung ihres Modells sehr unbefriedigend lösen.
Es geht aber aus frühen papers und aus"Privateigentum, Patriarchat, Geldwirtschaft" recht deutlich hervor, daß traditionale Formen der Existenzsicherung zerstört worden sein müssen, bevor Freiheit und Privatautonomie überhaupt nur denkbar und v.a. erfahrbar werden (ursprünglich doch: enge Bindung an den Sozialverband als generationenübergreifende Reproduktionsgemeinschaft, Marx: als einzeler kann keiner länger als eine Generation überleben, daher Urzustand unverbundener einzelner ("Robinsonaden der bürgerlichen Ã-konomie") Unsinn.
Heinsohn argumentiert dort so: Naturkatastrophen (die er sich bei Velikovsky"holt") zerstören Stammesgesellschaften und den mykenischen Feudalismus.
Umherstreifende, von ihren zerstörten Sozialverbänden abgetrennte"freie Männer" schweifen in einem (gemessen an den Rechtsordnungen der vorhergehenden Stammes- und Feudalgesellschaften)"rechtlosen", chaotisch-anarchischen Raum umher,"genießen" diese neue Freiheit von traditionalen Pflichten, entdecken aber auch, daß diese mit einem Verlust auf Rechte sozialer Absicherung verbunden sind.
Heinsohn spricht vom individualisierten Existenzrisiko. DIESES steht für ihn am Anfang --- und macht überhaupt ersteinmal die Entstehung der Idee der"Privatautonomie" sinnvoll und schlüssig historisch verständlich (die etwa Marx völlig unschlüssig und unbefriedigend erklärt hatte, vgl. MEW 23, S. 102ff).
Das"Eigentum" ensteht also bei ihm nicht aus dem Nichts als abstraktes Recht.
Sondern die der"Privatautonomie" zugrundeliegende"Freiheit" entsteht zuerst - und zwar zufällig, nicht geplant, durch von außen einwirkende Naturkatastrophen. Und zwar in Form von"Freiheit" von traditionalen Sicherungssystemen, die aber auch ein neuartiges, individualisiertes Existenzrisiko nach sich ziehen, das wiederum als Kehrseite vorher ungekannte neue Zwänge mit sich bringt (Heinsohn: individueller Sicherheitsvorrat, bei Not zunächst Güterleihe etc.).
Heinsohn macht daraus dann eine"Geschichte vom Gesellschaftsvertrag": um die in Folge der Katastrophen neu entdeckte Freiheit auf Dauer zu stellen, schließen sich die Individuen zusammen und - so ergänze ich hypothetisch - funktionieren die zerstörte, aber in Grundzügen noch vorhandene Struktur des vorgängigen Feudalstaates zu ihren neuen Zwecken um: nämlich zur Sicherstellung der Freiheit von solidargesellschaftlichen Hilfs- und feudalen Abgabenpflichten (-->u.a. Vollstreckungsrechte für private Gläubiger gegenüber privaten Schuldnern). Dafür nehmen sie in Kauf, daß das Feudalprinzip zur materiellen Sicherstellung der Freiheit nicht völlig beseitigt werden kann, streben aber an, es auf das notwendigste zu beschränken.
Sicherlich eine hypothetische Geschichte, aber doch um ein vielfaches plausibler als sämtliche"naturrechtlichen" Gschichterln oder evolutionistische Vorstellungen, die einfach eine zwangsläufige"Ausdifferenzierung" bzw."Höherentwicklung" voraussetzen.
So wird die Entstehung von"Privatautonomie" aus vorgängigen starren, traditionalen (unauflöslichen und nicht nur - wie private Verträge - temporär verpflichtenden) Sozialbeziehungen sinnvoll und schlüssig verständlich; verständlich wird auch, warum diese Freiheit immer in Gefahr ist, vom eben nicht restlos beseitigbaren Feudalsystem (Steuersystem) wieder eingeschränkt und überwuchert zu werden, etc.
>Der HS-"Zins" gleicht die verlorene"Eigentumsprämie" aus. Dagegen: Der Zins gleicht die vom Machthalter (manu militari) ex nihilo und nicht etwa durch vorangegangenen Kontrakt in die Welt gesetzte Schuld aus.
Das sehe ich ganz anders. Die Argumentationskette bei Heinsohn zur Geldenstehung zunächst aus naturalen Verpflichtungen ist im Prinzip schlau angelegt, krankt aber von Beginn an an 2 Grundproblemen:
1) Völlige Vernachlässigung des Phänomens des Termins (Fälligkeitstermin der Forderungen)
2) Völlige Vernachlässigung des Phänomens"Geld" als abstrakte Recheneinheit.
H/S Geldtheorie ist für mich deshalb auch völlig unzureichend (hatte dazu hier mal einige Gedanken gepostet.
Zins ist für die Knappheit unwesentlich. Entscheidend ist"Geld" als Recheneinheit, und die Entstehung und Nutzung von"Geldforderungen" als Forderungen, die in einer abstrakten Recheneinheit ausgestellt sind und auf ebensolche Forderungen späterer Fälligkeit lauten. Hier liegt der Schlüssel zu einer Konjunkturtheorie, die auf dem Phänomen Geld basiert und daher zu einer Theorie geldwirtschaftlicher Dynamik.
>Was für einen Kurs sollte auch die"Eigentumsprämie" haben, wenn der Eigentümer (die berühmte"Notlage"!) gezwungen ist, sein Eigentum zur Verpfändung/Besicherung anzubieten? Wer in Not ist (insolvent/illiquide), kann weder"Geld" emittieren noch"Zins" auf diesem Weg der"Geldschaffung" kassieren.
Unwesentlich."Eigentumsprämie" = für mich unsinniger und nutzloser Begriff. Ursprünglich: immaterieller Sicherheitsertrag, den ein Freier, der sich selbst versorgt, nun aus dem bezieht, was er hat - nicht mehr aus sozialen Beziehungen wie in Solidar- und Feudalsystemen.
Entwicklung dieses Sicherheitsertrags zum"Vermögenswert" (das wäre ein sinnvoller Begriff) geht dann eng Hand in Hand mit der Entstehung rein geldlicher aus vormals nur naturalen Verpflichtungen unter Privaten.
>Warum sollte ein"notloser" Eigentümer sein Eigentumsrecht beschränken?
Richtig. H/S Geldbegriff ist (für mich) ebenfalls Unsinn.
>Bei nichterfüllten vertraglichen Schulden läuft die Debitismus-Maschine.
Genau, s.o.
>Nur (und das ist eben die über die Schalmeien-Theorie [es gibt nur"private Freie" und keine Zwingmacht] von HS hinausreichende Variante): Warum geht jemand Kontraktschulden ein - außer er ist - via Sanktion usw. - gezwungen, Ex-Nihilo-Schulden zu tilgen?
Das wiederum für mich bei H/S plausibel: individualisiertes Existenzrisiko, traditionale soziale Sicherungssysteme sind beseitigt; gerät ein Freier in Not, kann er nicht mehr auf automatische Hilfe (Solidarpflicht) rechnen. Jeder zieht seine Sicherheit jetzt aus dem, was er hat (zunächst: Grundbesitz, der in dem Maß zu"Eigentum" mit einem"Vermögenswert" wird, wie"Geld" als abstrakte Recheneinheit für Verträge sich herausbildet - müßte natürlich im Detail ausgeführt werden, kann ich hier leider nicht tun).
Noch nicht fällige Natural-Forderungen verursachen keine Aufbewahrungskosten und stellen daher so etwas wie eine Vorform von"Geld" dar; sie können von ihrem Halter benutzt werden, um bei Bedarf auf Güter von einem zurückzugreifen, der diese momentan nicht materiell braucht und seine"Sicherheit" lieber in Form einer Forderung (Dokument) halten würde, die ihm keine Aufbewahrungskosten verursacht. Bereits an dieser Stelle müßte der Termin in die Betrachtung einbezogen werden. Die Schritte zur abstrakten Recheneinheit wären ganz neu hypothetisch zu rekonstruieren, natürlich mit Berücksichtigung des Fälligkeitstermin-Phänomens von Anfang an und einem saldenmechanischen Modell für die gegenseitige Verrechung von Forderungen, etc. (sorry muß aus Zeitgründen hier leider abbrechen)
>Noch zum Staats-Eigentum/Staats-Besitz: Der Besitz der Waffe sichert ihr Eigentum (ganz ungeldsphärlich).
Staatliches Gewaltmonopol, okay. Sinnvoll zur oben beschriebenen Sicherung der"Freiheit" (von traditionalen Solidar- und weitgehend auf Abgabenpflichten) und von den Freien in gewissem Umfang auch gewünscht.
>Das Eigentumsrecht an der Bewaffnung (obendrein monopolisiert und ideologisiert) besichert die Berechtigung, sanktionslos abzugreifen.
Im Prinzip ja, aber die ist heute doch (gottseidank) gesetzlich eingeschränkt - siehe Posting von Tarantoga.
Geht das Eigentum an der Bewaffnung verloren (Volk stürmt Zeughäuser und Waffenlager) - geht's andersrum.
Dafür muß das"Volk" erstmal genügend Veranlassung haben - d.h. es muß ihm dafür schlecht genug gehen, und es muß dafür stark und willens genug sein.
Im heutigen D wird meiner Meinung nach noch immer auf einem recht hohen Niveau gejammert.
Kurz und gut, ich bin der Meinung, der Heinsohnsche 1984er Ansatz müßte komplett neu durchdacht werden (wie gehabt ist er im Hinblick v.a. auf den Geldbegriff völlig unbefriedigend); von der Grundstruktur her ist er aber (für mich) nach wie vor äußerst fruchtbar.
Gruß
moneymind
|
moneymind
07.03.2006, 00:38
@ Tarantoga
|
Re: Eigentum, Macht, Freiheit - Klärungsversuch |
-->Hallo Tarantoga,
>>in einem von Prof. Uwe Wesel zitierten Urteil des BVG heißt es:
>>„Das Eigentum ist ein elementares Grundrecht, das in einem inneren Zusammenhang mit der Garantie persönlicher Freiheit steht.“
>Dazu erlaube ich mir eine Anmerkung: Wenn das BVG (btw: BVerfG oder BVerwG? dieses BVG der Medien ist schrecklich unpräzise) zu Art. 14 GG (der Eigentumsgarantie) Stellung nimmt, dann geht es nie um das Eigentumsrecht als absolutes Recht oder als Recht der Bürger gegeneinander. Es geht stattdessen um ein Abwehrrecht der Bürger gegen den Staat. In Art. 14 GG hat der Staat seine übergeordnete Herrschaft bereits an die Bürger zediert, die dadurch Eigentum haben können, das dann der Staat quasi als Selbstbeschränkung zu akzeptieren hat.
>So gesehen ist der Satz richtig und auch präzise. Denn die Überlassung von Eigentum an die Bürger gibt diesen die Freiheit innerhalb der Grenzen des Rechts mit den Dingen zu verfahren.
Danke für die präzise Klarstellung! Daß die Rechte des Staats gegenüber seinen Bürgern sehr wohl eingeschränkt und kontrollierbar sind, wie schlecht und recht auch immer, wird m.E. in diesem Forum viel zu leicht übersehen und gleichzeitig für völlig selbstverständlich genommen. Es ist nicht selbstverständlich! Es ist die Ausnahme, daß ein Staat so verfaßt ist.
>>Das im BVG-Urteil angeführte „Eigentum“ (gemeint: „privates“ Eigentum!) hat stets den Ober-Eigentümer „Staat“ über sich, was sich schon daraus ergibt, dass der „Staat“ den von Max Weber erwähnten Zwangsapparat („manu militari“!) gegenüber den Unter-Eigentümern einsetzen kann ohne Sanktionen gegen sich selbst befürchten zu müssen. Bestenfalls können die den „Staat“ Betreibenden, sie sog. „politische Klasse“ (Helmut Schmidt) durch Nicht-Wiederwahl abgestraft werden.
>Hier muss ich kurz Einspruch erheben. Was Du sagst ist richtig, wenn man den heutigen Staat so reduziert betrachtet, dass er auf seine archaischen Wurzeln beschränkt wird. Mir scheint, wir sollten in unseren Diskussionen mehr Rücksicht darauf nehmen, wie komplex die heutigen Verhältnisse wirklich sind. Denn heute kann der Staat seinen Zwangsapperat gerade nichtmehr beliebig gegen seine Untereigentümer einsetzen. Das Eigentum wird garantiert, Enteignungen sind nur in engen Grenzen und nur gegen Entschädigung möglich. Das BVerfG hat ja sogar entschieden, dass der Staat die Einkünfte seiner Bürger nicht beliebig hoch besteuern darf. So gibt es durch die Grundrechte und die Justiz innerhalb des Staates eine halbwegs unabhängige Instanz, die dem Staat selber entgegen tritt. Der demokratische Rechtsstaat mit Gewaltenteilung ist ein kompliziertes System von"Checks and Balances", die die staatliche Herrschaftsausübung weitgehend beschränken. Das System ist so konstruiert, dass es sich selbst beschränkt und weil die unterschiedlichen Teile so sehr miteinander verwoben sind, so sehr von sich abhängig sind, kein Teil mehr wirkliche Herrschaftsfreiheit hat. Wenn die Diskussion der Wirklichkeit gerecht werden will, dann muss man das meiner Ansicht nach berücksichtigen.
Nochmals danke für die Klarstellung! Die von Dir genannten Punkte zu berücksichtigen, ist für eine saubere Unterscheidung zwischen Feudalstaaten und bürgerlich-kapitalistischen Demokratien doch zentral und werden in diesem Forum aus meiner Sicht zu oft einerseits übersehen oder für lächerlich und sekundär erklärt, auf der anderen Seite aber gleichzeitig oft als selbstverständlich genommen und als Beurteilungsgrundlage verwendet.
>>Der BVG-Satz sei demnach umformuliert:
>>“Das Ober-Eigentum des Staates an seinem Staats-Areal ist eine elementare Berechtigung des Staates, die in einem inneren Zusammenhang mit der Garantie persönlicher Unfreiheit der Staatsbürger dem Staat gegenüber steht.“
>Dieser Satz ist allerdings sehr richtig.
Ja, ist richtig. Aber eben doch nicht mit der Garantie VÃ-LLIGER persönlicher Unfreiheit, sondern mit der Garantie einer im Vergleich zu reinen Feudalsstemen EINGESCHRÄNKTEN persönlichen Unfreiheit: also durchaus mit einer Garantie relativer (natürlich nicht absoluter) Freiheit (im Vergleich mit reinen Feudalsystemen). So viel Differenzierung muß denn schon sein.
Gruß
moneymind
|
bernor
07.03.2006, 02:11
@ Tarantoga
|
Ich bleibe mal beim OberEIGENTUM |
-->Hi Tarantoga,
Stammt die von Dir getätigte Unterscheidung tatsächlich von H/S? Ich glaube eher nicht.
Richtig geraten. Ist stattdessen auf meinem (bzw. Dottores) Mist gewachsen.
Aber ich teile Deine Definition des Unterschieds. Eigentum ist ein Recht. Als Recht bedarf es dann aber natürlich einer Vollstreckungsinstanz um durchgesetzt zu werden. So weit ein heutiger Staat selbst Eigentum hat, ist er dann auch selber Vollstreckungsinstanz, jedoch tut der Staat hierbei letztlich ja so, als wäre er ein Bürger, er stellt sich in Verfahren und Durchsetzung seinen Bürgern gleich (es wird auch Zivilrecht und nicht öffentliches Recht angewendet, es geht also nicht um hoheitliches Handeln). Beim Begriff des"Obereigentums" wäre das nicht der Fall. Hierfür gibt es keine Vollstreckungsinstanz, die Recht anwendet um zur Vollstreckung zu gelangen. Daher ist Obereigentum kein Eigentum.(...)
Dann hast Du mich nicht verstanden (was vielleicht daran liegt, daß ich zuvor nicht ausdrücklich geschrieben hatte, daß ich hier vom H/S-Modell abweiche - sorry).
Mein Ansatz ist (wie könnte es anders sein;-)) ein historischer, genauer: die Herkunft der Wörter Eigentum und Besitz.
Beginnen wir mit Besitz:
Althochdt. bisizzen und mittelhochdt. besitzen hatte zwei Bedeutungen: neben einfachem „be-(= darauf-, dabei)-sitzen“ auch „belagern, sich in etwas setzen, in Besitz nehmen“ (bi- kommt von bî = „bei“, siehe auch be-lagern, be-kommen, be-lassen usw.). Wir haben hier also zunächst Besitz I vom Besitz II zu unterscheiden.
Das - Besitz II - spricht auf den ersten Blick für einen Besitzer-Status des Okkupanten (Bauer, Edelmann usw.) bzw. seiner Nachfolger, also auch für einen Oberbesitzer Staat.
Was aber nur solange so bleibt, wie der vormalige Be-setzer und jetzige Be-sitzer <b<allein[/b] bleibt, seinen aktuellen Status also nicht gegen Andere verteidigen muß.
Nun wissen wir aus der Geschichte, daß der Bauer, der Edelmann und auch der Staat nie allein gewesen bzw. geblieben sind (auch von der letzteren Sorte gab und gibt es bekanntlich genug).
Und so hatte jeder Okkupant, selbst als „Friedfertiger“, seit jeher die „Aufgabe“, andere davon zu überzeugen, daß es doch besser sei, seine Meinung vom Status = Zugehörigkeit des in Frage gestellten Besitzes zu respektieren.
Was natürlich nur klappte, wenn man selbst die besseren Meinungsverstärker hatte, also Waffen (daneben auch Propaganda oder „Zuckerli“ - letzteres z.B. auch bei den Römern riskant, weil es Appetit auf „mehr“ machen und schon als ein Zeichen von Schwäche - „Zuckerli“ = Tribut! - aufgefaßt werden konnte).
Und damit kommen wir zu der Schlußfolgerung, daß ein solcher „Besitz“, wenn man ihn für sich erhalten will, für andere unantastbar sein muß - also das, was wir heute Eigentum nennen.
Um auch seinen Ursprung zu klären, zerlegen wir dieses Wort zunächst in seine beiden Bestandteile:
1. eigen von althochdt. eigan = „jemandem als Besitz gehörend“ ist abgeleitet von einem (im Deutschen ausgestorbenen) gleichlautenden Verb mit der Bedeutung „haben, besitzen“ (siehe auch engl. to own von âgen) - es liegt also im gleichen Bedeutungsfeld wie „Besitz“, ist nur personen- statt sachbezogen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang vielleicht noch, daß das Verb eigan zur Gruppe der sog. Präteritopräsentien gehörte, d.h., deren Gegenwartsformen waren einst von Vergangenheitsformen anderer (inzwischen ausgestorbener) Verben abgeleitet worden; so bedeutete „ich weiß“ ursprünglich „ich habe gesehen und weiß/kenne daher“ (siehe auch altgriech. (w)oida = „ich weiß“ gegenüber der nichtabgeleiteten lat. Form video = „ich sehe“) - demnach dürfte eigan von einem älteren Verb mit der Bedeutung „in Besitz nehmen“ stammen und daher „ es wurde in Besitz genommen und gehört daher jemandem“ bedeutet haben.
2. -tum kommt vom althochdt. Substantiv tuom = „Urteil, Gericht“ und bedeutetete im Mittelhochdt. auch „Macht, Herrschaft“; altengl. und altsächs. dôm hieß auch „Rechtsprechung, Gesetz, Verfügung“ (siehe dazu auch die heute noch gebräuchliche Bezeichung doomsday book für jenes Kataster = Verzeichnis aller Lehnsgüter, welches unter Wilhelm dem Eroberer zwecks Absicherung der normannischen Eroberungen in England und der Königsmacht erstellt wurde).
tuom lief also, da mit der jeweiligen Macht verbunden, auf „verkündete“ (und entsprechend der Stärke der Macht garantierte) Unantastbarkeit des Urteils, des Verfügten, des „gesetzten“ Rechts hinaus.
Die nächste Frage, die sich stellt, ist: wann tauchte das Wort Eigentum selbst erstmals auf?
Antwort: im mittelhochdt. eigentuom des 12. Jh. - in einer Zeit, als der nachrömische „Kapitalismus“ seinen ersten Anlauf nahm und schon damals so mancher Feudalherr ökonomisch ins Hintertreffen geriet, siehe den langwierigen und schließlich erfolglosen Krieg des Kaisers Friedrich I. Barbarossa gegen die oberitalienischen Städte, die - obwohl sich nicht alle einig - nicht bezwungen werden konnten.
Da blieb dem großen Kaiser lobesam (und seinen Nachfolgern) nichts anderes übrig, als zu zedieren - die „reichsfreien“ Städte entstanden.
Und mit ihnen und den inzwischen an Grundbesitz „reich“ gewordenen Klöstern das „kapitalistische“ System, welches von nun an in einem Punkt (neben „Gläubiger“ und „Schuldner“) einer wichtigen Unterscheidung bedurfte: nämlich der zwischen dem Verpächter und dem Pächter - der erste wurde zum „Eigentümer“ (dieser Begriff trat jetzt an die Stelle von „Besitzer“, dessen oben ausgeführte zweite Bedeutung sich nunmehr aufs Militärische - „belagern“ - beschränkte) und dem „Besitzer“ in der ersten Bedeutung des Wortes.
Die neue Bezeichnung Eigentum war notwendig geworden, weil jetzt auch der vormalige nichtfeudale (private) Besitz II mittels Besicherung durch übergeordnete, bewaffnete Instanz = Staat prinzipiell gleich dem staatlichen Besitz II unantastbar zu sein hatte (abgesehen von der Besteuerung).
Kurzgefaßt: Der Besitzer II der vorkapitalistischen Zeit (Freibauer, Feudalherr) entspricht hinsichtlich der Verfügungsgewalt über seine Sachen (und zuweilen auch Sklaven) dem heutigen Eigentümer (Bürger/Unternehmer --> Untereigentum, Staat --> Obereigentum); der bloße Besitzer I (Halbfreier, Untertan) war ihm „hörig“ und wurde danach zum (zumindest theoretisch) „freien“ Pächter = Besitzer (sofern nicht zum Lohnarbeiter).
Und noch kürzer, wenn wir da nur unsere heutigen Begriffe Eigentum und Besitz verwenden:
Soweit man über Sachen bzw. Gebiete frei verfügen kann, ist man ihr Eigentümer, ansonsten ihr Besitzer.
Gruß bernor
|
moneymind
07.03.2006, 12:25
@ dottore
|
Re: H/S=Schalmeientheorie [nur"private Freie" und keine Zwingmacht] |
-->
Lieber dottore,
Sie bezeichnen die Heinsohn/Steiger-Theorie als"Schalmeien-Theorie", in der es"nur private Freie" und"keine Zwingmacht" geben soll.
Dazu darf ich aus Heinsohn (1984): Privateigentum, Patriarchat, Geldwirtschaft - eine sozialtheoretische Rekonstruktion zur Antike (Ffm: Suhrkamp) zitieren:
"Die Aufteilung des Bodens in einer Weise, die jedem Patriarchatsmitbegründer eine Fläche zuteilt, von der kein anderer ihn vertreben darf, konstituiert die neue Gesellschaft. Dieses Privateigentum nach innen von Anfang an zu dokumentieren und zu garantieren, aber auch nach außen kollektiv zu verteidigen, bringt die wichtigsten Institutionen des Staates der Antike hervor: `ein Staatslenker hat in erster Linie dafür zu sorgen, daß der Privatbesitz keines Staatsbürgers angetastet werde. Das Recht auf persönliches Eigentum muß einem Jeden bleiben.` (Cicero, De Officiis, 2, XXI, 73)" (S. 96f, § 78)
Vgl. dazu auch die folgenden Paragraphen bei Heinsohn.
H/S vertreten also durchaus KEINE"Schalmeientheorie, in der es nur private Freie und keine Zwingmacht gibt".
Heinsohns Vorstellungen zur tatsächlichen historisch erstmaligen Gründung eines"bürgerlichen" Staats sind eher unscharf und nicht sehr detailliert.
Vor allem bin ich der Meinung, daß man dies nur verstehen kann, wenn man einen vorgängigen Feudalstaat mit zentraler Verwaltung voraussetzt, dessen Machtapparat dann zu bürgerlichen Zwecken umfunktioniert wird. Dafür kann durchaus auch eine"Revolution" gegen auch nach den Katastrophen noch vorhandenen Feudalherren nötig gewesen sein, die ihre Machtansprüche nicht aufgeben wollten.
Die Steuergewalt übergeht er tatsächlich; eine brauchbare Analyse der Rolle des Staates für die Wirtschaft fehlt bei H/S tatsächlich, da haben Sie recht; da haben Sie weitaus mehr und realistischeres zu bieten. Zum Heinsohnschen Geldbegriff hatte ich mich ja schon geäußert (m.E. unbrauchbar).
Die Heinsohnsche Grundidee für die historische ERST-ENTSTEHUNG von Eigentum, Privatautonomie und privater Vertragsfreiheit leuchtet mir jedoch weitaus mehr ein als Ihre Idee der Entstehung von Eigentum und Privatautonomie inclusive privater Vertragsfreiheit als"Machtzession" von oben. Das ist zwar auch möglich und zweifellos historisch oft geschehen --- aber meiner Meinung nach nicht plausibel für die ERST-ENTSTEHUNG von Eigentum, Privatautonomie und privater Vertragsfreiheit! Sondern als eine Nachzüglerstrategie anderer Staaten, die den so erzeugten Güterreichtum kopieren wollen (nachholende Modernisierung gewissermaßen).
Die Heinsohnsche Version macht doch auch die Entstehung liberaler Ideen und einer liberalen Ideologie recht schlüssig verständlich, ohne auf naive Drahtziehertheorien zurückgreifen zu müssen (diese Tendenz sehe ich bei der Machttheorie).
So, ich hoffe ich habe den Hintergrund meiner Position nun etwas besser erläutern können.
Vielen Dank fürs Lesen,
und Gruß
moneymind
|
dottore
07.03.2006, 12:47
@ Tarantoga
|
Re:"Checks and balances" - was zuerst? |
-->Hi Tarantoga,
>>in einem von Prof. Uwe Wesel zitierten Urteil des BVG heißt es:
>>„Das Eigentum ist ein elementares Grundrecht, das in einem inneren Zusammenhang mit der Garantie persönlicher Freiheit steht.“
>Dazu erlaube ich mir eine Anmerkung: Wenn das BVG (btw: BVerfG oder BVerwG? dieses BVG der Medien ist schrecklich unpräzise)
Sorry, es war das BVerfG.
>zu Art. 14 GG (der Eigentumsgarantie) Stellung nimmt, dann geht es nie um das Eigentumsrecht als absolutes Recht oder als Recht der Bürger gegeneinander. Es geht stattdessen um ein Abwehrrecht der Bürger gegen den Staat. In Art. 14 GG hat der Staat seine übergeordnete Herrschaft bereits an die Bürger zediert, die dadurch Eigentum haben können, das dann der Staat quasi als Selbstbeschränkung zu akzeptieren hat.
Durch die Existenz von Privateigentum allein ist/wird der Bürger aber nicht frei. Jedenfalls nicht alle. Dazu müssten es schon alle selbst haben. Die Mehrheit der Bürger hat - außer der persönlichen"Habe" (um die es in 14 GG nicht geht, warum nicht kommt gleich) - eben kein Eigentum. Das ergibt sich aus 14, Absatz 2:"Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Wären alle in der Allgemeinheit Eigentümer, wäre der Satz sinnlos.
Der Gebrauch von"Habe" (Kleidung, Wohnungseinrichtung, Werkzeugkasten, usw.) ist mit dem"Wohl der Allgemeinheit" kaum in Zusammenhang zu bringen. Oder wie soll ich z.B. meinen Fernseher so gebrauchen, dass dieser Gebrauch der Allgemeinheit dient? Auch fordert Abs. 2:"Eigentum verpflichtet". Kann mein Eigentum an meinem Mantel (oder gar der Mantel selbst)"verpflichten"?
Gerade diese"Verpflichtung" gegenüber der Allgemeinheit hebt die Selbstbeschränkung des Staates, der sich (durch die Setzung des GG) sozusagen als"Vertreter" der Allgemeinheit sieht, wieder auf. Der private Eigentümer wäre nur frei, wenn er a) keinerlei Verpflichtung hätte (Verpflichtung als Passivposten zu seinem Eigentum als Aktivposten) und vor allem, wenn er b) alles in einem Staatsareal Belegene und auch alle Rechte des Staates (Berechtigungen hier) als Eigentum erwerben könnte, was leicht erkennbar nicht der Fall ist, da er weder Teile/Anteile an den Staatsmonopolen (Gewalt, Steuern, Geldwesen u.ä.) zum Eigentum erwerben kann noch und schon gar nicht Teile/Anteile an der juristischen Person"Staat" selbst (zur JP Staat zuerst Albrecht 1837, dann Jelinek, die Gebietskörperschafts-Theoretiker, u.v.a.).
Dass die Vorstellung vom Staat als"juristische Person" umstritten ist (vgl. zuletzt H. Uhlenbrock,"Der Staat als juristische Person"), ist mir bewusst. Aber gerade der zentrale Einwand Uhlenbrocks, basierend auf der"Volkssouveränität" (20,2 GG -"Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus") überzeugt nicht, da die im GG anschließend genannten"Wahlen und Abstimmungen" nicht die gesamte Staatsgewalt umfassen.
Gerade Abstimmungen ("Volksentscheide") sind im wichtigsten Bereich und zugleich der Basis der Staatsgewalt, nämlich den Staatsfinanzen in Einnahmen- und Ausgabenseite entweder expressis verbis verboten (vgl. Länderverfassungen tutti - auch die Durchführung der Erhebung der Bundessteuern ist eine Länder-Berechtigung, es gibt keine Finanzämter des Bundes) oder gar nicht erst vorgesehen.
Das"Volk" ist auch keine juristische Person, sondern ein juristisches Nullum. Es kann daher auch keine"Rechte" (Berechtigungen), wie gerade die Souveränität (hier: Staatsgewalt) zedieren.
Oder was soll das heißen"geht [von ihm, dem Volk] aus"?
>So gesehen ist der Satz richtig und auch präzise. Denn die Überlassung von Eigentum an die Bürger gibt diesen die Freiheit innerhalb der Grenzen des Rechts mit den Dingen zu verfahren.
Gegenmeinung: Dann würden"Eigentum verpflichtet" und"zum Wohle der Allgemeinheit" garnichts beinhalten. Beides ist in keinem Gesetz konkretisiert oder in Vollzug oder Nichtvollzug (bzw. -vornahme) definiert. Außerdem bezieht sich die"Gewährleistung" von Eigentum auf einen bereits vorhandenen Zustand (privates Eigentum ist"da", sozusagen"vorstaatlich" - egal jetzt wie und durch welche Zessionsabläufe"früherer" Eigentümer es entstanden ist), während sich der"Gebrauch" desselben auf einen künftigen Zustand bezieht, der überdies durch Enteignungen beeinflusst werden kann. Dass beides nicht zusammenpasst, liegt auf der Hand.
Auch fehlt vor allem völlig ein Eingehen auf das Eigentum an der eigenen Person. Wozu verpflichtet dieses Eigentum, zumal unter dem Aspekt, es zum"Wohle der Allgemeinheit" zu gebrauchen? Es"verpflichtet" schlicht. Jemand, der aus dem privaten Eigentum an seiner Person verpflichtet ist, sie also entsprechend dem"Gemeinwohl" entsprechend zu"gebrauchen" hat, ist ebensowenig"frei" wie der oben genannte private Eigentümer von"Sachen".
Kurzum, die im BVerfG-Urteil (24.389) genannten Tatbestände"Freiheit" und"Eigentum" sind inkompatibel - egal von welchem Blickwinkel aus man sie betrachtet.
>
>>Das im BVG-Urteil angeführte „Eigentum“ (gemeint: „privates“ Eigentum!) hat stets den Ober-Eigentümer „Staat“ über sich, was sich schon daraus ergibt, dass der „Staat“ den von Max Weber erwähnten Zwangsapparat („manu militari“!) gegenüber den Unter-Eigentümern einsetzen kann ohne Sanktionen gegen sich selbst befürchten zu müssen. Bestenfalls können die den „Staat“ Betreibenden, sie sog. „politische Klasse“ (Helmut Schmidt) durch Nicht-Wiederwahl abgestraft werden.
>Hier muss ich kurz Einspruch erheben. Was Du sagst ist richtig, wenn man den heutigen Staat so reduziert betrachtet, dass er auf seine archaischen Wurzeln beschränkt wird.
Ich wüßte nicht, wie man die heute so anmutig in der Gegend stehende Baumkrone ("moderner Rechtsstaat") von seinen Wurzeln trennen könnte. Wurzelholz schaut nur anders aus als das Holz eines hohen Astes. Das Material, die Grundsubstanz, jedoch ist dieselbe.
>Mir scheint, wir sollten in unseren Diskussionen mehr Rücksicht darauf nehmen, wie komplex die heutigen Verhältnisse wirklich sind.
Sie erscheinen komplex, in der Tat. Aber das Grund-"Verhältnis" (Grund-Muster), nämlich Herrschaft (Herren vs. Beherrschte, selbst wenn die Beherrschten ihre Herren selber wählen oder abwählen dürfen) ist gleich geblieben. In der Geschichte gab es noch viel komplexere Verhältnisse, man schaue sich nur das Herrschafts-Durcheinander im alten deutschen"Reich" an. Selbst der Kaiser musste erst seine Wahlkapitulation (Klartext: Zession bzw. deren Bestätigungen von Einkünften und Berechtigungen aller Art) unterzeichen und beeiden, bevor er ins Amt gelangen durfte. Ein"Kapitulation" im wahren Sinn des Wortes. Heute ist davon der "Amtseid" geblieben, der allerdings nicht mehr einklagbar ist, was - nebenbei - den Spruch von der"Volkssouveränität" der Lächerlichkeit preis gibt. Das Volk kann nicht klagen, nichts einklagen.
>Denn heute kann der Staat seinen Zwangsapperat gerade nichtmehr beliebig gegen seine Untereigentümer einsetzen. Das Eigentum wird garantiert, Enteignungen sind nur in engen Grenzen und nur gegen Entschädigung möglich. Das BVerfG hat ja sogar entschieden, dass der Staat die Einkünfte seiner Bürger nicht beliebig hoch besteuern darf.
Einspruch auch hier: Der Staat kann das verfügbare Einkommen (Summe aller Einkunftsarten) durch Besteuerung sehr wohl beliebig hoch mindern. Oder was ist eine Mehrwertsteuererhöhung um fast 20 Prozent? Das BVerfG-Urteil (Kirchhof) bezog sich auf die Besteuerung des zufließenden Einkommens. Außerdem gibt es dazu das, eine im Endeffekt sogar 100prozentige Besteuerung ins Auge fassende, Minder-Votum Ernst-Wolfgang Böckenfördes dazu.
>So gibt es durch die Grundrechte und die Justiz innerhalb des Staates eine halbwegs unabhängige Instanz, die dem Staat selber entgegen tritt.
Die Grundrechte sind zwar (in Maßen) einklagbar. Aber ihr Bruch ist nicht strafbewehrt. Die Justiz als unbestreitbarer Teil der Staatsgewalt wird nicht etwa vom Volk besetzt ("alle Staatsgewalt geht vom Volke aus"), sondern von den jeweiligen Staatsmacht-Haltern. Das"halbwegs unabhängig" ist ein Euphemismus. Und was heißt"dem Staat entgegen treten"? Das konnte man gegenüber feudalistischen Instanzen vor Jahrhunderten auch schon.
Es gibt Unterschiede gegenüber"früher". Nur leider sind diese gradueller und nicht prinzipieller Art. Nochmals Wesel: "Nur den Prozess der Selbstregulierungen in Gesellschaften ohne Staat... kann man nicht als Herrschaft bezeichnen."
Als Klassiker dafür gilt der Stamm der Nuer (Hirtenvolk, Südsudan), bevor die britischen Macht-Expansionisten sie unter Abgabendruck zwangen und die heutigen Machthaber sie mehr und mehr vertreiben. Auch andere solcher"an-archischer" (arché = Herrschaft) Gesellschaften sind nachgewiesen. Nur sind sie auf Subsistenzstatus stehen geblieben (vermutlich auch zufriedener als wir), aber hier und heute geht es die Enträtselung des Phänomens des heutigen Wirtschaftens ("Kapitalismus") und die Frage, welche Rolle Macht, Zwang und Herrschaft dafür, dagegen und darin spielen.
>Der demokratische Rechtsstaat mit Gewaltenteilung ist ein kompliziertes System von"Checks and Balances", die die staatliche Herrschaftsausübung weitgehend beschränken. Das System ist so konstruiert, dass es sich selbst beschränkt und weil die unterschiedlichen Teile so sehr miteinander verwoben sind, so sehr von sich abhängig sind, kein Teil mehr wirkliche Herrschaftsfreiheit hat. Wenn die Diskussion der Wirklichkeit gerecht werden will, dann muss man das meiner Ansicht nach berücksichtigen.
Völlig d'accord. Nur kann man soviele checks and balances erfinden wie man will. An Macht, Machtausübung, Machterhalt-Bemühungen, bewaffnetem Zwang ("coercive power","manu militari"), Macht-Monopolen (Waffen, Abgaben, Geld), an (demnach) zediertem Eigentum, Zins und vor allem Schulden ex nihilo führt kein Weg vorbei.
Das Vor- bzw. Erst-Checking kommt immer"von oben" und führt beim"balancing" derer, die"unten" sind, nur zum nächsten Checking von oben. Das"balancing" ist Re-Agieren. Wozu bräuchte man es überhaupt, wenn es kein"checking" gäbe? Beides gleichzusetzen (obendrein auch noch zeitgleich) ist nur Tarnung der wirklichen Verhältnisse. Und den"checkern" die Maske vom Gesicht zu nehmen, ist Aufgabe ernsthaften wissenschaftlichen Arbeitens.
Nur leider ist die"Wissenschaft" auch"checker"-abhängig (schon finanziell), weshalb sie auch nur selten zum Kern der Causa vorstößt. Hoppe (Rothbard-Lehrstuhl) wurde nicht von ungefähr gefragt, ob er nicht Angst habe, nach all seiner vernichtenden Staatskritik nach Deutschland einzureisen. Die meisten und die vehementesten Anti-Staatler finden wir sowieso in den USA, wie z.B. Tilly ("Staat als kriminelle Vereinigung").
Vielen Dank für die vielen Anregungen und herzlichen Gruß zurück!
|
dottore
07.03.2006, 14:23
@ Holmes
|
Re: @dottore - Unterwerfungsinstrumente |
-->Hi Holmes,
>das eröffnet ja eine ganz neue Welt für mich. In der Tat wäre es sehr spannend, eine Geschichte der"Unterwerfungsinstrumente" zu erforschen.
Ja, also historische Konflikt-Soziologie sozusagen. Da steht zentral natürlich Karl Marx. Der passt auch deshalb gut, weil er die permanente Unterwerfung einer Klasse unter die andere heranzieht, sondern das auch noch mit einer"wissenschaftlich" (recte: ideologisch-religiös) unterbauten Drohung verbindet: Die Kapitalisten werden untergehen, was heißt: Die"Guten" (arme Arbeiter) werden siegen. Erinnert an den uralten Kampf"Licht/Finsternis" usw. in zahlreichen Mythen.
Würden sich die Kapitalisten wirklich bedroht fühlen, müssten sie sich unterwerfen, also aus dem Gehrock in den Blaumann schlüpfen und sich ganz hinten an der Werkbank anstellen und sich nun ihrerseits kräftig ausbeuten lassen.
Es gibt auch"bürgerlichere" Vertreter, wie z.B. Georg Simmel, der in seiner"Soziologie" (1908) ein lesenswertes Kapitel zum"Streit" bringt. Wobei er auf Traditionelles wie Neid, Hass, aber auch Gier abhebt. Darauf aufbauend Lewis A. Coser (vor kurzem gestorben) mit"Theorie sozialer Konflikte" (1965),"Continuities in the Study of Social Conflict" (1967) oder"Greedy Institutions" (1974).
