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von Bill Bonner
„Wenn man sein Hotel verlässt, dann sind der Anblick und die Geräusche oft so überwältigend, man wird davon fast erschlagen. Und wenn man zurückkommt, dann ist man so erschöpft, man möchte nicht wieder rausgehen. Ich habe Leute getroffen, die haben die Ruhe und den Komfort der Lounge und der Bar nie verlassen.“
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Dennoch sind es genau diese Gegenden, in denen Unternehmen boomen und in denen Vermögen erzielt werden. Und Indien boomt. Alle Berichte weisen darauf hin. Die Wirtschaft ist in den letzten 15 Jahren um 6% im Jahr gewachsen. Und sie scheint noch an Geschwindigkeit zuzulegen. Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts hat in den letzten drei Jahren mehr als 8% im Jahr betragen.
Wie ist es dazu gekommen? Ich will an dieser Stelle keine Meinung wagen. Ich stelle einfach nur fest, dass viele der Beobachter den neuen Boom Reformen zuschreiben, die die schlimmsten Beschränkungen der „license raj“ - wie das schmerzhafte System der Regierungserlasse und Regulierungen genannt wurde - aufgehoben hat.
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So weit ich es verstehe wurde Indien, genauso wie viele britische Kolonien nach der Unabhängigkeit, mit einer gewaltigen Verwaltungsbürokratie zurückgelassen, um ein neues Leben anzufangen. Die Inder haben dann enthusiastisch dieser Bürokratie noch einiges hinzugefügt. Dummerweise fühlten sich die neuen indischen Herrscher zudem von den neuen fortschrittlichen Wirtschaftstheorien der Zeit angezogen - und zwar zu allen: Fabianismus, Marxismus, Sozialismus, Nationalismus und Keynesianismus. Anstatt die eine oder die andere auszuwählen, haben sie von allen ein bisschen genommen und einen Mist auf den anderen gestapelt, das alles mit ein bisschen ethnischem Aroma gewürzt, großzügig linguistischen Chauvinismus hinzugefügt und das ganze mit kleinen regionalen Machspielchen abgerundet. Dann haben sie dieses würzige Curry in der Hitze gären lassen. Ist es da noch ein Wunder, dass am Ende ein ranziger Schlammassel dabei herauskam?
Aber Indien ist ein großes und facettenreiches Land mit vielen sehr klugen Leuten. In den Achtzigern. hatten genug indische Leute den Schlammassel satt und sie entschlossen sich, Kehrblech und Handfeger hervorzuholen. Viele der schlimmsten Regulierungen haben sie weggefegt, bei einem Frühjahrsputz unter der Leitung von Manmohan Singh. Damals war er Finanzminister, heute ist er Premierminister.
Und seitdem boomt das Land. Die Wirtschaft bringt ganze Trauben neuer Millionäre hervor und die Mittelschicht legt in einem gewaltigen Tempo zu. Riesige Bürokomplexe schießen überall in den großen Städten aus dem Boden und die Straßen werden von immer mehr neuen Autos verstopft. Die reichen Inder tragen ihre Luxusgüter zur Schau, die Löhne steigen.
Das soll nicht heißen, dass Indien ein Land auf gerader Strecke in die Zukunft ist. Hauptsächlich deswegen, weil die Straße in Indien eines der größten Probleme darstellen. Im Economist heißt es, dass ein Lastwagen für die Strecke von Kolkata (Kalkutta) nach Mumbai (Bombay) acht Tage braucht - davon allein 32 Stunden für Wartezeiten an Zollhäusern und Kontrollpunkten. Aber das Problem ist so offenkundig und so behindernd, dass Indien dazu auserkoren ist, neue Schnellstraßen zu bauen. Und die Inder sind dazu auserkoren, neue Autos zu kaufen. Und die indischen Billigautohersteller sind dazu auserkoren, viel von diesem Geschäft abzubekommen.
In meinem Londoner Büro habe ich mich kürzlich mit zwei indischen Geschäftleuten unterhalten, die 3 Millionen Dollar zusammengebracht hatten, um ein Automobilunternehmen zu gründen. In der westlichen Welt wäre ihr Vorhaben lächerlich amateurhaft gewesen. Aber in der lockeren indischen Welt machen die beiden schon heute mehr Geld als General Motors.
