--><font size="5">
Zustimmung der Türken zur EU sinke drastisch - au weia </font>
Nur noch 57 Prozent wollen laut Umfrage den Beitritt -
65 Prozent würden ihre Tochter keinem"Ungläubigen" geben
"Fromm, militaristisch und freiheitsfeindlich" seien die Türken, klagt die Zeitung"Radikal". Grund des Ärgers ist eine kürzlich veröffentlichte Meinungsumfrage zweier namhafter türkischer Universitäten (Sabanci und Isik). Darin bekundeten von mehr als 1800 Befragten in 23 Städten beispielsweise 40 Prozent, eine militärische Führung sei besser als jede gewählte Regierung, 65 Prozent würden ihre Tochter keinem Nichtmoslem zur Frau geben, und nur noch 57 Prozent wollen den EU-Beitritt (im Vergleich zu 74 Prozent im Jahr 2002).
Weitere Zahlen: 56 Prozent seien der Meinung, die Türkei könne ihre Probleme selbst lösen, nur 29 Prozent geben an, daß die Probleme mit einem EU-Beitritt gelöst werden könnten. Wenn der Trend sich fortsetze, könnte es angesichts der anhaltenden Streitereien mit Brüssel und prominenten EU-Ländern dazu kommen, daß es in der Türkei bald keine Mehrheit mehr für eine EU-Kandidatur gibt.
<font size="4">Frage zwischendurch in diesem Zusammenhang: Wo kommt es denn eigentlich in erster Linie drauf an? Ob die Türken die EU haben wollen, oder ob diese ungläubigen EU-Bürger die Türkei haben wollen? ....muss natürlich nicht heissen"EU-Bürger, sondern EU-Politiker" haben wollen...</font>
Dieser Entwicklung entspricht anscheinend ein Trend zu religiösen Anschauungen. 68 Prozent meinten, daß Studentinnen Kopftuch tragen sollten, 65 Prozent würden ihre Tochter keinem"Ungläubigen" zur Frau geben, und ebenfalls 65 Prozent fordern, missionarische Tätigkeiten nichtislamischer Religionen einzuschränken. 31 Prozent wollen die Geschlechter in den Schulklassen trennen. Neun Prozent fordern die Einführung der Scharia (streng islamisches Recht). Dieser Wert hätte allerdings aber früher aber auch schon einmal bei 20 Prozent gelegen.
Die Frömmigkeit geht einher mit etwas, was man wahrscheinlich als ein gewisses Maß an Argwohn gegenüber dem Westen bezeichnen muß: 42 Prozent sagten, der massive Tourismus bedroht ihre Moral, 46 Prozent sind der Meinung, Ausländer in der Türkei bedrohen die türkische Kultur, und 67 Prozent sehen einen Generationenkonflikt, weil"die Jugendlichen den Westen bewundern".
Mit einem Wort:
Der Rückhalt für eine Westorientierung der Politik gehe zurück, und jene Stimmen werden lauter, die in der westlichen Kultur eine Gefahr sehen. Bei näherem Hinsehen sind weitere Umfrageergebnisse allerdings erklärungsbedürftig.
Der Zuspruch für eine militärische Führung dürfte nicht viel mehr darstellen als die traditionelle (und im Bildungssystem geförderte) grundsätzliche Loyalität zum Militär als Staat im Staate, der das Recht oder gar die Pflicht hat, die allgemeinen Leitlinien der Politik grob vorzuzeichnen.
Es bedeute nicht, daß viele Türken sich ein direktes Militärregime statt der gewählten Regierung wünschten, sondern lediglich, daß sie weiterhin dem Militär das Recht zusprechen,"korrigierend" in die Politik einzugreifen.
Dafür spricht auch, daß 54 Prozent mit der gegenwärtigen Regierung zufrieden seien und nur 15 Prozent Terror und nationale Sicherheit als ein Problem sähen. Letztere Zahl überrascht. Die kurdische PKK hat ihre bewaffneten Aktionen und Anschläge verstärkt, das Militär reagierte mit einem medial aufgedonnerten Truppenaufmarsch.
Manche Aussagen spiegeln die traditionelle Haltung der Türken wider, kollektive Interessen (wie Familie oder Nation) vor individuelle Selbstentfaltung zu setzen. Dazu passe, daß 51 Prozent der Aussage zustimmen,"auch wenn Meinungsfreiheit ein wertvolles Instrument sei, einige politische Gesinnungen müssen dennoch eingeschränkt werden".
47 Prozent wollen"extremen Gruppierungen" auch dann das Demonstrationsrecht verweigern, wenn sie nicht die öffentliche Ordnung gefährden, 51 Prozent sagen, im Interesse des Landes dürften Menschenrechte verletzt werden. Knapp 30 Prozent geben an, mit der Demokratie zufrieden zu sein - wobei vielleicht die zuweilen dysfunktionale türkische Variante der Demokratie gemeint sei. Ebenfalls knapp 30 Prozent bezeichnen sich als enttäuscht darüber, daß die Demokratie in der Türkei"nicht funktioniere".
|