Auch Ralf Dahrendorf hat sich einschlägig bemüht ("Class and class conflict in industrial society", 1973), allerdings darin nichts großartig Historisches, dazu muss man dann schon die großen Geschichtsschinken, zuletzt auf breiter Front für den Nahen Osten nehmen. Die"Unterwerfungsinstrumente" sind in zahlreichen bildlichen Darstellungen erhalten. Als Beispiel die"Annunaki" (vom Himmel stammende Riesenmenschen oder so):
[img][/img]
Auch der Anthropologe Max Gluckman ("Custom and Conflict in Africa", 1965) ist zu nennen. Hatte viele Afro-Stämme untersucht. Gut auch von ihm als Hg.:"Political Systems and the Distribution of Power" (1965).
Dann gibt's auch jede Menge Spieltheoretiker, die sich mit dem"wie siegen?" beschäftigt haben. Aaron Nimzowitsch (Schachgenie, 1. Hälfte 20. Jh.) hat sehr viel geschrieben (mir leider nur sein Satz bekannt, wonach die Drohung mächtiger sei als die Ausführung bzw. der Vollzug).
>Dazu gehören eben dann auch die Mittel, die nicht nur physische sondern auch psychische Gewalt entstehen lassen. Im Prinzip eleganter (können nicht rosten:-), leider wohl nur bei entsprechend vorbereiteten Untertanen einsetzbar. Die müssen nämlich ein Glaubenssystem haben, in dem diese"Waffen" wirken. Stösst eine solche Kultur mit einer zusammen, die für solch einen"Spökenkram" keinen Febel haben, verlieren sie den Kampf, weil die physische Waffe letztlich doch besser ist.
Wohl wahr!
>Im Prinzip steht diese Überlegung auch in Verbindung mit psychologischer Kriegführung, Propaganda etc.
Klassisch der Melier-Dialog des Thukydides. Diese attische"Drohgebärde" ist in der Geschichte durchgehend zu beobachten.
>Gibt es dazu Quellen?
Als ein Beispiel vielleicht das zum Einstieg. Der Themenkomplex ist in toto nicht mehr zu überschauen, jedenfalls von mir nicht.
Beste Grüße zurück!
|
Tarantoga
07.03.2006, 15:47
@ dottore
|
Re:"Checks and balances" - was zuerst? |
-->Hallo dottore,
es ist schon lustig zu sehen, wie ich plötzlich auf die Seite gekommen bin, wo das Eigentum verteidigt wird. Ich will das mal von mir weisen, ich halte Staat und Eigentum nach wie vor für die Wurzeln des Übels...
>Durch die Existenz von Privateigentum allein ist/wird der Bürger aber nicht frei. Jedenfalls nicht alle. Dazu müssten es schon alle selbst haben. Die Mehrheit der Bürger hat - außer der persönlichen"Habe" (um die es in 14 GG nicht geht, warum nicht kommt gleich) - eben kein Eigentum. Das ergibt sich aus 14, Absatz 2:"Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Wären alle in der Allgemeinheit Eigentümer, wäre der Satz sinnlos.
Stimme weitgehend zu, aber man muss bedenken, dass Eigentum sich immer auf eine konkrete Sache bezieht. Selbst wenn jeder bestimmte Dinge zu Eigentum hätte, wäre der Satz nicht sinnlos, erst wenn es gar kein Eigentum mehr gäbe wäre er es.
>Der Gebrauch von"Habe" (Kleidung, Wohnungseinrichtung, Werkzeugkasten, usw.) ist mit dem"Wohl der Allgemeinheit" kaum in Zusammenhang zu bringen. Oder wie soll ich z.B. meinen Fernseher so gebrauchen, dass dieser Gebrauch der Allgemeinheit dient? Auch fordert Abs. 2:"Eigentum verpflichtet". Kann mein Eigentum an meinem Mantel (oder gar der Mantel selbst)"verpflichten"?
Der Begriff der"Habe" ist interessant, wir sollten den mal festhalten. Es fällt nämlich auf, dass die genannte"Habe" einen wesentlich größeren Schutz als das"normale" Eigentum genießt. Man lese bitte mal § 811 ZPO nach ("Unpfändbare Sachen" - der Paragraph ist zu lang zum abtippen, sry). Danach sind jedenfalls bestimmte Güter, die genannte"Habe", aber auch z.B. 1 Milchkuh oder nach Wahl des Schuldners stattdessen 2 Schweine, Schafe oder Ziegen (vgl. § 811 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) von der Pfändung ausgeschlossen. Diese Dinge des nächsten alltäglichen Lebensbedarfs sind dadurch der normalen Renditepflicht (!) des Eigentümers entzogen. Selbst wenn der Eigentümer dieser so schlecht wirtschaftet, dass er die Forderungen gegen ihn (auch die Steuerforderung!) nicht mehr befriedigen kann, diese Dinge bleiben ihm unbenommen. Damit sind sie mehr als Eigentum. Ihr besonderer Schutz ergibt sich nicht nur aus Art. 14 GG, sondern auch aus Art. 1 und 2 GG (Menschenwürde und allgemeine Handlungsfreiheit), vielleicht entstammen sie sogar dem Kernbereich dieser Grundrechte und können daher nicht eingeschränkt werden.
Trotzdem verpflichtet auch diese Habe. Man klebe mal ein Namensschild auf den Fernseher oder den Mantel und entsorge ihn auf der Straße, das örtliche Ordnungsamt wird einen sehr schnell auf die Eigentumsverpflichtung daran hinweisen...(vgl. zb. § 18 OBG NRW)
>Gerade diese"Verpflichtung" gegenüber der Allgemeinheit hebt die Selbstbeschränkung des Staates, der sich (durch die Setzung des GG) sozusagen als"Vertreter" der Allgemeinheit sieht, wieder auf. Der private Eigentümer wäre nur frei, wenn er a) keinerlei Verpflichtung hätte (Verpflichtung als Passivposten zu seinem Eigentum als Aktivposten) und vor allem, wenn er b) alles in einem Staatsareal Belegene und auch alle Rechte des Staates (Berechtigungen hier) als Eigentum erwerben könnte, was leicht erkennbar nicht der Fall ist, da er weder Teile/Anteile an den Staatsmonopolen (Gewalt, Steuern, Geldwesen u.ä.) zum Eigentum erwerben kann noch und schon gar nicht Teile/Anteile an der juristischen Person"Staat" selbst (zur JP Staat zuerst Albrecht 1837, dann Jelinek, die Gebietskörperschafts-Theoretiker, u.v.a.).
Dem kann ich nicht folgen, denn die Selbstbeschränkung des Staates gilt nicht absolut nach allen Richtungen, sondern nur in Bezug auf konkretes Eigentum eines konkreten Bürgers. Mehr wurde halt bisher noch nicht"zediert"...
>Dass die Vorstellung vom Staat als"juristische Person" umstritten ist (vgl. zuletzt H. Uhlenbrock,"Der Staat als juristische Person"), ist mir bewusst. Aber gerade der zentrale Einwand Uhlenbrocks, basierend auf der"Volkssouveränität" (20,2 GG -"Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus") überzeugt nicht, da die im GG anschließend genannten"Wahlen und Abstimmungen" nicht die gesamte Staatsgewalt umfassen.
Hier stimme ich völlig zu. Die Formulierung"Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus" ist bestenfalls eine beschönigend-idealistische Zielvorstellung ohne jede konkrete Bedeutung - der Satz könnte auch in der Präambel stehen. Sie ist nur deshalb keine schlichte Lüge, weil der Staat ein abstraktes System ist, das tatsächlich erst durch die Teilhabe der Bürger (als Beamte, Politiker, Angestellte und auch Wähler) zum Leben erwacht.
>Gegenmeinung: Dann würden"Eigentum verpflichtet" und"zum Wohle der Allgemeinheit" garnichts beinhalten. Beides ist in keinem Gesetz konkretisiert oder in Vollzug oder Nichtvollzug (bzw. -vornahme) definiert. Außerdem bezieht sich die"Gewährleistung" von Eigentum auf einen bereits vorhandenen Zustand (privates Eigentum ist"da", sozusagen"vorstaatlich" - egal jetzt wie und durch welche Zessionsabläufe"früherer" Eigentümer es entstanden ist), während sich der"Gebrauch" desselben auf einen künftigen Zustand bezieht, der überdies durch Enteignungen beeinflusst werden kann. Dass beides nicht zusammenpasst, liegt auf der Hand.
Dem kann ich nicht folgen. Die Eigentumsverpflichtungen sind vielfach definiert und haben konkrete Folgen. Die Verantwortlichkeit für den Zustand von Sachen habe ich bereits genannt (§ 18 OBG NRW), spontan fällt mir ausserdem der Bereich der historischen Baudenkmäler ein, im Grunde fällt das gesamte Bauordnungsrecht darunter. Auch wenn das Grundstück jemandem gehört kann er nicht so darauf bauen, dass der im Bauordnungsrecht normierte Schutz der Allgemeinheit umgangen werden kann.
Auch kann ich die Vorstaatlichkeit des Eigentums nach wie vor nicht erkennen. Die Gewährleistung des Eigentums beinhaltet auch, dass der Eigentümer eben einen Rechtsanspruch hat andere von seinem Eigentum fernzuhalten (§§ 985 und 1004 BGB). Damit bezieht sich die Gewährleistung sehr wohl auch auf den zukünftigen Gebrauch.
>Auch fehlt vor allem völlig ein Eingehen auf das Eigentum an der eigenen Person. Wozu verpflichtet dieses Eigentum, zumal unter dem Aspekt, es zum"Wohle der Allgemeinheit" zu gebrauchen? Es"verpflichtet" schlicht. Jemand, der aus dem privaten Eigentum an seiner Person verpflichtet ist, sie also entsprechend dem"Gemeinwohl" entsprechend zu"gebrauchen" hat, ist ebensowenig"frei" wie der oben genannte private Eigentümer von"Sachen".
Eigentum an der Person gibt es nicht, auch nicht der eigenen, denn dann würde diese tatsächlich verpflichten können, was nicht unbedingt der Fall ist. Der Schutz der Person folgt aus Art. 1 und 2 GG sowie den nachfolgenden Grundrechten. Es gibt dabei einen ganz wesentlichen Unterschied: Der Eigentumsschutz in Art. 14 GG wird nicht nur durch Enteignungen (Eingriffe im engeren Sinne) eingeschränkt, sondern auch dadurch, dass der Staat mittels Gesetzen erst definieren darf und muss, was Eigentum überhaupt ist (Inhalts- und Schrankenbestimmung). Der Schutz der Persönlichkeit dagegen steht nicht in der Definitionshoheit des Staates (jedenfalls nicht direkt). Zwar legen staatliche Richter aus, was genau Menschwürde und freie Entfaltung der Person sind, aber dies folgt soweit aus der Vernunft und auch einem philosophisch-kulturellen Hintergrund. Der Staat kann kein Gesetz erlassen, das den Inhalt der Menschenwürde verändert.
Daraus folgt, dass jedenfalls in unserer Rechtsordnung der Staat dem Bürger tatsächlich einen gewissen Rahmen an Freiheit läßt und er diesen tatsächlich auch gegen Dritte schützt (vgl. das Urteil gegen den Verhaltenskodex von Wal-Mart Mitarbeitern; Kein Unternehmen darf seinen Mitarbeitern vorschreiben, wen sie nach Feierabend zur sexuellen Erheiterung"daten"). An dieser Stelle ist übrigens die persönliche Freiheit ausnahmsweise mal mit Staat größer als ohne!
>Kurzum, die im BVerfG-Urteil (24.389) genannten Tatbestände"Freiheit" und"Eigentum" sind inkompatibel - egal von welchem Blickwinkel aus man sie betrachtet.
Das stimmt dann, wenn man beide nur absolut gelten läßt. Das ist aber nicht sachgerecht. Sowohl Eigentum als auch Freiheit gibt es in Graden und Qualitäten.
Darauf würde ich aber gar nicht abstellen. Wesentlich erscheint mir, dass es eine Gewährleistung des Eigentums nicht geben kann, wenn der Staat nicht Steuern erhebt um die Gewährleistung durchführen zu können. Es gibt kein Eigentum ohne Steuern und ohne Herrschaft des Staates. Wegen der Unmöglichkeit der dauerhaften Staatsfinanzierung durch Steuern im Inneren (ich kann gar nicht oft genug für diesen Nachweis danken), ist dann jedes Eigentumssystem auch endlich und endet in der Katastrophe durch Staatsbankrott. Eigentum ist kein dauerhaft geeignetes Recht ohne ständige Staatsexpansion.
>Ich wüßte nicht, wie man die heute so anmutig in der Gegend stehende Baumkrone ("moderner Rechtsstaat") von seinen Wurzeln trennen könnte. Wurzelholz schaut nur anders aus als das Holz eines hohen Astes. Das Material, die Grundsubstanz, jedoch ist dieselbe.
Man verstehe mich richtig: Ich finde es sehr wichtig, dass auch der moderne Rechtsstaat"enttarnt" wird. Nur so begreifen die Leute, das und was etwas verändert werden muss. Aber man sollte sich bewußt sein, dass man verkürzt um die wesentliche Aussage besser begreiflich zu machen. Aus der Differenzierung folgt aber auch, dass man kein Radikalanarchist sein muss, wenn man eine Lösung für die Probleme haben will.
>Sie erscheinen komplex, in der Tat. Aber das Grund-"Verhältnis" (Grund-Muster), nämlich Herrschaft (Herren vs. Beherrschte, selbst wenn die Beherrschten ihre Herren selber wählen oder abwählen dürfen) ist gleich geblieben. In der Geschichte gab es noch viel komplexere Verhältnisse, man schaue sich nur das Herrschafts-Durcheinander im alten deutschen"Reich" an. Selbst der Kaiser musste erst seine Wahlkapitulation (Klartext: Zession bzw. deren Bestätigungen von Einkünften und Berechtigungen aller Art) unterzeichen und beeiden, bevor er ins Amt gelangen durfte. Ein"Kapitulation" im wahren Sinn des Wortes. Heute ist davon der "Amtseid" geblieben, der allerdings nicht mehr einklagbar ist, was - nebenbei - den Spruch von der"Volkssouveränität" der Lächerlichkeit preis gibt. Das Volk kann nicht klagen, nichts einklagen.
Stimmt schon. Aber es gibt einen wesentlichen Unterschied: Im modernen Rechtsstaat ist der Herrscher eben keine Person mehr (auch kein Bundeskanzler oder was immer), sondern ein abstraktes System. Das macht es schwieriger ein Feindbild für eine Revolution zu entwickeln, es erleichtert aber im Prinzip die (auch unmerkliche) Fortentwicklung durch Reform. Der Rechtsstaat hat kein eigenes Recht gegen Veränderung.
>Einspruch auch hier: Der Staat kann das verfügbare Einkommen (Summe aller Einkunftsarten) durch Besteuerung sehr wohl beliebig hoch mindern. Oder was ist eine Mehrwertsteuererhöhung um fast 20 Prozent? Das BVerfG-Urteil (Kirchhof) bezog sich auf die Besteuerung des zufließenden Einkommens. Außerdem gibt es dazu das, eine im Endeffekt sogar 100prozentige Besteuerung ins Auge fassende, Minder-Votum Ernst-Wolfgang Böckenfördes dazu.
Das Minder-Votum müsste ich mal lesen, hat jemand die Fundstelle oder den Link zur Hand? Ich glaube nicht, dass er es beliebig hoch mindern könnte, am Kernbereich von Art. 2 GG wäre immer Schluss. Aber bis dahin könnte er vielleicht gehen..
>Die Grundrechte sind zwar (in Maßen) einklagbar. Aber ihr Bruch ist nicht strafbewehrt.
Hehe, als ob Strafe irgendwen abhalten würde.. Der vorhandene Mechanismus ist da besser und sicherer. Grundrechtsschutz findet sogar im Einstweiligen Rechtssschutz (also zeitlich sehr schnell) statt. Außerdem können Verletzungen Amtshaftpflichten auslösen. Aber es stimmt schon, der Freiheitsschutz gegen den Staat könnte und müsste viel besser sein.
>Die Justiz als unbestreitbarer Teil der Staatsgewalt wird nicht etwa vom Volk besetzt ("alle Staatsgewalt geht vom Volke aus"), sondern von den jeweiligen Staatsmacht-Haltern. Das"halbwegs unabhängig" ist ein Euphemismus. Und was heißt"dem Staat entgegen treten"? Das konnte man gegenüber feudalistischen Instanzen vor Jahrhunderten auch schon.
Ich sagte ja wohl wissend"halbwegs"... Was ich meinte ist etwas anderes: Sowohl in der staatlichen Exekutive als auch in der Justiz sitzen Menschen in ihren Amtsstuben und erfüllen ihre Pflichten nach ihren Vorstellungen (oder in der Exekutive nach denen ihrer Vorgesetzten). Es gibt aber keine einheitliche Instanz"Staat", die beide auf Linie trimmen könnte. Es gibt keine gemeinsame Willensbildung und kein gemeinsames Zusammenwirken. Einen einmal berufenen Richter kann niemand zu einer Entscheidung zwingen. Dafür gibts nur den Tatbestand der Rechtsbeugung und die Verurteilungen von Richtern wegen Rechtsbeugung kann man in der bundesrepublikanischen Geschichte bequem an einer Hand abzählen.
Daher ist die Selbstbeschränkung des Staates im gewaltengeteilten Rechtsstaat zwar kein absoluter Schutz, aber die zu überwindenden Schranken um die"Checks and Balances" zu überwinden sind so hoch, dass ihr Scheitern sehr unwahrscheinlich ist. Ich denke, die größte Gefahr wäre noch eine zunächst unstaatliche Ideologie, die die gesellschaftlichen Ideale und Vorstellungen verändert und so totalitär wird. Dann aber wäre nicht mehr der Staat das entscheidende, dies wäre ein neues Ordnungssystem, das an die Stelle des Staates tritt.
>Es gibt Unterschiede gegenüber"früher". Nur leider sind diese gradueller und nicht prinzipieller Art. Nochmals Wesel: "Nur den Prozess der Selbstregulierungen in Gesellschaften ohne Staat... kann man nicht als Herrschaft bezeichnen."
Intelligenter Kerl, der Herr Wesel..
>Völlig d'accord. Nur kann man soviele checks and balances erfinden wie man will. An Macht, Machtausübung, Machterhalt-Bemühungen, bewaffnetem Zwang ("coercive power","manu militari"), Macht-Monopolen (Waffen, Abgaben, Geld), an (demnach) zediertem Eigentum, Zins und vor allem Schulden ex nihilo führt kein Weg vorbei.
>Das Vor- bzw. Erst-Checking kommt immer"von oben" und führt beim"balancing" derer, die"unten" sind, nur zum nächsten Checking von oben. Das"balancing" ist Re-Agieren. Wozu bräuchte man es überhaupt, wenn es kein"checking" gäbe? Beides gleichzusetzen (obendrein auch noch zeitgleich) ist nur Tarnung der wirklichen Verhältnisse. Und den"checkern" die Maske vom Gesicht zu nehmen, ist Aufgabe ernsthaften wissenschaftlichen Arbeitens.
Stimmt. Am Ausziehen der schönen neuen Kleider beteilige ich mich gerne *g*.
>Vielen Dank für die vielen Anregungen und herzlichen Gruß zurück!
Ebenfalls vielen Dank zurück! Was mich interessieren würde: Wo sind denn genau die Punkte, wo Sie Ihre Theorie noch"zwickt"? Vielleicht könnte man da mal ansetzen...
LG,
Tarantoga
|
dottore
07.03.2006, 16:49
@ moneymind
|
Re: H/S=Schalmeientheorie [nur"private Freie" und keine Zwingmacht] |
-->Hi moneymind,
>Sie bezeichnen die Heinsohn/Steiger-Theorie als"Schalmeien-Theorie", in der es"nur private Freie" und"keine Zwingmacht" geben soll.
Vielleicht ist das"Zwingmacht" missverständlich. Die Zwingmacht ist nicht gemeint in dem Sinne, dass sie (als lieber guter König oder sowas) alle miteinander davon abhält, sich gegenseitig etwas anzutun, so dass jeder frei und freiwillig vor sich hin werkeln kann. Sondern in dem Sinne, dass sie andere (innerhalb oder außerhalb des eigenen Machtareals, das sich letztlich auf die"Zwingburg" reduziert wie hier der zentral gelegene, stark befestigte"Palast" - Nr. 33 - der Hethiter-Herrscher als Beispiel zeigt)...
[img][/img]
... zwingt, logischerweise mit Macht, also manu militari, etwas zu tun, was sie freiwillig nicht tun würden, insonderheit eben Abgaben (Tribute, Steuern) zu leisten. In Form von Diensten, Naturalien, später"Geld".
>Dazu darf ich aus Heinsohn (1984): Privateigentum, Patriarchat, Geldwirtschaft - eine sozialtheoretische Rekonstruktion zur Antike (Ffm: Suhrkamp) zitieren:
>"Die Aufteilung des Bodens in einer Weise, die jedem Patriarchatsmitbegründer eine Fläche zuteilt, von der kein anderer ihn vertreiben darf, konstituiert die neue Gesellschaft. Dieses Privateigentum nach innen von Anfang an zu dokumentieren und zu garantieren, aber auch nach außen kollektiv zu verteidigen, bringt die wichtigsten Institutionen des Staates der Antike hervor: `ein Staatslenker hat in erster Linie dafür zu sorgen, daß der Privatbesitz keines Staatsbürgers angetastet werde. Das Recht auf persönliches Eigentum muß einem Jeden bleiben.` (Cicero, De Officiis, 2, XXI, 73)" (S. 96f, § 78)
Das reicht mir halt nicht. Selbst wenn"innen" garnichts geschieht und alle sich"staatsgemäß" verhalten, kommt doch schon das"nach außen kollektiv verteidigen" dazu. Eine Verteidigung oder Vorbereitungen dazu machen nur Sinn, wenn mit einem Angriff gerechnet wird / werden muß. Was will der Angreifer? Angreifen"als solches"? Oder will er etwas von der Gesellschaft innerhalb? Das wiederum kann nur auf Unterwerfung hinauslaufen - und damit ist die Zwingmacht in der Welt. Und dass sie zuerst da sein bzw. drohen muss, ergibt sich logisch aus dem Willen, sich zu verteidigen. Das haben die"Staaten der Antike" doch en masse erlebt. Die"Origin-of-War"-Erkenntnisse der aktuellen Archäologie stützen dies. Vgl. bitte nochmals die diesbezüglichen Postings.
Selbst das Rom des Cicero (wenn auch vor Cicero) war zunächst der Zwingmacht der Etrusker unterworfen. Warum sonst hätten die Römer die etruskische Herrschaft abgeschüttelt und die Etrusker-Könige vertrieben? Und als die Gallier die Römer unters Joch zwangen (sub iugum; subiugare = unterwerfen), waren die Gallier Zwingmacht und die Römer mussten Tribut entrichten. Als sie meckerten, warf der Gallierfürst auch noch sein Schwert in die Waage (vae victis!) - die Römer wurden so gezwungen, noch mehr abzuliefern.
>Vgl. dazu auch die folgenden Paragraphen bei Heinsohn.
>H/S vertreten also durchaus KEINE"Schalmeientheorie, in der es nur private Freie und keine Zwingmacht gibt".
Wo ist in der HS-Theorie die ja keine soziologische, sondern eine ökonomische sein soll, der immense"Wirtschaftsfaktor" (facere = machen,"macht" also Wirtschaft), nämlich die erzwungene Abgabe? Es wurde ununterbrochen Krieg geführt (der Janus-Tempel war nur zwei Mal für kurze Zeit geschlossen), die Summen, die entsprechend vom Besiegten zum Sieger bewegt wurden, gigantisch. Die Abwicklung (Inkasso, Umprägung, Redistribution, usw.) war ein großer, wenn nicht der größte Wirtschaftszweig überhaupt. Allein von den Papii als"Münzmeister", die (angeblich) nur für jeweils 1 Jahr im Amt waren, haben wir ca. 300 verschiedene, an den Beizeichen kenntliche Prägungen, was hochgerechnet auf viele Dutzend Tonnen Silber schließen lassen. Wo kam's her? Was wurde damit bezahlt? Die Mega-Tribute Karthagos, die der Makedonen (Quaestor = Steuerchef Aesilas)? Kaum abschätzbar.
>Heinsohns Vorstellungen zur tatsächlichen historisch erstmaligen Gründung eines"bürgerlichen" Staats sind eher unscharf und nicht sehr detailliert.
Ein"bürgerlicher" Staat, in dem als"Staatsvolk" nur jeweils Minderheiten auftraten. Sparta: Messener, Heloten, Athen (und andere): Metöken, usw. Warum die Rebellion der Gracchen? Die römische plebs hat sich wohl kaum aus früheren"Eigentümern" entwickelt, die via"Notlagen" so langsam in den Nicht-Eigentümer-Status abgerutscht sind. Die Masse der Sklaven und deren Aufstände. Der Verlust der Provinz Asia gegen Mithridates von Pontus mit ca. 80.000 toten Römern? Wie hat sich Cicero in seiner Rede über das Imperium (Oberbefehl) des Pompeius da erregt! Er spricht vom Zusammenbruch des Kapitalmarkts in Rom. Wohin man greift: Macht, Machterhalt, Machtausübung, Machtverlust - doch wo bleibt die ökonomische Durchleuchtung und Bewertung (ich will gar nicht von"Theorie" sprechen) dieser Vorgänge?
>Vor allem bin ich der Meinung, daß man dies nur verstehen kann, wenn man einen vorgängigen Feudalstaat mit zentraler Verwaltung voraussetzt, dessen Machtapparat dann zu bürgerlichen Zwecken umfunktioniert wird.
Der"bürgerliche Staat" wird dadurch doch nicht ent-feudalisiert. Es ändert sich nur die Machtstruktur. An die Stelle der"Herrscherfamilie" und des Herrscher-Clans treten Oligarchen, Senatoren, Patrizier, Ritter, Adel, usw. Aber niemals eine Gesellschaft der"Gleichen" und"Freien". Das mag mal kurze Zeit als"Modell" den Massen vorgegaukelt werden, siehe Französische Revolution. Aber der Bonapartismus (Napoleon warf mit Titeln nur so um sich) in allen Varianten steht gleich darauf in der Tür.
>Dafür kann durchaus auch eine"Revolution" gegen auch nach den Katastrophen noch vorhandenen Feudalherren nötig gewesen sein, die ihre Machtansprüche nicht aufgeben wollten.
Ja, siehe den Untergang der griechischen Tyrannis: Große oikos-Herren, denen dann die Macht entglitt, die sofort andere an sich rissen. Was trieb Perikles um? Was Alkibiades? Was bedeuteten die attischen"30 Tyrannen" nach der Niederlage gegen Sparta? Umverteilung der Macht, neue Schweine an die alten Tröge.
(...)
>Die Heinsohnsche Grundidee für die historische ERST-ENTSTEHUNG von Eigentum, Privatautonomie und privater Vertragsfreiheit leuchtet mir jedoch weitaus mehr ein als Ihre Idee der Entstehung von Eigentum und Privatautonomie inclusive privater Vertragsfreiheit als"Machtzession" von oben. Das ist zwar auch möglich und zweifellos historisch oft geschehen --- aber meiner Meinung nach nicht plausibel für die ERST-ENTSTEHUNG von Eigentum, Privatautonomie und privater Vertragsfreiheit! Sondern als eine Nachzüglerstrategie anderer Staaten, die den so erzeugten Güterreichtum kopieren wollen (nachholende Modernisierung gewissermaßen).
Der Erst-Eigentümer ist der erobernde Herrscher, siehe noch William the Conquerer. Der König wurde dann von seinen Baronen gezwungen, Eigentumsrechte zu zedieren. Aber sei's drum. Wenn es eine"Nachzüglerstrategie" gegeben haben sollte - wo sind dann privates Eigentum, Privatautonomie und private Vertragsfreiheit als"Firsts" nachzuweisen und wo wurden diese"Firsts" als offensichtliche und ganz und gar zwang-lose Reichtumsmaschinerie kopiert?
>Die Heinsohnsche Version macht doch auch die Entstehung liberaler Ideen und einer liberalen Ideologie recht schlüssig verständlich, ohne auf naive Drahtziehertheorien zurückgreifen zu müssen (diese Tendenz sehe ich bei der Machttheorie).
Ist die Machttheorie"naiv"? Dann wäre doch derjenige, der coercive power einsetzt (Klartext: andere für sich das leisten und erstellen zu lassen, was er sonst selbst erledigen müsste) naiv gewesen sein. Damit würde die Produktivität des Einsetzer und/oder Nutzers von Macht für diesen entweder gewaltig unterschätzt oder übersehen.
>So, ich hoffe ich habe den Hintergrund meiner Position nun etwas besser erläutern können.
Der Dissens bleibt weiter bestehen.
>Vielen Dank fürs Lesen,
Dafür habe ich zu danken + Gruß!
|
dottore
07.03.2006, 19:05
@ Tarantoga
|
Re:"Checks and balances" - was zuerst? |
-->Hi Tarantoga,
>es ist schon lustig zu sehen, wie ich plötzlich auf die Seite gekommen bin, wo das Eigentum verteidigt wird. Ich will das mal von mir weisen, ich halte Staat und Eigentum nach wie vor für die Wurzeln des Übels...
Das sind für mich Wertungen, zu denen ich keine Meinung habe. Also weder etwas"verteidigen" möchte oder etwas als"gut" oder"übel" ansehe. Mich interessiert ausschließlich, warum und wie es so ist (wurde), wie es ist. Und wie es demnach (in etwa) weiterhin ablaufen dürfte/könnte. Es geht also bei der"Theorie" um das, was sie im Wortsinn ist: Eine Beschau (griech."theorein" = betrachten, beobachten).
>
>>Durch die Existenz von Privateigentum allein ist/wird der Bürger aber nicht frei. Jedenfalls nicht alle. Dazu müssten es schon alle selbst haben. Die Mehrheit der Bürger hat - außer der persönlichen"Habe" (um die es in 14 GG nicht geht, warum nicht kommt gleich) - eben kein Eigentum. Das ergibt sich aus 14, Absatz 2:"Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Wären alle in der Allgemeinheit Eigentümer, wäre der Satz sinnlos.
>Stimme weitgehend zu, aber man muss bedenken, dass Eigentum sich immer auf eine konkrete Sache bezieht. Selbst wenn jeder bestimmte Dinge zu Eigentum hätte, wäre der Satz nicht sinnlos, erst wenn es gar kein Eigentum mehr gäbe wäre er es.
>Der Begriff der"Habe" ist interessant, wir sollten den mal festhalten. Es fällt nämlich auf, dass die genannte"Habe" einen wesentlich größeren Schutz als das"normale" Eigentum genießt. Man lese bitte mal § 811 ZPO nach ("Unpfändbare Sachen" - der Paragraph ist zu lang zum abtippen, sry). Danach sind jedenfalls bestimmte Güter, die genannte"Habe", aber auch z.B. 1 Milchkuh oder nach Wahl des Schuldners stattdessen 2 Schweine, Schafe oder Ziegen (vgl. § 811 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) von der Pfändung ausgeschlossen.
Ja! Nur ist die Pfändbarkeit keine dem Eigentum"eigene" Eigenschaft. Pfändung setzt Abläufe (u.a. nicht erfüllte Verträge mit oder ohne entsprechender Klausel) voraus, die vom Eigentum zu trennen sind, das selbst nicht per Vertrag aus Nicht-Eigentum (res nullius) entstehen kann.
>Diese Dinge des nächsten alltäglichen Lebensbedarfs sind dadurch der normalen Renditepflicht (!) des Eigentümers entzogen.
Renditepflicht? Erbitte Konkretisierung (außer es handelt sich um den vermaledeiten Urschuldkomplex).
>Selbst wenn der Eigentümer dieser so schlecht wirtschaftet, dass er die Forderungen gegen ihn (auch die Steuerforderung!) nicht mehr befriedigen kann, diese Dinge bleiben ihm unbenommen.
Forderungen sehe ich als kontraktliche oder als ex nihilo. Beide setzen nicht Eigentum an"Sachen" (mobil, immobil) voraus, sondern zunächst nur Eigentum an sich selbst (da haben wir eh ein Problem miteinander) und die Bewirtschaftung dieses"Selbst".
>Damit sind sie mehr als Eigentum. Ihr besonderer Schutz ergibt sich nicht nur aus Art. 14 GG, sondern auch aus Art. 1 und 2 GG (Menschenwürde und allgemeine Handlungsfreiheit), vielleicht entstammen sie sogar dem Kernbereich dieser Grundrechte und können daher nicht eingeschränkt werden.
Trifft (mein Einwand mal außen vor) zu.
>Trotzdem verpflichtet auch diese Habe. Man klebe mal ein Namensschild auf den Fernseher oder den Mantel und entsorge ihn auf der Straße, das örtliche Ordnungsamt wird einen sehr schnell auf die Eigentumsverpflichtung daran hinweisen...(vgl. zb. § 18 OBG NRW)
Das ist keine Verpflichtung zu einem Tun, sondern zu einem Unterlassen, also Nicht-Tun. Mich interessieren Geschichte und Herkunft aber des Tuns im Sinne von etwas tun zu müssen - was man nicht täte, wenn man nicht dazu gezwungen würde/wäre.
(...)
>Dem kann ich nicht folgen, denn die Selbstbeschränkung des Staates gilt nicht absolut nach allen Richtungen, sondern nur in Bezug auf konkretes Eigentum eines konkreten Bürgers. Mehr wurde halt bisher noch nicht"zediert"...
Konzediert.
(...)
>>Gegenmeinung: Dann würden"Eigentum verpflichtet" und"zum Wohle der Allgemeinheit" garnichts beinhalten. Beides ist in keinem Gesetz konkretisiert oder in Vollzug oder Nichtvollzug (bzw. -vornahme) definiert. Außerdem bezieht sich die"Gewährleistung" von Eigentum auf einen bereits vorhandenen Zustand (privates Eigentum ist"da", sozusagen"vorstaatlich" - egal jetzt wie und durch welche Zessionsabläufe"früherer" Eigentümer es entstanden ist), während sich der"Gebrauch" desselben auf einen künftigen Zustand bezieht, der überdies durch Enteignungen beeinflusst werden kann. Dass beides nicht zusammenpasst, liegt auf der Hand.
>Dem kann ich nicht folgen. Die Eigentumsverpflichtungen sind vielfach definiert und haben konkrete Folgen.
Aus Eigentum zum Zeitpunkt X im Zustand A ergibt sich keine Verpflichtung, nur aus der Differenz zum Zeitpunkt Y und Zustand B.
>Die Verantwortlichkeit für den Zustand von Sachen habe ich bereits genannt (§ 18 OBG NRW), spontan fällt mir ausserdem der Bereich der historischen Baudenkmäler ein, im Grunde fällt das gesamte Bauordnungsrecht darunter. Auch wenn das Grundstück jemandem gehört kann er nicht so darauf bauen, dass der im Bauordnungsrecht normierte Schutz der Allgemeinheit umgangen werden kann.
Ja. Dann haben wir eine Veränderung, siehe die eben genannte Differenz. Jeder Gebrauch (nur per Zeitablauf vorstellbar) verändert natürlich. Was, wenn Eigentum nicht"gebraucht" (ungleich"benötigt") wird. Wir hatten schon mal eine Diskussion über die Aufgabe von Eigentum - sehr lehrreich damals. Das Eigentum (auch nicht das an sich selbst) kann sich nicht selbst in"Gebrauch" nehmen. Dazu bedarf es eines Eigentümers oder Besitzers. Ist er dabei verpflichtet, kann er nicht"frei" sein.
>Auch kann ich die Vorstaatlichkeit des Eigentums nach wie vor nicht erkennen.
Es existiert bei Wesel, allerdings weder als den Eigentümer verpflichtend noch als andere zwingend.
>Die Gewährleistung des Eigentums beinhaltet auch, dass der Eigentümer eben einen Rechtsanspruch hat andere von seinem Eigentum fernzuhalten (§§ 985 und 1004 BGB). Damit bezieht sich die Gewährleistung sehr wohl auch auf den zukünftigen Gebrauch.
Ja. Aber das Fernhalten allein macht es nicht. Es geht mir um den Gebrauch des Eigentums, um mit dessen Hilfe (als"Recht") andere zwingen zu können. Das Sich-Fernhalten eines anderen ist wieder ein Unterlassen, aber kein Tun.
>>Auch fehlt vor allem völlig ein Eingehen auf das Eigentum an der eigenen Person. Wozu verpflichtet dieses Eigentum, zumal unter dem Aspekt, es zum"Wohle der Allgemeinheit" zu gebrauchen? Es"verpflichtet" schlicht. Jemand, der aus dem privaten Eigentum an seiner Person verpflichtet ist, sie also entsprechend dem"Gemeinwohl" entsprechend zu"gebrauchen" hat, ist ebensowenig"frei" wie der oben genannte private Eigentümer von"Sachen".
>Eigentum an der Person gibt es nicht, auch nicht der eigenen, denn dann würde diese tatsächlich verpflichten können, was nicht unbedingt der Fall ist.
Der Knackpunkt. Frage: Wem gehört der Sklave, nachdem er aus dem Eigentum seines Eigentümers entlassen wurde?
>Der Schutz der Person folgt aus Art. 1 und 2 GG sowie den nachfolgenden Grundrechten. Es gibt dabei einen ganz wesentlichen Unterschied: Der Eigentumsschutz in Art. 14 GG wird nicht nur durch Enteignungen (Eingriffe im engeren Sinne) eingeschränkt, sondern auch dadurch, dass der Staat mittels Gesetzen erst definieren darf und muss, was Eigentum überhaupt ist (Inhalts- und Schrankenbestimmung).
Das Eigentum wird dabei nicht definiert, sondern es wird"bestimmt", wie weit es geht, welche Beschränkungen es hat, usw.
>Der Schutz der Persönlichkeit dagegen steht nicht in der Definitionshoheit des Staates (jedenfalls nicht direkt).
"Persönlichkeit" ist nicht Eigentum, sondern Eigenschaft.
>Zwar legen staatliche Richter aus, was genau Menschwürde und freie Entfaltung der Person sind, aber dies folgt soweit aus der Vernunft und auch einem philosophisch-kulturellen Hintergrund. Der Staat kann kein Gesetz erlassen, das den Inhalt der Menschenwürde verändert.
Er kann dagegen sanktionslos handeln (Todesstrafe usw.).
>Daraus folgt, dass jedenfalls in unserer Rechtsordnung der Staat dem Bürger tatsächlich einen gewissen Rahmen an Freiheit läßt und er diesen tatsächlich auch gegen Dritte schützt (vgl. das Urteil gegen den Verhaltenskodex von Wal-Mart Mitarbeitern; Kein Unternehmen darf seinen Mitarbeitern vorschreiben, wen sie nach Feierabend zur sexuellen Erheiterung"daten"). An dieser Stelle ist übrigens die persönliche Freiheit ausnahmsweise mal mit Staat größer als ohne!
Interessanter Fall. Ich hätte anders geurteilt: Nach Feierabend darf man selbstverständlich daten, aber nicht während des laufenden Dienstvertrages für nach Feierabend.
>>Kurzum, die im BVerfG-Urteil (24.389) genannten Tatbestände"Freiheit" und"Eigentum" sind inkompatibel - egal von welchem Blickwinkel aus man sie betrachtet.
>Das stimmt dann, wenn man beide nur absolut gelten läßt. Das ist aber nicht sachgerecht. Sowohl Eigentum als auch Freiheit gibt es in Graden und Qualitäten.
Also nicht"rein" oder"absolut"?
Weiter erst Morgen, sorry. Bis dahin Dank und herzlichen Gruß!
|
Tarantoga
08.03.2006, 02:35
@ dottore
|
Renditepflicht: Eigentum ~ Lehen |
-->Hallo dottore,
auch bei mir ist es spät, daher zunächst nur eine Sache:
>Renditepflicht? Erbitte Konkretisierung (außer es handelt sich um den vermaledeiten Urschuldkomplex).
Man muss nicht die Urschuld bemühen, die staatliche Abgabenforderung genügt. Die Ableitung ist simpel: Eigentum ist ein Recht, das des Staates als Durchsetzungsorgans bedarf. Der Staat muss diese Durchsetzung finanzieren. Zur Finanzierung erhebt er Steuern von der Summe der Eigentümer. Will der besteuerte Eigentümer die Forderung nicht aus seiner Eigentumsmasse begleichen, so muss er zwingend mittels seines Eigentums eine Rendite erwirtschaften. Kurz gesagt, wenn Eigentumsschutz etwas kostet, dann lohnt er nur, wenn diese Kosten (über-)kompensiert werden können.