Meine Kollegin Lila Rajiva liefert mir weitere Details:
“Bill - auf den indischen Straßen gibt es keine Möglichkeit zu trödeln, man ist entweder schnell oder man ist tot. Die ‚Road Show’ in Indien ist genau das, eine spektakuläre Show - überfüllt von Bussen mit Armaturenbrettern, die mit Jasmingirlanden verziert sind, kompakte Maruti-Autos, Trucks (oder was man hier als Truck bezeichnet) die pink und grün gestrichen sind und dreirädrige Auto-Rikschas, die wild von einer Seite zu anderen manövrieren. Dazu ganze Legionen von Roller- und Fahrradfahrern in Saris und Dhotis (die Kleidung, die die Einheimischen tragen), die hinter all dem herströmen. Dazu unbeirrte Fußgänger, Ochsenkarren, nicht angebundene Esel, Bettler, Straßenkinder, sogar einige seltene Affen die die Straße überqueren. Keine erkennbaren Markierungen oder Regeln. Und all das auf ausgewaschenen Straßen mit Schlaglöchern, die bei jedem Monsun wieder ausgewaschen und geflutet werden. Das Erstaunlichste dabei ist, dass die Leute dennoch dort ankommen, wo sie hinwollen. Aber all das ändert sich in rasendem Tempo.
Zum einen haben wir jetzt das Golden Quadrilateral (das goldene Viereck) - ein neues ehrgeiziges Schnellstraßenprojekt, von insgesamt nahezu 6000 Kilometern vier- bis sechsspuriger Schnellstraßen. Es verbindet Delhi, Bombay und Kalkutta (im Norden) mit Hyderabad, Bangalore und Chennai (im Süden) und kostet ungefähr 12 Milliarden Dollar. Es soll in diesem Dezember fertig gestellt werden und wird ein großer Segen für Autofahrer, Autohersteller und Unternehmen in Indien und im Ausland sein.
Zum anderen heißt es in einem BBC Bericht von Februar 2006, dass der indische Automarkt in diesem Jahr um 10% steigen soll. Nicht nur wegen der zunehmenden Gehälter der Mittelklasse, sondern auch wegen eines Gewohnheitswandels der Inder. Die Inder waren immer große Sparer, aber jetzt gewöhnen sie sich daran, auch große Geldausgeber zu werden. Im vergangenen Jahr haben sie es bewiesen, indem sei mehr als eine Million Autos gekauft haben.
„Und zum Dritten schalten die Hersteller - sowohl aus dem In- als auch aus dem Ausland - einen Gang zu. Im gleichen Bericht heißt es, der koreanische Autohersteller Hyundai plane, die Produktion in Indien zu verdoppeln und Ford würde in diesem Jahr zum schnellst-wachsenden Autohersteller, noch vor General Motors und vor dem ortsansässigen Giganten Maruti Udyog. Selbst Jim Cramer setzt auf die indischen Straßen und bezeichnet Tata’s Motors als einen seiner Favoriten an den Entwicklungsmärkten. Aber ich kann dir sagen, Bill, Tata’s Wachstum ist weniger auf die gesteigerte Verbrauchernachfrage zurückzuführen, als auf die gesteigerte kommerzielle Aktivität. Tata’s macht das Hauptgeschäft mit Lastwagen, die Dinge durch die Gegend transportieren.
„Aber es gibt noch einen Arbeitsbereich, der auch boomen wird. Die hinduistischen Tempel werden einen neuen Zustrom an Geschäftigkeit erleben, weil es eine hindustische Tradition ist, vor jedem Unternehmen eine Schutzgottheit anzuflehen und Schutzgott der neuen Autos ist Ganesha. Du hast ihn vielleicht schon gesehen. Es ist ein fröhlicher, dickbäuchiger Elefant, der auf einer Maus reitet.“
Das macht ihn so passend für den Konkurrenzkampf auf den indischen Straßen.
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