Wenn die Zahlung an das Finanzamt ausbleibt, dann wird das Eigentum zuletzt gepfändet. Eigentum ist im Grunde kaum anders als Lehen, nur dass der Lehnsherr erkannt hat, dass es bessere Ergebnisse bringt, dem Lehensnehmer die freie Wahl der Bewirtschaftung zu überlassen (real dürfte sich das freilich als evolutionärer Prozess ohne individuelle Willensbildung dargestellt haben).
So viel für heute.
LG,
Tarantoga
|
dottore
08.03.2006, 12:46
@ Tarantoga
|
Re: Renditepflicht: Eigentum ~ Lehen |
-->Hi Tarantoga,
gleich der Rückpass:
>>Renditepflicht? Erbitte Konkretisierung (außer es handelt sich um den vermaledeiten Urschuldkomplex).
>Man muss nicht die Urschuld bemühen, die staatliche Abgabenforderung genügt. Die Ableitung ist simpel: Eigentum ist ein Recht, das des Staates als Durchsetzungsorgans bedarf.
So war es in der Geschichte nicht, die uns interessiert, da sie bei ihren Anfängen in Mesopot mit allen Derivaten wie Abgabe, Geld, Zins,"privatem" Eigentum, Kapitalgesellschaften, Börsen, Kontrakten, usw., usw. bis heute durchgängig - wenn auch die Chronologie noch etwas holpert - als"Kapitalismus" rekonstruierbar ist, via Mari, Ugarit, Phönizien, Griechenland, Rom, Franken, England, Resteuropa, Neue Welt:
Das Eigentum war - außer zu Subsistenzzwecken (vide Horden, Stämme, Dorfgemeinschaften usw.) - nicht ex ante vorhanden und hat sich den schützenden Mantel des Staates einfallen lassen ("Gesellschaftsvertrag" im 3. Jt. BC?!), um dann unter diesen zu flüchten."Der erste wirkliche Privateigentümer war der Herrscher" (Michael Hudson). Er hat sein Eigentum (Arealherrschaft) selbst geschaffen und geschützt. Instrument: Die überlegene Bronze-Waffe in allen Varianten bis Panzerung, Streitwagen usw., deren Besitz wiederum das Eigentum an ihr garantierte.
Die Abgabenforderung resultiert aktiv (zwingend) aus dem Eigentum an"Macht" und Machtareal und zieht ihre Erträge nicht aus dem Subsitenzland, sondern aus den großen Arealen (mesopotamische Latifundienwirtschaft), das ihr nach der Eroberung (ex Innerasien, Persien, Elam ="hal-tampt" = Land des Herrn/Herrschers, usw.) in den großen Flußebenen zur"Ver-fügung" (buchstäblich) stand.
Nun musste das Land bewirtschaftet werden, um die Erträge zum Machterhalt und -ausbau verwenden zu können (stehende Heere, usw.). Wie bewirtschaften, da man selbst nicht zur Hacke greifen wollte/konnte? Die Subistenzler mussten gezwungen werden -"freie Lohnarbeiter" oder überhaupt"Freie" gab es nicht (außer eben in den Herrscher- und/oder Priesterclans).
Lösung: Die Unterworfenen manu militari zu zwingen, auf das im Übermaß vorhandene Land zu gehen und dort Naturalia zu produzieren. Diese wurden dann gesammelt und abzüglich des machtnotwendigen Selbstbehalts von Palast und Tempel redistributiert. Das SOLL war hoch und wurde bei Unter-SOLL-Ablieferung mit 33,3 Prozent p.a. erhöht ("agrarian usury"). Das Drittel war auch die Situation in Caral (älteste Stadt Amerikas, Peru, auch 3. Jt. BC), wie gerade herausgefunden. Ähnlich China und Ägypten (schwächere Quellenlage).
Die Unterworfenen, die das auf Dauer nicht leisten konnten, mussten dann ihr Subsistenzland (ca. 1/2 ha) abgeben oder zunächst Familienmitglieder, dann sich selbst in die Schuldknechtschaft schicken (= Verlust bzw. Einschränkung des Eigentums an sich selbst). Schilderung einer solchen Situation sehr lehrreich noch bei Nehemiah (Bibeltext).
Dies destabilisierte diese Proto-Reiche rasch. Daher immer wieder die clean slates (Erlaßjahre - das Abgabenschuldenstreichungsphänomen haben wir bei Moses, Solon, Lykurg, sogar noch beim Römer Hadrian, der auf das Gold Dakiens zurückgreifen konnte, das sein Vorgänger Trajan erobert hatte; ähnlich der Entschuldungsversuch Caesars ["lex Julia de bonis cedendis"] und Augustus, der auf Ägypten als seinem Privateigentum [!] zurückgreifen konnte; seine Res-Gestae-Inschrift in Ankara ist ein besonderes Beispiel maßlosen Eigenlobes): Die Schuldknechte, -mägde wurden entschuldet (niemals übrigens die"privaten" Schulden!) und erhielten ihr Subsistenzland zurück.
>Der Staat muss diese Durchsetzung finanzieren.
Ja. Aber nicht aus dem"privaten" Eigentum (außer dem an der jeweiligen Person), dessen Entstehung und Existenz den Staat schon voraussetzt.
>Zur Finanzierung erhebt er Steuern von der Summe der Eigentümer.
Kann er nicht, sofern es sich um Eigentum an Grund und Boden handeln sollte. Er muss sich schon zunächst selbst finanzieren. Anderes Beispiel dazu: Im hohen MA machten es die Könige und Sub-Herrscher aus ihren Ländereien ("Domänen"), ausführlich bei K.D. Hüllmann nachzulesen ("Geschichte der Domainen-Verwaltung in Deutschland", 1807). Einer der letzten Reste solcher Domänen war z.B. noch der Sachsenwald (70 qkm!), den Wilhelm I. Bismarck schenkte.
>Will der besteuerte Eigentümer die Forderung nicht aus seiner Eigentumsmasse begleichen, so muss er zwingend mittels seines Eigentums eine Rendite erwirtschaften.
Er hat zunächst ein zu"bewirtschaftendes" (im Sinne von die Erträge weiterzugeben, zu"tauschen" o.ä. zu können) Eigentum nicht, sondern bestenfalls das Subsistenzland für sich und die Seinen. Also haben wir einen Zirkelschluss: Es gibt Eigentum vor den Abgaben, aber nur mit Hilfe der Abgaben können Strukturen (Herrschaft usw.) aufgebaut werden, die das Eigentum überhaupt erst ermöglichen. Auf dieses Problem sind 2002 Murphy/Nagel ("The Myth of Ownership") gestoßen.
>Kurz gesagt, wenn Eigentumsschutz etwas kostet, dann lohnt er nur, wenn diese Kosten (über-)kompensiert werden können.
Ja. Aber das hat bisher noch kein (größerer) Staat mit privaten Eigentümern"darunter" geschafft. Immer waren die Kosten des Eigentumsschutzes (nach innen und außen) höher als die Kompensation dieser Kosten (ex Steuereinnahmen von denen, die ihr privates Eigentum"bewirtschaftet" hatten). Ein Grund dafür dürfte sicher der"Steuerwiderstand" der Besteuerten sein: Zwangszahlungen gehen grundsätzlich später ein als solche, die auf freiwilligen Kontrakten beruhen. K.G. Holtgrewe hat dazu schon in den 50er Jahren ein erhellendes Buch publiziert. Auch der jüngste Sammelband"Am Staat vorbei" (2004) ist lehrreich.
>Wenn die Zahlung an das Finanzamt ausbleibt, dann wird das Eigentum zuletzt gepfändet. Eigentum ist im Grunde kaum anders als Lehen, nur dass der Lehnsherr erkannt hat, dass es bessere Ergebnisse bringt, dem Lehensnehmer die freie Wahl der Bewirtschaftung zu überlassen (real dürfte sich das freilich als evolutionärer Prozess ohne individuelle Willensbildung dargestellt haben).
Das ist eine Bewertung (positiv) letztlich der sog."Marktwirtschaft". Deren Problem: Sie startet nicht als ein Ensemble von"Freien" und"Gleichen" (was die Ausgangslage betreffend die Eigentumsverteilung) angeht und setzt damit eine durch die tradierte Geschichte nirgends gedeckte Utopie voraus. Da Eigentum"von oben" zediert wurde (siehe nochmals Sachsenwald) waren die Erst-Zessionare immer eine Runde voraus. Die Geschichte der Privilegia, der Charter, der Konzessionen, Ernennungen, Belehnungen u.ä. belegt dies überreichlich.
Über die"besseren Ergebnisse" läßt sich trefflich streiten: Immerhin liegt über allen Staaten ein nicht unbeachtlicher Schwebeposten in Höhe von mindestens 20 Billionen Euro - nur Staatsverschuldung (ohne Renten- und Pensionsverpflichtungen). Würde der in Form einer"Sondersteuer" und auf einen Schlag gegenüber der"Eigentümergesellschaft" fällig gestellt, wäre das Ergebnis gewiss kein"gutes" mehr.
Auch für"Marktwirtschaften" gilt: "... et respice finem" (man blicke auf das Ende!).
Weiteren Dank + herzlichen Gruß!
|
dottore
08.03.2006, 14:21
@ Tarantoga
|
Re:"Checks and balances" - was zuerst? |
-->Hi Tarantoga,
es gilt noch etwas nachzutragen:
>Wesentlich erscheint mir, dass es eine Gewaehrleistung des Eigentums nicht geben kann, wenn der Staat nicht Steuern erhebt um die Gewaehrleistung durchfuehren zu koennen. Es gibt kein Eigentum ohne Steuern und ohne Herrschaft des Staates. Wegen der Unmoeglichkeit der dauerhaften Staatsfinanzierung durch Steuern im Inneren (ich kann gar nicht oft genug fuer diesen Nachweis danken), ist dann jedes Eigentumssystem auch endlich und endet in der Katastrophe durch Staatsbankrott. Eigentum ist kein dauerhaft geeignetes Recht ohne staendige Staatsexpansion.
Ganz und gar einverstanden. Das sog."unloesbare Staatsproblem".
>>Ich wuesste nicht, wie man die heute so anmutig in der Gegend stehende Baumkrone ("moderner Rechtsstaat") von seinen Wurzeln trennen koennte. Wurzelholz schaut nur anders aus als das Holz eines hohen Astes. Das Material, die Grundsubstanz, jedoch ist dieselbe.
>Man verstehe mich richtig: Ich finde es sehr wichtig, dass auch der moderne Rechtsstaat"enttarnt" wird. Nur so begreifen die Leute, das und was etwas veraendert werden muss. Aber man sollte sich bewusst sein, dass man verkuerzt um die wesentliche Aussage besser begreiflich zu machen. Aus der Differenzierung folgt aber auch, dass man kein Radikalanarchist sein muss, wenn man eine Loesung fuer die Probleme haben will.
Mir will eine"Loesung" nicht in den Sinn kommen. Ich wuesste auch nicht mehr, wo noch suchen. Vermutlich war ich auch zu lange ein solcher"Loesungs-Freak".
>>Sie erscheinen komplex, in der Tat. Aber das Grund-"Verhaeltnis" (Grund-Muster), naemlich Herrschaft (Herren vs. Beherrschte, selbst wenn die Beherrschten ihre Herren selber waehlen oder abwaehlen duerfen) ist gleich geblieben. In der Geschichte gab es noch viel komplexere Verhaeltnisse, man schaue sich nur das Herrschafts-Durcheinander im alten deutschen"Reich" an. Selbst der Kaiser musste erst seine Wahlkapitulation (Klartext: Zession bzw. deren Bestaetigungen von Einkuenften und Berechtigungen aller Art) unterzeichen und beeiden, bevor er ins Amt gelangen durfte. Ein"Kapitulation" im wahren Sinn des Wortes. Heute ist davon der "Amtseid" geblieben, der allerdings nicht mehr einklagbar ist, was - nebenbei - den Spruch von der"Volkssouveraenitaet" der Laecherlichkeit preis gibt. Das Volk kann nicht klagen, nichts einklagen.
>Stimmt schon. Aber es gibt einen wesentlichen Unterschied: Im modernen Rechtsstaat ist der Herrscher eben keine Person mehr (auch kein Bundeskanzler oder was immer), sondern ein abstraktes System.
Benedetto Croce:"Der Staat? Das sind Leute, die an Schreibtischen sitzen." So abstrakt ist das alles nicht. Die"politische Klasse" sammelt nicht gerade Pluspunkte. Sie wird laufend personalisiert und wenn der"Souveraen" merken sollte, dass es wirklich ganz wurscht ist, wer ihn regiert (Klartext: Das Tempo Richtung Zielbahnhof"Staatsende" bloss mehr oder minder beschleunigt), duerfte es spannend werden.
>Das macht es schwieriger ein Feindbild fuer eine Revolution zu entwickeln, es erleichtert aber im Prinzip die (auch unmerkliche) Fortentwicklung durch Reform. Der Rechtsstaat hat kein eigenes Recht gegen Veraenderung.
"Reform"? Hoffentlich habe ich mich nicht verlesen.
>>Einspruch auch hier: Der Staat kann das verfuegbare Einkommen (Summe aller Einkunftsarten) durch Besteuerung sehr wohl beliebig hoch mindern. Oder was ist eine Mehrwertsteuererhoehung um fast 20 Prozent? Das BVerfG-Urteil (Kirchhof) bezog sich auf die Besteuerung des zufliessenden Einkommens. Ausserdem gibt es dazu das, eine im Endeffekt sogar 100prozentige Besteuerung ins Auge fassende, Minder-Votum Ernst-Wolfgang Boeckenfoerdes dazu.
>Das Minder-Votum muesste ich mal lesen, hat jemand die Fundstelle oder den Link zur Hand? Ich glaube nicht, dass er es beliebig hoch mindern koennte, am Kernbereich von Art. 2 GG waere immer Schluss. Aber bis dahin koennte er vielleicht gehen..
Boeckenfoerde in seinem Votum :
"In einer solchen Vorgabe liegt eine ungerechtfertigte Begrenzung des Gesetzgebers. Sie verkennt, dass die Festsetzung der Steuersaetze fundamental von wirtschaftlichen wie politischen Daten abhaengt, die unter geschichtlichen Bedingungen stehen und sich aendern koennen. In Zahlen nachrechenbare Massgaben, die diesem Rechnung tragen, sind weder moeglich noch in der Verfassung enthalten.
Die Verfassung ueberlaesst es vielmehr einer politisch verantworteten Steuerpolitik, hier in Reaktion auf die jeweilige Situation und unter Rueckgriff auf wirtschafts- und sozialpolitische Ueberzeugungen das zutraegliche Mass zu finden. Infolge der Entscheidung des Senats bleibt demgegenueber fuer eine solche Politik, die den oekonomisch-sozialen Umstaenden mit verschiedenen Konzepten Rechnung tragen und auch das Mass der staatlicherseits fuer alle erbrachten, den Einzelnen entlastenden Infrastrukturleistungen, wie etwa im Ausbildungs- und Hochschulwesen, beruecksichtigen koennen muss, nur noch enger Raum.
Die Vorgaben des Senats sind der Einstieg in eine Verfassungsdogmatik der Besteuerung, die den Gesetzgeber bis hin zu Details wie Bewertungsmethoden anleitet. Dies hat nicht nur eine Fesselung des Gesetzgebers bei der Bewaeltigung kuenftiger, heute noch nicht uebersehbarer Problemlagen zur Folge."
(...)
(...)
Beides konzediert, wenn man auch die Faelle der Amtspflichthaftung mit noch weniger Fingern abzaehlen kann.
>Daher ist die Selbstbeschraenkung des Staates im gewaltengeteilten Rechtsstaat zwar kein absoluter Schutz, aber die zu ueberwindenden Schranken um die"Checks and Balances" zu ueberwinden sind so hoch, dass ihr Scheitern sehr unwahrscheinlich ist.
Nochmal: Wozu brauche ich balances? Doch wohl, weil es und nachdem es checks gibt. Also: Wer oder was ist der Checker? Zum Thema"Staat als Taeter" (inkl."Staatsterrorismus", vgl. die aktuellen Vorgaenge im kurdischen Teil der Tuerkei, um nur eine"Kleinigkeit" - und schoen weit weg - zu nennen) wimmelt es in diesem Forum nur so von Postings.
>Ich denke, die groesste Gefahr waere noch eine zunaechst unstaatliche Ideologie, die die gesellschaftlichen Ideale und Vorstellungen veraendert und so totalitaer wird. Dann aber waere nicht mehr der Staat das entscheidende, dies waere ein neues Ordnungssystem, das an die Stelle des Staates tritt.
"Gefahr" - fuer wen?"Gesellschaftliche Ideale" - welche und wann und von wem (der Gesellschaft? Im"Gesellschaftsvertrag"?) bestimmt?"Ordnung" - natuerlich (welche?) oder gesetzt?
>>Es gibt Unterschiede gegenueber"frueher". Nur leider sind diese gradueller und nicht prinzipieller Art. Nochmals Wesel: "Nur den Prozess der Selbstregulierungen in Gesellschaften ohne Staat... kann man nicht als Herrschaft bezeichnen."
>Intelligenter Kerl, der Herr Wesel..
Ja, Uwe Wesel ist intelligent, schreibt sehr gut und sollte in jedem Buecherschrank stehen.
(...)
>Stimmt. Am Ausziehen der schoenen neuen Kleider beteilige ich mich gerne *g*.
Staat nackt? Was sehen wir dann?
Das zum Beispiel:
[img][/img]
Es"zwickt" noch in der Chronologie des"spreading of capitalism" als staatsbewehrter Form des Wirtschaftens, Uebergang Neolithikum/Bronzezeit - und leider existiert nirgends so etwas wie eine"Geschichte der Steuer" (klar, dass die Quellenlage nicht berauscht - Taeter/Checker fuehren selten Tagebuch).
Dank + Gruss!
|
dottore
08.03.2006, 15:34
@ bernor
|
Re: Brillant! Dazu noch der olle Krünitz: |
-->Hi bernor,
ein weiteres Juwel! Gratulor!
Zum Eigentum sei noch der Eintrag aus der Krünitz'schen Oekonomischen Enzyklopädie gebracht. Krünitz (1728/96) war ein grandios fleißiger Abschreiber und steht fest auf dem Boden der damals in Schwange gekommenen"Gesellschafts"- und Gesellschafts"vertrags"-Theorie; immerhin blitzt da und dort ein"machttheoretischer" Gedanke auf, z.B. schon gleich am Anfang"Dominus" = Herr, Herrscher, die römischen Münzen der Kaiserzeit beginnen zumeist mit einem D.N. = Dominus Noster = Unser Herr(scher) oder weiter unten die occupatio, der Zwang oder die Gesetze.
Alles leider halbgar, mit den für die damalige Zeit typischen diffusen historischen Vorstellungen ("als das menschliche Geschlecht anfing..."), Ursache und Wirkung verwechselnd und voller ethymologischer Ahnungslosigkeit:
"Eigenthum, L. Dominium, ein Hauptwort von dem Beyworte eigen, so vermittelst der Endsylbe thum gebildet worden, welche hier sowohl ein Recht, als auch das Concretum, oder die Sache selbst, bedeutet.
1. Das Recht.
a) In der engsten und schärfsten Bedeutung, das Recht, eine Sache auf beständig mit Ausschließung aller anderer zu gebrauchen, zum Unterschiede von dem Rechte des gegenwärtigen Besitzers. Als das menschliche Geschlecht anfieng, sich in Gesellschaften zu bilden, wurde auch das Eigenthum unter demselben eingeführet.
Das Eigenthum an etwas haben. Indessen leidet diese engste Bedeutung in manchen Fällen noch verschiedene Einschränkungen. z. B. an einem Lehen haben zwey Personen das Eigenthum, der Lehensherr, dem das oberste Eigenthum oder Obereigenthum, dominium directum, und der Vasall, dem das nutzbare Eigenthum, oder Untereigenthum, dominium utile, zukommt; keiner von beyden kann mit dem Lehen eigenmächtig verfahren.
b) In weiterer Bedeutung, das Recht eine Sache gegenwärtig mit Ausschließung aller anderer zu gebrauchen, oder auch nur in seiner Gewalt zu haben, das Recht des gegenwärtigen Besitzes. In diesem Verstande heißen Unterpfänder, und andere Dinge, die man nur auf gewisse Zeit in seiner Gewalt hat, oft ein Eigenthum dessen, der sie besitzet.
c) In der weitesten Bedeutung, das Recht eine Sache zu seinen Bedürfnissen zu gebrauchen; in welchem sehr uneigentlichen Verstande zuweilen eines Eigenthumes über die Luft, des Wassers, des Meeres u. s. f. gedacht wird. In allen drey Fällen wird dieses Wort wenig mehr gebraucht, indem der Ausdruck das Recht des Eigenthumes, oder das Eigenthumerecht, üblicher ist; vermuthlich um die Zweydeutigkeit mit der folgenden Bedeutung zu vermeiden.
2. Eine Sache,
welche man vermöge des Eigenthumes oder des Rechts des Eigenthumes besitzet, in allen drey vorigen Bedeutungen, besonders in der ersten eigentlichen. Sein väterliches Eigenthum. Etwas zum Eigenthume bekommen. Ein Eigenthum besitzen.
Man bedienet sich des Eigenthumsrechts entweder im natürlichen Zustande, außer einer bürgerlichen Gesellschaft, oder in derselben. Jenes nennt man das natürliche, dieses das Civil= oder bürgerliche Eigenthum. In beyden Fällen sind besondere Arten, dieses Recht zu erlangen, jedoch so, daß die natürlichen Arten, dasselbe zu erlangen, auch gewissermaßen in der bürgerlichen Gesellschaft Statt finden, indem sowohl der Gebrauch, als die Erlangung des Eigenthums in der bürgerlichen Gesellschaft aus dem Grunde dieser Verbindung zur allgemeinen Ruhe und Bequemlichkeit aller Glieder, oder des gemeinen Bestens, theils eingeschränket, theils erweitert, theils durch allerhand besondere bürgerliche Verbindungsarten befestiget und in mehrere Gewißheit gesetzet werden. So wird es z. E. bey unbeweglichen Gütern, anders nicht, als durch gerichtliche Auflaßung der Lehen und Uebergabe, imgleichen durch gerichtliche Bestätigung, erlanget.
Was die Arten der Erlangung des natürlichen Eigenthums betrifft, so sind selbige entweder die ersten und ursprünglichen, oder aber die daraus entstandenen Arten. Die erste und Hauptart ist ohne Zweifel der entweder stillschweigende, oder ausdrücklich erklärte Wille, sowohl dessen, der etwas zu eigen haben will, als auch derer, die daran, nach dem allgemeinen Menschenrechte der Gemeinschaft an alle Güter oder Mittel ihrer Glückseligkeit, ein Recht haben, sich dessen auch zu bedienen.
Beydes geschah nun wohl am ersten stillschweigend, durch die so genannte Occupation oder Einnehmung, und die stillschweigende Zulaßung bey solchen Gütern, die noch niemanden eigenthümlich gehörten, sondern wozu alle nur ein Recht der Gemeinschaft oder Einnehmung haben. Man kann also auch die Ueberlaßung, welche entweder stillschweigend oder ausdrücklich geschahe, hieher rechnen.
Zur Occupation hat man, sonderlich bey beweglichen Dingen, die Jagd, die kriegerische Einnehmung, und das Finden einer Sache gerechnet. Hiernächst, wenn jemand eine Sache bereits hatte, so konnte derselben, entweder nach der Natur der Sache, oder durch Fleiß und Arbeit, oder aber durch den Verkehr, etwas zuwachsen. Diese Art des Eigenthums heißt sonst Accessio, und begreift viele andere unter sich, wovon die meisten sonderlich in Manufactur= Fabriken= Kunst= und Handwerks=Geschäften vorkommen. Die aus diesen hergeleiteten und entstehenden Arten, ein Eigenthum zu erlangen, sind vornehmlich die natürliche Erbfolge, die Verjährung durch langen Besitz, das Schenken, Tauschen, Kaufen, u. s. f.
Es ist gewiß, daß unter allen Rechten der Bürger keines heiliger ist, als das Recht des Eigenthums; ja, es ist gewissermaßen noch mehr daran gelegen, als an der Freyheit selbst; entweder, weil selbiges einen nähern Einfluß auf die Erhaltung des Lebens hat, oder, weil man das, was uns leichter, als etwas anderes, geraubt werden kann, mehr in Ehren halten muß; denn man kann sich leichter unserer Güter bemächtigen, als unserer Person, und jene sind schwerer zu behaupten, als diese; oder auch, weil das Eigenthum der wahre Grund der bürgerlichen Gesellschaft, und die wahre Gewährschaft der Verbindungen der Bürger ist.
Denn, wenn nicht die Güter für die Personen haften müsten, so würde nichts leichter seyn, als seinen Pflichten auszuweichen, und der Gesetze zu spotten. Auf einer andern Seite ist es nicht weniger gewiß, daß die Unterhaltung des Staats und der Regierung, Kosten und Aufwand erfordert; und wie derjenige, der den Endzweck bewilliget, sich auch die Mittel gefallen laßen muß, so folget, daß die Glieder der Gesellschaft etwas aus ihren Mitteln zur Unterhaltung derselben beytragen müssen.
Ueberdem ist es schwer, das Eigenthum der Privatpersonen auf der einen Seite zu sichern, ohne es auf der andern anzugreifen; und es ist unvermeidlich, daß alle Verordnungen, welche die Ordnung der Erbfolgen, die Testamente, die Contracte etc. betreffen, die Bürger in Ansehung der Disposition über ihr eigenes Vermögen, und folglich auch in Ansehung ihres Eigenthumsrechts, mit einer Art von Zwang belegen.
Das Recht des Eigenthums erstreckt sich, wie Puffendorf gezeigt hat, seiner Natur nach, nicht über das Leben des Eigenthümers hinaus, und in dem Augenblicke, da der Mensch todt ist, gehört ihm sein Vermögen nicht mehr zu. Wenn ihm also Bedingungen vorgeschrieben werden, unter welchen er darüber schalten und walten kann, so wird dadurch sein Recht nicht so wohl dem Scheine nach gekränket, als vielmehr in der That erweitert.
Obgleich überhaupt die Einführung der Gesetze, welche die Macht der Privatpersonen in der Disposition über ihr eigenes Vermögen bestimmen, nur dem Landesherrn zukommt: so ist doch der Sinn dieser Gesetze, dem die Regierung bey Anwendung derselben folgen muß, eigentlich dieser, daß, von Vater auf Sohn, und von einem Anverwandten zum andern, die Familiengüter so wenig, als immer möglich ist, abhanden kommen und veräußert werden.
Es geschieht dieses nämlich zum Besten der Kinder, als denen das Recht des Eigenthums nichts helfen würde, wenn ihnen der Vater nichts hinterließe, und die, da sie öfters durch ihre Arbeit etwas zur Erwerbung des väterlichen Vermögens beygetragen, von sich selbst die Mitgenossen seines Rechtes sind. Allein, eine entferntere, wiewohl eben so wichtige, Ursache ist wohl diese, daß nichts für die Sitten und für die Republik nachtheiliger ist, als die beständigen Veränderungen des Zustandes und der Glücksumstände unter den Bürgern."
Man sieht immerhin deutlich, dass sich seit Krünitz in Sachen Grundlegung der wirtschaftlichen Theorie so gut wie nichts geändert hat. Der mainstream würde seinen Eintrag glatt unterschreiben. Unter den Talaren der Muff von 250 Jahren!
Umso wichtiger sind neue Erklärungs- und Klärungsversuche der ganzen Chose, in der wir stecken und vor allem eine Zusammenführung der Ergebnisse, die alle möglichen (derzeit noch für sich allein und vor sich hin bosselnden) Forscher laufend zutage fördern.
Vielen Dank also für den profunden und weiter erhellenden Text und schönen Gruß!
|
Tarantoga
08.03.2006, 21:35
@ dottore
|
Re:"Checks and balances" - was zuerst? |
-->Hallo dottore!
>Mir will eine"Loesung" nicht in den Sinn kommen. Ich wuesste auch nicht mehr, wo noch suchen. Vermutlich war ich auch zu lange ein solcher"Loesungs-Freak".
Mir ist auch noch keine Lösung in den Sinn gekommen. Aber man kann feststellen, dass ein Gewaltmonopol, das nur nach innen ordnend und steuererhebend wirkt, auf lange Sicht unfinanzierbar ist. Und damit besteht ein Anhaltspunkt für Weiterentwicklungen, die meiner Ansicht nach ohnhin in ganz kleinen Schritten vollzogen werden müssten.
>Benedetto Croce:"Der Staat? Das sind Leute, die an Schreibtischen sitzen." So abstrakt ist das alles nicht. Die"politische Klasse" sammelt nicht gerade Pluspunkte. Sie wird laufend personalisiert und wenn der"Souveraen" merken sollte, dass es wirklich ganz wurscht ist, wer ihn regiert (Klartext: Das Tempo Richtung Zielbahnhof"Staatsende" bloss mehr oder minder beschleunigt), duerfte es spannend werden.
Es kam mir insoweit nur auf die Feststellung an, dass der Staat viele dieser Schreibtische aber ohne einheitliche Willensbildung sind.
Ihre Hoffnungen über das Verhalten des Souveräns kann ich nicht ganz teilen. Solange die politische Klasse eine kritische Masse der Bevölkerung in zufriedenstellenden Lebensverhältnissen halten kann, dürfte es dem Souverän völlig egal sein, wer ihn regiert. Die spannende Frage ist allein, wie lange diese Lebensverhältnisse bewahrt werden können.
>"Reform"? Hoffentlich habe ich mich nicht verlesen.
Das Wort hat einen sehr schalen Geschmack bekommen, ja. Aber das setzt den ursprünglichen Wortinhalt noch nicht ausser Kraft.
>Boeckenfoerde in seinem Votum :
>"In einer solchen Vorgabe liegt eine ungerechtfertigte Begrenzung des Gesetzgebers. Sie verkennt, dass die Festsetzung der Steuersaetze fundamental von wirtschaftlichen wie politischen Daten abhaengt, die unter geschichtlichen Bedingungen stehen und sich aendern koennen. In Zahlen nachrechenbare Massgaben, die diesem Rechnung tragen, sind weder moeglich noch in der Verfassung enthalten.
>Die Verfassung ueberlaesst es vielmehr einer politisch verantworteten Steuerpolitik, hier in Reaktion auf die jeweilige Situation und unter Rueckgriff auf wirtschafts- und sozialpolitische Ueberzeugungen das zutraegliche Mass zu finden. Infolge der Entscheidung des Senats bleibt demgegenueber fuer eine solche Politik, die den oekonomisch-sozialen Umstaenden mit verschiedenen Konzepten Rechnung tragen und auch das Mass der staatlicherseits fuer alle erbrachten, den Einzelnen entlastenden Infrastrukturleistungen, wie etwa im Ausbildungs- und Hochschulwesen, beruecksichtigen koennen muss, nur noch enger Raum.
>Die Vorgaben des Senats sind der Einstieg in eine Verfassungsdogmatik der Besteuerung, die den Gesetzgeber bis hin zu Details wie Bewertungsmethoden anleitet. Dies hat nicht nur eine Fesselung des Gesetzgebers bei der Bewaeltigung kuenftiger, heute noch nicht uebersehbarer Problemlagen zur Folge."
Vielen Dank für die Fundstelle! Ich muss gestehen, ich teile die Ansicht des Minderheitsvotums, aber nur, weil es in dem fraglichen Urteil allein um die Vermögensbesteuerung geht. Gerade als Anhänger der Machttheorie muss man ja anerkennen, dass jegliches Vermögen und erst recht die Rendite daraus nur mit Hilfe des Staates zustandekommt und dieser deshalb prinzipiell auch die Möglichkeit haben sollte, diese Zuwendung beliebig zu begrenzen oder ganz aufzugeben. Das macht sicherlich ökonomisch und steuerpolitisch keinen Sinn, aber ausgeschlossen ist es nicht. Anders sehe ich das bei den Gegenleistungen, die ein Mensch durch seine ihm auch ohne Staat gegebene Arbeitsleistung erlangen kann. Hier darf der Staat meiner Ansicht nicht beliebig hoch besteuern, da er wenig bis nichts für die Erzielung dieses Einkommens geleistet hat.
>Nochmal: Wozu brauche ich balances? Doch wohl, weil es und nachdem es checks gibt. Also: Wer oder was ist der Checker? Zum Thema"Staat als Taeter" (inkl."Staatsterrorismus", vgl. die aktuellen Vorgaenge im kurdischen Teil der Tuerkei, um nur eine"Kleinigkeit" - und schoen weit weg - zu nennen) wimmelt es in diesem Forum nur so von Postings.
Ich meine Checks and Balances sind beides schon begrenzende Reaktionen auf den Täter, aber das spielt fürs Thema keine Rolle. Wo immer der Staat hoheitlich tätig wird ist er selbstverständlich Täter, genau betrachtet wohl sogar Gewalt-Täter. Leider ist Macht ohne Missbrauch derselben wohl nicht denkbar, weswegen man jeder Herrschaft kritisch begegnen muss.
Aber hier wird meiner Ansicht nach die ökonomische Betrachtung interessant: Herrschaft kostet Geld (bzw. Leistung, Aufwand, was immer). Ob sich die Herrschaft in einem abgeschlossenen System überhaupt rentiert, also einen materiellen Gewinn der Bevölkerung zur Folge hat, das ist die spannende Frage. Man müsste untersuchen, ob der unbestreitbare Wohlstandsgewinn in der abendländischen Staats- und Kapitalismusgeschichte ein allein internes Phänomen ist oder ob er nicht vielmehr daher rührt, dass die abendländischen Staaten die Welt dominiert haben und so letztlich via Gewalt (ich zähle auch Marktvorgänge wegen der Vollstreckung der Kontrakte dazu) seinen Wohlstandsgewinn auf Kosten des Restes der Welt erreicht hat.
Hat man diese Frage beantwortet, so müsste man wohl bedenken, dass die Expansionsmöglichkeiten, btw. die Möglichkeit Reichtümer aus dem Aussen zu erlangen, tendenziell stark abnimmt und daher das bisherige Modell nicht mehr tragfähig wäre ("Grenzen des Wachstums").
>"Gefahr" - fuer wen?"Gesellschaftliche Ideale" - welche und wann und von wem (der Gesellschaft? Im"Gesellschaftsvertrag"?) bestimmt?"Ordnung" - natuerlich (welche?) oder gesetzt?
Gefahr für unsere Variante des Rechtsstaates ist gemeint. Der Staat ist ein gesellschaftliches Ordnungssystem, gleich welche Legitimation er besitzt. Religionen können ähnliche Funktionen haben.
Ich meine auch, dass es gewisse gesellschaftliche Ideale gibt, die zwar nirgens ausformuliert werden und daher weder aufgrund eines Gesellschaftsvertrages noch sonstwie konkret und formal fassbar sind, die aber dennoch der Gesellschaft ohne fassbaren herrschaftlichen Einfluss entstammen. Das wird schon deutlich, wenn man nur die Entwiclklung der Rechtsprechung des BVerfG zu verschiedenen gesellschaftlichen Fragen verfolgt. Obwohl die auszulegenden Rechtssätze völlig gleich geblieben sind, hat sich die Auslegung doch erheblich verändert, weil sich die Gesellschaft verändert hat. Das BVerfG hinkt dabei der Gesellschaft immer etwas hinterher, letztlich vollzieht es die Veränderung aber, wenn seine Beurteilung ergibt, dass diese schwammige und kaum fassbare Veränderung der gesellschaftlichen Ideale passiert ist und vorraussichtlich von Dauer sein wird.
>Staat nackt? Was sehen wir dann?
>Das zum Beispiel:
>[img][/img]
Mein Kompliment zu diesem Humor, ich habe gelacht und bin einverstanden.
>Es"zwickt" noch in der Chronologie des"spreading of capitalism" als staatsbewehrter Form des Wirtschaftens, Uebergang Neolithikum/Bronzezeit - und leider existiert nirgends so etwas wie eine"Geschichte der Steuer" (klar, dass die Quellenlage nicht berauscht - Taeter/Checker fuehren selten Tagebuch).
Da kann ich leider nicht helfen. Ich bin völliger archeologischer Laie und werde das wohl auch nicht ändern...
Vielen Dank und herzliche Grüße,
Tarantoga
|
Tarantoga
08.03.2006, 22:33
@ dottore
|
Keine Zwingmacht des Eigentums ohne eine Art"Urschuld" - u.a. |
-->Noch einige Anmerkungen zu dieser"Baustelle":
>Ja! Nur ist die Pfändbarkeit keine dem Eigentum"eigene" Eigenschaft.Pfändung setzt Abläufe (u.a. nicht erfüllte Verträge mit oder ohne entsprechender Klausel) voraus, die vom Eigentum zu trennen sind, das selbst nicht per Vertrag aus Nicht-Eigentum (res nullius) entstehen kann.
Die Pfändbarkeit ist eine Eigenschaft des Eigentums. Darauf fusst ja z.B. die ganze Theorie von H/S. Rechtstechnisch umfasst das Eigentum die Summe der Herrschaftsrechte an einer Sache, die Pfändbarkeit ist dann nur ein Teil davon.
Die Pfändung dagegen setzt bestimmte Abläufe vorraus. Wobei die Pfändung an sich auch nicht vertraglich zustande kommen kann, sondern ganz wie das Eigentum des Staates bedarf. Das diese Abläufe durch freiwillige Verträge in Gang gesetzt werden können ändert daran nichts, wesentlich ist, dass eine Pfändung genau wie das Eigentum auch Dritten gegenüber wirkt, die sich nie freiwillig unterworfen haben. Das geht eben nur besichert durch die staatliche Waffe.
>Forderungen sehe ich als kontraktliche oder als ex nihilo. Beide setzen nicht Eigentum an"Sachen" (mobil, immobil) voraus, sondern zunächst nur Eigentum an sich selbst (da haben wir eh ein Problem miteinander) und die Bewirtschaftung dieses"Selbst".
Ist der Unterschied zwischen beiden Forderungsarten wirklich so erheblich? Kommt es nicht vor allem darauf an, dass beide mittels Staatsgewalt vollstreckt werden? Eine Forderung ex nihilo ohne Vollstreckungsdrohung wäre ein sehr zahnloser Tiger.
Und weiter: eine kontraktliche Forderung wird dadurch begründet, dass sich jemand der Verpflichtung unterwirft. Ist das wirklich freiwillig? Oder passiert es nicht nur, weil ein Druck zum Wirtschaften besteht?
Auch die Forderung"ex nihilo" ist ja nicht aus dem Nichts. Sie entsteht, weil jemand (der Gewaltmonopolist) die Macht hat, im Prinzip gleich und zur Not auch willkürlich zu vollstrecken. Das Gewaltmonopol ist dadurch quasi wie eine Naturgewalt, aus der es kein Entkommen gibt. Wer den Staat legitimieren will braucht eigentlich auch nur zu behaupten, der Staat würde mittels seiner Ordnungsmacht natürliche Ordnungsprozesse abkürzen und so bestimmte Ergebnisse schneller und effizienter herstellen. Der Staat ist so gesehen nur ein Stück menschengeschaffener Natur.
Letztlich übernimmt in Ihrer Theorie die Abgabenforderung nur die Rolle der Urschuld, die Folgen sind die gleichen wie in den Urschuldtheorien. Allerdings halte ich die Urschuld für eine sehr zweifelhafte Annahme, da meiner Ansicht nach die Natur letztlich durch die Kraft der Sonne in jedem für uns fassbaren zeitlichen Rahmen die Mittel zur Tilgung dieser Urschuld bereitstellt. Die staatliche Abgabenforderung ist viel besser fassbar, unbestreitbar und taugt daher zur Begründung des Folgenden viel besser.
Die Frage ihrer Legitimität hängt dann aber allein von der Frage ab, ob es die Urschuld gibt und ob der Staat samt seinen Steuern als ein Ordnungsmittel auf dem Weg der Befriedigung aufzufassen ist oder ob er nur dazu dient, einigen Wenigen die Befriedigung ungerecht zu erleichtern.
>Das ist keine Verpflichtung zu einem Tun, sondern zu einem Unterlassen, also Nicht-Tun. Mich interessieren Geschichte und Herkunft aber des Tuns im Sinne von etwas tun zu müssen - was man nicht täte, wenn man nicht dazu gezwungen würde/wäre.
>Das Eigentum (auch nicht das an sich selbst) kann sich nicht selbst in"Gebrauch" nehmen. Dazu bedarf es eines Eigentümers oder Besitzers. Ist er dabei verpflichtet, kann er nicht"frei" sein.
Stimme zu. Das läuft dann auf die"Renditepflicht" durch Abgabenforderung hinaus, ich werde dort noch auf Ihre Anmerkungen eingehen, sehe aber keinen Dissens.
>Ja. Aber das Fernhalten allein macht es nicht. Es geht mir um den Gebrauch des Eigentums, um mit dessen Hilfe (als"Recht") andere zwingen zu können. Das Sich-Fernhalten eines anderen ist wieder ein Unterlassen, aber kein Tun.
Das ergibt sich meiner Ansicht nach nur aus der Hinzunahme einer Art Urschuld, zumindest der menschlichen Notwendigkeit bestimmte Bedürfnisse aus Sachen der Umwelt zu befriedigen. Grundsätzlich kann kein Eigentum einen unbeteiligten Dritten zwingen. Hierzu gibt es heutzutage leider Ausnahmen, wo z.B. bestimmte Pflanzensorten patentiert werden, obwohl diese bereits bei Dritten in Gebrauch sind. Das beweist aber nur die völlige Illegitimität dieser Patentierungen.
Die Zwingkraft des Eigentums auf Dritte und damit der Unterbau der Herrschaft, die Weitergabe von Herrschaftsrechten nach unten, ergibt sich erst durch die Notwendigkeit der Menschen, Zugriff und Nutzen aus Sachen ziehen zu müssen, die letztlich alle an irgendjemanden als Eigentum vergeben sind. Auf jemanden, der absolut Nichts braucht, hat das Eigentumsrecht überhaupt keinen Einfluss. Aber sobald er auch nur ein Stück Brot oder einen Platz zum Stehen braucht, muss er sich der Eigentumsherrschaft unterwerfen und tun, was immer der Eigentümer des benötigten Gutes (oder der Günstigste aus einer Auswahl) von ihm verlangt.
>Der Knackpunkt. Frage: Wem gehört der Sklave, nachdem er aus dem Eigentum seines Eigentümers entlassen wurde?
Klare Antwort: Niemandem. Wenn er nicht mehr Sklave ist, dann ist er keine Sache mehr und damit kein geeignetes Objekt von Rechten. Stattdessen ist er Rechtssubjekt, also potentiell Berechtigter oder Verpflichteter von Rechten.
>Interessanter Fall. Ich hätte anders geurteilt: Nach Feierabend darf man selbstverständlich daten, aber nicht während des laufenden Dienstvertrages für nach Feierabend.
Auch das nicht. Ein solch totaler Verpflichtungsanspruch aus einem Arbeitsvertrag wäre ebenso wegen des Verstosses gegen Art. 2 GG (der mittelbar via Generalklauseln und Sittlichkeitsgeboten im bürgerlichen Recht auch für Private gilt!) sittenwidrig, jedenfalls solange das beabsichtigte Tun des Arbeitsnehmers ihn nicht davon abhält, eine vereinbarungsgemäße Leistung zu erbringen. Im Übrigen schuldet der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsvertrag ohnehin nicht die Anpassung seines Verhaltens an die Wünsche der Gegenpartei (auch nicht während der Arbeitszeit), sondern nur eine Arbeitsleistung mittlerer Art und Güte (was die Anpassung an arbeitsspezifische Wünsche des Arbeitgebers umfassen kann). Mehr ist da schlicht nicht vereinbart...
Herzliche Grüße,
Tarantoga
|
Tarantoga
08.03.2006, 23:08
@ dottore
|
Re: Renditepflicht: Eigentum ~ Lehen |
-->Hallo dottore!
Vielen Dank für die Kurzzusammenfassung Ihrer historischen Erkenntnisse! Da ich weder über die zeitlichen noch die matierellen Möglichkeiten verfüge diese im Einzelnen nachzuprüfen, bleibt mir nur meine persönliche Schlüssigkeitsprüfung - die bislang positiv ausfällt.
Meine Ableitung einer Renditepflicht ging (ich hoffe erkennbar) davon aus, dass es nur ein Innen des Systems gibt. Genausowenig wie dieses System dauerhaft funktionieren kann, kann es sich historisch so entwickelt haben. Vielmehr funktioniert das Alles nur, wenn es ein Aussen gibt (Tributpflichtige z.B.), auf deren Kosten finanziert und rentiert werden kann.
Solange werthaltiges Eigentum nicht aus dem Nichts geschaffen werden kann, ist eine Eigentumsgesellschaft von Freien und Gleichen sowohl historisch als auch aktuell unmöglich. Denn woher sollte die gefragte Rendite kommen? Historisch schließt sich schon die Annahme eines Gewaltmonopols (oder einer Vorstufe) mit der Annahme der Gleichheit aus.
Ihre Darstellung des historischen Ablaufs erscheint mir daher sehr schlüssig, weil sie in der Tat alle die Probleme und Zirkelschlüsse der Theorien vom Gesellschaftsvertrag und dem Tausch unter Gleichen vermeidet.
Ich selbst denke nur deshalb von einem geschlossenen System, weil die Möglichkeiten Tributpflichtige zu finden oder Renditen auf Märkten zu erwirtschaften mit zunehmender Ausbreitung des"Innen" bedenklich kleiner werden. Zudem zwingt die Aussenfinanzierung der Gesellschaft der Gleichen zur ständigen Suche nach"Lebensraum" und anderer historisch eher unerfreulich ausgegangenen Unternehmungen. So weit ich weiß gehörte es zur Gesellschaftsanalyse der ersten Generation RAF, dass auch die BRD die Wurzeln von Imperialismus und Faschismus in sich trägt. Die Notwendigkeit von Tributpflichtigen zur Finanzierung der"Gleichheit" und der Marktwirtschaft gibt dem völlig Recht... Zivilisation ist doch immer nur die Verlagerung des Drecks nach aussen. Das ergibt sich vielleicht schon aus dem zweiten thermodynamischen Hauptsatz der Physik.
>Über die"besseren Ergebnisse" läßt sich trefflich streiten: Immerhin liegt über allen Staaten ein nicht unbeachtlicher Schwebeposten in Höhe von mindestens 20 Billionen Euro - nur Staatsverschuldung (ohne Renten- und Pensionsverpflichtungen). Würde der in Form einer"Sondersteuer" und auf einen Schlag gegenüber der"Eigentümergesellschaft" fällig gestellt, wäre das Ergebnis gewiss kein"gutes" mehr.
>Auch für"Marktwirtschaften" gilt: "... et respice finem" (man blicke auf das Ende!).
Das sind doch alles nur Papier und Zahlen. An den materiell sichtbaren Ergebnissen ändert das nichts, es deutet nur auf eine drohende Wertlosigkeit des Papiers und der Forderungen hin...
Herzliche Grüße!
|
Tarantoga
09.03.2006, 00:09
@ bernor
|
Re: Ich nicht! Der Rechtsstaat kann nie OberEIGENTÜMER sein |
-->>Soweit man über Sachen bzw. Gebiete frei verfügen kann, ist man ihr Eigentümer, ansonsten ihr Besitzer.
Hallo bernor!
Zunächst ist man als Nichteigentümer nicht notwendig Besitzer, aber das soll keine Rolle spielen.
Wenn ich nur Deine Kurzzusammenfassung nehme, dann folgt daraus in der Tat das historische OberEIGENTUM. Ich meine aber, dass gerade Dein Satz deutlich macht, dass der heutige Rechtsstaat keinesfalls mehr OberEIGENTÜMER ist, denn er kann gerade nicht frei verfügen. Zwar hat er nach wie vor das Gewaltmonopol, aber seine inneren Schranken hindern ihn daran, es frei, also willkürlich, zu verwenden.
Daraus folgt: Ein Rechtsstaat mit Willkürverbot kann nie OberEIGENTÜMER sein.
LG,
Tarantoga
|
Baldur der Ketzer
09.03.2006, 01:06
@ Tarantoga
|
Der Drecksstaat kann nie OberEIGENTÜMER sein - grundfalsch |
-->Hallo,
>>Zwar hat er nach wie vor das Gewaltmonopol, aber seine inneren Schranken hindern ihn daran, es frei, also willkürlich, zu verwenden.
hahahahahahahahaha, welche Schranken denn? Anstand, Sitte, Ethik, VerfaSS, äh, Grundgeschwätz?
Das glaubst Du doch selber nicht.
Der Drecksstaat macht, was er will. Der Bürger war Dreck, ist Dreck, und wird Dreck bleiben. In Zukunft noch gesteigert, mieser Dreck, frecher Dreck, lästiger Dreck oder zu beseitigender/zu internierender Dreck.
>Daraus folgt: Ein Rechtsstaat mit Willkürverbot kann nie OberEIGENTÜMER sein.
Er ist Gesetzgeber - das reicht doch vollstens - siehe WiSiFF, äh, WiSiV.
Der Staat macht, was er will - so lange er kann und man ihn läßt. Er verpisst sich erst, wenn ihm jemand auf seine unersättlichen Wichsgriffel chlöpft.
Alles andere ist -sorry- dummes Geschwätz aus dem Mädchen-Pensionat im Nonnenkloster. Scharf, aufgeilend, aber völlig einseitig, wirklichkeitsfremd, und irrelevant.
Bester Ketzergruß!
|
certina
09.03.2006, 12:39
@ Baldur der Ketzer
|
Re: Der Drecksstaat kann nie OberEIGENTÜMER sein - grundfalsch |
-->>Hallo,
>>>Zwar hat er nach wie vor das Gewaltmonopol, aber seine inneren Schranken hindern ihn daran, es frei, also willkürlich, zu verwenden.
>hahahahahahahahaha, welche Schranken denn? Anstand, Sitte, Ethik, VerfaSS, äh, Grundgeschwätz?
>Das glaubst Du doch selber nicht.
>Der Drecksstaat macht, was er will. Der Bürger war Dreck, ist Dreck, und wird Dreck bleiben. In Zukunft noch gesteigert, mieser Dreck, frecher Dreck, lästiger Dreck oder zu beseitigender/zu internierender Dreck.
>
>>Daraus folgt: Ein Rechtsstaat mit Willkürverbot kann nie OberEIGENTÜMER sein.
>Er ist Gesetzgeber - das reicht doch vollstens - siehe WiSiFF, äh, WiSiV.
>Der Staat macht, was er will - so lange er kann und man ihn läßt. Er verpisst sich erst, wenn ihm jemand auf seine unersättlichen Wichsgriffel chlöpft.
>Alles andere ist -sorry- dummes Geschwätz aus dem Mädchen-Pensionat im Nonnenkloster. Scharf, aufgeilend, aber völlig einseitig, wirklichkeitsfremd, und irrelevant.
>Bester Ketzergruß!
[b]hi Baldur,
leider hast du, wie allermeist, sowas von grottenrecht...!
tschuess
G.C.
|
VictorX
09.03.2006, 12:48
@ certina
|
Mein Nachbar (Landwirt) wurde wegen Umgehung enteignet. So schauts aus. |
-->Und was glaubst Du, wenn man auf Deinem Land
Gold, Ã-l, Altertümer, Judengräber oder sonst was findet.
Dann wars das mit Eigentum.
|
dottore
09.03.2006, 13:31
@ Tarantoga
|
Re: Eigenschaft eines"Rechts"? Zu Heinsohn/Steiger u.a. |
-->Hi Tarantoga,
>>Ja! Nur ist die Pfändbarkeit keine dem Eigentum"eigene" Eigenschaft.Pfändung setzt Abläufe (u.a. nicht erfüllte Verträge mit oder ohne entsprechender Klausel) voraus, die vom Eigentum zu trennen sind, das selbst nicht per Vertrag aus Nicht-Eigentum (res nullius) entstehen kann.
>Die Pfändbarkeit ist eine Eigenschaft des Eigentums. Darauf fusst ja z.B. die ganze Theorie von H/S. Rechtstechnisch umfasst das Eigentum die Summe der Herrschaftsrechte an einer Sache, die Pfändbarkeit ist dann nur ein Teil davon.
Dass die H/S-Theorie darauf beruht, ist klar. Dennoch bleibt's bei meinem Einwand. Begründung: H/S gehen von einer Verteilung von immobilem Sacheigentum aus ("Roma quadrata"). Wir sehen also eine gleichmäßige Parzellierung eines bestimmten Areals, auf jeder Parzelle sitzt ein"privater" Eigentümer und wirtschaftet. Alle sind gleich und"frei". Ein Grund, ihre Eigentum irgendeiner Beschränkung gegenüber anderen Eigentümern zu unterwerfen, ist nicht erkennbar.
Nun folgt die große Volte: Einer/kommen einige in"Notlage". Daraufhin verpfänden er/sie ihr Eigentum, ganz oder teilweise ("Verzicht auf die Eigentümerprämie"). Nun ist es leider nicht möglich, eine Immobilie zu verpfänden, da der Sinn des Pfandes darin liegt, es in den Besitz des Pfandgläubigers zu bringen (Antichresis und andere Finessen mal außen vor). Zu verpfänden wären demnach bewegliche Sachen (mit seinem Grundstück kann man auch heute noch nicht im Pfandhaus erscheinen) oder Rechte.
H/S rekurrieren daher auf die Rechte, wie sie überhaupt das Eigentum als"Recht" sehen. Dieses Recht auf/über Eigentum muss nun aber dokumentiert werden. Dazu wird nichts weiter ausgeführt.
Für"private" immobile Eigentume haben sich bereits in den frühen Großreichen (Hethiter, Ägypter, Mesopot, usw.) Kataster entwickelt (später Urbare, heute: Grundbücher). Die dafür notwendige Landvermessung ist erheblich älter und reicht zurück in die Zeit der ersten Siedlungen (ca. 7000 BC) überhaupt. Die Landvermesser arbeiteten mit den bis noch in die Gegenwart üblichen Verfahren (Pflöcke, Strippen, dann Areale abstecken oder umkreisen usw.
Eine schöne Geschichte dazu ist die legendäre Gründung Karthagos: Es sollte ein Stück Land vom Herrscher (Gesamt- und Ober-Eigentümer) zugeteilt werden, das eine Rindshaut abdeckt. Dido war so schlau, die Rindshaut in so feine Streifen zu schneiden, dass damit ein erheblich größeres Areal abzudecken war, was dann den Kern des neuen herrschaftlichen Machtzentrums bildete).
Das Kataster war natürlich nirgends eine"private", sondern immer eine hoheitliche Angelegenheit, setzt also die übliche Herrschaft (Proto-Staat o.ä.) voraus - wie die Grundbücher bis heute auch.
Nun konnte jemand mit seinem"Grundbuchauszug" wirtschaften, also sein Recht z.B. abgeben oder eben verpfänden. Dazu gibt es eine gute Quellenlage aus Mesopot, z.B. hier:
[img][/img]
Oben zu sehen das Grundstück, um das es geht. Das Recht ist"mobil" geworden. Diese Mobilität setzt aber nicht nur die hoheitliche Basis (und damit Abgaben in natura oder moneta) weiterhin voraus, sondern auch ein standardisiertes Gut, gegen dessen Hergabe Zug um Zug das auf der Tafel dokumentierte Recht ausgehändigt wurde. Dabei handelt es sich um die bekannten auf dem Getreidegewicht (180 grains) basierenden Shekel (vgl. ausführliche Postings dazu). Dass dabei nicht Geld selbst überhaupt erst geschaffen wurde (H/S), sondern ein solcher privater Kontrakt Geld bereits voraussetzt, versteht sich von selbst. Kontrakte setzen wiederum Instanzen (Hierarchien) voraus und diese deren Finanzierung.
>Die Pfändung dagegen setzt bestimmte Abläufe vorraus. Wobei die Pfändung an sich auch nicht vertraglich zustande kommen kann, sondern ganz wie das Eigentum des Staates bedarf. Das diese Abläufe durch freiwillige Verträge in Gang gesetzt werden können ändert daran nichts, wesentlich ist, dass eine Pfändung genau wie das Eigentum auch Dritten gegenüber wirkt, die sich nie freiwillig unterworfen haben. Das geht eben nur besichert durch die staatliche Waffe.
Wäre Pfändbarkeit eine"Eigenschaft des Eigentums" wären also schuldrechtliche Vorgänge ebenfalls seine Eigenschaft. Das Recht an seiner Sache wäre also quasi"nachrangig" zur Kontraktfähigkeit dieser Sache oder noch krasser: Sachen könnten mit Hilfe dieser ihrer Eigenschaft Kontrakte schließen. Es kann also nur um die Eigenschaft des Eigners des Eigentums gehen. Auch nichtkontraktfähige Personen können durchaus Eigentümer sein, sogar Herrscher (siehe Otto, Bruder des"Kini" Ludwig von Bayern).
>>Forderungen sehe ich als kontraktliche oder als ex nihilo. Beide setzen nicht Eigentum an"Sachen" (mobil, immobil) voraus, sondern zunächst nur Eigentum an sich selbst (da haben wir eh ein Problem miteinander) und die Bewirtschaftung dieses"Selbst".
>Ist der Unterschied zwischen beiden Forderungsarten wirklich so erheblich? Kommt es nicht vor allem darauf an, dass beide mittels Staatsgewalt vollstreckt werden? Eine Forderung ex nihilo ohne Vollstreckungsdrohung wäre ein sehr zahnloser Tiger.
Klar. Aber in einem Fall ist die Staatsgewalt keine Partei, im anderen sehr wohl. Was sich auch im Rang der Forderungen ausdrückt - jene des Staates immer an erster Stelle.
>Und weiter: eine kontraktliche Forderung wird dadurch begründet, dass sich jemand der Verpflichtung unterwirft. Ist das wirklich freiwillig? Oder passiert es nicht nur, weil ein Druck zum Wirtschaften besteht?
Der besteht grundsätzlich, ja. Nur auch hier wieder der Unterschied: Kontraktschuldner kann nur werden, wer selbst Gläubiger ist (wenn auch mit später fälligen Forderungen - Bankenalltag). Ex-Nihilo-Schuldner können auch Nicht-Gläubiger werden.
>Auch die Forderung"ex nihilo" ist ja nicht aus dem Nichts. Sie entsteht, weil jemand (der Gewaltmonopolist) die Macht hat, im Prinzip gleich und zur Not auch willkürlich zu vollstrecken. Das Gewaltmonopol ist dadurch quasi wie eine Naturgewalt, aus der es kein Entkommen gibt. Wer den Staat legitimieren will braucht eigentlich auch nur zu behaupten, der Staat würde mittels seiner Ordnungsmacht natürliche Ordnungsprozesse abkürzen und so bestimmte Ergebnisse schneller und effizienter herstellen. Der Staat ist so gesehen nur ein Stück menschengeschaffener Natur.
Natürlich ist der"Staat" Menschenwerk, allerdings nicht das aller (Gesellschaftsvertrag), sondern eines oder einzelner.
>Letztlich übernimmt in Ihrer Theorie die Abgabenforderung nur die Rolle der Urschuld, die Folgen sind die gleichen wie in den Urschuldtheorien. Allerdings halte ich die Urschuld für eine sehr zweifelhafte Annahme, da meiner Ansicht nach die Natur letztlich durch die Kraft der Sonne in jedem für uns fassbaren zeitlichen Rahmen die Mittel zur Tilgung dieser Urschuld bereitstellt. Die staatliche Abgabenforderung ist viel besser fassbar, unbestreitbar und taugt daher zur Begründung des Folgenden viel besser.
D'accord. Wurde, wie schon ausführlich eingeräumt, von mir erst spät in seiner ganzen Wucht entdeckt. Die offene Abgabenschuld Umma/Lagash (übrigens das erste Mal, da das Wort"Schuld" auftritt, in einer Königsinschrift) belief sich auf mehrere Millionen Tonnen Getreide (bei den 33,3 % p.a. geht's schnell dahin).
(...)
(...)
Einverstanden.
>>Ja. Aber das Fernhalten allein macht es nicht. Es geht mir um den Gebrauch des Eigentums, um mit dessen Hilfe (als"Recht") andere zwingen zu können. Das Sich-Fernhalten eines anderen ist wieder ein Unterlassen, aber kein Tun.
>Das ergibt sich meiner Ansicht nach nur aus der Hinzunahme einer Art Urschuld, zumindest der menschlichen Notwendigkeit bestimmte Bedürfnisse aus Sachen der Umwelt zu befriedigen. Grundsätzlich kann kein Eigentum einen unbeteiligten Dritten zwingen.
Richtig und genau das ist der Punkt! In einem Machtareal (Privateigentum zunächst des Herrschers/Clans) KANN es keine"unbeteiligten Dritten" geben. Sie sind"beteiligt" - es sei denn, sie ziehen mit Sack und Pack plus Familie in die"Fremde" und geben ihr Subsistenzländchen auf.
>Hierzu gibt es heutzutage leider Ausnahmen, wo z.B. bestimmte Pflanzensorten patentiert werden, obwohl diese bereits bei Dritten in Gebrauch sind. Das beweist aber nur die völlige Illegitimität dieser Patentierungen.
Alle Patentierungen sind"illegitim" und wurden erst mit Hilfe der Staatsmacht als Privilegia ab dem 18. Jh. auf breiter Front eingeführt, vgl. den berühmten Arkwright-Fall - A. mit seinen Spinnmaschinen gilt als Vater des Industralismus). Im Buchdruck gab's solche Versuche,"geistiges Eigentum" zu monopolisieren, schon seit dem 16. Jh.
>Die Zwingkraft des Eigentums auf Dritte und damit der Unterbau der Herrschaft, die Weitergabe von Herrschaftsrechten nach unten, ergibt sich erst durch die Notwendigkeit der Menschen, Zugriff und Nutzen aus Sachen ziehen zu müssen, die letztlich alle an irgendjemanden als Eigentum vergeben sind.
Ja, und genau da sind wir beim vorstaatlichen (vorherrschaftlichen) Eigentum an der eigenen Person.
>Auf jemanden, der absolut Nichts braucht, hat das Eigentumsrecht überhaupt keinen Einfluss. Aber sobald er auch nur ein Stück Brot oder einen Platz zum Stehen braucht, muss er sich der Eigentumsherrschaft unterwerfen und tun, was immer der Eigentümer des benötigten Gutes (oder der Günstigste aus einer Auswahl) von ihm verlangt.
Ja. Der"Jemand" ist Subjekt, siehe gleich.
>>Der Knackpunkt. Frage: Wem gehört der Sklave, nachdem er aus dem Eigentum seines Eigentümers entlassen wurde?
>Klare Antwort: Niemandem. Wenn er nicht mehr Sklave ist, dann ist er keine Sache mehr und damit kein geeignetes Objekt von Rechten. Stattdessen ist er Rechtssubjekt, also potentiell Berechtigter oder Verpflichteter von Rechten.
Klare Gegenmeinung bitte hier: Schon der Begriff"Rechtssubjekt" ist ein neuzeitliches Konstrukt und die Tarnung des Zustands, den "subiectum" wirklich bezeichnet, nämlich"unterworfen","abhängig" (sub = unter, iacere = werfen). Daher bis heute nicht"der" oder"die" (personal), sondern das Subjekt, also sachlich und just die oben bestrittene"Sache". Hat mit"res" (Ding) nichts zu tun."Res adversae" sind nicht"hässliche Sachen", sondern Unglück,"res secundae" nicht"zweite Sachen", sondern Glück.
Noch als spätere Beispiele:"Her Maiestis subiects" (Harsnet) oder"the Kings subiects" (Jonson, auch:"Now, at last, set at liberty to the Readers, his Maiesties Seruants, and Subiects, to be iudg'd."), beides 1. Hälfte 17. Jh. Die ganze moderne Rechtswissenschaft hat mit ihrer, schon vom Ansatz her undurchdachten Vorstellung von"Rechtsubjekt" seit jeher Schieflage. Ein"Subjekt" ohne selbst"sub-iectum" - wäre also ex ante"frei" - zu sein, lässt sich nicht denken.
Noch das:"Sittenwidrig" (die Wal-Mart-Chose) ist mir zu vage und zu sehr von den jeweiligen Zeitläuften abhängig. Da hat sich der Arbeitgeber halt eine res adversa aufgehalst. Tempora mutantur...
Dank und herzlichen Gruß!
|
dottore
09.03.2006, 13:56
@ Tarantoga
|
Re:"Checks and balances" - was zuerst? |
-->Hi Tarantoga,
>Mir ist auch noch keine Lösung in den Sinn gekommen. Aber man kann feststellen, dass ein Gewaltmonopol, das nur nach innen ordnend und steuererhebend wirkt, auf lange Sicht unfinanzierbar ist. Und damit besteht ein Anhaltspunkt für Weiterentwicklungen, die meiner Ansicht nach ohnhin in ganz kleinen Schritten vollzogen werden müssten.
Einverstanden, nur sehe ich nicht mal den kleinsten (nächsten) Schritt.
(...)
>Ihre Hoffnungen über das Verhalten des Souveräns kann ich nicht ganz teilen. Solange die politische Klasse eine kritische Masse der Bevölkerung in zufriedenstellenden Lebensverhältnissen halten kann, dürfte es dem Souverän völlig egal sein, wer ihn regiert. Die spannende Frage ist allein, wie lange diese Lebensverhältnisse bewahrt werden können.
Na, so langsam wird's ungemütlich: Renten runter, Politiker-Pensionen rauf. Jetzt fehlt nur noch sowas wie die"Halsband-Affäre" der Marie-Antoinette und die Volkswut könnte anfangen zu köcheln.
(...)
(...)
>Vielen Dank für die Fundstelle! Ich muss gestehen, ich teile die Ansicht des Minderheitsvotums, aber nur, weil es in dem fraglichen Urteil allein um die Vermögensbesteuerung geht. Gerade als Anhänger der Machttheorie muss man ja anerkennen, dass jegliches Vermögen und erst recht die Rendite daraus nur mit Hilfe des Staates zustandekommt und dieser deshalb prinzipiell auch die Möglichkeit haben sollte, diese Zuwendung beliebig zu begrenzen oder ganz aufzugeben.
Ja, wenn Vermögen plus Renditen netto wären. Wird mit sämtlichen Finanzverpflichtungen des Staates (die selbstverständlich die seiner"Subjekte"/Untertanen sind) saldiert, löst sich alles auf Null saldiert in Nichts auf. Der Staat als CpD-Konto lässt einige daran partizipieren (haben quasi Kontenvollmacht bzw. erteilen Einzugsermächtigung), die Verteilung wird immer grauenhafter, am Ende stehen erst"Generationen-Clash", dann kann's noch wüster kommen. Ich darf an mein Posting zum Mythos "Vatermord" erinnern.
(...)
>Wo immer der Staat hoheitlich tätig wird ist er selbstverständlich Täter, genau betrachtet wohl sogar Gewalt-Täter. Leider ist Macht ohne Missbrauch derselben wohl nicht denkbar, weswegen man jeder Herrschaft kritisch begegnen muss.
Womit begegnen?
>Man müsste untersuchen, ob der unbestreitbare Wohlstandsgewinn in der abendländischen Staats- und Kapitalismusgeschichte ein allein internes Phänomen ist oder ob er nicht vielmehr daher rührt, dass die abendländischen Staaten die Welt dominiert haben und so letztlich via Gewalt (ich zähle auch Marktvorgänge wegen der Vollstreckung der Kontrakte dazu) seinen Wohlstandsgewinn auf Kosten des Restes der Welt erreicht hat.
Ist anzunehmen. Der seit der Antike bekannte Expansionismus weiß immer wieder geschickt die Kleidung zu wechseln (Kolonialismus, Imperialismus, heute:"Demokratie-Export").
>Hat man diese Frage beantwortet, so müsste man wohl bedenken, dass die Expansionsmöglichkeiten, btw. die Möglichkeit Reichtümer aus dem Aussen zu erlangen, tendenziell stark abnimmt und daher das bisherige Modell nicht mehr tragfähig wäre ("Grenzen des Wachstums").
Ja, nimmt ab, vgl. die umfangreiche Literatur sub rubrum"Aufstieg und Fall".
>>"Gefahr" - fuer wen?"Gesellschaftliche Ideale" - welche und wann und von wem (der Gesellschaft? Im"Gesellschaftsvertrag"?) bestimmt?"Ordnung" - natuerlich (welche?) oder gesetzt?
>Gefahr für unsere Variante des Rechtsstaates ist gemeint. Der Staat ist ein gesellschaftliches Ordnungssystem, gleich welche Legitimation er besitzt. Religionen können ähnliche Funktionen haben.
"Ordnung" ist auch so ein Wieselwort."Ordo" ist zunächst nicht die Ordnung, sondern die Reihenfolge. Wer darf als nächster an den Trog.
>Ich meine auch, dass es gewisse gesellschaftliche Ideale gibt, die zwar nirgens ausformuliert werden und daher weder aufgrund eines Gesellschaftsvertrages noch sonstwie konkret und formal fassbar sind, die aber dennoch der Gesellschaft ohne fassbaren herrschaftlichen Einfluss entstammen. Das wird schon deutlich, wenn man nur die Entwiclklung der Rechtsprechung des BVerfG zu verschiedenen gesellschaftlichen Fragen verfolgt. Obwohl die auszulegenden Rechtssätze völlig gleich geblieben sind, hat sich die Auslegung doch erheblich verändert, weil sich die Gesellschaft verändert hat. Das BVerfG hinkt dabei der Gesellschaft immer etwas hinterher, letztlich vollzieht es die Veränderung aber, wenn seine Beurteilung ergibt, dass diese schwammige und kaum fassbare Veränderung der gesellschaftlichen Ideale passiert ist und vorraussichtlich von Dauer sein wird.
Einverstanden. Nur ließe ich gern die"Ideale" weg.
Schönen Gruß!
|
dottore
09.03.2006, 14:36
@ moneymind
|
Re: Dank! Sehr scharfsinnige Interpretation des H'schen Ur-Ansatzes |
-->Hi moneymind,
bin eigentlich mit allem einverstanden.
Letztlich bleiben die Fragen (wenn wir schon von Stamm ---> Feudalsystem ausgehen):
1. Wieviel vom Stamm (solidarisch) übernimmt der Feudalismus (Abgabenherrschaft plus"Solidargedankenreste")? Stichwort Felonie als"Treu"- also"Solidaritätsbruch".
2. Wieviel von Stamm und Feudalismus steckt im"modernen Rechtsstaat"? Ist er nur ein geschickt gewandelter Feudalismus unter Nutzung von Stammes-Sehnsüchten ("Sozialstaat")? Stichworte Subsidiarität oder auch gegenseitige Solidargemeinschaft? Dies allerdings mit einem stammeswirtschaftsfremden Zwangsabgabensystems?
Meine Meinung einstweilen: Die Sehnsucht nach dem"Stammeszustand" wächst, wird auch"politisch" appellativ gepampert. Der der Stammes-"Idee" in der Tatsächlichkeit widersprechende, da waffenzwingende und nicht auf die Scheu vor Ausstoßung aus dem Stammesverband abhebende Neo-Feudalismus des"modernen Staates" wird mit Hilfe hohler Phrasen ("Freiheit","Gleichheit","Grundrechte" usw.) nur übertüncht.
Let's keep going...
Besten Gruß!
|
Tarantoga
09.03.2006, 16:55
@ Baldur der Ketzer
|
Re: Der Drecksstaat kann nie OberEIGENTÜMER sein - grundfalsch |
-->Hallo Baldur!
Imposanter emotionaler Ausbruch..^^
>>>Zwar hat er nach wie vor das Gewaltmonopol, aber seine inneren Schranken hindern ihn daran, es frei, also willkürlich, zu verwenden.
>hahahahahahahahaha, welche Schranken denn? Anstand, Sitte, Ethik, VerfaSS, äh, Grundgeschwätz?
>Das glaubst Du doch selber nicht.
Es geht mir nicht darum, dass sich der Staat gerecht oder anständig verhalten würde, das ist nicht der Fall und nicht das Thema. Aber wie dottore zitierte, sind der Staat eben Leute hinter Schreibtischen, viele Leute, sehr viele Leute. Nur wenn diese Leute anhand gemeinsamer Ordnungskriterien zusammenarbeiten, kann der Staat seine Macht entfalten. Nun gibt es sicherlich gewisse"Neigungen", die in jeder Amtsstube gemeinsam vorherrschen und dann auch gewisse Verhalten zulassen oder hervorrufen. Aber um wirklich mächtig zu sein, müssen die Amtsstuben einer gesetzlichen Ordnung folgen, die zugleich die freie Entscheidung und Handlung des Staates ausschließt. Das gilt auch für den Gesetzgeber. Eine Menge gesetzgeberische und exekutive Entscheidungen werden in anderen Amtsstuben wieder kassiert...
>Der Drecksstaat macht, was er will. Der Bürger war Dreck, ist Dreck, und wird Dreck bleiben. In Zukunft noch gesteigert, mieser Dreck, frecher Dreck, lästiger Dreck oder zu beseitigender/zu internierender Dreck.
Und warum sind wir dann noch nicht interniert?
>Alles andere ist -sorry- dummes Geschwätz aus dem Mädchen-Pensionat im Nonnenkloster. Scharf, aufgeilend, aber völlig einseitig, wirklichkeitsfremd, und irrelevant.
Ich habe große Sympathie für die Ablehnung des Staates, sehr große. Aber man muss realistisch betrachten, was das bedeutet. Das beginnt ökonomisch schon dabei, dass es ohne Staat kein Eigentum gibt...
Btw.: Wenn der Staat so schlimm ist, warum bist Du in Liechtenstein und nicht in Somalia? Soll sonnig sein da...
Das Problem ist, dass den Staat natürlich keiner zahlen will, seine Vorteile nimmt aber jeder gerne an. Das halte ich für wirklichkeitsfremd und verlogen...
Besten Anarchistengruß und nimm mir meinen Spott bitte nicht übel! ;)
|
Baldur der Ketzer
09.03.2006, 17:48
@ Tarantoga
|
Re: Der Drecksstaat |
-->Hallo, Taratoga,
>Imposanter emotionaler Ausbruch..^^
danke, daß Du das nicht auf Dich als Beitragsverfasser gerichtet gesehen hast, denn so war es ja auch nicht gemeint, es ging mir ausschließlich um dieses miese, dreckige, vor Unrecht, Dummheit, Niedertracht und frecher Anmaßung strotzende Gebilde, das man Staat nennt.
Jedenfalls, solange es um BDrael geht.
Ich hatte mich an diesem Tag persönlich wieder einmal ganz konkret, und mich selbst betreffend, über dieses verp.....Gesindel ärgern müssen, daher meine emotional aufgebrachte Stimmung.
>sind der Staat eben Leute hinter Schreibtischen, viele Leute, sehr viele Leute. Nur wenn diese Leute anhand gemeinsamer Ordnungskriterien zusammenarbeiten, kann der Staat seine Macht entfalten.
Unbestritten. Ich kenne etliche davon, aufrechte, ordentliche, sympathische Leute und ein paar weniger von denen, denen man lieber nicht begegnet. Gibt es überall. allerdings mit gewissen tendenzen, in der Schweiz ist die Verwaltung traditionell sehr bürgerfreundlich, in Merkelstan bekannterweise eher köpenickiell, stasi- und gestapohaft. Äh, -gemäß. Komischer Syntax:-).......gestapohaft, so, wie schmerzhaft etc....
>>Nun gibt es sicherlich gewisse"Neigungen", die in jeder Amtsstube gemeinsam vorherrschen und dann auch gewisse Verhalten zulassen oder hervorrufen.
Klar.
>>Aber um wirklich mächtig zu sein, müssen die Amtsstuben einer gesetzlichen Ordnung folgen, die zugleich die freie Entscheidung und Handlung des Staates ausschließt.
Einspruch, Euer Ehren.
Der Staat hat freies Handeln im Rahmen der von ihm selber gemachten Gesetze und Verordnungen, so lange keine Verfassungs-Grundrechte verletzt werden. Er macht sich alles so, wie er es gerne hat, auch über Nacht, wenns pressiert. *Gefahr im verzug* als Zauberwort für Sesam-öffne Dich.....
Ein Dieb mit Generalschlüssel für alle Schließanlagen.
>>Das gilt auch für den Gesetzgeber. Eine Menge gesetzgeberische und exekutive Entscheidungen werden in anderen Amtsstuben wieder kassiert...
Das sehe ich nirgends, bis auf den kleinsten teilbereich von EuGH und die mustergültige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Thema: völkerrichtswidriger Angriffskrieg der Bundeswehr....
ansonsten alles Krähen, die sich keine Augen aushacken, zumal es kaum freies Ermessen gibt.
>Und warum sind wir dann noch nicht interniert?
Warum werden die KZs derart teuer und sorgsam in Schuß gehalten? Man blicke auf die Amis mit ihrer ausgelagerten (wars Haliburton?) Unterbringungskapazität.......und wenn ich ans Merkel denke..an Schäuble und den Kriegbert, dann kann eine Kopie davon nicht lange auf sich warten lassen.....
>Ich habe große Sympathie für die Ablehnung des Staates, sehr große. Aber man muss realistisch betrachten, was das bedeutet. Das beginnt ökonomisch schon dabei, dass es ohne Staat kein Eigentum gibt...
Wie vielfach herausgestellt, gibt es hierzu auch eine andere Ansicht (R.Deutsch u.a.), und da der Staat das Eigentum eh miserabel bis gar nicht sichert, wenn es sich um Eigentum von Steuerzahlern handelt (zahlungsunwillige Schuldner etc.), ist das für mich kein stichhaltiges Argument. Wenn jemand kommt und mir was wegnehmen will, kann ich ihn selbst in die Schranken weisen, wenn mir eine freiheitliche Rechtsordnung dieses Notwehrrecht zubilligt und faktisch ermöglicht, wie dies in manchen Ländern noch der Fall ist, im Gegensatz zu BDrael.
Ich hab keine Angst vor nächtlichen Einbrechern und bräuchte auch keine Polizei, falls.
>Btw.: Wenn der Staat so schlimm ist, warum bist Du in Liechtenstein und nicht in Somalia? Soll sonnig sein da...
Staat ist ja nicht generll von Übel, sondern ein Staat nach sozialistisch-restriktiver Ausprägung. Ich habe mit dem liechtensteiner Staat nullkommnull Probleme. wir sprechen ja vom Hochsteuerstaat, Raubritterstaat, Rabenvaterstaat. Von der BRD halt.
>Das Problem ist, dass den Staat natürlich keiner zahlen will, seine Vorteile nimmt aber jeder gerne an.
Es ist die Frage, wie der Saldo herauskomt, manche ziehen freilich mehr, als sie zahlen, andere wiederum, oft die Leistungsträger, sind in den Hintern gekniffen. Ich hab mit einer einzigen Steuerzahlung mehr abgedrückt, als meine Lebensempfangssumme maximal gewesen sein mag. Ich bin nix schuldig.
Hier ist das eh anders, weil die Wohnsitzgemeinde 2/3 der Steuern bekommt, da siehst Du den Sinn und gibts auch mal was extra, freigiebig, als Spende oder dergl., denn man sieht Dich auch nicht als Arsch mit Ohren, Steuerknecht mit Knebel, oder Superverbrecher im Generalverdacht.
Das halte ich für wirklichkeitsfremd und verlogen...
>Besten Anarchistengruß und nimm mir meinen Spott bitte nicht übel! ;)
Ach was, kein Problem. ich selber hätte auch keine Probleme mit Anarchie, irgendwie erscheint mir das fairer, als ein aufgeblähter Staat voller weltfremder Gutmenschen, die auf Steuerknechtes Kosten ihre wirklichkeitsfremden Gehirnfürze umgesetzt sehen wollen.
Beste Grüße vom Baldur
|
certina
09.03.2006, 18:30
@ Tarantoga
|
Re: Der Drecksstaat kann nie OberEIGENTÜMER sein - grundfalsch |
-->>Hallo Baldur!
>Imposanter emotionaler Ausbruch..^^
>Das Problem ist, dass den Staat natürlich keiner zahlen will, seine Vorteile nimmt aber jeder gerne an. Das halte ich für wirklichkeitsfremd und verlogen...
>Besten Anarchistengruß und nimm mir meinen Spott bitte nicht übel! ;)
hi Tarantoga,
das ist aber vorbeifabuliert bzw missgedeutet geworden!!!!!!!!
Baldur (und ich auch) haben nie gesagt, dass wir den Staat"natuerlich" nicht zahlen wollen,
aber dass wir stattdessen seine Vorteile aber
gerne in Anspruch nehmen.
Du sprichst in diesem Zusammenhang von"jeder".
Wir sind aber bestimmt nicht jeder, ich jedenfalls nicht.
Wie kommst du denn da drauf?
Wir sind doch keine Phantasten, die Waren/Leistungen (vom Staatin dem Falle) verlangen,fuer die wir nicht bereit waeren, zu zahlen?
Und ich masse mir mal an, auch gleich fuer Baldur mitzusprechen:
Es kommt naemlich schlicht auf die <font size="4">Verhaeltnismaessigkeit</font> an!!!
Naemlich auf die Qualität (!) und den Umfang (!) der"Leistungen" (Vorteile), fuer die der Staat (mittels Steuern) die Rechnungen stellt. Er hat ein Dienstleistungsunternehmen zu sein, das Rahmenbedingungen abzugrenzen/zu stecken hat! Und dafuer wird er selbstverstaedlich bezahlt, mit Steuern, Gebuehren.
Aber diese Rechnung, die aufgemacht wird, ist seit Jahrzehnten eben u n v e r h a e l t n i s m a e s s i g. Sprich vollstaendig aus dem Ruder gelaufen, wegen Unfaehigkeit und Dummheit, verbunden mit Trotteligkeit und Verlogenheit, gepaart natuerlich mit der Arroganz der Macht!!!
Tatsaechlich: Einzig Anarchie wuerde diesen Umtrieben
tatsaechlich aprupten Einhalt gebieten.
Deswegen auch der Temperamentsausbruch von Baldur und ich bin sicher, dass er nichts anderers gemeint hat.
Und immerhin hat er mit FL ja ein Land gewaehlt in dem der Irr - und Wahnsinnn (noch) nicht derartig ausgeburt ist wie im Musterlaendle Deutschland, immer oefter, und mit recht, inzwischen als Absurdistan am Pranger stehend.
tschuess
G.C.
|
Rudow
09.03.2006, 21:31
@ dottore
|
Re: H'scher Ur-Ansatzes, Julian Jaynes (Der Ursprung des Bewusstseins, 1976) |
-->Hier ist neulich schon mal der Name Julian Jaynes (Der Ursprung des Bewusstseins, 1976, deutsch 1988) genannt worden. Das folgende Script könnt in dem hier angesprochenen Zusammenhang der Entstehung von Recht und Ordnung eine weitere Theorie anbieten.
http://www.rewi.hu-berlin.de/jura/ls/swt/_content/forschung/vob_philo/philo_7.pdf
Grüße
Rudow
|
Tassie Devil
10.03.2006, 00:37
@ Tarantoga
|
Re: Der Mafiastaat namens BRDDR |
-->>Hallo Baldur!
>Imposanter emotionaler Ausbruch..^^
>>>>Zwar hat er nach wie vor das Gewaltmonopol, aber seine inneren Schranken hindern ihn daran, es frei, also willkürlich, zu verwenden.
>>hahahahahahahahaha, welche Schranken denn? Anstand, Sitte, Ethik, VerfaSS, äh, Grundgeschwätz?
>>Das glaubst Du doch selber nicht.
>Es geht mir nicht darum, dass sich der Staat gerecht oder anständig verhalten würde, das ist nicht der Fall und nicht das Thema. Aber wie dottore zitierte, sind der Staat eben Leute hinter Schreibtischen, viele Leute, sehr viele Leute. Nur wenn diese Leute anhand gemeinsamer Ordnungskriterien zusammenarbeiten, kann der Staat seine Macht entfalten. Nun gibt es sicherlich gewisse"Neigungen", die in jeder Amtsstube gemeinsam vorherrschen und dann auch gewisse Verhalten zulassen oder hervorrufen. Aber um wirklich mächtig zu sein, müssen die Amtsstuben einer gesetzlichen Ordnung folgen, die zugleich die freie Entscheidung und Handlung des Staates ausschließt. Das gilt auch für den Gesetzgeber. Eine Menge gesetzgeberische und exekutive Entscheidungen werden in anderen Amtsstuben wieder kassiert...
>>Der Drecksstaat macht, was er will. Der Bürger war Dreck, ist Dreck, und wird Dreck bleiben. In Zukunft noch gesteigert, mieser Dreck, frecher Dreck, lästiger Dreck oder zu beseitigender/zu internierender Dreck.
>Und warum sind wir dann noch nicht interniert?
>
>>Alles andere ist -sorry- dummes Geschwätz aus dem Mädchen-Pensionat im Nonnenkloster. Scharf, aufgeilend, aber völlig einseitig, wirklichkeitsfremd, und irrelevant.
>Ich habe große Sympathie für die Ablehnung des Staates, sehr große. Aber man muss realistisch betrachten, was das bedeutet. Das beginnt ökonomisch schon dabei, dass es ohne Staat kein Eigentum gibt...
>Btw.: Wenn der Staat so schlimm ist, warum bist Du in Liechtenstein und nicht in Somalia? Soll sonnig sein da...
>Das Problem ist, dass den Staat natürlich keiner zahlen will, seine Vorteile nimmt aber jeder gerne an. Das halte ich für wirklichkeitsfremd und verlogen...
>Besten Anarchistengruß und nimm mir meinen Spott bitte nicht übel! ;)
|
Holmes
10.03.2006, 09:57
@ dottore
|
Stamm vs. Staat |
-->Hi dottore!
>Meine Meinung einstweilen: Die Sehnsucht nach dem"Stammeszustand" wächst, wird auch"politisch" appellativ gepampert. Der der Stammes-"Idee" in der Tatsächlichkeit widersprechende, da waffenzwingende und nicht auf die Scheu vor Ausstoßung aus dem Stammesverband abhebende Neo-Feudalismus des"modernen Staates" wird mit Hilfe hohler Phrasen ("Freiheit","Gleichheit","Grundrechte" usw.) nur übertüncht.
In der Tat, in dem Mini-Stamm (Familie) herrscht (manchmal) noch echte Solidarität und gibt es auch kein Geldsystem. Verrechnung von Leistungen geschieht auf Vertrauensbasis plus Wachsamkeit der Ältesten (gerechte Verteilung von Essen und Liebe:-).
Problem gibt es immer, wenn Stammesfremde dazukommen, hier hilft dann nur die umfassende Nächstenliebe, die aber aufgrund Informationsmangels (Lohnt sich mein Engagement eigentlich?) immer unsicherer ist als die"Stammesliebe" (im ganz schlimmen Fall hilft für das sozial völlig desillusionierte Individuum nur noch die Selbstliebe).
Basis der Stammes-Ethik ist die wohlbekannte Goldene Regel:"Wie Du mir, so ich Dir", auf der auch die gesamte humanistische Ethik aufbaut.
Interessanterweise (ist mir erst vor kurzem so klar geworden), widerspricht aber die Existenz von Hierarchie ("heilige Herrschaft") und Macht eben dieser Regel.
Denn wo der eine über den anderen herrscht, kann sich das Verhältnis nicht umdrehen, sondern ist grundlegend asymmetrisch (besonders wenn es sich um unnahbare Götter handelt).
Nur wenn eine zeitliches Abwechseln der Dominanzpositionen stattfinden würde, könnte ein Ausgleich und eine Selbstbeschränkung der Macht stattfinden (der andere könnte sich ja für die Machenschaften der vorherigen Periode rächen wollen).
Weil aber Machtpositionen immer selten sind (die Mehrheit muss ja den Surplus besorgen), werden niemals alle in die Rolle der Herrscher kommen können und somit ein Risiko für die aktuellen Herrscher sein. Eine wohlausgewogene Parteien-Oligarchie täuscht Demokratie (und damit die theoretische Möglichkeit der Machtübernahme von jedermann) vor, die in vierjährigem Abstand zelebriert wird (in den USA mit nur zwei Lagern wohl noch viel extremer).
Fazit: Wo geherrscht wird, ist die Goldene Regel ausser Kraft gesetzt. Alle Machtsysteme widersprechen den fundamentalen Anforderungen der Ethik.
Bisher hat noch jedes Machtsystem viele seiner ethischen Standards über Bord geworfen, wenn es um sein eigenes Überleben ging. Egalitäre Moral ist nur solange"erlaubt", solange es dem Machtsystem gutgeht. Ethik kann daher auch nicht die Grundlage des Zusammenlebens sein, sondern ist ein Hilfsmittel, um eine innere Ordnung aufrechtzuerhalten, die durch offenen Zwang viel schwieriger und teuer wäre. Das gute deutsche"Pflichtbewusstsein" dem Volk/Nation gegenüber, ist eine optimale Strategie, um aus den Sub-jekten (Vielen Dank für die erhellende Erklärung) die maximale Leistung bei minimalen Kosten herauszuholen. Womit wir auch wieder bei den Unterdrückungsinstrumenten wären...
Beste Grüsse,
Holmes
|
moneymind
12.03.2006, 23:51
@ dottore
|
Re: Wo Eigentümer-, wo Feudal- und wo Stammesgesellschaft? - dottore |
-->Hi dottore,
sorry für die Verzögerung. Bin derzeit nicht nur sehr beschäftigt, sondern auch etwas abgelenkt (allerdings angenehm - die Ablenkung ist weiblich).
Zunächst mal danke für das Kompliment, fühle mich geehrt.
Habe Heinsohn seinerzeit (schon ca. 1995, noch während meines Studiums) übrigens über ihr Kapitalismus-Buch entdeckt, auf das ich in der Bibliothek per Zufall gestoßen war. Hiermit späten Dank für den fruchbaren Hinweis!
>bin eigentlich mit allem einverstanden.
Das freut mich. Hat das Auswirkungen auf die Machttheorie, und wenn ja welche?
>Letztlich bleiben die Fragen (wenn wir schon von Stamm ---> Feudalsystem ausgehen):
>1. Wieviel vom Stamm (solidarisch) übernimmt der Feudalismus (Abgabenherrschaft plus"Solidargedankenreste")? Stichwort Felonie als"Treu"- also"Solidaritätsbruch".
Aus meiner Sicht: schwer allgemein zu beantworten. Dafür braucht es Detailuntersuchungen konkreter Fälle. Ein paar Überlegungen dazu:
Die begriffliche Trias"Stamm" (verwandtschaftliche Solidarbeziehungen),"Feudalsystem" (auf"Befehl" und meist Religion beruhende Befehlsbeziehungen, zentralisierte Redistribution) und"Eigentums-/Geldwirtschaft" stellt aus meiner Sicht zunächst einmal ein Set idealtypischer Unterscheidungen zur Verfügung, die nicht Geschichte"abbilden", sondern eine bestimmte Perspektive auf Geschichte ermöglichen, indem ein Set von Unterscheidungen zur Strukturierung des Blicks verwendet wird. Dieses Set von Unterscheidungen (bzw. Begriffen) braucht man für die Detailstudien (als analytisches Werkzeug), ersetzt die Detailstudien aber nicht.
Für solche Detailuntersuchungen brauchen wir als Denk- und Wahrnehmungswerkzeuge klare und eindeutige begriffliche Unterscheidungen und idealtypisch"reine" Modelle (Stamm, Feudalismus, Eigentums-/Geldwirtschaft).
In der"Wirklichkeit" treten diese Formen aber nicht"rein" auf, sondern in verschiedenen Kombinationen, wobei in unterschiedlichen Kontexten dann auch unterschiedliche Rationalitäten dominieren können
Beispiel: in einer Eigentumsgesellschaft verhält sich der Vater zuhause nach stammesgesellschaftlichen Solidaritätsprinzipien, im Betrieb folgt er, so er Unternehmer ist, einer betriebswirtschaftlichen Eigentümer-Rationalität und wenn er Beamter ist, einer feudalen Loyalitäts-Rationalität, etc.
Es wird in der Geschichte nicht ein System durch ein anderes ersetzt, sondern eher überlagert und ggf. dominiert.
Wenn man eine historische Abfolge Stamm - Feudalsystem - Eigentumsgesellschaft annehmen darf, dann wäre zu erwarten, daß
a) Feudalsysteme die vorige Stammesstruktur teilweise in sich aufnehmen, aber überformen und modifizieren und
b) Eigentumsgesellschaften die vorherigen Stammes- und Feudalstrukturen in sich aufnehmen, aber überformen und modifizieren.
c)"reine" Stammesgesellschaften, die in Kontakt mit Feudal- oder Eigentümergesellschaften kommen, von dort Verhaltensweisen übernehmen, ohne deshalb die komplette Gesellschaftsstruktur in ihren Stamm zu importieren (ie Aborigines hantieren mit Aussie-Dollars).
In welchem konkreten Verhältnis diese Prinzipien dann tatsächlich stehen und wie man sich das"überformen" und"modifizieren" konkret vorstellen kann, kann man nur mit Detailuntersuchungen beantworten.
Z.B.
Auch in Eigentums-/Geldwirtschaften gibt es verwandtschaftliche Solidarität, wenn die mir auch nach und nach durch Geldbeziehungen und betriebsw. Rationalkalkül dominiert und marginalisiert zu werden scheint, ohne sie allerdings jemals völlig zu ersetzen. Auch in Eigentums-/Geldwirtschaften gibt es quasi-feudale Redistribution - auf das Steuersystem weisen Sie ja zu Recht ständig hin, staatliche Institutionen wie Schule, Universitäten usw. arbeiten eher nach dem Prinzip feudaler Gefolgschaftsbildung und Loyalität als nach einem unternehmerischen Marktkalkül; und auch innerhalb größerer Unternehmen dominiert intern eine hierarchische, quasi-feudale Organisationsstruktur (redistributiv).
Zur Frage, wieviel Stamm bleibt in einem Feudalsystem: Familie und innerfamiliale Solidarität bleibt Basis der ges. Reproduktion auch in Feudalsystemen, wird also nicht eliminiert, sondern sozusagen überformt und dabei ggf. modifiziert, aber nicht ersetzt. Innerfamiliäre Solidarität gab es im Realsozialismus genauso wie es sie in Eigentumsgesellschaften gibt (wenn sie auch dort wie gesagt nach und nach immer mehr vom individualistischeren Eigentümerkalkül dominiert wird).
>2. Wieviel von Stamm und Feudalismus steckt im"modernen Rechtsstaat"?
Sehr viel.
Familien - quasi-stammesgesellschaftliche Basis (s.o.)
Steuersystem, Staatssektor: Feudalsystem in der E-Ges.
Die Entwicklungstendenzen, die ich sehe:
1) Familiäre Solidarität wird durch Eigentümerrationalität (und v.a. Lohnarbeitsstruktur) nach und nach unterminiert, daher Geburtenrückgang, Individualisierung etc..
2) Eigentümerrationalität ist (immer) in Gefahr, durch feudale Prinzipien immer weiter eingeschränkt zu werden, aber deswegen längst noch nicht komplett verschwunden. Gegentendenz gibt es auch (Neoliberalismus: Rückzug des Staats aus der Wirtschaft, Privatisierung etc.).
Ist er nur ein geschickt gewandelter Feudalismus unter Nutzung von Stammes-Sehnsüchten ("Sozialstaat")? Stichworte Subsidiarität oder auch gegenseitige Solidargemeinschaft? Dies allerdings mit einem stammeswirtschaftsfremden Zwangsabgabensystems?
Auch - aber nicht"nur". Das"nur" halte ich für eine irreführende Reduktion.
Das Prinzip"Rechtsstaat mit Eigentum, freie Vertrags- und Geldbeziehungen" ist gegenüber Feudalsystemen qualitativ neu und andersartig. Daß stammesgesellschaftliche (Solidar-) und feudale (Redistributions-)prinzipien auch weiterhin bestehen bleiben, ist dabei völlig unbestritten, klar und unvermeidbar, s.o.
Daß - da der Staat nicht nach einer Eigentümer-Rationalität arbeiten KANN, sondern sich feudaler Prinzipien bedienen MUSS (Stichwort: Politiker haften nicht wie Eigentümer für die von ihnen getätigten"Staatsausgaben") besteht immer die Gefahr, daß die Eigentümer-Rationalität wieder von feudalen Prinzipien überformt und ggf. verdrängt und schlimmstenfalls beseitigt wird (siehe dazu auch ein früheres Posting von mir). Andererseits hat der Staat (als dem betriebswirtschaftlichen Kalkül enthobener wirtschaftlicher Großakteur so auch die Möglichkeit, geldwirtschaftlichen Paradoxien entgegenzuwirken (z.B. antizyklische Konjunkturpolitik, um der selbstverstärkenden Tendenz einer Kreditexpansion bzw. -Kontraktion entgegenzuwirken). Setzt allerdings verantwortliche und kompetente politische Akteure voraus...
Daß der Sozialstaat auf feudalen Prinzipien beruht und"Stammessehnsüchte" bedient - völlig klar, sehe ich genauso. Daß deswegen eine moderne Geldwirtschaft"nur" ein modifiziertes Stammes-/Feudalsystem sei, kann man deswegen aber nicht sagen, da das Prinzip"Eigentum, Vertragsfreiheit, Schuldrecht und Geld" qualitativ neue Elemente einführt, qualitativ neue Kalküle und Handlungsstrategien erzeugt (Entrepreneurship, Innovationsorientierung -- in Stämmen und Feudalsystemen ist Innovation eher verpönt, da es die geheiligten Traditionen in Frage stellt; Ausnahme natürlich: Realsozialismus (techn. Innovativität erwünscht, um Kap. einzuholen/zu überholen), aber der war ein Feudalsystem, das auf mißverstandenen Ideen der bürgerlichen Aufklärung aufgebaut war.
>Meine Meinung einstweilen: Die Sehnsucht nach dem"Stammeszustand" wächst, wird auch"politisch" appellativ gepampert.
Leider ja.
Der der Stammes-"Idee" in der Tatsächlichkeit widersprechende, da waffenzwingende und nicht auf die Scheu vor Ausstoßung aus dem Stammesverband abhebende Neo-Feudalismus des"modernen Staates" wird mit Hilfe hohler Phrasen ("Freiheit","Gleichheit","Grundrechte" usw.) nur übertüncht.
Auch, aber nicht"nur". Daß hierzulande Vertragsfreiheit und Vertragssicherheit nach wie vor in einem in Feudalsystemen unbekannten Ausmaß vorhanden ist, werden Sie sicherlich nicht bestreiten. Das sollte man m.E. nicht kleinreden, sondern verteidigen.
Oder, noch klarer ausgedrückt: die Frage "Eigentümer- oder Feudalgesellschaft" ist aus meiner Sicht falsch gestellt, weil sie nur zwei Antworten zuläßt, von denen beide falsch (weil zu undifferenziert) wären. Bessere Fragen: in welchem Verhältnis stehen beide Organisationsformen bei uns heute, in welchen Bereichen dominiert welche Rationalität, wie genau, welche Entwicklungstendenzen gibt es, etc. etc.
Gruß
moneymind
|
moneymind
13.03.2006, 00:24
@ Holmes
|
Re: Kein Ausgleich von Geben und Nehmen bei Hierarchie? - Holmes |
-->Hi Holmes,
nur kurz:
>Basis der Stammes-Ethik ist die wohlbekannte Goldene Regel:"Wie Du mir, so ich Dir", auf der auch die gesamte humanistische Ethik aufbaut.
>Interessanterweise (ist mir erst vor kurzem so klar geworden), widerspricht aber die Existenz von Hierarchie ("heilige Herrschaft") und Macht eben dieser Regel.
>Denn wo der eine über den anderen herrscht, kann sich das Verhältnis nicht umdrehen, sondern ist grundlegend asymmetrisch (besonders wenn es sich um unnahbare Götter handelt).
Warum? Haben nicht die"Beherrschten" oftmals etwas davon,"unterdrückt" zu werden? In religiös bestimmten Feudalsystemen (incl. kath. Kirche) bekommen sie"Seelenheil", und scheinen das in ihrer Mehrzahl auch so zu wollen (siehe dazu auch Heinsohns Religionstheorie- gleichzeitig Versuch, die Entstehung der historisch ersten religiös bestimmten Feudalsysteme zu erklären).
Daß"Herrschaft" oder"Hierarchie" grundsätzlich der menschlichen Natur widersprechen soll, leuchtet mir nicht ein. Warum wird dann nicht ständig dagegen rebelliert (die Mehrzahl der Staaten dieser Erde sind doch praktisch Feudalsysteme), sondern nur unter gewissen historischen Umständen? Auf eine Veränderung der menschlichen Natur wirst Du Revolutionen nicht zurückführen können.
Nein, ich denke, daß auch in vielen hierarchischen Systemen ein Ausgleich von Geben und Nehmen hergestellt wird.
Mindestens sollte man, denke ich, unterscheiden zwischen solchen Herrschaftssystemen, in denen die Herrschaft aus welchen Gründen auch immer akzeptiert wird, und solchen, in denen das nicht der Fall ist. Das subjektive Empfinden der Beherrschten wäre da der Maßstab, nicht ein abstraktes Ideal der"Hierarchiefreiheit".
Ich gebe Dir mal ein Beispiel. In einem Orchester spielen bis zu 100 Musiker zusammen. Nun hat ein Musiker, genannt Komponist, festgelegt, was genau jeder dieser 100 Musiker zu jedem Zeitpunkt zu spielen hat, damit sich ein stimmiges Gesamtergebnis ergibt; und ein weiterer Musiker, genannt Dirigent, leitet die Proben und Auftritte und sorgt für die Feinarbeit bei der Koordination dessen, was die 100 Musiker tun.
Zwischen Komponist und Orchester (samt Dirigent) besteht also ein Verhältnis hierarchischer Unterordnung. Aber die Musiker"fügen" sich dem. Warum? Was gewinnen sie dadurch? Sie können sich auf die Ausführung von Anweisungen beschränken und brauchen nicht selbst kreativ zu werden. Indem sie ausführende Musiker werden, geben sie ihre Selbständigkeit und Freiheit auf, ersparen sich damit aber die Mühe der eigenständigen kreativen Arbeit.
Es gibt eben anscheinend Leute, die es vorziehen, angeleitet zu werden.
Der Komponist braucht aber ausführende Musiker - und die ausführenden Musiker brauchen den Komponisten. Jedenfalls ab einer bestimmten Gruppengröße. Im Jazz ist es anders. Jazzmusiker sind Komponisten, Interpreten und Improvisatoren in Personalunion, und in kleinen Gruppen funktioniert das auch. Aber sobald die Band Big-Band-Größe erreicht (zw. 17 und 20 Musiker), werden die einzelnen Parts komplett ausnotiert (also hierarchisch vorgegeben) und nur einzelne Soli werden"frei" improvisiert (auch Improv unterliegt einer Menge Restriktionen - die zu lernen, nennt man unter Musikern"Üben").
Will sagen: Hierarchie muß nicht grundsätzlich"schlecht" sein - sie kann eben auch nützliche Koordinationsfunktionen haben. Genausowenig stimmt es natürlich, daß deswegen JEDE Form von Hierarchie und Herrschaft gerechtfertigt wäre. Man muß halt differenzieren und jedes System einzeln betrachten, finde ich. Subjektives Empfinden der"Hierarchieunteren" wäre dann vielleicht ein sinnvoller Maßstab zur Bewertung des Systems.
Gruß
moneymind
|
Holmes
13.03.2006, 22:18
@ moneymind
|
Re: Kein Ausgleich von Geben und Nehmen bei Hierarchie? - Moneymind |
-->Hi Moneymind,
ich stimme Dir zu, dass eine Gruppe sich organisieren kann und dazu auch einen"Führer" bestimmt, der eben diese Aufgabe übernimmt. Das ist normalerweise auch nicht der beste/bequemste Job, wie ich als geplagter Projektleiter gerne bestätige.
Dito in Sportmannnschaften etc. Das sind meines Erachtens aber eben keine"Hierarchien", weil es nicht um Herrschaft, sondern um Führung geht. Du wirst mir hoffentlich zustimmen, dass diese Begriffe nicht identisch sind.
Ein Dirigent"herrscht" nicht über das Orchester, er führt es. Genauso ist im Prinzip die Unternehmensethik eines Peter Drucker. Eben Leadership, nicht Dictatorship.
Revolutionen sind meines Erachtens dann angesagt, wenn die"Geführten" merken, dass sie an der Nase-herum-Geführte sind. Dass eben nicht der gemeinsame Sieg, das gemeinsame Werk, die gemeinsame Leistung im Vordergrund steht, sondern in erster Linie der Vorteil der Anführer.
Das ist der Bruchpunkt in Projekten, Unternehmen und Staaten. Eine Armee verliert ihren General und die Gefolgschaft, wenn klar ist, dass die Soldaten nur verheizt werden. Dann wird offene Gewalt eingesetzt, wie es an allen Fronten der Fall war (Offiziere erschiessen die Zurückweichenden). Wenn den Leuten dann klar ist, dass sie nur"Futter" sind, bricht alles zusammen und jeder ist sich selbst der nächste.
Der Punkt des Zusammenbruchs der Goldenen Regel ist dann gegeben, wenn die Leute erkennen, dass mit zweierlei Maß gemessen wird und die Spitze eben nicht"Fair Play" spielt, sondern massiv ihre Position zum eigenen Vorteil (und nicht zum Win-Win) ausnutzt. Damit ist dann auch klar, dass es kein Miteinander, sondern ein Gegeneinander ist. Ab dann sprechen die Waffen, das Vertrauen ist zerstört.
Im Kleinen kann man das gut in Firmen beobachten. Solange eine grosse Solidarität und gegenseitige Achtung herrscht, arbeiten die Mitarbeiter und die Unternehmensführung prima zusammen. Alles wird einvernehmlich geregelt, der gemeinsame Erfolg zählt. Wenn aber irgendwann klar wird, dass die Mitarbeiter nur ein am besten zu reduzierender Kostenposten sind, dann ist Schluss mit freiwilliger Mehrarbeit, Flexibilität und Mit-Denken. Dann wird nur noch Dienst nach Vorschrift gemacht, weil eben die eine Hand nicht mehr die andere wäscht.
Organisation und Führung sind ein wichtiges Prinzip zu effektiven und effizieten Arbeitsaufteilung, völlig klar. Aber sie bergen auch die Gefahr, dass sich die Positionen verselbstständigen und auf einmal ganz andere Ziele im Vordergrund stehen als die Mehrheit glaubt. Wenn die Illusion der Gemeinsamkeit zerbricht, dann geht es los.
Beste Grüsse,
Holmes
|
moneymind
14.03.2006, 00:59
@ Holmes
|
Re: Führung vs. Herrschaft - holmes |
-->Hi Holmes,
Deine Unterscheidung zwischen Führung und Herrschaft/Dictatorship gefällt mir, scheint mir nützlich und wichtig.
Meiner Erfahrung nach funktioniert"Führung" am besten in kleineren Gruppen. Je größer die Gruppe wird, und je"anonymer" damit die Gruppenzugehörigkeit wird, desto eher liegt für die einzelnen Trittbrettfahrerverhalten nahe (sich Vorteile verschaffen auf Kosten der Gruppe, sich durchmogeln etc.). Nicht nur für die jeweils"Herrschenden" (Korruption, Machtmißbrauch etc.), sondern auch für die jeweils"Beherrschten" (nach außen: meckern, real: sich arrangieren, versuchen, möglichst viele Vorteile für sich selbst herauszuschlagen, statt nach Alternativen zu suchen und diese umzusetzen).
Eine"Ideologie der Gemeinsamkeit", die ein gemeinsames Ziel und gemeinsame Ideale definiert und vorgibt, kann dem entgegenwirken (wie am Beispiel des Sozialismus zu sehen) und wird deshalb womöglich in dem Grad nötiger, wie der Zusammenhang zwischen dem Einzelnen und der Gruppe aufgrund der wachsenden Gruppengröße"anonymer" wird.
Außerdem natürlich das Mittel der totalen Überwachung und Kontrolle"von oben", das man am Beispiel der DDR und dem Sozialismus generell schön beobachten kann.
Mir scheint, daß ab einer bestimmten Gruppengröße dann andere Prinzipien als das der hierarchischen Top-Down-Organisation zu effektiveren Ergebnissen führen. Hier scheint mir das Prinzip"Eigentum, Vertrag und Geld" effektiver zu sein, u.a. weil es (über das Schuldrecht und die Vermögenshaftung) ganz klar individuelle (wirtschaftliche) Verantwortlichkeiten zuweist, die nicht"von oben" überwacht werden müssen: weil nämlich die"Bestrafung" für nicht gruppengemäßes (hier: marktkonformes) Verhalten einfach in Vermögensverlust besteht. Direkte Überwachung von oben ist nicht mehr nötig, weil der Zwang zur Erbringung von Beiträgen zur Gruppe jetzt (qua Geldknappheit) quasi anonym und dezentralilsiert über Kundenentscheidungen ausgeübt wird, die darüber entscheiden, wer im Wettbewerb um (mindestens in der Krise) knappes Geld (Schuldendeckungsmittel) Erfolg hat und wer nicht.
Daher auch Outsourcing und Privatisierung. Dort wo das Prinzip der Zuweisung von Verantwortung durch haftendes Eigentum so modifiziert wird, daß die Eigentümer eines Betriebs nicht mehr die wirtschaftlichen Akteure sind (AGs z.B.), liegt wiederum Trittbrettfahrerverhalten nahe (f. Lohnarbeiter, incl. Managern).
Gruß
moneymind
|
dottore
14.03.2006, 16:50
@ moneymind
|
Re: Wo Eigentümer-, wo Feudal- und wo Stammesgesellschaft? - dottore |
-->Hi moneymind,
wir robben uns voran...
>>bin eigentlich mit allem einverstanden.
>Das freut mich. Hat das Auswirkungen auf die Machttheorie, und wenn ja welche?
Der Satz ist besonders wichtig:"Freiheit von traditional bestimmten interpersonalen Rechten und Pflichten." Dabei müsste natürlich in die große Stammeskiste gegriffen werden. Was vor allem fehlt: Wie waren die Stämme Innerasiens (Ausgangspunkt ---> Mesopot, Indus, China, evtl. gibt es auch eine"Südschiene" ---> SW-Afrika --> Indien, Hinterindien, Polynesien, nicht ganz klar woher kommen die"ersten" Amerikaner? Olmeken ex Afrika? Alle anderen via Beringstraße?)"strukturiert". Das schöne Wort"Horde" gibt zu wenig her.
>>Letztlich bleiben die Fragen (wenn wir schon von Stamm ---> Feudalsystem ausgehen):
>>1. Wieviel vom Stamm (solidarisch) übernimmt der Feudalismus (Abgabenherrschaft plus"Solidargedankenreste")? Stichwort Felonie als"Treu"- also"Solidaritätsbruch".
>Aus meiner Sicht: schwer allgemein zu beantworten.
Ja, allgemein geht nichts. Aber der Strang Mesopot ---> Mari, Phönizier, Griechen, Römer, Europa, Wall Street ist und bleibt der wichtigste, von wegen Abgabe, Zins, Geld, Eigentum-Zession usw..
>Dafür braucht es Detailuntersuchungen konkreter Fälle. Ein paar Überlegungen dazu:
>Die begriffliche Trias"Stamm" (verwandtschaftliche Solidarbeziehungen),"Feudalsystem" (auf"Befehl" und meist Religion beruhende Befehlsbeziehungen, zentralisierte Redistribution) und"Eigentums-/Geldwirtschaft" stellt aus meiner Sicht zunächst einmal ein Set idealtypischer Unterscheidungen zur Verfügung, die nicht Geschichte"abbilden", sondern eine bestimmte Perspektive auf Geschichte ermöglichen, indem ein Set von Unterscheidungen zur Strukturierung des Blicks verwendet wird. Dieses Set von Unterscheidungen (bzw. Begriffen) braucht man für die Detailstudien (als analytisches Werkzeug), ersetzt die Detailstudien aber nicht.
Ja. Leider.
>Für solche Detailuntersuchungen brauchen wir als Denk- und Wahrnehmungswerkzeuge klare und eindeutige begriffliche Unterscheidungen und idealtypisch"reine" Modelle (Stamm, Feudalismus, Eigentums-/Geldwirtschaft).
Vielleicht reichen (freiwillige) Reziprok/Subsidiaritäts- und (erzwungene) Abgabenwirtschaft. Beides in relativen Stärken.
>In der"Wirklichkeit" treten diese Formen aber nicht"rein" auf, sondern in verschiedenen Kombinationen, wobei in unterschiedlichen Kontexten dann auch unterschiedliche Rationalitäten dominieren können.
Ja.
>Beispiel: in einer Eigentumsgesellschaft verhält sich der Vater zuhause nach stammesgesellschaftlichen Solidaritätsprinzipien, im Betrieb folgt er, so er Unternehmer ist, einer betriebswirtschaftlichen Eigentümer-Rationalität und wenn er Beamter ist, einer feudalen Loyalitäts-Rationalität, etc.
>Es wird in der Geschichte nicht ein System durch ein anderes ersetzt, sondern eher überlagert und ggf. dominiert.
Ja, aber das Wie & Warum der Überlagerung bzw. Dominanz läuft auf den Waffeneinsatz hinaus. Der Vater führt die Familie unbewaffnet (Waffeneinsatz bestenfalls der Ochsenziemer), Eigentümer sind auf Waffenschutz (Zeigen reicht) angewiesen, das Feudale kommt ohne Waffeneinsatz (Feudalherren- bzw. Staatsdominanz - da krachts's dann wirklich) nicht aus.
>Wenn man eine historische Abfolge Stamm - Feudalsystem - Eigentumsgesellschaft annehmen darf, dann wäre zu erwarten, daß
>a) Feudalsysteme die vorige Stammesstruktur teilweise in sich aufnehmen, aber überformen und modifizieren und
>b) Eigentumsgesellschaften die vorherigen Stammes- und Feudalstrukturen in sich aufnehmen, aber überformen und modifizieren.
>c)"reine" Stammesgesellschaften, die in Kontakt mit Feudal- oder Eigentümergesellschaften kommen, von dort Verhaltensweisen übernehmen, ohne deshalb die komplette Gesellschaftsstruktur in ihren Stamm zu importieren (ie Aborigines hantieren mit Aussie-Dollars).
Die Modifikation als Waffeneinsatz-Modifikation und -Varianten vielleicht?
>In welchem konkreten Verhältnis diese Prinzipien dann tatsächlich stehen und wie man sich das"überformen" und"modifizieren" konkret vorstellen kann, kann man nur mit Detailuntersuchungen beantworten.
Quantensprünge der Waffentechnik? Bronze vs. Obsidian, Eisen vs. Bronze, Streitwagen, Phalanx, Long Bow, Armbrust,"Feuerwaffen", Massenvernichtungswaffen,"Terrorismus". Die Waffengeschichte als Erklärung der Modifikationen. Die laufen nie so peu à peu oder per Konsens, sondern"schlagartig".
>Z.B.
>Auch in Eigentums-/Geldwirtschaften gibt es verwandtschaftliche Solidarität, wenn die mir auch nach und nach durch Geldbeziehungen und betriebsw. Rationalkalkül dominiert und marginalisiert zu werden scheint, ohne sie allerdings jemals völlig zu ersetzen.
Ja. Aber Eigentum & Geld ohne Waffe"dahinter" nicht vorstellbar.
>Auch in Eigentums-/Geldwirtschaften gibt es quasi-feudale Redistribution - auf das Steuersystem weisen Sie ja zu Recht ständig hin, staatliche Institutionen wie Schule, Universitäten usw. arbeiten eher nach dem Prinzip feudaler Gefolgschaftsbildung und Loyalität als nach einem unternehmerischen Marktkalkül; und auch innerhalb größerer Unternehmen dominiert intern eine hierarchische, quasi-feudale Organisationsstruktur (redistributiv).
Sehr gut. Redistribution im waffenlosen Gelände? Wie schaut's mit Beute und Plünderungen aus?
>Zur Frage, wieviel Stamm bleibt in einem Feudalsystem: Familie und innerfamiliale Solidarität bleibt Basis der ges. Reproduktion auch in Feudalsystemen, wird also nicht eliminiert, sondern sozusagen überformt und dabei ggf. modifiziert, aber nicht ersetzt.
Nicht überall, vgl. Kinder-usw.-Subventionen.
>Innerfamiliäre Solidarität gab es im Realsozialismus genauso wie es sie in Eigentumsgesellschaften gibt (wenn sie auch dort wie gesagt nach und nach immer mehr vom individualistischeren Eigentümerkalkül dominiert wird).
Eigentum bleibt ein Zocken auf die Macht.
>>2. Wieviel von Stamm und Feudalismus steckt im"modernen Rechtsstaat"?
>
>Sehr viel.
Ja, muss auseinanderklamüsert werden.
>Familien - quasi-stammesgesellschaftliche Basis (s.o.)
>Steuersystem, Staatssektor: Feudalsystem in der E-Ges.
>Die Entwicklungstendenzen, die ich sehe:
>1) Familiäre Solidarität wird durch Eigentümerrationalität (und v.a. Lohnarbeitsstruktur) nach und nach unterminiert, daher Geburtenrückgang, Individualisierung etc..
>2) Eigentümerrationalität ist (immer) in Gefahr, durch feudale Prinzipien immer weiter eingeschränkt zu werden, aber deswegen längst noch nicht komplett verschwunden. Gegentendenz gibt es auch (Neoliberalismus: Rückzug des Staats aus der Wirtschaft, Privatisierung etc.).
Ja, das berühmte Hin & Her der Geschichte, vgl. Durant.
>Ist er nur ein geschickt gewandelter Feudalismus unter Nutzung von Stammes-Sehnsüchten ("Sozialstaat")? Stichworte Subsidiarität oder auch gegenseitige Solidargemeinschaft? Dies allerdings mit einem stammeswirtschaftsfremden Zwangsabgabensystems?
>Auch - aber nicht"nur". Das"nur" halte ich für eine irreführende Reduktion.
Kann wegbleiben, rhetorische Floskel.
>Das Prinzip"Rechtsstaat mit Eigentum, freie Vertrags- und Geldbeziehungen" ist gegenüber Feudalsystemen qualitativ neu und andersartig. Daß stammesgesellschaftliche (Solidar-) und feudale (Redistributions-)prinzipien auch weiterhin bestehen bleiben, ist dabei völlig unbestritten, klar und unvermeidbar, s.o.
Eigentum ist nie"frei" (feudal völlig unbelastet), Vertragsrecht hat jede Menge Grenzen ("sittenwidrig"), Geld = Machtderivat (Staatsmonopol).
>Daß - da der Staat nicht nach einer Eigentümer-Rationalität arbeiten KANN, sondern sich feudaler Prinzipien bedienen MUSS (Stichwort: Politiker haften nicht wie Eigentümer für die von ihnen getätigten"Staatsausgaben") besteht immer die Gefahr, daß die Eigentümer-Rationalität wieder von feudalen Prinzipien überformt und ggf. verdrängt und schlimmstenfalls beseitigt wird (siehe dazu auch ein früheres Posting von mir).
Warum fehlt die Politiker-Haftung? So richtig scharf, mit Vermögensverlust & Knast.
>Andererseits hat der Staat (als dem betriebswirtschaftlichen Kalkül enthobener wirtschaftlicher Großakteur so auch die Möglichkeit, geldwirtschaftlichen Paradoxien entgegenzuwirken (z.B. antizyklische Konjunkturpolitik, um der selbstverstärkenden Tendenz einer Kreditexpansion bzw. -Kontraktion entgegenzuwirken). Setzt allerdings verantwortliche und kompetente politische Akteure voraus...
Die jene Probleme geschaffen haben, die sie dann zu"lösen" vorgeben?
>Daß der Sozialstaat auf feudalen Prinzipien beruht und"Stammessehnsüchte" bedient - völlig klar, sehe ich genauso. Daß deswegen eine moderne Geldwirtschaft"nur" ein modifiziertes Stammes-/Feudalsystem sei, kann man deswegen aber nicht sagen, da das Prinzip"Eigentum, Vertragsfreiheit, Schuldrecht und Geld" qualitativ neue Elemente einführt, qualitativ neue Kalküle und Handlungsstrategien erzeugt (Entrepreneurship, Innovationsorientierung -- in Stämmen und Feudalsystemen ist Innovation eher verpönt, da es die geheiligten Traditionen in Frage stellt;
Machtdienliche Innovationen sind hochwillkommen. Selbst Neuschwanstein war zu seiner Zeit der modernste Bau in ganz Europa.
>Ausnahme natürlich: Realsozialismus (techn. Innovativität erwünscht, um Kap. einzuholen/zu überholen), aber der war ein Feudalsystem, das auf mißverstandenen Ideen der bürgerlichen Aufklärung aufgebaut war.
Erwünscht schon, aber nicht realisierbar, da Preismechanismus fehlte (vgl. Mises, Gemeinwirtschaft).
>>Meine Meinung einstweilen: Die Sehnsucht nach dem"Stammeszustand" wächst, wird auch"politisch" appellativ gepampert.
>Leider ja.
>Der der Stammes-"Idee" in der Tatsächlichkeit widersprechende, da waffenzwingende und nicht auf die Scheu vor Ausstoßung aus dem Stammesverband abhebende Neo-Feudalismus des"modernen Staates" wird mit Hilfe hohler Phrasen ("Freiheit","Gleichheit","Grundrechte" usw.) nur übertüncht.
>Auch, aber nicht"nur". Daß hierzulande Vertragsfreiheit und Vertragssicherheit nach wie vor in einem in Feudalsystemen unbekannten Ausmaß vorhanden ist, werden Sie sicherlich nicht bestreiten. Das sollte man m.E. nicht kleinreden, sondern verteidigen.
So"unfrei" und"unsicher" waren die Feudalsysteme nicht. Lehen konnten zwar eingezogen, mussten dann aber an andere vergeben werden, es gab x-fache"Freiheitsrechte", wenn nicht"einklagbar", dann mit sanktionsloser Fehde erzwingbar. Auch an die"Wahlkapitulationen" der gewählten, aber noch nicht inthronisierten Kaiser denken.
>Oder, noch klarer ausgedrückt: die Frage "Eigentümer- oder Feudalgesellschaft" ist aus meiner Sicht falsch gestellt, weil sie nur zwei Antworten zuläßt, von denen beide falsch (weil zu undifferenziert) wären. Bessere Fragen: in welchem Verhältnis stehen beide Organisationsformen bei uns heute, in welchen Bereichen dominiert welche Rationalität, wie genau, welche Entwicklungstendenzen gibt es, etc. etc.
Ja, weites Feld. Der Weg geht hin zur Re-Feudalisierung und Re-Tribualisierung. Das neue Buch von Schirrmacher ("Familie"), ein anderes, das als"Lösung" den"Clan" vorschlägt.
Also: Back to the roots, am besten per klare Beispiele. Und siehe da: Fast alle laufen auf Krieg hinaus, und der bedingt die absolute Waffenübermacht (auch gern eingebildete oder permanent relative, also mal der gewinnt, mal der andere).
Dank, Entschuldigung for delay + Gruß!
|
dottore
14.03.2006, 17:43
@ moneymind
|
Re: Führung vs. Herrschaft - holmes |
-->Hi moneymind,
>Meiner Erfahrung nach funktioniert"Führung" am besten in kleineren Gruppen.
Ja, vgl. die hier schon ausführlicher gebrachte"Dunbar's number" (150).
>Je größer die Gruppe wird, und je"anonymer" damit die Gruppenzugehörigkeit wird, desto eher liegt für die einzelnen Trittbrettfahrerverhalten nahe (sich Vorteile verschaffen auf Kosten der Gruppe, sich durchmogeln etc.).
Französischer Nationalkonvent: Der"Berg" = 140 (später die Jakobiner 136), die"Girondisten" = 160.
>Nicht nur für die jeweils"Herrschenden" (Korruption, Machtmißbrauch etc.), sondern auch für die jeweils"Beherrschten" (nach außen: meckern, real: sich arrangieren, versuchen, möglichst viele Vorteile für sich selbst herauszuschlagen, statt nach Alternativen zu suchen und diese umzusetzen).
Ebendort: Der"Sumpf" (mal zu diesen, mal zu jenen neigend) = 450.
>Eine"Ideologie der Gemeinsamkeit", die ein gemeinsames Ziel und gemeinsame Ideale definiert und vorgibt, kann dem entgegenwirken (wie am Beispiel des Sozialismus zu sehen) und wird deshalb womöglich in dem Grad nötiger, wie der Zusammenhang zwischen dem Einzelnen und der Gruppe aufgrund der wachsenden Gruppengröße"anonymer" wird.
Schon auf der Osterinsel haben die"Sippen" (1000/2000) nicht funktioniert. Ende Kollaps und Kannibalismus.
Bei 150 geht's auch nicht weit runter. Ab 100 tritt das Inzesttabu auf.
>Außerdem natürlich das Mittel der totalen Überwachung und Kontrolle"von oben", das man am Beispiel der DDR und dem Sozialismus generell schön beobachten kann.
Hat auch bei den Inka gut funktioniert. Dort war sogar private Kleidung nicht existent.
>Mir scheint, daß ab einer bestimmten Gruppengröße dann andere Prinzipien als das der hierarchischen Top-Down-Organisation zu effektiveren Ergebnissen führen.
Bei Nicht-Verwandtschaft: 12 bis 20, vgl. auch die machtmäßig optimalen Kardinalskollegien 15./16 Jh.
>Hier scheint mir das Prinzip"Eigentum, Vertrag und Geld" effektiver zu sein, u.a. weil es (über das Schuldrecht und die Vermögenshaftung) ganz klar individuelle (wirtschaftliche) Verantwortlichkeiten zuweist, die nicht"von oben" überwacht werden müssen: weil nämlich die"Bestrafung" für nicht gruppengemäßes (hier: marktkonformes) Verhalten einfach in Vermögensverlust besteht.
Ja, aber woher das"Vermögen"? Können alle, die nur für sich und gleichermaßen werkeln,"vermögend" werden? Vermögen ist relativ, also müssen Nicht-Eigentümer oder Nicht-Rechte-Halter dazu beitragen. Sie bleiben un-vermögend. Denn außer ihrem - obendrein beschränkbarem - Eigentum an sich - was haben sie?
>Direkte Überwachung von oben ist nicht mehr nötig, weil der Zwang zur Erbringung von Beiträgen zur Gruppe jetzt (qua Geldknappheit) quasi anonym und dezentralilsiert über Kundenentscheidungen ausgeübt wird, die darüber entscheiden, wer im Wettbewerb um (mindestens in der Krise) knappes Geld (Schuldendeckungsmittel) Erfolg hat und wer nicht.
Da sind wir aber schon mitten im"modernen" Wirtschaften. Es hat aber nicht"modern" begonnen. Die Vorstellung von einer Marktwirtschaft, obendrein betrieben von gänzlich Einzel-Freien durchgehend seit der Steinzeit (These Heichelheim) ist widerlegt.
>Daher auch Outsourcing und Privatisierung. Dort wo das Prinzip der Zuweisung von Verantwortung durch haftendes Eigentum so modifiziert wird, daß die Eigentümer eines Betriebs nicht mehr die wirtschaftlichen Akteure sind (AGs z.B.), liegt wiederum Trittbrettfahrerverhalten nahe (f. Lohnarbeiter, incl. Managern).
Für heute: Ja.
Gruß!
|
dottore
14.03.2006, 17:59
@ Holmes
|
Re: Kein Ausgleich von Geben und Nehmen bei Hierarchie? - Moneymind |
-->Hi Holmes,
zur Ergänzung: Die Priester(kasten). Trafen ihre Versprechungen nicht ein (Wasser!) - Macht & Game over.
Das delphische Orakel war schlauer und ließe sich so oder so deuten (Kroisos).
Die Kirche am schlauesten: Verlagerung des Point of proof dahin, wo er nicht mehr zu überprüfen ist. Schon die Ägypter (die den Nil-Proof dauernd für sich hatten) operierten damit.
>ich stimme Dir zu, dass eine Gruppe sich organisieren kann und dazu auch einen"Führer" bestimmt, der eben diese Aufgabe übernimmt. Das ist normalerweise auch nicht der beste/bequemste Job, wie ich als geplagter Projektleiter gerne bestätige.
Richtig. Bei den Nuer (Südsudan, akephal) musste sich (Erinnerung) einer elend abplacken, um nach endlosen Palavern Stimmigkeit herzustellen. Als Übergang vom"Führer" zum"Herrscher" (Machteinsatz, Killing, Abgaben usw.) ist Moses nicht uninteressant.
Rest d'accord. Der"Bruchpunkt" ist höchst lehrreich und x-fach zu beobachten, nicht nur beim Militär im Einsatz. Auch"Demokratien" streben diesem unerbittlich zu, vgl. schon Polybios u.a.
Die Beschwörung der"Gemeinsamkeit" (Gemeinwohl usw.) ist ein leicht durchschaubares Ritual der Macht-Halter (auch jener"auf Zeit").
Gruß!
|
Burning_Heart
15.03.2006, 12:39
@ dottore
|
Wie sieht die Macht der Zukunft aus? |
-->Hallo
Wenn man sich das so überlegt, dann ist eine Eigentumswirtschaft doch überflüssig für die Macht.
Die Verschuldung der Privaten durch Eigentumsbelastung ist ein regelmässig endlicher Prozess mit Deflation zum Schluß( und damit verbundenen Ausfällen für die Macht ), die Machtverschuldung zur Wirtschafterhaltung wie Subventionen, Infrastrucktur usw. vergleichbar mit"mitten im Futter stehen und trotzdem einen Garten anlegen und pflegen wollen".
Was würde passieren, wenn eine Macht mal versteht und durchblickt, was sie wirklich ist und wo ihre Wurzeln sind?
Privates Eigentum wird nicht sicher gestellt( die grünen Männchen und Justiz werden eingespart ), Geld ist nur Abgabemittel und wird als Tauschmittel verboten.
Effektiv ist das für die Macht alles nicht, mit dem ganzen Wanderzirkus hinten dran.
Das gemeine Volk lebt dann wieder friedlich-eigentumslos ohne Wirtschaft, und die Macht beschränkt sich aufs Wesentliche.
Mit einem Fingerschnipp könnte uns die Macht so ohne Anstrengung 8000 Jahre zurück werfen. Voraussetzung wäre ein globaler Wirtschaftscrash + eine Macht mit neuer Strategie.
Gruß
|
dottore
15.03.2006, 19:23
@ Burning_Heart
|
Re: Laß uns Pharaonen werden! |
-->Hi Burning Heart,
>Wenn man sich das so überlegt, dann ist eine Eigentumswirtschaft doch überflüssig für die Macht.
Ja, sofern die Macht allein, unbedroht ist und fest im Sattel sitzt. Daher gehörte alles (immobile) Land in Ägypten dem Pharao - er konnte es dann Augustus"schenken". Ähnlich in Indien der Mogulen, dem die"äußeren Feinde" fehlten und das sich dann via East India Company leicht"bewirtschaften" ließ. Noch im 19. Jh. gehörte alles indische Land dem Staat (große Klage der Engländer darüber, die sich schließlich mit dem Titel"Souveränität" begnügen mussten, daher Vizekönig bzw. Victoria als"Kaiserin" von Indien). Das mobile Eigentum ("Habe") hat damit nichts zu tun.
>Die Verschuldung der Privaten durch Eigentumsbelastung ist ein regelmässig endlicher Prozess mit Deflation zum Schluß( und damit verbundenen Ausfällen für die Macht ), die Machtverschuldung zur Wirtschafterhaltung wie Subventionen, Infrastrucktur usw. vergleichbar mit"mitten im Futter stehen und trotzdem einen Garten anlegen und pflegen wollen".
Die Macht kann sich halten, wenn sie - ebenfalls unbedroht - sich schlaue Redistributionssysteme einfallen läßt (Inka mit ihren Schnüren, schon mal ausführlich diskutiert).
>Was würde passieren, wenn eine Macht mal versteht und durchblickt, was sie wirklich ist und wo ihre Wurzeln sind?
Sie würde sich Richtung Vollsozialismus entwickeln. Ein kommunistisches Australien (ohne Expansions- und Angriffsgelüste oder -gerede) wäre nicht so leicht zu knacken gewesen wie es der Ost-"Block" war. Einfach Küsten dicht. Ähnlich dicht waren China und Japan auch über sehr lange Zeit (dann die"gewaltsame Ã-ffnung" der Häfen).
>Privates Eigentum wird nicht sicher gestellt( die grünen Männchen und Justiz werden eingespart ), Geld ist nur Abgabemittel und wird als Tauschmittel verboten.
Dann bliebe es bei Naturalabgaben und fertig (also das vor-dynastische Mesopot). Wozu"Geld"?
>Effektiv ist das für die Macht alles nicht, mit dem ganzen Wanderzirkus hinten dran.
Auf Dauer nicht. Aber Macht-Halter leben nicht ewig, also veranstalten sie diesen Zirkus ("nach uns die Sintflut").
>Das gemeine Volk lebt dann wieder friedlich-eigentumslos ohne Wirtschaft, und die Macht beschränkt sich aufs Wesentliche.
Ja, es wird nur noch produziert, abgeliefert und abzüglich Kosten für das"Wesentliche" redistributiert. Nur dürfen diese Kosten nicht steigen: immer größere Tempel, Pyramiden, Paläste usw. - dies um Legitimität zu unterbauen, was umso erforderlicher ist, je mehr sich die Versprechungen der Machthalter ("Morgen wird es regnen..."!) als haltlos herausstellen.
>Mit einem Fingerschnipp könnte uns die Macht so ohne Anstrengung 8000 Jahre zurück werfen. Voraussetzung wäre ein globaler Wirtschaftscrash + eine Macht mit neuer Strategie.
Wir beide würden uns als Gottkönige etablieren - die optimale Strategie für jeden von uns. Unsere"Untertanen" müssten dann allerdings von den Naturgottheiten (vgl. die teilweise entzifferte Schrift der Osterinsel, nach neuesten Forschungen - soeben in"Science" - erst um 1200 AD besiedelt) zum"Monotheismus" und der darauf basierenden Herrschaft bekehrt werden.
Dann hätten wir den Zehnten" oder Ähnliches für uns, aber den müssten wir schon selbst (mit Clan) kassieren. Sobald wir clan-fremde"Zwischenhunde" zulassen, geht's schief. Sehr schön Island, Gotland, kroatische Adria-Inseln: Da wimmelt es von Kirchen ("Zehntablage-Stellen") und jeder Cassier wäre schon daran beteiligt. Und wir schliefen schlecht (was machen die mit ihrem Anteil?). Auch im Inventar des Klosters Fulda (Codex Eberhardi)"übertragen" die Zwischenhunde ihr - an sie zediertes oder aus rebus nullius geschaffenes - immobiles Eigentum an die"Zentrale". In den Texten steht dann"cum ecclesia". Unfreiwillig übertragen ("donatio" o.ä.), klaro.
Gruß zurück!
|
moneymind
15.03.2006, 22:33
@ dottore
|
Re: Freiheit von traditional bestimmten interp. Rechten/Pflichten - dottore |
-->Hi dottore,
> wir robben uns voran...
Hmm, wohin eigentlich?
Mir geht es nur noch um begriffliche Puzzlespiele, und den Spaß daran.
Aber zum inhaltlichen:
>Der Satz ist besonders wichtig:"Freiheit von traditional bestimmten interpersonalen Rechten und Pflichten."
Genau, denke ich auch. Erlauben Sie deshalb, daß ich dazu nochmal kurz einige gedankliche Briketts nachlege:
Wenn man die"historisch ursprüngliche Freiheit" als durch Naturkatastrophen erzeugte"Vogelfreiheit" oder anarchischen, chaotischen Zustand versteht, in dem freie, von ihren Herkunftssozialverbänden getrennte Männergruppen sozusagen ungebunden durch irgendwelchen sozialen Verpflichtungen ziellos umherstreiften, vermutlich auch plündernd und raubend (charakteristisch für postkatastrophische Zustände), dann gewinnen dadurch doch anarchistische, liberale und bürgerliche Freiheitsideologien überhaupt erst einen plausiblen historischen Entstehungshintergrund (sogar der Hobbessche Leviathan, der aus einem solchen chaotischen recht- und gesetzlosen Zustand wie der Phönix aus der Asche aufsteigt, scheint mir da widerzuhallen).
Alle diese Ideologien betonen"individuelle Freiheit" gegenüber den Zwängen des sozialen Systems - obwohl doch selbstverständlich eine solche Freiheit und Unabhängigkeit schon deshalb die historische Ausnahme und eben NICHT das"Selbstverständliche" darstellt, weil immer das gesamte Sozialsystem bzw. die POPULATION der Träger der gesellschaftlichen Kontinuität über die Generationen hinweg darstellt und ein Individuum eigentlich nur als unselbständiger Teil dieses größeren Sozialsystems gedacht werden kann: die POPULATION ist die Überlebenseinheit, nicht das Individuum, das aus der Perspektive des Überlebens der Population natürlich nur unselbständiger Teil des größeren sozialen Gesamtsystems sein kann.
Ein einzelnes Individuum ("freier Mann") würde doch mangels Nachwuchs nichteinmal in die zweite Generation kommen.
Also, wenn hier sämtliche Freiheitsideologien ihren ("materiellen") historischen Entstehungshintergrund haben, dann haben wir nicht nur eine plausible, quasi-historisch-materialistische Erklärung für diese scheinbaren nur gedanklichen Konstrukte; sondern es wird auch klar, warum sich sozialistische Ideologien (und sich auf"Stammessolidarität" etc. berufende Ideologien) auf womöglich sogar biologisch verankerte Gemeinschaftsgefühle zurückgreifen können und die"Freiheit" als"unmenschlich" etc. verteufeln und mit Abscheu betrachten können.
Das Thema"freier Mann" in einem solchen chaotischen, postkatastrophischen Zustand ist doch ein großes Thema der sogenannten"Fantasy-Literatur", die bekanntlich auf mythischen Überlieferungen beruht, die aus katastrophistischer Sicht nun wiederum einen realhistorischen Hintergrund haben könnten.
Wenn katastrophistische Szenarien wie etwa die von Velikovsky (vgl. auch hier und hier), Radlof, Kugler, Allen/Delair, Talbott , DeGrazia , Donnelly, Hörbiger, Tollmann (bedingt auch DeSantillana/von Dechend) und anderen, die extraterrestrisch induzierte globale Katastrophen annehmen, einigermaßen plausibel sind (und das sind sie für mich insgesamt gesehen durchaus, bei allen Vorbehalten im Detail), oder wenn auch nur lokale Katastrophenszenarien plausibel sind, dann haben wir hier doch ein plausibles nicht-evolutionistisches, nicht-gradualistisches und nicht drahtziehertheoretisches Modell für die Entstehung von"Freiheit", das mir in der Tat recht schlüssig und einleuchtend vorkommt.
Selbst Gesellschaftsvertragside(ologi)en mögen dann ebenfalls hier ihren realhistorischen Hintergrund finden.
NB: dieses Szenario erscheint mir plausibel nur für die historische ERST-Entstehung der besagten Freiheit und"Privatautonomie". Für historische NACHZÜGLER-Entwicklungen, bei denen ein einmal so entstandenes Sozialsystem dann von anderen Gesellschaften kopiert und dafür VON OBEN installiert wird (analog heutigen Strategien nachholender Modernisierung, oder auch analog den Stein-Hardenbergschen Reformen), bleibt das Modell einer Macht.-Zession von oben, wie es die Machttheorie vorschlägt, natürlich völlig plausibel - was natürlich bedeutet, daß dies für die MEHRZAHL der Fälle eine bessere Erklärung darstellt!
Aber eben NICHT für die ERST-Entstehung, s.o. Dafür müssen historische Sonderbedingungen angenommen werden, und darin liegt gerade die Stärke des Heinsohnschen Szenarios. Es führt evolutionistische Modelle ad absurdum und ermöglicht einen hohen Grad an Plausibilität und Schlüssigkeit.
Mir ist klar, daß das mehr logisch plausible als an sorgfältiger realhistorischer Quellenarbeit orientierte Aussagen sind - und damit eben plausible Hypothesen, die einen Gewinn an Schlüssigkeit und begrifflicher Kohärenz ermöglichen (s.o.). Aber was die Kenntnis der Historie angeht, kann ich mit Ihnen bei weitem nicht mithalten, lieber dottore. Und zu genaueren Recherchen fehlt mir die Zeit, das muß ich Ihnen überlassen, falls sie da weiterfragen wollen. Ich kann nur Plausibilitätsüberlegungen und Hypothesen beisteuern.
>Vielleicht reichen (freiwillige) Reziprok/Subsidiaritäts- und (erzwungene) Abgabenwirtschaft.
Etwas präzisieren sollte man schon, aber eine prinzipielle Dreiertypologie scheint mir auch ausreichend (man kann ja dann weiter binnendifferenzieren).
Freiwillig und erzwungen ist jeweils relativ. Bestimmte Zwänge sowie Freiheiten gibt es in beiden Formen sozialer Organisation, jeweils anders inhaltlich ausgestaltet. Besser: unterschiedliche"Dialektiken" (um mal auf einen möglw. nützlichen Begriff von Hegel/Marx zurückzugreifen) von Freiheit/Zwang.
>>Es wird in der Geschichte nicht ein System durch ein anderes ersetzt, sondern eher überlagert und ggf. dominiert.
>Ja, aber das Wie & Warum der Überlagerung bzw. Dominanz läuft auf den Waffeneinsatz hinaus. Der Vater führt die Familie unbewaffnet (Waffeneinsatz bestenfalls der Ochsenziemer), Eigentümer sind auf Waffenschutz (Zeigen reicht) angewiesen, das Feudale kommt ohne Waffeneinsatz (Feudalherren- bzw. Staatsdominanz - da krachts's dann wirklich) nicht aus.
Okay, mag sein. Aber was ist der Kontext? Warum und wozu werden plötzlich Waffen eingesetzt? Welche Rolle spielt die Religion dabei (fast alle Feudalsysteme sind religiös legitimiert)? In welchem Verhältnis stehen Religion und Waffen, in welchem übergeordneten Ziel- und Bedeutungszusammenhang steht der Einsatz der Waffen? Einfach nur ein abstrakter"Machtwille" erscheint mir eine unbefriedigende, letztlich zirkuläre Erklärung. Wir brauchen differenziertere Studien des bedeutungsmäßigen Kontexts des Waffeneinsatzes, besonders in Bezug auf Religion.
>Die Modifikation als Waffeneinsatz-Modifikation und -Varianten vielleicht?
Sicherlich auch, aber das allein finde ich unbefriedigend.
>Quantensprünge der Waffentechnik? Bronze vs. Obsidian, Eisen vs. Bronze, Streitwagen, Phalanx, Long Bow, Armbrust,"Feuerwaffen", Massenvernichtungswaffen,"Terrorismus". Die Waffengeschichte als Erklärung der Modifikationen. Die laufen nie so peu à peu oder per Konsens, sondern"schlagartig".
Warum die Fixierung auf Waffentechnik? Ist die nicht willkürlich? Siehe oben. Welche (möglw. unbewußten) Begriffsentscheidungen und Vorannahmen stehen hinter dieser Fixierung? Materialistische? Welche Aspekte blenden diese Vorentscheidungen aus? Warum wagt die Machttheorie keinen Blick auf die Religion? Weil sie die - traditionell wissenschaftlich orientiert - als Unsinn abtut? So wird man dem Phänomen Religion nicht bekommen, dessen zentrale Bedeutung für Feudalsysteme mir offensichtlich erscheint.
Nein, ich bin überzeugt, wir müssen hier die religiösen Bedeutungssysteme anschauen und analysieren. Doch das ist nicht ganz so einfach (zumal wissenschaftliche Perspektiven auf Religion m.E. epistemologische Beschränkungen beinhalten, die eine sinnvolle Auseinandersetzung mit dem Phänomen"Religion" schwer bis unmöglich machen).
Dafür wiederum brauchen wir eine solide epistemologische Fundierung, die präzise Werkzeuge für den Umgang mit und die Interpretation von metaphorisch strukturierten Bedeutungssystemen bereitstellt. Mit der herkömmlichen"wissenschaftlichen Methode" kommt man da nicht weiter. Man braucht eine allgemeine Epistemologie, die nicht nur analytische (wissenschaftliche) und metaphorische (religiöse, poetische etc.), sondern alle Formen menschlicher bzw. sozial konstruierter Bedeutungssysteme (Kultur) präzise unterscheiden und erfassen kann.
Soweit ich sehe, ist sowas bestenfalls in Ansätzen vorhanden, die es aber lohnen, näher angeschaut zu werden (gern mehr dazu, hier vielleicht zunächst nur das Stichwort "conceptual blending", siehe auch hier)
>Eigentum & Geld ohne Waffe"dahinter" nicht vorstellbar.
Jaklar, stimme zu. Aber gegenüber Feudalsystemen: Funktionswechsel. Waffen werden nun für andere Ziele eingesetzt (Eigentumssicherung, Vertragsvollstreckung etc.).
>Sehr gut. Redistribution im waffenlosen Gelände? Wie schaut's mit Beute und Plünderungen aus?
Bitte Fragen erläutern, verstehe ich nicht.
>Nicht überall, vgl. Kinder-usw.-Subventionen.
Kinder- und Familiensubventionen sollen Familienstrukturen, die durch die Lohnarbeitsstruktur und eigentumsbasierte Marktkonkurrenz untergraben werden (vgl.Geburtenrückgangs-Thread, Literaturangaben dort), stützen und"retten". Aussichtslos. Da hilft nur eine Änderung der Sozialstruktur, die das Kinderkriegen wieder individuell sinnvoll macht, oder gewaltsame Bevölkerungspolitik.
>Eigentum bleibt ein Zocken auf die Macht.
Natürlich. Eigentum ist nur einigermaßen sicher in Zeiten stabiler bürgerlicher Zustände.
>Eigentum ist nie"frei" (feudal völlig unbelastet), Vertragsrecht hat jede Menge Grenzen ("sittenwidrig"), Geld = Machtderivat (Staatsmonopol).
Natürlich. Trotzdem qualitativ neues Prinzip. Ermöglicht / erzwingt Entrepreneurship, Innovation, kontinuierliche dynamische Entwicklung mit Revolutionierung der Produktionsmethoden (nicht nur Mehrprodukt, sondern permanente INNOVATION). Das auch in Feudalsystemen? Nein. Mehrprodukt ja, aber zu religiösen Zwecken - nicht permanente Innovativität in allen Lebensbereichen, und nicht allgemeine Orientierung auf continous improvement (eine nur für im Wettbewerb um knappes Geld stehende Unternehmer funktionale Strategie).
>Warum fehlt die Politiker-Haftung? So richtig scharf, mit Vermögensverlust & Knast.
Weil Politiker jenes Feudalsystem verwalten, ohne das es keine bürgerlichen Freiheiten geben kann. Natürlich können in einem Feudalsystem keine bürgerlichen Prinzipien herrschen. Um diese zu garantieren, ist - wie sie ja permanent hervorheben - eben ein Feudalsystem nötig, allerdings eines, das sich selbst erheblich einschränkt, aber diese Einschränkungen leider jederzeit wieder aufheben kann.
Unaufhebbares inneres Paradox jedes Kapitalismus.
>>Andererseits hat der Staat (als dem betriebswirtschaftlichen Kalkül enthobener wirtschaftlicher Großakteur so auch die Möglichkeit, geldwirtschaftlichen Paradoxien entgegenzuwirken (z.B. antizyklische Konjunkturpolitik, um der selbstverstärkenden Tendenz einer Kreditexpansion bzw. -Kontraktion entgegenzuwirken). Setzt allerdings verantwortliche und kompetente politische Akteure voraus...
>Die jene Probleme geschaffen haben, die sie dann zu"lösen" vorgeben?
Teilweise durch die Politiker geschaffen - teilweise jedoch unaufhebbar Teil des privaten Wi-Prozesses. Selbstverstärkenden Boom- und Krisentendenzen können nur durch starke, dem individuellen Vermögenssicherungs- und Profitmaximierungszwang enthobene wirtschaftliche Akteure wirksam entgegenwirken. Individuelle Akteure werden in der Mehrzahl zu prozyklischem Verhalten neigen und so z.B. Paniken und irrationale Überschwänge hervorrufen. Antizyklische Konjunkturpolitik kann nur entgegensteuern, weil sie dem individuellen Eigentümerkalkül enthoben ist.
>Machtdienliche Innovationen sind hochwillkommen. Selbst Neuschwanstein war zu seiner Zeit der modernste Bau in ganz Europa.
Sicher, schon. Aber der Entrepreneur schafft seine Innovation doch nicht, um"der Macht" zu dienen. Er hat Freude am Schaffen, an seiner fixen Idee, seiner Kreativität. Und will sie umsetzen, und damit etwas verdienen, indem er anderen damit einen Nutzen bietet. Und er kann das auch, weil der Markt mit tendenzieller Geldknappheit ein permanentes"Warenüberangebot" schafft (volle Regale, leere Geldbeutel --- im Realsozialismus wars umgekehrt). Dieses Angebot erlaubt es Innovativen, auf alle Mittel für die Realisierung ihrer bahnbrechenden Idee schnell und umfassend zuzugreifen - nur Geld ist hier der Engpaß (im Realsoz. war es umgekehrt - da scheiterten viele Innovationen vermutlich schlicht an nicht lieferbaren Einzelteilen).
Und all das steht in keinem Widerspruch zum Phänomen des Schuldendrucks, der gesamtgesellschaftlich den permanenten Beweger des Systems liefert.
Entrepreneurship, Innovativität und Kreativitätsdrang sind legitim, und die Möglichkeit, so zu leben und diese Ideen unbehindert umsetzen zu können, gehört für mich zur"zivilisatorischen Mission" des Kapitalismus --- und zu den Chancen, die ich persönlich nicht missen möchte (aber in einem reinen Feudalsystem sehr VERmissen würde!).
Gruß
moneymind
|
moneymind
15.03.2006, 22:37
@ dottore
|
Re: Führung vs. Herrschaft - holmes |
-->Hallo dottore,
und danke für die Präzisierungen.
>>Hier scheint mir das Prinzip"Eigentum, Vertrag und Geld" effektiver zu sein, u.a. weil es (über das Schuldrecht und die Vermögenshaftung) ganz klar individuelle (wirtschaftliche) Verantwortlichkeiten zuweist, die nicht"von oben" überwacht werden müssen: weil nämlich die"Bestrafung" für nicht gruppengemäßes (hier: marktkonformes) Verhalten einfach in Vermögensverlust besteht.
>Ja, aber woher das"Vermögen"? Können alle, die nur für sich und gleichermaßen werkeln,"vermögend" werden? Vermögen ist relativ, also müssen Nicht-Eigentümer oder Nicht-Rechte-Halter dazu beitragen. Sie bleiben un-vermögend. Denn außer ihrem - obendrein beschränkbarem - Eigentum an sich - was haben sie?
Richtig. Was z.B. Marx zur Lohnarbeit sagt, behält Gültigkeit und Aktualität. Frage wäre, lassen sich"ideale Ausgangsbedingungen" mit"gleichmäßig verteiltem Eigentum" schaffen? Vielleicht nicht. We live in a real world, not an ideal one. Es können wohl kaum alle gleichermaßen vermögend werden, fürchte ich.
Gruß
moneymind
|
moneymind
16.03.2006, 01:39
@ dottore
|
Re: Zum Beginn nochmal - dottore |
-->>>Direkte Überwachung von oben ist nicht mehr nötig, weil der Zwang zur Erbringung von Beiträgen zur Gruppe jetzt (qua Geldknappheit) quasi anonym und dezentralilsiert über Kundenentscheidungen ausgeübt wird, die darüber entscheiden, wer im Wettbewerb um (mindestens in der Krise) knappes Geld (Schuldendeckungsmittel) Erfolg hat und wer nicht.
>Da sind wir aber schon mitten im"modernen" Wirtschaften.
Ja, ich habe nur verglichen und keine historischen Aussagen gemacht.
>Es hat aber nicht"modern" begonnen. Die Vorstellung von einer Marktwirtschaft, obendrein betrieben von gänzlich Einzel-Freien durchgehend seit der Steinzeit (These Heichelheim) ist widerlegt.
Ja, ist mir klar."Freiheit" ist vielmehr die historische Ausnahme, das eigentlich zu erklärende (siehe 349549); Meine Vorstellung zu deren Entstehung - siehe 348770
Gruß
moneymind
|
dottore
16.03.2006, 16:23
@ moneymind
|
Re: Der duplizierte Feudalismus |
-->Hi moneymind,
vielen Dank. Zu den nachgelegten Briketts einige Bemerkungen vorweg:
Der"Katastrophismus" in historischer Zeit (Sintflut, wie in allen Mythen, Kometeneinschlag ex Velikovsky, Großbeben, quasi als laufende Keiler, Vulkanausbrüche, wie Santorin ---> Zusammenbruch der mykenischen Palastwirtschaft) darf nicht weggelassen werden. Für mich war das vor Jahren ein Eye-Opener.
Nur haben wir damit ein neues Problem aufgerissen (gerade aus Heinsohn wird man so recht nicht schlau):
1. Katastrophen beseitigen den praekatastrophischen Herrscher-Feudalismus und setzen die bekannten Jung-Männer-Trupps"frei", die sich bis dahin als Grund- oder Leieigene verdingen mussten. Ob sich das tatsächlich so abgespielt hat, ist eine offene Frage. Wenn eine Zwingburg über dem Top-Clan zusammenkracht, ist natürlich Macht-Ende. Ich hatte das mal anhand der aktuellen Ausgrabungen der"Van-See-Kultur" - Osttürkei - beschrieben, die ein Archäologen-Team sorgfältigst präsentiert hatte [eine Flut kommt dafür nicht infrage, da der See auf 1700 m Höhe liegt]: Im Waffensaal fand man sogar noch die von den Wänden gefallenen Schilde, diese mit entsprechender Delle. Heinsohn (im erwähnten Paper von 1990):"Walls were crumbled and cracked". Damit hätten wir also eine Feudalismus-Beseitigungs- und Privateigentumsentstehungs-Theorie (die Jungs teilten ihr"Neu-" oder"Freiland" konsensual untereinander auf).
2. Katastrophen schaffen aber überhaupt erst jene Feudal-Strukturen der"Gesellschaft", für die als Stichworte gelten: Menschenopfer (zur Sühne und zur Abwehr künftigen Unheils), den"sacred executioner" (vgl. Hyam MacCoby,"The Sacred Executioner: Human Sacrifice and the Legacy of Guilt", 1983, ein Must-Read), Abgaben/Tribute und vor allem das Priesterkönigtum. Heinsohn (ex Paper):
-"The cult founders - rising above their kin because of superior psychic stability - restore the power of action..."
-"The primeval priests and their victims impersonate the power of the cosmos."
-"Cosmic powers of dead matters were turned into deities in animal or human shape."
-"The Mesopotamian En or Lugal was a priest king who sacrificed... Early priesthood... hat a legitimate basis: the priesthood provided healing power through rituals for terror-stricken [= durch Großkatatrophen traumatisierte] communities."
-"The temples received tribute from the peasants in exchange for a service of healing (or salvation) by the elemination of panic and anger through sacrificial release of catastrophe-inflicted aggression."
Dass beides (1./2.) nicht zusammenpasst, liegt auf der Hand. Auch das Ende von Szenario 2 (Heinsohn:"The priestly legitimacy began to crumble [wie oben die"crumbelnden" Mauern doch wohl nicht] the very moment the catastrophes were over") läßt ratlos zurück: Sind Heinsohns Jungscharen doch erst nach dem (unkatatrophischen!) Zusammenbruch der Priesterherrschaft losgezogen? Aber was war dann mit den Jungscharen sub Szenario 1?
Oder waren die sub 1 feudalherrschaftsfreie"Loszieher" (muss ja nicht so weit gewesen sein) und Privateigentumschaffer und die sub 2"Nesthocker", die sich des Eigentums der ihrer feudalen ("received tribute") Herrschaftsmacht der nunmehr obsoleten Priesterclans bemächtigten und es"privat" untereinander aufteilten?
Wir hätten es also sowohl mit einem prae- als auch mit einem postkatastrophischen Feudalismus (Zwangsabgaben) zu tun.
Große Fragen:
Wie kommt es überhaupt zum praekatastrophischen Feudalismus, wenn nicht auf dem oft genug beschriebenen Weg über die überlegene Waffentechnik (Bronze in der Alten, Obsidian, Hartkupfer-Tumi in der Neuen Welt) ---> Unterwerfung ---> Abgabenerzwingung?
Gibt es zwischen 1 und 2 einen Hiatus? Wohl kaum, denn die"psychisch Stabilen" (Heinsohn) waren bezogen auf die gerade durchlebte Katastrophe"stabil" und wurden dies nicht erst nach vielen Generationen, sozusagen, nachdem sich die ersten allmählich"wieder gefangen hatten".
Wo haben wir (Priester)könig-Entmachtungen, die nicht ihrerseits von Anführern geleitet wurden (wie in jeder Revolution), die sich sofort auch die neue/nächste Herrschaft und damit letztlich wieder das Obereigentum und die"Rechte" daraus sicherten?
Jared Diamond hat dies im"Kollaps" z.B. für die Maya fein dargestellt:"Der König von Copán konnte seine Versprechen - Regen und Wohlstand als Gegenleistung für Macht und Luxus - nicht mehr einlösen..." Er weg, Palast niedergebrannt, langsames Aussterben der Verbliebenen, schließlich Menschenleere. Aber dann auch:"Viele scheinbare Zusammenbrüche von [Maya]-Städten (waren) in Wirklichkeit nur eine 'Umverteilung der Macht' [!]: Manche Städte wurden mächtiger, erlebten dann einen Niedergang oder wurden erobert und stiegen erneut auf, wobei sie ihre Nachbarn unterwarfen, ohne dass sich die Gesamtbevölkerung veränderte.
Oder für die Anasazi:"Die Gesellschaft des Chaco Canyon wurde zu einem Miniatur-Kaiserreich [!]. Sie gliederte sich in eine wohlgenährte Elite, die im Luxus lebte, und eine arbeitende Landbevölkerung, die Lebensmittel produzierte und selbst viel weniger gut ernährt war." Ende dieses Feudalismus dann Dürre, Eliten-Sturz,"innere Unruhen und Krieg" (ohne jeweilige Anführer?), Kannibalismus, schließlich geplante Evakuierung (ohne planende"Chiefs"?). Warum verliert sich dann die Spur dieser"Loszieher"? Warum haben sie nirgends eine (lt. Heinsohn-Theorie folgende)"Privateigentümer"-Gesellschaft gegründet? Fruchtbares und res-nullius-Land war außerhalb des dann"toten" Dreiecks Colorado, Arizona, New Mexico in wenigen Tagesmärschen zu erreichen.
Das zu meinen grundsätzlichen Einwänden.
>Wenn man die"historisch ursprüngliche Freiheit" als durch Naturkatastrophen erzeugte"Vogelfreiheit" oder anarchischen, chaotischen Zustand versteht, in dem freie, von ihren Herkunftssozialverbänden getrennte Männergruppen sozusagen ungebunden durch irgendwelchen sozialen Verpflichtungen ziellos umherstreiften, vermutlich auch plündernd und raubend (charakteristisch für postkatastrophische Zustände), dann gewinnen dadurch doch anarchistische, liberale und bürgerliche Freiheitsideologien überhaupt erst einen plausiblen historischen Entstehungshintergrund (sogar der Hobbessche Leviathan, der aus einem solchen chaotischen recht- und gesetzlosen Zustand wie der Phönix aus der Asche aufsteigt, scheint mir da widerzuhallen).
Dagegen spricht Szenario 2 oben: Nach der Katastrophe deren"Aufarbeitung" durch priesterliche Macht-Clans. Vor allem fehlen halt die historischen Belege. Im (postkatastrophischen) Gilgamesch-Epos (12. Tafel) lesen wir klassische Feudalmacht-Beschreibungen:
"Den, der fünf Söhne zeugte, sahst du ihn?" -"Ja, ich sah:
Gleich einem guten Schreiber ist er arbeitsbereit,
Wie es recht ist, tritt er in den Palast ein."
"Den, der sieben Söhne zeugte, sahst du ihn?" -"Ja, ich sah:
Als ein jüngerer Bruder der Götter sitzt er auf dem Stuhl [Thron] und lauscht den Glückwünschen."
"Den, der keinen Erben hatte, sahst du ihn?" -"Ja, ich sah:
Gleich einem...ißt er das Brot;
Wie ein schönes Gottesemblem...
Einem unerfahrenen Arbeitsaufseher gleich verkriecht er sich in den Winkel!"
>Alle diese Ideologien betonen"individuelle Freiheit" gegenüber den Zwängen des sozialen Systems -
Wo in der Antike finden wir eine Ideologie der"individuellen Freiheit" (die doch für jedermann, inkl. Sklaven, Hintersassen, usw. gelten müsste)? Das NT (wann auch immer kompiliert) ausgenommen (das neue Buch von Michael Baigent (klagt gerade gegen Dan Brown),"Die Gottesmacher" versucht gerade den ganzen Klumpatsch zu zerfetzen). Im AT gerade mal drei Stellen und immer im Zusammenhang mit nicht hinterfragtem"Herrn","König" und so.
>obwohl doch selbstverständlich eine solche Freiheit und Unabhängigkeit schon deshalb die historische Ausnahme und eben NICHT das"Selbstverständliche" darstellt, weil immer das gesamte Sozialsystem bzw. die POPULATION der Träger der gesellschaftlichen Kontinuität über die Generationen hinweg darstellt und ein Individuum eigentlich nur als unselbständiger Teil dieses größeren Sozialsystems gedacht werden kann: die POPULATION ist die Überlebenseinheit, nicht das Individuum, das aus der Perspektive des Überlebens der Population natürlich nur unselbständiger Teil des größeren sozialen Gesamtsystems sein kann.
Die Einführung der"Population" ist gut! Dass damit die Entindividualisierung als Perma-Zustand läuft (hat sogar Anklänge an Schopenhauers"Willen"), ist aber auch klar. Und klar auch: Wieso dann Kannibalismus innerhalb der Population?
>Ein einzelnes Individuum ("freier Mann") würde doch mangels Nachwuchs nichteinmal in die zweite Generation kommen.
Das berühmte Problem der Klöster: Pocht kein Nachwuchs mehr an die Pforte, müssen sie schließen. Lt. Benedikts-Regel muss sich der Novize sogar sämtlicher Habe eigentumstechnisch entledigen.
>Also, wenn hier sämtliche Freiheitsideologien ihren ("materiellen") historischen Entstehungshintergrund haben, dann haben wir nicht nur eine plausible, quasi-historisch-materialistische Erklärung für diese scheinbaren nur gedanklichen Konstrukte;
Ja, das immobile"Eigentum": Der Subsistenzler ist auf diesem Substrat"frei", aber kaum irgendwo und jemals"einzeln" und dann geht's mit dem Reigen der"Pflichten" (Solidarität etc.) schon wieder los und wir landen beim nordkanadischen Trapper, der aber im"Notfall" nicht sein"Eigentum" verpfändet, sondern zum Funkgerät greift (andere verpflichtet) oder auch zum Suizid. Nebenbei: Wie kann Gesell von"Freiland" sprechen, wo doch alle, die darauf sitzen, Pachtzins an den Ober-Feudalherrn"Staat" entrichten müssen?
>sondern es wird auch klar, warum sich sozialistische Ideologien (und sich auf"Stammessolidarität" etc. berufende Ideologien) auf womöglich sogar biologisch verankerte Gemeinschaftsgefühle zurückgreifen können und die"Freiheit" als"unmenschlich" etc. verteufeln und mit Abscheu betrachten können.
Das wird allerdings klar. Freiheit als"Einsicht in die Notwendigkeit" (ex Spinoza?, Hegel, Engels).
>Das Thema"freier Mann" in einem solchen chaotischen, postkatastrophischen Zustand ist doch ein großes Thema der sogenannten"Fantasy-Literatur", die bekanntlich auf mythischen Überlieferungen beruht, die aus katastrophistischer Sicht nun wiederum einen realhistorischen Hintergrund haben könnten.
Einwand wie oben.
>... [Danke für die Zusammenstellung] die extraterrestrisch induzierte globale Katastrophen annehmen, einigermaßen plausibel sind (und das sind sie für mich insgesamt gesehen durchaus, bei allen Vorbehalten im Detail), oder wenn auch nur lokale Katastrophenszenarien plausibel sind, dann haben wir hier doch ein plausibles nicht-evolutionistisches, nicht-gradualistisches und nicht drahtziehertheoretisches Modell für die Entstehung von"Freiheit", das mir in der Tat recht schlüssig und einleuchtend vorkommt.
Wieder Einwand per Heinsohns"The Rise of Blood Sacrifice and Priest-Kingship in Mesopotamia: A 'Cosmic Decree'".
>Selbst Gesellschaftsvertragside(ologi)en mögen dann ebenfalls hier ihren realhistorischen Hintergrund finden.
Jetzt auch noch einen Religions(gesellschafts)-Vertrag? Der andere ist schon windig genug.
>NB: dieses Szenario erscheint mir plausibel nur für die historische ERST-Entstehung der besagten Freiheit und"Privatautonomie".
Des Herrschers, klar. Udn wer möchte nicht gern ein solcher sein (meist tobt er sich dann als Familien-Tyrann aus).
>Für historische NACHZÜGLER-Entwicklungen, bei denen ein einmal so entstandenes Sozialsystem dann von anderen Gesellschaften kopiert und dafür VON OBEN installiert wird (analog heutigen Strategien nachholender Modernisierung, oder auch analog den Stein-Hardenbergschen Reformen), bleibt das Modell einer Macht.-Zession von oben, wie es die Machttheorie vorschlägt, natürlich völlig plausibel - was natürlich bedeutet, daß dies für die MEHRZAHL der Fälle eine bessere Erklärung darstellt!
Die"Nachzügler" sind auch gut! Sie kopieren allerdings das UR-Modell des Autokraten. Das reicht vom chinesischen Kaiser und seinen Mandarinen zum heutigen Politbüro über den US-Präsidenten als Kopie des britischen Heimatzustands im 18. Jh., vom Zaren bis Putin, vom deutschen Kaiser zum"Bürgerpräsidenten" (dessen"Thronrede" heute die Weihnachtsansprache ist). Die Macht ist ein großer Maskenball.
>Aber eben NICHT für die ERST-Entstehung, s.o. Dafür müssen historische Sonderbedingungen angenommen werden, und darin liegt gerade die Stärke des Heinsohnschen Szenarios. Es führt evolutionistische Modelle ad absurdum und ermöglicht einen hohen Grad an Plausibilität und Schlüssigkeit.
Da Heinsohn zwei Szenarien bietet, siehe oben, leider nicht schlüssig.
>Mir ist klar, daß das mehr logisch plausible als an sorgfältiger realhistorischer Quellenarbeit orientierte Aussagen sind - und damit eben plausible Hypothesen, die einen Gewinn an Schlüssigkeit und begrifflicher Kohärenz ermöglichen (s.o.). Aber was die Kenntnis der Historie angeht, kann ich mit Ihnen bei weitem nicht mithalten, lieber dottore. Und zu genaueren Recherchen fehlt mir die Zeit, das muß ich Ihnen überlassen, falls sie da weiterfragen wollen. Ich kann nur Plausibilitätsüberlegungen und Hypothesen beisteuern.
Danke, allesamt höchst interessant und bedenkenswert.
>>Vielleicht reichen (freiwillige) Reziprok/Subsidiaritäts- und (erzwungene) Abgabenwirtschaft.
>Etwas präzisieren sollte man schon, aber eine prinzipielle Dreiertypologie scheint mir auch ausreichend (man kann ja dann weiter binnendifferenzieren).
>Freiwillig und erzwungen ist jeweils relativ. Bestimmte Zwänge sowie Freiheiten gibt es in beiden Formen sozialer Organisation, jeweils anders inhaltlich ausgestaltet. Besser: unterschiedliche"Dialektiken" (um mal auf einen möglw. nützlichen Begriff von Hegel/Marx zurückzugreifen) von Freiheit/Zwang.
Ja. Ich will mich auch nur auf den einen Strang konzentrieren, der von der unbestritten"dynastischen" (dynamis = Macht) und auch so benannten Struktur Mesopots in den heute real existierenden Welt-Kapitalismus führt. Oder wie @Holmes schon angemerkt hat (sinngemäß): Survival of the fittest (system).
>>>Es wird in der Geschichte nicht ein System durch ein anderes ersetzt, sondern eher überlagert und ggf. dominiert.
>>Ja, aber das Wie & Warum der Überlagerung bzw. Dominanz läuft auf den Waffeneinsatz hinaus. Der Vater führt die Familie unbewaffnet (Waffeneinsatz bestenfalls der Ochsenziemer), Eigentümer sind auf Waffenschutz (Zeigen reicht) angewiesen, das Feudale kommt ohne Waffeneinsatz (Feudalherren- bzw. Staatsdominanz - da krachts's dann wirklich) nicht aus.
>Okay, mag sein. Aber was ist der Kontext? Warum und wozu werden plötzlich Waffen eingesetzt?
Ausübung von ökonomischem Zwang (coercive power).
>Welche Rolle spielt die Religion dabei (fast alle Feudalsysteme sind religiös legitimiert)?
Große Rolle. Die schärfste Sanktion überhaupt waren Bann (danach"Vogelfreiheit") und/oder"Exkommunikation" (wörtlich: Entfernung aus der communio ="Gemeinschaft", Mit ="cum", Ein ="unus" Ander = andere"unus").
>In welchem Verhältnis stehen Religion und Waffen, in welchem übergeordneten Ziel- und Bedeutungszusammenhang steht der Einsatz der Waffen? Einfach nur ein abstrakter"Machtwille" erscheint mir eine unbefriedigende, letztlich zirkuläre Erklärung.
Nicht"Machtwille", sondern Macht-Produktivität (= andere für sich arbeiten und leisten zu lassen - gegen deren Willen - statt selbst den Buckel krumm zu machen).
>Wir brauchen differenziertere Studien des bedeutungsmäßigen Kontexts des Waffeneinsatzes, besonders in Bezug auf Religion.
"Cuius regio [Herrschaft], eius religio". Der Waffeneinsatz (tatsächlich oder angedroht) immer zuerst. Dass man sich die Waffen dann"segnen" lässt und Priester mit ins Feld schickt u.ä. ist dann die Perfektion.
>>Die Modifikation als Waffeneinsatz-Modifikation und -Varianten vielleicht?
>Sicherlich auch, aber das allein finde ich unbefriedigend.
>>Quantensprünge der Waffentechnik? Bronze vs. Obsidian, Eisen vs. Bronze, Streitwagen, Phalanx, Long Bow, Armbrust,"Feuerwaffen", Massenvernichtungswaffen,"Terrorismus". Die Waffengeschichte als Erklärung der Modifikationen. Die laufen nie so peu à peu oder per Konsens, sondern"schlagartig".
>Warum die Fixierung auf Waffentechnik? Ist die nicht willkürlich? Siehe oben.
Keine"Fixierung". Ist einfach so. Das Ã-l des Irak steht Saddam nicht mehr zur freien Verfügung. Gegen die römischen Legionen war jahrhundertelang kein Kraut gewachsen, es gab sogar eine Legion mit dem schönen Namen"legio rapax" (= die räuberische). Es gibt keinen vergleichbaren technischen Fortschritt zu dem, den die Waffentechnik durchlaufen hat. Im Hard-Core-Bereich der Macht gibt's kein Vertun. Kein Geschäft war jemals und dauerhaft ertragreicher als das mit Waffen.
>Welche (möglw. unbewußten) Begriffsentscheidungen und Vorannahmen stehen hinter dieser Fixierung?
Nichts Unbewusstes. Die Fundlage (älteste Gräber usw.) ist überwältigend. Ein Herrscher- bzw. Machthalter-Grab ohne Waffen, sogar mit beerdigten Kriegern (oder"Ton-Krieger-Armeen")? Nirgends.
>Materialistische? Welche Aspekte blenden diese Vorentscheidungen aus?
Die Entscheidung resultiert aus den Fundlagen, nicht nur Gräber, sondern auch Glyptik, usw.
>Warum wagt die Machttheorie keinen Blick auf die Religion?
Tut sie sehr wohl. Nur haben mehr Machthalter Tempel geplündert und"religiöses Land" eingezogen (die bekannten"Reformationen", z.B. schon Echnaton) als umgekehrt Priester Tempel und Domänen.
>Weil sie die - traditionell wissenschaftlich orientiert - als Unsinn abtut? So wird man dem Phänomen Religion nicht beikommen, dessen zentrale Bedeutung für Feudalsysteme mir offensichtlich erscheint.
Ja, aber zu Zwecken der Legitimisierung und Dynastisierung, nachdem die Macht aus dem Status Nascendi herausfinden musste. Der Machthalter kann seine Macht nicht durch dauerndes Gemetzel in seinem Areal erhalten, dazu braucht er eben die"Überhöhung", vulgo Herleitung und Einverständnis einer"noch größeren (und immer mehr entmaterialisierten und entrückten) Macht."
Die Kaiser von Byzanz haben sich nicht umsonst Münzbilder einfallen lassen, auf denen der Pantokrator (= Alles = pan Herrscher = krator = Jesus Christus) erscheint. Der Herrscher kann nicht allgegenwärtig sein, er kann aber den"Allgegenwärtigen" bestens für diese Zwecke einspannen. Kann gern welche zeigen, in buchstäblich Unmengen geprägt.
>Nein, ich bin überzeugt, wir müssen hier die religiösen Bedeutungssysteme anschauen und analysieren. Doch das ist nicht ganz so einfach (zumal wissenschaftliche Perspektiven auf Religion m.E. epistemologische Beschränkungen beinhalten, die eine sinnvolle Auseinandersetzung mit dem Phänomen"Religion" schwer bis unmöglich machen).
Bei"Naturreligionen" oder Polytheismen spielen sie für die Macht kaum eine Rolle. Beim Monotheismus haben wir ein Macht-Substrat, wenn nicht -Derivat, vgl. die"Elohim" (= Götter, da Suffix -im, erster Satz der Bibel) vs."Jahve", den großen Solisten, der nichts neben sich duldet (und so der Herrscher auch nichts neben sich zu dulden hat).
>Dafür wiederum brauchen wir eine solide epistemologische Fundierung, die präzise Werkzeuge für den Umgang mit und die Interpretation von metaphorisch strukturierten Bedeutungssystemen bereitstellt. Mit der herkömmlichen"wissenschaftlichen Methode" kommt man da nicht weiter. Man braucht eine allgemeine Epistemologie, die nicht nur analytische (wissenschaftliche) und metaphorische (religiöse, poetische etc.), sondern alle Formen menschlicher bzw. sozial konstruierter Bedeutungssysteme (Kultur) präzise unterscheiden und erfassen kann.
Also Religion(sgeschichte) und Poetik lassen sich gut wissenschaftlich behandeln, gilt auch für die"Kultur" (letztlich von"Kult"). Heinsohn hat das a.a.O. schon angesprochen (Drama, Tanz).
(...)
Danke für die Links zum Weiterrobben.
>>Eigentum & Geld ohne Waffe"dahinter" nicht vorstellbar.
>Jaklar, stimme zu. Aber gegenüber Feudalsystemen: Funktionswechsel. Waffen werden nun für andere Ziele eingesetzt (Eigentumssicherung, Vertragsvollstreckung etc.).
Die Waffe und der seinerseits von laufenden Abgaben (nicht Kriegs"dienst") befreite Mann sind eins. Im altpolnischen Reichstag kamen verarmte Adelige sogar mit Holzschwertern daher.
>>Sehr gut. Redistribution im waffenlosen Gelände? Wie schaut's mit Beute und Plünderungen aus?
>Bitte Fragen erläutern, verstehe ich nicht.
Redistribution erfordert Waffen, damit die Verteilung auch"geordnet" abläuft. Stünden bei heutigen Hilfslieferungen (Sudan usw.) keine Jungs mit MP im Hintergrund, würde eben nach Belieben genommen (Beute). Oder warum werden"Plünderer" eigentlich ohne Prozess und absolut sanktionslos erschossen?
>>Nicht überall, vgl. Kinder-usw.-Subventionen.
>Kinder- und Familiensubventionen sollen Familienstrukturen, die durch die Lohnarbeitsstruktur und eigentumsbasierte Marktkonkurrenz untergraben werden (vgl.Geburtenrückgangs-Thread, Literaturangaben dort), stützen und"retten". Aussichtslos. Da hilft nur eine Änderung der Sozialstruktur, die das Kinderkriegen wieder individuell sinnvoll macht, oder gewaltsame Bevölkerungspolitik.
Ja, zurück zum Stamm - da braucht man die Familie.
(...)
>>Eigentum ist nie"frei" (feudal völlig unbelastet), Vertragsrecht hat jede Menge Grenzen ("sittenwidrig"), Geld = Machtderivat (Staatsmonopol).
>Natürlich. Trotzdem qualitativ neues Prinzip. Ermöglicht / erzwingt Entrepreneurship, Innovation, kontinuierliche dynamische Entwicklung mit Revolutionierung der Produktionsmethoden (nicht nur Mehrprodukt, sondern permanente INNOVATION).
Läuft aufs selbe hinaus.
>Das auch in Feudalsystemen? Nein.
Gerade und zwar in die Städten (bis die wiederum ihrerseits verzünftet wurden und technischen Fortschritt ausschlossen). Die Stadt ist ein Feudal-Derivat:"Stadtluft macht frei!" (= befreit von Abgaben und Diensten an den Feudalherrn).
>Mehrprodukt ja, aber zu religiösen Zwecken - nicht permanente Innovativität in allen Lebensbereichen, und nicht allgemeine Orientierung auf continous improvement (eine nur für im Wettbewerb um knappes Geld stehende Unternehmer funktionale Strategie).
Auch die"Unternehmer" standen nicht seit der Steinzeit bereit und warteten auf ihren Einsatz. Da kamen erst einzelne (Palasthändler, DAM.GAR) und dann wurden es mehr und mehr. Perfekt in Mesopot so abgelaufen, alles spätere sind Remakes.
>>Warum fehlt die Politiker-Haftung? So richtig scharf, mit Vermögensverlust & Knast.
>Weil Politiker jenes Feudalsystem verwalten, ohne das es keine bürgerlichen Freiheiten geben kann. Natürlich können in einem Feudalsystem keine bürgerlichen Prinzipien herrschen. Um diese zu garantieren, ist - wie sie ja permanent hervorheben - eben ein Feudalsystem nötig, allerdings eines, das sich selbst erheblich einschränkt, aber diese Einschränkungen leider jederzeit wieder aufheben kann.
Das hat sich nicht von"sich aus" eingeschränkt (per"Einsicht"), sondern wurde dazu gezwungen. Nochmals: Warum hat sich das Volks bisher noch nicht das Etatrecht schnappen können? Es kann nirgends gegen die Handhabung der"Staatsfinanzen" geklagt werden - weder bei Einnahmen noch bei Ausgaben. Noch nicht einmal entsprechende"Volksabstimmungen" sind möglich (außer in einer Minimheit einiger Staaten).
(...)
>>Die jene Probleme geschaffen haben, die sie dann zu"lösen" vorgeben?
>Teilweise durch die Politiker geschaffen - teilweise jedoch unaufhebbar Teil des privaten Wi-Prozesses. Selbstverstärkenden Boom- und Krisentendenzen können nur durch starke, dem individuellen Vermögenssicherungs- und Profitmaximierungszwang enthobene wirtschaftliche Akteure wirksam entgegenwirken. Individuelle Akteure werden in der Mehrzahl zu prozyklischem Verhalten neigen und so z.B. Paniken und irrationale Überschwänge hervorrufen. Antizyklische Konjunkturpolitik kann nur entgegensteuern, weil sie dem individuellen Eigentümerkalkül enthoben ist.
Ah, Keynes redivivus."Konjunkturpolitik" bei Überschwängen? Bei"irrational exuberances"? Volcker hat's versucht - gescheitert. Greenspan gar nicht erst, sonst hätte er seinen Satz schon in den 90ern auf 15/20 % setzen müssen. Bei Krisen? Nichts als Steuer-Vorabbezug (Staatsverschuldung). Das genau aber ist ein Eigentümerkalkül - wer gibt schon gern - krisenbedingt - Ämter und Pfründen auf?
>>Machtdienliche Innovationen sind hochwillkommen. Selbst Neuschwanstein war zu seiner Zeit der modernste Bau in ganz Europa.
>Sicher, schon. Aber der Entrepreneur schafft seine Innovation doch nicht, um"der Macht" zu dienen.
Nein, um ihr und den damit verbundenen schmerzhaften Folgen auszuweichen. Erlebt Deutschland doch jeden Tag (bloß wech!). Wo steckt bei E.ON der"Entrepreneur"? Die Bude kann auch ein Ziegenbock"leiten". Bei jedem Meck-Meck wird halt der Preis erhöht - sehr"kreativ". Warum hat die Bude 40 % (oder so) seiner"Belegschaft" abgebaut? Puma? Siemens? Deutsche Bank?
>Er hat Freude am Schaffen, an seiner fixen Idee, seiner Kreativität.
Das hatten die Mumienkästen-Bstler auch, ebenso die Schmuck-, Amulett- und Statuettenhersteller - und nirgends war ein"Privateigentumer-Kapitalismus" in Sicht. Die Praekolumbianer waren klassisch unfrei - und ihr Kunsthandwerk ist bis heute unerreicht. Selbst in Idar-Oberstein weiß keiner, wie die das (jeweils Einzelstücke!) aus Granit, Jade, Basalt und anderen ganz schwer zu bearbeitenden Materialien hingekriegt haben. Einer sagte:"Vielleicht haben die an einer Figur ein Leben lang gearbeitet, vielleicht sogar mehrere Generationen..."
>Und will sie umsetzen, und damit etwas verdienen, indem er anderen damit einen Nutzen bietet. Und er kann das auch, weil der Markt mit tendenzieller Geldknappheit ein permanentes"Warenüberangebot" schafft (volle Regale, leere Geldbeutel --- im Realsozialismus wars umgekehrt). Dieses Angebot erlaubt es Innovativen, auf alle Mittel für die Realisierung ihrer bahnbrechenden Idee schnell und umfassend zuzugreifen - nur Geld ist hier der Engpaß (im Realsoz. war es umgekehrt - da scheiterten viele Innovationen vermutlich schlicht an nicht lieferbaren Einzelteilen).
Es scheiterte am fehlenden Preissystem. Nur das kann Knappheiten (und ergo den gewünschten"Nutzen") anzeigen.
Rest d'accord, auch wenn ich wirklich nicht"missionieren" möchte. Und"reine" Feudalsysteme gab's nur selten: Die Groß-Flusstäler nach deren Eroberung - bis dann die Städte aufkamen (siehe Kain, der Städtebauer!), die oikos-Wirtschaften (Tyrannis) als jeweils kurzes Intermezzo (der letzte war wohl Agathokles), die Praekolumbianer, die frühen Chinesen, bevor die Zeit der"streitenden Reiche" begann.
Nur sind die feudalistischen"Errungenschaften" (Zwingwaffen, Abgaben, Zins, Geld, Ober- vs. Untereigentum usw.) nach wie vor unsere freundlichen Begleiter.
Erneuten Dank! Wie schön, dass der Dissens über - zumindest - Teilbereiche (wie groß auch immer) des Machtphänomens nie enden wird. Und herzlichen Gruß!
|
moneymind
20.03.2006, 13:36
@ dottore
|
Re: Entstehung v. Feudalismus + bürg. Freiheit - dottore |
-->Lieber dottore,
vielen Dank für ihre Einwände, und sorry für die Verzögerung.
Sie schreiben:
>Der"Katastrophismus" in historischer Zeit (Sintflut, wie in allen Mythen, Kometeneinschlag ex Velikovsky, Großbeben, quasi als laufende Keiler, Vulkanausbrüche, wie Santorin ---> Zusammenbruch der mykenischen Palastwirtschaft) darf nicht weggelassen werden. Für mich war das vor Jahren ein Eye-Opener.
Gut, dann müssen wir einen Weg finden, dies schlüssig ins Gesamtbild der antiken Entwicklung einzubauen. Es stehen dafür ja Szenarien verschiedener katastrophistischer Autoren zur Verfügung (siehe mein letztes Posting), die man sich näher ansehen und im Hinblick auf Plausibilität vergleichen könnte.
Ich beziehe mich hier mal nur auf das Heinsohnsche Szenario, das mir den Vorteil zu haben scheint, daß H. eng an den archäologischen Fundschichten orientiert argumentiert.
Mir scheint, daß sich die scheinbaren Widersprüche, die Sie im Heinsohnschen Szenario erkennen, auflösen lassen, sobald man dieses in zusammenhängender Gänze betrachtet und zur Kenntnis nimmt. Dann ergibt sich (aus meiner Sicht) durchaus ein recht schlüssiges Gesamtbild, das nicht nur eine Erklärung für die Entstehung der"Freiheit" und Privatautonomie, sondern auch der"Macht" und von"Feudalsystemen" bietet (letzteres allerdings zeitlich der"Freiheit" vorhergehend und als Reaktion auf eine VOHERIGE, WEITERE Katastrophe). (Eine recht übersichtliche Zusammenfassung von Heinsohns diesbezüglicher Sicht findet sich in seinem Buch"Die Sumerer gab es nicht", S. 156-162; kann ich gerne einscannen und per mail schicken).
Und es ergeben sich auch durchaus Ansatzpunkte, Kontinuitäten und Diskontinuitäten zwischen dem Feudalsystem und dem darauf folgenden"bürgerlichen" System klarer in den Blick zu bekommen.
Lassen Sie mich das im einzelnen zunächst anhand Ihrer"großen Fragen" erläutern.
>Wie kommt es überhaupt zum praekatastrophischen Feudalismus, wenn nicht auf dem oft genug beschriebenen Weg über die überlegene Waffentechnik (Bronze in der Alten, Obsidian, Hartkupfer-Tumi in der Neuen Welt) ---> Unterwerfung ---> Abgabenerzwingung?
Im H-Szenario gibt es m.E. keinen PRÄ-katastrophischen Feudalismus. Feudalsysteme mit Priesterkönigen (siehe den von Ihnen zitierten 1990er Text, "The Rise of Blood Sacrifice..." und ausführlich in"Die Erfindung der Götter"). Vielmehr gibt es dort einen"bronzezeitlichen Feudalismus, der als Antwort auf Katastrophen am Ende der Jungsteinzeit entsteht" (Eigentum, Zins und Geld, S. 111).
Zur absoluten Chronologie kann ich hier mangels Kompetenz wenig aussagen, da wissen Sie wesentlich besser Bescheid (aber: Link). Für unsere Fragestellung reicht jedoch ja zunächst eine relative Chronologie der mutmaßlichen Ereignisabfolge.
Es gibt eine SERIE von Katastrophen im (an Velikovsky angelehnten und mit den archäologischen Zerstörungsschichten argumentierenden) H-Szenario.
Deren ERSTE führt zu Feudalsystemen (siehe der oben erwähnte Artikel). Die Legitimation der Herrscher ergibt sich nicht aus Waffengewalt, sondern aus der"Heilungsmacht" - dem Design und der Durchführung von Angsbewältigungsritualen (für Heinsohn: Ursprung von Theater, Kunst etc.), sowie aus der astronomischen Kompetenz der Priester, weitere Katastrophen vorherzusagen (Ursprung wissenschaftlichen Denkens: Abstraktionen + Geometrie wurden demnach zur Beobachtung von Bewegungen von Himmelskörpern entwickelt). Feudalsysteme entstehen nicht überall! Anderswo geht es auch mit Stämmen weiter.
Die LETZTE der Katastrophenserie führt zu den Revolutionen der freien Männer - wiederum nicht überall. Anderswo geht es mit Feudalssystemen weiter, die allerdings NACH dem Ende der Katastrophenserie ihre Legitimation verlieren und Katastrophen-Prophezeihungen nun nur noch zu Machterhaltungszwecken einsetzen - und hier dürfte dann womöglich auch Waffengewalt ihren Platz finden.
Einei Katastrophe zieht also nicht zwangsläufig ein Feudalsystem oder eigentumsbegründende freie Männer nach sich. Es sind ja eben auch nicht überall Feudalsysteme entstanden, viele Gesellschaften haben mit Stammesstrukturen weitergemacht; dasselbe gilt für die Eigentumsgründungen: anderswo blieb es bei Stämmen oder Feudalsystemen. Es müssen also lokale, spezifische Reaktionen auf die Katastrophe gewesen sein, die jeweils zu dem neuen System geführt haben.
Mögliche Sichtweise (von mir derzeit für plausibel erachtet): Katastrophe zerstört alte Sozialstruktur und erzeugt dabei natürlich Leid, aber auch"kreatives Chaos": einen instabilen und weitgehend"regellosen" floatenden Systemzustand, ein Stadium of Possibility, in dem viele verschiedene mögliche weitere Entwicklungspfade existieren, sodaß nicht vorhergesagt werden kann, wie die Entwicklung tatsächlich weitergehen wird; kleine Unterschiede können in einem solchen Systemzustand große Wirkungen haben.
Die Stärke der katastrophischen Erklärung ist ja gerade, daß sie die historische Entwicklung verständlich machen kann (selbstverständlich nur ex post-Plausibilität/Schlüssigkeit!!!). OHNE auf allgemeine Gesetzmäßigkeiten zurückzugreifen (ie evolutionistische Modelle, bei denen dann die Frage offenbleibt, wieso es nicht überall von selber zur"höheren Stufe" (f. Stamm Feudalsystem, für Feudalsysteme bürg. Ges.) gekommen ist oder kommt.
In other words, das katastrophistische Szenario liefert eine plausible Geschichte, die EX POST verständlich machen kann, was abgelaufen sein könnte, ermöglicht aber keinerlei PROGNOSEN.
Vorteil dieses Szenarios ist für mich gerade, daß Heinsohn für die Erklärung der"Macht" (Details dazu müßten wir noch diskutieren) auf eine zirkuläre Argumentation verzichten kann (Macht wegen Machtwille --- das dormitive Principle lauert!). Die historische Sicht und die Katastrophen führen heraus aus dem logischen Zirkel. Hier liegt eine große Stärke des (natürlich hypothetischen und diskutablen, aber trotz seiner Unvollständigkeit in vieler Hinsicht für mich schlüssigen und plausiblen) Szenarios.
Ich muß es an dieser Stelle mal bei diesen kurzen Hinweisen belassen und beantworte im Folgenden noch ihre anderen Einwände. Das H-Szenario einmal zu rekonstruieren (er stellt es leider selten zusammenhängend dar, man muß sich die Teile aus verschiedenen Publikationen zusammensuchen), wäre aber m.E. eine längere Diskussion durchaus wert.
>Wo in der Antike finden wir eine Ideologie der"individuellen Freiheit" (die doch für jedermann, inkl. Sklaven, Hintersassen, usw. gelten müsste)?
Ideologien der Freiheit bei Griechen und Römern doch kein Geheimnis (freie Bürger Athens).Daß die Freien Privilegiert waren, ebenfalls nicht. Dazu nur kurz Richard Pipes:
"It was in Greece that there emerged, for the first time in history, the
phenomenon of citizenship with its fusion of rights and obligations. It ist
in ancient Greece, too, that we find the earliest evidence of agriculture
pursued largely by indepenent, landowning farmers, forerunners of the
English yeomanry... ever since the days of Solon, these independent farmers
were considered freemen (eleutheroi), exempt from the duty of paying tribute
or providing service to the aristocrats. The labored for themselves, and
this economic independence became a hallmark of freedom." (R. Pipes,
Property and Freedom, p. 99f).
Pipes zitiert darauf noch den Historiker Victor Davis Hanson ("The other
Greeks", New York 1995, S. 3):
"The rise of independent farmers who owned and worked without encumbrance
their small plots at the end of the Greek Darkt Ages (c. 750 b.c.e.) was an
entirely new phenomenon in history..." (zit.n. Pipes, Property and
Freedom, p. 101)
Pipes kommentiert:
"If we add to this information the fact that Athenian citizens were not
taxed (!), considering taxation a hallmark of lower status, the correlation
between landownership, citizenship, and democratic participation is
striking." (Pipes, a.a.O., 101).
Und, wieso"für alle gelten müsste" (ihre Frage oben)? Die Verallgemeinerung der Freiheits-Chose ist doch erst eine moderne Entwicklung, die können Sie doch nicht auf die Geschichte zurückprojizieren. Nein, nicht"für alle gelten müsste" - das normative"für alle" ist eine moderne bürgerliche Ideologie! Im Gegenteil, in der Antike: absolute Ausnahme, der Sonderfall - und eben nicht"für alle". Sondern nur für freie Männer, freie Bürger.
Diese Freiheit ist - angesichts der von mir schon beschriebenen Dominanz des Sozialsystems als Träger der biologischen Entwicklung über die Generationen hinweg - das eigentliche historische Rätsel, das zentrale Explanandum (was Marx gesehen hat, aber eben nicht schlüssig erklären konnte - und Marx´ unschlüssige Erklärung war Heinsohns Ausgangspunkt).
Ich hatte dazu hier und in dem daran anschließenden Thread einiges ausgeführt, das ich hier nicht wiederholen möchte --- ggf. bitte dort nachlesen.
>Die Einführung der"Population" ist gut! Dass damit die Entindividualisierung als Perma-Zustand läuft (hat sogar Anklänge an Schopenhauers"Willen"), ist aber auch klar.
Ja, völlig klar. Sage ja: Freiheit ist immer in Gefahr, feudal überwuchert und verdrängt zu werden. Doch vor der"Entindividualisierung" steht erstmal die postmoderne"Durch-Individualisierung" sämtlicher westlicher Lebensstile, wie Marx ("Atomisierung") ganz richtig gesehen hat (inclusive Familienzerfall/Verzicht- den Marx noch nicht erkennen konnte). Dann steht - logischerweise - wiederum eine Ent-Individualisierung bzw."Kollektivierung" an, die Rücknahme des Individuumms in den sozialen Zusammenhang (zurück zu Familie und ggf. größeren Gemeinschaften). Kann man durchaus mit Marx als"Negation der Negation" betrachten.
>Und klar auch: Wieso dann Kannibalismus innerhalb der Population?
Mir nicht klar! Erbitte Erläuterung. Danke.
>>sondern es wird auch klar, warum sich sozialistische Ideologien (und sich auf"Stammessolidarität" etc. berufende Ideologien) auf womöglich sogar biologisch verankerte Gemeinschaftsgefühle zurückgreifen können und die"Freiheit" als"unmenschlich" etc. verteufeln und mit Abscheu betrachten können.
>Das wird allerdings klar.
>Freiheit als"Einsicht in die Notwendigkeit" (ex Spinoza?, Hegel, Engels).
Das ist wiederum an anderer Freiheitsbegriff, bezieht sich bei Engels auf Erkenntnis von Naturgesetzen generell (vgl. Dialektik der Natur, MEW 20). Wir müssen da verschiedene Freiheitsbegriffe verschiedener Herkunft klar unterscheiden - jeweils danach, worauf sich die"F." jeweils konkret beziehen soll, und worin sie konkret bestehen soll. Sonst Gefahr, aneinander vorbeizureden, weil jeder einen anderen F-Begriff im Kopf hat, aber unterstellt, er meine dasselbe wie der andere Disk-Teilnehmer. Folge: unerkannte Mißverständnisse, Abbruch der Diskussion. Abstrakte Begriffe wie"Freiheit" können Denkfallen sein, da interpretabel. Hier ist begriffliche Präzision und Unterscheidungsfähigkeit gefragt.
>Jetzt auch noch einen Religions(gesellschafts)-Vertrag? Der andere ist schon windig genug.
LOL! Meinte keinen Religionsgesellschaftsvertrag, sondern die"Staatsgründung" der postkatastrophischen"freien Männer", die damit ihre Freiheit auf Dauer stellen woll(t)en.
>Die"Nachzügler" sind auch gut! Sie kopieren allerdings das UR-Modell des Autokraten. Das reicht vom chinesischen Kaiser und seinen Mandarinen zum heutigen Politbüro über den US-Präsidenten als Kopie des britischen Heimatzustands im 18. Jh., vom Zaren bis Putin, vom deutschen Kaiser zum"Bürgerpräsidenten" (dessen"Thronrede" heute die Weihnachtsansprache ist).
Ja, volle Zustimmung - hier in der Tat Machtzession des Autokraten, der eine quasifeudale Rolle behält, von oben. Und selbstverständlich lassen sich etwa im US-Präsidenten Züge eines Priesterkönigs erkennen, da gibt es ganz klare Kontinuitäten, gar keine Frage. Nur darf man m.E. nicht der Gefahr verfallen, angesichts der offensichtlichen Kontinuitäten die Unterschiede (Diskontinuitäten) zu übersehen.
>>Ich kann nur Plausibilitätsüberlegungen und Hypothesen beisteuern.
>Danke, allesamt höchst interessant und bedenkenswert.
Danke - freut mich, wenn sie das so sehen.
>>Warum und wozu werden plötzlich Waffen eingesetzt?
>Ausübung von ökonomischem Zwang (coercive power).
Ist das nicht zirkulär? Da muß man doch weiterfragen: aber wozu? Woher plötzlich in der Geschichte dieser Wille zum Zwang, wieso vorher nicht und anderswo, wo es mit Stämmen weiterging, auch nicht? Und warum zu einem bestimmten Zeitpunkt? Erfindung der Metallurgie reicht - dann schon kommts automatisch zur Waffe und zum Zwang? Nein, überzeugt micht nicht, ganz und gar nicht. Machtwille/Unterdrückungswille wird nicht erklärt sondern zirkulär vorausgesetzt. Sorry, da kann ich nicht folgen.
>Nicht"Machtwille", sondern Macht-Produktivität (= andere für sich arbeiten und leisten zu lassen - gegen deren Willen - statt selbst den Buckel krumm zu machen).
Das klingt für mich fast ein wenig Marxscher Materialismus/Ã-konomismus durch. Unbefriedigend, weil wiederum zirkulär! Sie ersetzen den Marxschen Tauschtrieb halt durch einen"Machttrieb". Anderer Inhalt, aber dieselbe zirkuläre Struktur der Argumentation. Woher der Drang zu Produktivität? Der ist doch gerade erst zu erklären, den können Sie nicht zur Erklärung von Machtausübung hernehmen. Ist zirkulär. Und eben dies nicht-zirkulär zu leisten, ist für mich eine der großen Stärken des Heinsohn-Szenarios, das es für mich (in groben Umrissen, nicht in jedem Detail) so überzeugend macht.
Anderswo ging es mit Stämmen weiter - was war und ist bei denen los mit dem"Produktivitätsdrang"? Nein, so funktioniert das nicht - rein logisch nicht, ganz unabhängig von der historischen Datenlage. Zirkulär. Das dormitive Principle lauert.
>Ja, aber zu Zwecken der Legitimisierung und Dynastisierung, nachdem die Macht aus dem Status Nascendi herausfinden musste. Der Machthalter kann seine Macht nicht durch dauerndes Gemetzel in seinem Areal erhalten, dazu braucht er eben die"Überhöhung", vulgo Herleitung und Einverständnis einer"noch größeren (und immer mehr entmaterialisierten und entrückten) Macht."
Zuerst Macht, dann Erfindung der Religion, um die Macht zu erhalten? Erscheint mir unplausibel. Aber Frage: woher und wozu dann die Erfindung von Macht? Und warum nicht überall, sondern nur an manchen Orten (anderswo gings mit Stämmen weiter)? Und jetzt bitte nicht mit dem"Produktivitätsdrang" kommen, s.o.!
Und: wie läßt sich dieses Modell der Religionsentstehung (zum Erhalt vorgängig geschaffener Machtstrukturen) historisch belegen? Wo ist der präreligiöse Feudalismus (noch ohne Religion), auf dessen Boden dann die Religion geschaffen worden sein soll?
>Also Religion(sgeschichte) und Poetik lassen sich gut wissenschaftlich behandeln, gilt auch für die"Kultur" (letztlich von"Kult"). Heinsohn hat das a.a.O. schon angesprochen (Drama, Tanz).
Da müßten wir ins Detail gehen. Heinsohn hat größte Probleme mit einer systematischen Behandlung metaphorisch stukturierter Bedeutungssysteme und greift für seine Religionstheorie für die er genau das braucht, eben auf keine diesbezügliche Theorie, sondern nur auf ein psychoanalytisches Beispiel und eine Analogie zurück. Ist intuitiv scharfsinnig gedacht und einleuchtend, aber theoretisch völlig unzureichend reflektiert. Trotzdem hat sein Ansatz Potential. Kann diese methodischen Fragen hier und jetzt nicht vertiefen, ist aber für unsere Diskussion vielleicht auch nicht von zentraler Wichtigkeit.
>Redistribution erfordert Waffen, damit die Verteilung auch"geordnet" abläuft. Stünden bei heutigen Hilfslieferungen (Sudan usw.) keine Jungs mit MP im Hintergrund, würde eben nach Belieben genommen (Beute).
Yep, stimmt.
>Ja, zurück zum Stamm - da braucht man die Familie.
Ja.
>>>Eigentum ist nie"frei" (feudal völlig unbelastet), Vertragsrecht hat jede Menge Grenzen ("sittenwidrig"), Geld = Machtderivat (Staatsmonopol).
>>Natürlich. Trotzdem qualitativ neues Prinzip. Ermöglicht / erzwingt Entrepreneurship, Innovation, kontinuierliche dynamische Entwicklung mit Revolutionierung der Produktionsmethoden (nicht nur Mehrprodukt, sondern permanente INNOVATION).
>Läuft aufs selbe hinaus.
Dasselbe?!?
Nun, ein VW Golf und ein Trabant sind beides Autos --- aber.... deshalb schon dasselbe? Fragen Sie doch mal ein paar Ex-DDR-Bürger, ob für sie Golf=Trabant (war und ist).
Wo man Unterscheidungen trifft (und welche), hängt vom Standpunkt und den Zielen ab. Wenn man eine allgemeine Machttheore formulieren will, kann man natürlich Feudalyststeme und bürgerliche Systeme einfach gleichsetzen... fragt sich allerdings, was man für den Verlust an Unterscheidungsfähigkeit gewinnt. Ich persönlich wüßte nicht, was. Deshalb sehe ich die wesentlichen Unterschiede der Entwicklungsdynamiken von feudalen und bürgerlichen Gesellschaften auch weiterhin, anstatt sie unter einem abstrakten und unscharfen Oberbegriff einzuebenen. So viel Unterscheidungsfähigkeit muß sein - schon aus entwicklungs-/modernisierungstheoretischer Perspektive.
>Gerade und zwar in die Städten (bis die wiederum ihrerseits verzünftet wurden und technischen Fortschritt ausschlossen). Die Stadt ist ein Feudal-Derivat:"Stadtluft macht frei!" (= befreit von Abgaben und Diensten an den Feudalherrn).
Aha --- wieso befreit? Freiheit hat etwas mit innovativer Entwicklung zu tun?
>Auch die"Unternehmer" standen nicht seit der Steinzeit bereit und warteten auf ihren Einsatz.
Selbstverständlich nicht! Aber das behaupte ich doch auch gar nicht - ich verstehe nicht recht, aus welchen meiner Äußerungen sie schließen, daß ich dieser Meinung wäre.
>Das hat sich nicht von"sich aus" eingeschränkt (per"Einsicht"), sondern wurde dazu gezwungen.
Ja - sehe ich genauso. Erstentstehung der"Freiheit" durch Katastrophen - die frei umherstreifenden Jungscharen; dann staatliche Sicherung dieser"Freiheit" (von traditionalen Solidar- und Abgabenpflichten) durch Revolution der freien Männer + Zerstörung des Feudaladels ---- Nutzung der Bürokratie durch Umfunktionieren für bürgerliche Zwecke, dafür Inkaufnahme feudaler Reste (Abgabensystem) zur Aufrechterhaltung des"freiheitssichernden" Staatssystems.
>Bei Krisen? Nichts als Steuer-Vorabbezug (Staatsverschuldung).
Ja. Kurzfristig krisenmildernd wirksam - langfristig - brauchen wir nicht drüber zu reden, siehe Zeitung.
>>Aber der Entrepreneur schafft seine Innovation doch nicht, um"der Macht" zu dienen.
>Nein, um ihr und den damit verbundenen schmerzhaften Folgen auszuweichen.
Das mag dann später vordringlich werden, wenn der Laden mal läuft, Einführungs- und Wachstumsphase vorbei sind, es (nachgezogene) Wettbewerber gibt und der Markt seine Sättigungsphase erreicht. Aber am Anfang (Gründungs-, Einführungs- und Wachstumsphase) ist ihm das schnurzpiepegal. Hoffentlich! Sonst würde er doch gar nie anfangen.
>>Er (der Unternehmer) hat Freude am Schaffen, an seiner fixen Idee, seiner Kreativität.
>Das hatten die Mumienkästen-Bstler auch, ebenso die Schmuck-, Amulett- und Statuettenhersteller - und nirgends war ein"Privateigentumer-Kapitalismus" in Sicht. Die Praekolumbianer waren klassisch unfrei - und ihr Kunsthandwerk ist bis heute unerreicht. Selbst in Idar-Oberstein weiß keiner, wie die das (jeweils Einzelstücke!) aus Granit, Jade, Basalt und anderen ganz schwer zu bearbeitenden Materialien hingekriegt haben. Einer sagte:"Vielleicht haben die an einer Figur ein Leben lang gearbeitet, vielleicht sogar mehrere Generationen..."
Völlig richtig! Kreativität als solche ist menschlich und hat mit Kapitalismus nichts zu tun. Kapitalismus richtet Kreativität auf spezielle (nicht-religiöse, sondern ökonomische) Ziele hin aus, aber schafft sie natürlich nicht, siehe frühere Postings von mir: 1 und 2
>Es (die realsozialistische Produktivität) scheiterte am fehlenden Preissystem. Nur das kann Knappheiten (und ergo den gewünschten"Nutzen") anzeigen.
Wenn allein ein"Preissystem" die Bedingung für Innovativität, Produktivität und Qualität (Trabbi vs. VW Golf) sein soll und kontinuierliche innovative dynamische Entwicklung auch in Feudalsystemen möglich sein soll --- wo ist dann das"Preissystem" des Inkareichs? Oder war das auch wegen dem"fehlenden Preissystems" weniger innovativ?
Nein, was im Realsozialismus gefehlt hat, waren schlicht Eigentum, Vertragsfreiheit, Haftung, Schuldrecht und Geld, das auf vollstreckbaren Forderungen beruht und daher knapp ist. Im Realsozialismus: Warenknappheit und Geldüberhang statt - wie im Kap. mit knappgehaltenem Geld - Geldknappheit und Warenüberhang (volle Regale, leere Geldbeutel).
Nette Beschreibung einiger realsozialistischer Phänomene hier - theoretische Interpretation dort bitte ignorieren - die hat zwar einige interessante Aspekte, ist aber mangels brauchbarem Geldbegriff im Kern daneben.
>Nur sind die feudalistischen"Errungenschaften" (Zwingwaffen, Abgaben, Zins, Geld, Ober- vs. Untereigentum usw.) nach wie vor unsere freundlichen Begleiter.
Völlig richtig. Nur sollte man angesichts dieser unstrittigen Kontinuität die Diskontinuitäten (Unterschiede) zw. feudalen und bürgerlichen Systemen nicht einebnen oder übersehen.
Danke + Gruß!
|
moneymind
20.03.2006, 13:50
@ moneymind
|
Re: OT: Antike Chronologie |
-->Für die historisch und chronologisch bewanderten (zu denen zähle ich mich nicht!) vielleicht zu diesem Thread interessant:
<ul> ~ The Revision of Ancient History</ul>
|
dottore
20.03.2006, 17:18
@ moneymind
|
Re: Ist der Bürger ein"Staat"? |
-->Hi moneymind,
besten Dank auch diesmal.
>Gut, dann müssen wir einen Weg finden, dies schlüssig ins Gesamtbild der antiken Entwicklung einzubauen. Es stehen dafür ja Szenarien verschiedener katastrophistischer Autoren zur Verfügung (siehe mein letztes Posting), die man sich näher ansehen und im Hinblick auf Plausibilität vergleichen könnte.
Ja, weites Feld. Da anzunehmen ist, dass die Mesopot-Entwicklung die Latte der Kramer'schen"Firsts" korrekt abbildet und nach allem, was wir wissen, dem graeco-römischen Beritt vorangeht, wäre der Katastrophismus sub specie Innerasien (Bronze-Erfindung in Muschiston, Tadschikistan) zu untersuchen. Immerhin liegt der Bergbau dort (inkl. Zinn) in ca. 2600 m Höhe. Frage wäre: Was hat die Jungs von dort ins Tal und schließlich in die großen Flussniederungen getrieben? Dass es in Mesopot Katastrophen gegeben hat ("Ishtar") wird nicht bezweifelt. Aber wie hängt das mit den sog."aus Innerasien einwandernden (!) Stämmen" zu tun. Das noch für die Hethiter, bronzezeitlich.
(...)
>Mir scheint, daß sich die scheinbaren Widersprüche, die Sie im Heinsohnschen Szenario erkennen, auflösen lassen, sobald man dieses in zusammenhängender Gänze betrachtet und zur Kenntnis nimmt. Dann ergibt sich (aus meiner Sicht) durchaus ein recht schlüssiges Gesamtbild, das nicht nur eine Erklärung für die Entstehung der"Freiheit" und Privatautonomie, sondern auch der"Macht" und von"Feudalsystemen" bietet (letzteres allerdings zeitlich der"Freiheit" vorhergehend und als Reaktion auf eine VOHERIGE, WEITERE Katastrophe).
Gegenthese: Die ex Innerasien sind katastrophenunabhängig ("psychisch stabil") bzw. vor den Katastrophen angerückt und haben mit Waffenmacht unterworfen. Ich halte das Unterwerfungsphänomen für originär, sonst müssten wir auch mit immer weiteren"vorherigen" Katastrophen operieren. Die Ursachen für diesen"Machttrieb" (s.a. unten) könnten wir eher in der schon diskutierten Neocortex-Auswölbung (hohe Stirn usw., siehe"Science" September 2005) sehen oder in dem, was Julian Jaynes ableitet, auf den @Rudow schon hingewiesen hatte. Danke übrigens ihm dafür.
>(Eine recht übersichtliche Zusammenfassung von Heinsohns diesbezüglicher Sicht findet sich in seinem Buch"Die Sumerer gab es nicht", S. 156-162; kann ich gerne einscannen und per mail schicken).
Ist vorhanden, Danke.
>Und es ergeben sich auch durchaus Ansatzpunkte, Kontinuitäten und Diskontinuitäten zwischen dem Feudalsystem und dem darauf folgenden"bürgerlichen" System klarer in den Blick zu bekommen.
Darf ich mich nur auf die Kontinuitäten beschränken? Stichwort: Warum hat Romulus sein Schwert nach der Roma quadrata nicht weggeworfen? Warum wollte er weiter herrschen?
>Lassen Sie mich das im einzelnen zunächst anhand Ihrer"großen Fragen" erläutern.
>>Wie kommt es überhaupt zum praekatastrophischen Feudalismus, wenn nicht auf dem oft genug beschriebenen Weg über die überlegene Waffentechnik (Bronze in der Alten, Obsidian, Hartkupfer-Tumi in der Neuen Welt) ---> Unterwerfung ---> Abgabenerzwingung?
>Im H-Szenario gibt es m.E. keinen PRÄ-katastrophischen Feudalismus. Feudalsysteme mit Priesterkönigen (siehe den von Ihnen zitierten 1990er Text, "The Rise of Blood Sacrifice..." und ausführlich in"Die Erfindung der Götter"). Vielmehr gibt es dort einen"bronzezeitlichen Feudalismus, der als Antwort auf Katastrophen am Ende der Jungsteinzeit entsteht" (Eigentum, Zins und Geld, S. 111).
Da teilen wir uns. Die Bronze als überlegene Waffe führt zum Feudalismus. Die Waffe ist nicht die"Antwort" auf Katatstrophen. In Amerika gab's ebensolchen Feudalismus (Abgabenwirtschaft) und die waren noch Obsidianer, wenn es auch in Ansätzen Hart-Kupfer-Geräte bzw. -Waffen gab ("Tumi").
(...)
>Es gibt eine SERIE von Katastrophen im (an Velikovsky angelehnten und mit den archäologischen Zerstörungsschichten argumentierenden) H-Szenario.
Da gab's schon was zum Zerstören - Feudal-Relikte (Tempel, Paläste).
>Deren ERSTE führt zu Feudalsystemen (siehe der oben erwähnte Artikel).
Der sich widerspricht."Freie" nach Katastrophe oder Priesterfeudalismus nach Katatsrophe?
>Die Legitimation der Herrscher ergibt sich nicht aus Waffengewalt, sondern aus der"Heilungsmacht" - dem Design und der Durchführung von Angsbewältigungsritualen (für Heinsohn: Ursprung von Theater, Kunst etc.), sowie aus der astronomischen Kompetenz der Priester, weitere Katastrophen vorherzusagen (Ursprung wissenschaftlichen Denkens: Abstraktionen + Geometrie wurden demnach zur Beobachtung von Bewegungen von Himmelskörpern entwickelt).
Gegenthese: Himmelskörperbeobachtungen --- Kalender. Grund: Termin setzung unzweideutig machen. Warum sollten die Olmeken sonst ein Observatorium auf dem Monate Alban errichtet haben (ganz unkatatstrophisch)? Im ganzen Olmeken-Bereich finden wir keine Katatsrophismen, paar Erdbeben ausgenommen - aber das ist nichts"Kosmisches".
>Feudalsysteme entstehen nicht überall! Anderswo geht es auch mit Stämmen weiter.
Ja, aber das ist eben nicht die Linie, die zum"unserem" Kapitalismus führt. Der ist ohne vorangegangenen Feudalismus (unter gleichzeitiger Übernahme dessen Grundelemente, wie Abgaben, Eigentum, zediert, Zins, Geld usw.) nicht rekonstruierbar. Den Heichelheim'schen Steinzeit-Kapitalismus (Märkte usw.) hat Hudson als Hirngespinst enttarnt.
>Die LETZTE der Katastrophenserie führt zu den Revolutionen der freien Männer - wiederum nicht überall.
Woher hätte man das wissen können, das es die"letzte" war? Außerdem lt. Heinsohn"Katastrophe ---> Priester-Feudalismus".
>Anderswo geht es mit Feudalssystemen weiter, die allerdings NACH dem Ende der Katastrophenserie ihre Legitimation verlieren
Die Feudalismen, die z.B. Diamond untersucht (schon z. T. zitiert) verlieren ihre Legitimation nach Umweltkatastrophen (keine kosmischen), vor allem nach langen Dürren, sehr beindruckend die Anasazi-"Kaiser".
>und Katastrophen-Prophezeihungen nun nur noch zu Machterhaltungszwecken einsetzen - und hier dürfte dann womöglich auch Waffengewalt ihren Platz finden.
Man spart die Waffe auf für einen Fall, den man gar nicht fetsmachen kann? Woher sollten denn die Post-Katastrophen-Herrscher gewusst haben, dass ihnen der Sturz blüht? Sie hattten es noch nie erlebt und es gab auch keine Überlieferung von früher zu solchen Szenarien. In Amerika finden sich nirgends"Sturz-Spuren" - die Leute sind einfach abgezogen.
(...)
>Mögliche Sichtweise (von mir derzeit für plausibel erachtet): Katastrophe zerstört alte Sozialstruktur und erzeugt dabei natürlich Leid, aber auch"kreatives Chaos": einen instabilen und weitgehend"regellosen" floatenden Systemzustand, ein Stadium of Possibility, in dem viele verschiedene mögliche weitere Entwicklungspfade existieren, sodaß nicht vorhergesagt werden kann, wie die Entwicklung tatsächlich weitergehen wird; kleine Unterschiede können in einem solchen Systemzustand große Wirkungen haben.
Also nach Heinsohn loc. cit. kommt es zu nach der"zerstörenden" (kosmischen!) Katatsrophe zur Priester(königs)-Herrschaft.
>Die Stärke der katastrophischen Erklärung ist ja gerade, daß sie die historische Entwicklung verständlich machen kann (selbstverständlich nur ex post-Plausibilität/Schlüssigkeit!!!). OHNE auf allgemeine Gesetzmäßigkeiten zurückzugreifen (ie evolutionistische Modelle, bei denen dann die Frage offenbleibt, wieso es nicht überall von selber zur"höheren Stufe" (f. Stamm Feudalsystem, für Feudalsysteme bürg. Ges.) gekommen ist oder kommt.
Die Stärke der Waffenmacht-Erklärung überzeugt mehr. Der Erfolg stellt sich sofort ein: Die Unterworfenen buckeln jetzt für die Unterwerfer - Evolution = null. Das geht sofort los.
(...)
>Vorteil dieses Szenarios ist für mich gerade, daß Heinsohn für die Erklärung der"Macht" (Details dazu müßten wir noch diskutieren) auf eine zirkuläre Argumentation verzichten kann (Macht wegen Machtwille --- das dormitive Principle lauert!).
Nicht wegen"Machtwille". Der Waffeneinsatz (tatsächlich/angedroht) zahlt sich sofort aus: An den Waffenhalter wird geliefert/geleistet. Wenn irgendetwas"ökonomisch" ist, dann andere für mich malochen zu lassen, was ich sofort erzwingen kann (Stufenfolge von mir aus nach Oppenheimer).
>Die historische Sicht und die Katastrophen führen heraus aus dem logischen Zirkel. Hier liegt eine große Stärke des (natürlich hypothetischen und diskutablen, aber trotz seiner Unvollständigkeit in vieler Hinsicht für mich schlüssigen und plausiblen) Szenarios.
Wieso logischer Zirkel? Kann ich mit einer Waffe sanktionslos andere zwingen - dann tu ich's doch. Macht ex"Kosmos" < Macht ex Schwert.
(...)
Gern weiter zu Heinsohn ein andermal. Schade, dass er nicht dabei ist.
>>Wo in der Antike finden wir eine Ideologie der"individuellen Freiheit" (die doch für jedermann, inkl. Sklaven, Hintersassen, usw. gelten müsste)?
>Ideologien der Freiheit bei Griechen und Römern doch kein Geheimnis (freie Bürger Athens).Daß die Freien Privilegiert waren, ebenfalls nicht.
Das"Privileg" war das Waffen-Monopol. Die"Unteren" hatten nichts dergleichen.
>Dazu nur kurz Richard Pipes:
>"It was in Greece that there emerged, for the first time in history, the
>phenomenon of citizenship with its fusion of rights and obligations. It ist
>in ancient Greece, too, that we find the earliest evidence of agriculture
>pursued largely by indepenent, landowning farmers, forerunners of the
>English yeomanry... ever since the days of Solon, these independent farmers
>were considered freemen (eleutheroi), exempt from the duty of paying tribute
>or providing service to the aristocrats. The labored for themselves, and
>this economic independence became a hallmark of freedom." (R. Pipes,
>Property and Freedom, p. 99f).
Ja Pipes. Die Machtkosten (für die"eleutheroi") wurden externalisiert. Attische/spartanische"Staatseinnahmen" ex Tributen (attischer"Seebund", Messenien).
>Pipes zitiert darauf noch den Historiker Victor Davis Hanson ("The other
>Greeks", New York 1995, S. 3):
>"The rise of independent farmers who owned and worked without encumbrance
>their small plots at the end of the Greek Darkt Ages (c. 750 b.c.e.) was an
>entirely new phenomenon in history..." (zit.n. Pipes, Property and
>Freedom, p. 101)
Nein. Die familiäre Produktionsweise (Dorfgemeinschaft u.ä.) haben wir schon lange vorher in Mesopot, siehe Bernbeck. Außerdem hatten sogar die Unterworfenen noch ihren"small plot" (Subsistenzland).
>Pipes kommentiert:
>"If we add to this information the fact that Athenian citizens were not
>taxed (!), considering taxation a hallmark of lower status, the correlation
>between landownership, citizenship, and democratic participation is
>striking." (Pipes, a.a.O., 101).
In Athen durften die Metöken durchaus nicht"demokratisch partizipieren". Die attische Demokratie war die Herrschaft des"demos" (= Teil des Obereigentümer-Feudalismus). Dass die attischen Bürger nicht besteuert wurden ist ein Märchen, siehe Wagschall. Mit den Tributen allein kam man nicht aus.
>Und, wieso"für alle gelten müsste" (ihre Frage oben)? Die Verallgemeinerung der Freiheits-Chose ist doch erst eine moderne Entwicklung, die können Sie doch nicht auf die Geschichte zurückprojizieren. Nein, nicht"für alle gelten müsste" - das normative"für alle" ist eine moderne bürgerliche Ideologie! Im Gegenteil, in der Antike: absolute Ausnahme, der Sonderfall - und eben nicht"für alle". Sondern nur für freie Männer, freie Bürger.
Und das waren eben nicht alle, die im Machtareal wohnten. Der"Freie" war die Minderheit. In einer Voll-Diktatur ist auch nur der Diktator frei (Hitler war als einziger Deutscher von der Steuer befreit).
>Diese Freiheit ist - angesichts der von mir schon beschriebenen Dominanz des Sozialsystems als Träger der biologischen Entwicklung über die Generationen hinweg - das eigentliche historische Rätsel, das zentrale Explanandum (was Marx gesehen hat, aber eben nicht schlüssig erklären konnte - und Marx´ unschlüssige Erklärung war Heinsohns Ausgangspunkt).
Der"Freie" ist der Angehörige des Zwing-Waffen-Clans. In der gesamten Antike die Minderheit.
(...)
>>Die Einführung der"Population" ist gut! Dass damit die Entindividualisierung als Perma-Zustand läuft (hat sogar Anklänge an Schopenhauers"Willen"), ist aber auch klar.
>Ja, völlig klar. Sage ja: Freiheit ist immer in Gefahr, feudal überwuchert und verdrängt zu werden.
Genau umgekehrt. Der Feudalismus ist stets in Gefahr,"Freiheiten" gewähren zu müssen. Ich hatte das schon mal für Bayern ab Otto ausführlicher dargestellt - alle Herrscher mussten"Freibriefe" ausstellen, die ihre Macht einschränkten. Sind alle (denkbaren)"Freiheiten" vergeben, geht's wieder retour, siehe aktuelle Entwicklung in den heutigen"Demokratien".
>Doch vor der"Entindividualisierung" steht erstmal die postmoderne"Durch-Individualisierung" sämtlicher westlicher Lebensstile, wie Marx ("Atomisierung") ganz richtig gesehen hat (inclusive Familienzerfall/Verzicht- den Marx noch nicht erkennen konnte). Dann steht - logischerweise - wiederum eine Ent-Individualisierung bzw."Kollektivierung" an, die Rücknahme des Individuumms in den sozialen Zusammenhang (zurück zu Familie und ggf. größeren Gemeinschaften). Kann man durchaus mit Marx als"Negation der Negation" betrachten.
Ja, das passt schon besser.
>>Und klar auch: Wieso dann Kannibalismus innerhalb der Population?
>Mir nicht klar! Erbitte Erläuterung. Danke.
Quelle zuletzt Diamonds"Kollaps".
(...)
>>Freiheit als"Einsicht in die Notwendigkeit" (ex Spinoza?, Hegel, Engels).
>Das ist wiederum an anderer Freiheitsbegriff, bezieht sich bei Engels auf Erkenntnis von Naturgesetzen generell (vgl. Dialektik der Natur, MEW 20). Wir müssen da verschiedene Freiheitsbegriffe verschiedener Herkunft klar unterscheiden - jeweils danach, worauf sich die"F." jeweils konkret beziehen soll, und worin sie konkret bestehen soll.
Bei mir: Ausschließlich von den Machthaltern zum Machterhalt zedierte Freiheit(en) (auf den Bannern der Bauernkriege"fryhait"), Untereigentum,"Privilegien" (vgl. Ravenna-Mosaik),"Charter" aller Art von der Magna Carta über die Company-Charters ab 16. Jh. in England bis zu"freiem Handel" (keine Zölle, vgl. Cobden-Vertrag) usw.
>>Jetzt auch noch einen Religions(gesellschafts)-Vertrag? Der andere ist schon windig genug.
>LOL! Meinte keinen Religionsgesellschaftsvertrag, sondern die"Staatsgründung" der postkatastrophischen"freien Männer", die damit ihre Freiheit auf Dauer stellen woll(t)en.
Moment bitte. Lt. Heinsohn erscheinen postkatastrophisch die"priest kings".
(...)
>Ja, volle Zustimmung - hier in der Tat Machtzession des Autokraten, der eine quasifeudale Rolle behält, von oben. Und selbstverständlich lassen sich etwa im US-Präsidenten Züge eines Priesterkönigs erkennen, da gibt es ganz klare Kontinuitäten, gar keine Frage. Nur darf man m.E. nicht der Gefahr verfallen, angesichts der offensichtlichen Kontinuitäten die Unterschiede (Diskontinuitäten) zu übersehen.
Die Diskontinuität ist (für mich) ausschließlich, dass ursprüngliche Exklusiv-Machtbereiche zediert werden, siehe eben. Die Kontinuität dabei liegt darin, dass diese jederzeit wieder eingesammelt werden können (vgl. 14 GG). Es gibt kein ein für alle Mal privates Eigentum - dann müsste es Obereigentum sein - und damit ein neuer Staat. Der ist dann"souverän" = frei (sein"eigener Herr"). Solange bis halt wieder jemand einmarschiert und seien es nur UNO-Truppen.
(...)
>>>Warum und wozu werden plötzlich Waffen eingesetzt?
>>Ausübung von ökonomischem Zwang (coercive power).
>Ist das nicht zirkulär? Da muß man doch weiterfragen: aber wozu?
Ã-konomisches Prinzip: Weniger eigener Einsatz (Kosten), mehr Ertrag (den andere zu produzieren haben). Schon der Jäger geht doch nicht aus dem Wald und sucht Wild am Meeresstrand zu jagen, sondern er geht in den Wald.
>Woher plötzlich in der Geschichte dieser Wille zum Zwang, wieso vorher nicht und anderswo, wo es mit Stämmen weiterging, auch nicht?
Zu möglichen"Hirn"-Mutationen bitte oben. Ansonsten: Auf welche Gedanken kommt man wohl, wenn man eine nagelneue Bronzewaffe in der Hand hält?
>Und warum zu einem bestimmten Zeitpunkt? Erfindung der Metallurgie reicht - dann schon kommts automatisch zur Waffe und zum Zwang?
Gegenfrage: Warum wurde dann der Waffenschmied (Daedalos, Wieland usw., in fast allen Mythen und"Sagen") monopolisiert? Just for fun oder weil man die Mann/Mann-Waffe selbst monopolisieren wollte.
>Nein, überzeugt micht nicht, ganz und gar nicht. Machtwille/Unterdrückungswille wird nicht erklärt sondern zirkulär vorausgesetzt. Sorry, da kann ich nicht folgen.
Okay. Dann Gegenfrage: Wenn das"ökonomische Prinzip" (um es mal so allgemein zu nennen), also möglichst Ertrag --> max! Kosten ---> min! nicht schon bei den"Jägern und Sammlern" angelegt war - wann tritt es dann hervor, zumal es doch unbestreitbar bis heute hochlebendig ist?
>>Nicht"Machtwille", sondern Macht-Produktivität (= andere für sich arbeiten und leisten zu lassen - gegen deren Willen - statt selbst den Buckel krumm zu machen).
>Das klingt für mich fast ein wenig Marxscher Materialismus/Ã-konomismus durch. Unbefriedigend, weil wiederum zirkulär! Sie ersetzen den Marxschen Tauschtrieb halt durch einen"Machttrieb". Anderer Inhalt, aber dieselbe zirkuläre Struktur der Argumentation. Woher der Drang zu Produktivität?
Geht der Jäger nun ans Meer oder in den Wald?
>Der ist doch gerade erst zu erklären, den können Sie nicht zur Erklärung von Machtausübung hernehmen. Ist zirkulär. Und eben dies nicht-zirkulär zu leisten, ist für mich eine der großen Stärken des Heinsohn-Szenarios, das es für mich (in groben Umrissen, nicht in jedem Detail) so überzeugend macht.
Dissens, siehe Obiges.
>Anderswo ging es mit Stämmen weiter - was war und ist bei denen los mit dem"Produktivitätsdrang"? Nein, so funktioniert das nicht - rein logisch nicht, ganz unabhängig von der historischen Datenlage. Zirkulär. Das dormitive Principle lauert.
Oh, die Stämme waren nur in Ausnahmen"friedlich" (Hirtenvölker ohne Landbegrenzung). Ansonsten ununterbrochen Stammeskriege. Blut, soweit das Auge reicht.
>>Ja, aber zu Zwecken der Legitimisierung und Dynastisierung, nachdem die Macht aus dem Status Nascendi herausfinden musste. Der Machthalter kann seine Macht nicht durch dauerndes Gemetzel in seinem Areal erhalten, dazu braucht er eben die"Überhöhung", vulgo Herleitung und Einverständnis einer"noch größeren (und immer mehr entmaterialisierten und entrückten) Macht."
>Zuerst Macht, dann Erfindung der Religion, um die Macht zu erhalten? Erscheint mir unplausibel. Aber Frage: woher und wozu dann die Erfindung von Macht? Und warum nicht überall, sondern nur an manchen Orten (anderswo gings mit Stämmen weiter)? Und jetzt bitte nicht mit dem"Produktivitätsdrang" kommen, s.o.!
Mit mehr kann ich leider nicht dienen. Ich glaube auch nicht, dass die Gizeh-Quader auf Befehl der Pharaonen erst nach Mali geschafft wurden und dann zurück, dorthin, wo wir sie heute noch bewundern. Der Maya-Bauer ist mit seinem Sack voll Mais auf den Schultern auch nicht den Umweg über Kalifornien gegangen, sondern auf direktem Weg zum Ablieferungsplatz.
>Und: wie läßt sich dieses Modell der Religionsentstehung (zum Erhalt vorgängig geschaffener Machtstrukturen) historisch belegen? Wo ist der präreligiöse Feudalismus (noch ohne Religion), auf dessen Boden dann die Religion geschaffen worden sein soll?
Lösung des vermaledeiten Legitimierungsproblems, die Pharaonen mussten da z.B. besonders aufpassen. Moses legitimisiert sich doch geradezu klassisch mit seiner (zeugenlosen) Dornbusch-Story. Davor war er nichts weiter als einer der üblichen Stammesführer, der den"Weg kannte".
(...)
>>>>Eigentum ist nie"frei" (feudal völlig unbelastet), Vertragsrecht hat jede Menge Grenzen ("sittenwidrig"), Geld = Machtderivat (Staatsmonopol).
>>>Natürlich. Trotzdem qualitativ neues Prinzip. Ermöglicht / erzwingt Entrepreneurship, Innovation, kontinuierliche dynamische Entwicklung mit Revolutionierung der Produktionsmethoden (nicht nur Mehrprodukt, sondern permanente INNOVATION).
>>Läuft aufs selbe hinaus.
>Dasselbe?!?
Innovation verdient doch nur den Namen, wenn sie Produktionsmethoden verbessert. Beispiel Dampfmaschine - und schon konnte das Wasser aus den Bergwerken gepumpt werden. Da die Anlage plus Befeuerung in Deutschland zunächst zu teuer war, der zeitliche Verzug.
(...)
>Wo man Unterscheidungen trifft (und welche), hängt vom Standpunkt und den Zielen ab. Wenn man eine allgemeine Machttheore formulieren will, kann man natürlich Feudalyststeme und bürgerliche Systeme einfach gleichsetzen... fragt sich allerdings, was man für den Verlust an Unterscheidungsfähigkeit gewinnt. Ich persönlich wüßte nicht, was. Deshalb sehe ich die wesentlichen Unterschiede der Entwicklungsdynamiken von feudalen und bürgerlichen Gesellschaften auch weiterhin, anstatt sie unter einem abstrakten und unscharfen Oberbegriff einzuebenen. So viel Unterscheidungsfähigkeit muß sein - schon aus entwicklungs-/modernisierungstheoretischer Perspektive.
Die bürgerliche Gesellschaft kann sich (da das ziemliche Maximum an"Freiheiten" errungen) logischerweise"dynamischer" entwickeln. Dabei ist sie aber dem Feudalismus (Staats-Obereigentum plus die anderen Staatskernmonopole, vgl. Max Weber zum Thema"Herrschaft") nicht entkommen. Klartext: Sonst wäre jeder Bürger ein eigener souveränder"Staat".
(...)
>Ja - sehe ich genauso. Erstentstehung der"Freiheit" durch Katastrophen - die frei umherstreifenden Jungscharen; dann staatliche Sicherung dieser"Freiheit" (von traditionalen Solidar- und Abgabenpflichten) durch Revolution der freien Männer + Zerstörung des Feudaladels ---- Nutzung der Bürokratie durch Umfunktionieren für bürgerliche Zwecke, dafür Inkaufnahme feudaler Reste (Abgabensystem) zur Aufrechterhaltung des"freiheitssichernden" Staatssystems.
>>Bei Krisen? Nichts als Steuer-Vorabbezug (Staatsverschuldung).
Warum sind die feudalen Rechte nicht beseitigt worden? Konkret: Warum liegt das Etatrecht (Haushaltsgesetz, Einnahmen/Ausgaben) nicht beim Souverän, der doch angeblich das"Volk" sein soll? Macht und Geld...
(...)
>>>Er (der Unternehmer) hat Freude am Schaffen, an seiner fixen Idee, seiner Kreativität.
>>Das hatten die Mumienkästen-Bastler auch, ebenso die Schmuck-, Amulett- und Statuettenhersteller - und nirgends war ein"Privateigentumer-Kapitalismus" in Sicht. Die Praekolumbianer waren klassisch unfrei - und ihr Kunsthandwerk ist bis heute unerreicht. Selbst in Idar-Oberstein weiß keiner, wie die das (jeweils Einzelstücke!) aus Granit, Jade, Basalt und anderen ganz schwer zu bearbeitenden Materialien hingekriegt haben. Einer sagte:"Vielleicht haben die an einer Figur ein Leben lang gearbeitet, vielleicht sogar mehrere Generationen..."
>Völlig richtig! Kreativität als solche ist menschlich und hat mit Kapitalismus nichts zu tun. Kapitalismus richtet Kreativität auf spezielle (nicht-religiöse, sondern ökonomische) Ziele hin aus,
Just das versuche ich mit dem"ökonomischen Prinzip" auszudrücken = Produktivität --> max!
(...)
>>Es (die realsozialistische Produktivität) scheiterte am fehlenden Preissystem. Nur das kann Knappheiten (und ergo den gewünschten"Nutzen") anzeigen.
>Wenn allein ein"Preissystem" die Bedingung für Innovativität, Produktivität und Qualität (Trabbi vs. VW Golf) sein soll und kontinuierliche innovative dynamische Entwicklung auch in Feudalsystemen möglich sein soll --- wo ist dann das"Preissystem" des Inkareichs? Oder war das auch wegen dem"fehlenden Preissystems" weniger innovativ?
Kein Preissystem, klar. Weniger innovativ nicht unbedingt. Noch Humboldt hat ihr Straßensystem hemmungslos bewundert. Aber er hat keine Kosten/Ertragsrechnung angestellt für den gesamten Inka-Sozialismus.
>Nein, was im Realsozialismus gefehlt hat, waren schlicht Eigentum, Vertragsfreiheit, Haftung, Schuldrecht und Geld, das auf vollstreckbaren Forderungen beruht und daher knapp ist.
Ohne ein freies Preissystem ließ sich noch nicht mal Staats-Eigentum bewerten. Die Mieten deckten die Kosten nicht mal annähernd.
>Im Realsozialismus: Warenknappheit und Geldüberhang statt - wie im Kap. mit knappgehaltenem Geld - Geldknappheit und Warenüberhang (volle Regale, leere Geldbeutel).
Klar.
(...)
>>Nur sind die feudalistischen"Errungenschaften" (Zwingwaffen, Abgaben, Zins, Geld, Ober- vs. Untereigentum usw.) nach wie vor unsere freundlichen Begleiter.
>Völlig richtig. Nur sollte man angesichts dieser unstrittigen Kontinuität die Diskontinuitäten (Unterschiede) zw. feudalen und bürgerlichen Systemen nicht einebnen oder übersehen.
Unterschiede graduell, nicht grundsätzlich. Das bürgerliche System ist nicht eins"als solches" oder ab ovo, sondern Ausfluss (Derivat) des Feudalismus. Der ist und bleibt das Kontinuum.
Herzlichen Dank und schönen Gruß zurück!
|
dottore
21.03.2006, 15:34
@ moneymind
|
Re: Macht-Gene und Religion als Dienerin der Macht |
-->Hi moneymind,
nochmals zu diesem Text von Dir:
>Zuerst Macht, dann Erfindung der Religion, um die Macht zu erhalten? Erscheint mir unplausibel.
Eingangs also das Gewaltphänomen, ohne welches Macht nicht denkbar ist. Wie steht's darum?
In PNAS hat soeben eine Forschergruppe (Andreas Meyer-Lindenberg u.s.) einen Artikel veröffentlicht:
"Neural mechanisms of genetic risk for impulsity and violence in humans" (approved 6. Februar 2006).
Die Autoren starten so:
"Violent and criminal behavior are likely related to complex environmental and social circumstances, but heritable factors also have implicated..."
[also bisheriger mainstream: Gewaltausübung sei auf Umgebung, soziale Umstände und evtl."Vererbung" - Vater kriminell, Sohn auch usw. - zurückzuführen]. Dann:
"The specific neutral mechanisms lading to delinquency and impulsive aggression are poorly understood, although they have been the subject of spirited speculation and debate for literally centuries..."
[wobei in diesen Jahrhunderten der mainstream Aggressionsverhalten letztlich als eine Art"Abirrung" vom"Normalzustand" des Menschen gebrandmarkt wird, wo doch der Mensch sich"von Natur aus" friedlich, kooperativ, usw. verhält oder in der schönen Tradition des"animal sociale" ex Platon/Aristoteles über Seneca ("Epistolae Morales" - Briefe über die Moral) bis hin zur aktuellen"Renaissance der Freundschaftskultur" steht; oder ein"animal rationale" ist, also seine Handlungen reflektiert und abwägt, so dass im Mix aus beidem (siehe "Aufklärung", Kant und so die Folge ist]
Nun ist dem PNAS-Beitrag zu entnehmen, dass Männer (Frauen nicht!) ein"Gewalt-Gen" besitzen, dem sie auch im Laufe ihres Lebens nicht entkommen (unterschiedliche Altersgruppen wurden untersucht).
Dabei ergibt sich:
"The clearest link betwenn genetic variation and aggression exists for monoamine oxidase A..., a key enzyme in the catabolism of monoamines, especially serotonin. The serotonergic system has ben implicated in impulsivity and manifest violent behavior in animals and both auto- and heteroaggression in humans." Die MAO-Gene sitzen auf dem X-Chromosom..."males exhibit dramatically increased aggressive behavior..."
Zu einem anderen möglichen"Macht-Gen" (Folge: Neocortex-Wölbung usw.), das in"Science" vergangenen September publiziert wurde, wurde schon debattiert. Vielleicht sollte Gunner Heinsohn weniger ins Große schauen ("Kosmos","Katastrophismus"), sondern mehr ins Innere. Die Gehirnforschung und ihre teilweise sensationellen Ergebnisse sind nicht zu verachten.
Zum"Religionsphänomen" wollte ich gern noch etwas - auch Optisches - nachtragen.
Zunächst zu den"Naturreligionen" (Multi-Theismus). Hier ein Beispiel von der Entzifferung der Osterinsel-Tafeln ("Rongorongo"). Dies ist wichtig, weil wir von Stammesgesellschaften so gut wie keine schriftlichen Überlieferungen haben (die Maya-Hieroglyphen lassen wir mal weg, da die Maya eindeutig waffen- und nicht"sozialzwang"-abgeleitete Machtstrukturen hatten).
Nach der Götterliste der Oster-Insulaner und was welcher Gott erschaffen hat, kommen wir schnell zur Sache, nämlich dem König und dem Volk.
Auf dem Eiland auch gefunden: Ein Mondkalender, 1958 entziffert:
Nachfolger Philippicus III. (8. Jh.) unterläßt das mit dem"Herrn der Herren" auf Vorderseite und schiebt sich selber in den Vordergrund:
Vorn der"Chef" und verso wird der Kaiser (!) sogar von der Mutter des Chefs gekrönt (Maria, die ex Bibel und Tradition zunächst nur eine Randfigur ist, die sich aber dann bestens für den Zweck eignet, die Legitimierung per Akt der"Einsetzung" des Herrschers auch publik zu machen).
Romanus III. (11. Jh.) hält sich daran (der Kaiser ist die kleinste der drei gezeigten Figuren - dazu ist halt Religion ganz gut):
[img][/img]
Soweit die ergänzenden Bemerkungen. (Die Künker-Münzen könnte vielleicht jemand, den es interessiert, abspeichern, da sie auf Künkers Auktions-Page vermutlich bald verschwunden sein dürften).
Herzlichen Gruß!
|