Cujo
08.08.2006, 18:12 |
Lizenz zum TötenThread gesperrt |
-->US-NOTWEHR-GESETZE
Lizenz zum Töten
Von Roman Heflik
Auf Druck der Waffenlobby haben 15 US-Bundesstaaten in den vergangenen Monaten das Recht auf Selbstverteidigung drastisch ausgeweitet. Wer glaubt, er werde bedroht, darf schießen - und wenn es nur um Mülltüten geht.
Hamburg -"Ich war im T-Shirt und in Shorts", erinnert sich Jason M. Rosenbloom."Ich war keine Bedrohung, ich hatte keine Waffe." Unbewaffnet stapfte Rosenbloom also zu seinem Nachbarn. Denn Kenneth Allen, ein pensionierter Polizist, hatte Rosenbloom bei den örtlichen Behörden in Clearwater im US-Bundesstaat Florida angezeigt: Statt der erlaubten sechs Müllsäcke hatte Rosenbloom acht auf die Straße gestellt.
Warnplakat von Waffengegnern in Florida:"Seien Sie bitte vorsichtig"
AFP
Warnplakat von Waffengegnern in Florida:"Seien Sie bitte vorsichtig"
An Allens Tür kam es zum Streit."Er schloss die Tür", berichtete Rosenbloom der"New York Times","dann öffnete er sie wieder. In seiner Hand hielt er eine Kanone." Er habe die Hände hochgehalten, so Rosenbloom."Allen sagt kein Wort und schoss mir einmal in den Bauch. Ich fiel um, und er schoss mir in die Brust." Rosenbloom überlebte die Attacke, heute zieht sich eine etwa siebzig Zentimeter lange Narbe vom Bauch hoch zum Brustkorb. Kenneth Allen indes ist frei.
Gegenüber der"St. Petersburg Times" behauptete der Schütze, Rosenbloom habe einen Fuß in seiner Tür gehabt und ins Haus gewollt. Seine lapidare Begründung für die zwei Schüsse:"Ich habe das Recht, mein Haus zu schützen."
"Vor eineinhalb Jahren hätte man ihn wegen versuchten Mordes festnehmen können", zitierte die"New York Times" den Angeschossenen. Heute dagegen stehen die Chancen auf eine Verurteilung Allens schlecht. Denn seit Oktober gilt im"Sonnenschein-Staat" ein Gesetz, das Selbstverteidigung neu definiert. Unterstützer nennen es kämpferisch"stand your ground"-Gesetz, was man mit"die Stellung halten" übersetzen könnte. Gegner nennen es dagegen"shoot first"-Gesetz: Erst schießen, dann fragen.
Florida sei nur der"erste Schritt", hatte damals ein Lobbyist der mächtigen Waffenvereinigung National Rifle Association (NRA) gejubelt. Und tatsächlich: Im Verlauf des vergangenen Jahres haben inzwischen 14 weitere Bundesstaaten ähnliche Gesetze verabschiedet. Acht weitere Staaten sollen laut NRA bis Ende 2007 folgen.
weiter >>
<ul> ~ http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,430685,00.html</ul>
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weissgarnix
08.08.2006, 18:23
@ Cujo
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Re: Lizenz zum Töten |
-->wir sollten mal abwarten, wie der Prozess ausgeht... die Amis sind keine kompletten Idioten, und willkürlich einen Nachbarn abzuknallen ist auch nach dem neuen Gesetz nicht erlaubt...
>US-NOTWEHR-GESETZE
>Lizenz zum Töten
>Von Roman Heflik
>Auf Druck der Waffenlobby haben 15 US-Bundesstaaten in den vergangenen Monaten das Recht auf Selbstverteidigung drastisch ausgeweitet. Wer glaubt, er werde bedroht, darf schießen - und wenn es nur um Mülltüten geht.
>Hamburg -"Ich war im T-Shirt und in Shorts", erinnert sich Jason M. Rosenbloom."Ich war keine Bedrohung, ich hatte keine Waffe." Unbewaffnet stapfte Rosenbloom also zu seinem Nachbarn. Denn Kenneth Allen, ein pensionierter Polizist, hatte Rosenbloom bei den örtlichen Behörden in Clearwater im US-Bundesstaat Florida angezeigt: Statt der erlaubten sechs Müllsäcke hatte Rosenbloom acht auf die Straße gestellt.
>Warnplakat von Waffengegnern in Florida:"Seien Sie bitte vorsichtig"
>AFP
>Warnplakat von Waffengegnern in Florida:"Seien Sie bitte vorsichtig"
>An Allens Tür kam es zum Streit."Er schloss die Tür", berichtete Rosenbloom der"New York Times","dann öffnete er sie wieder. In seiner Hand hielt er eine Kanone." Er habe die Hände hochgehalten, so Rosenbloom."Allen sagt kein Wort und schoss mir einmal in den Bauch. Ich fiel um, und er schoss mir in die Brust." Rosenbloom überlebte die Attacke, heute zieht sich eine etwa siebzig Zentimeter lange Narbe vom Bauch hoch zum Brustkorb. Kenneth Allen indes ist frei.
>Gegenüber der"St. Petersburg Times" behauptete der Schütze, Rosenbloom habe einen Fuß in seiner Tür gehabt und ins Haus gewollt. Seine lapidare Begründung für die zwei Schüsse:"Ich habe das Recht, mein Haus zu schützen."
>"Vor eineinhalb Jahren hätte man ihn wegen versuchten Mordes festnehmen können", zitierte die"New York Times" den Angeschossenen. Heute dagegen stehen die Chancen auf eine Verurteilung Allens schlecht. Denn seit Oktober gilt im"Sonnenschein-Staat" ein Gesetz, das Selbstverteidigung neu definiert. Unterstützer nennen es kämpferisch"stand your ground"-Gesetz, was man mit"die Stellung halten" übersetzen könnte. Gegner nennen es dagegen"shoot first"-Gesetz: Erst schießen, dann fragen.
>Florida sei nur der"erste Schritt", hatte damals ein Lobbyist der mächtigen Waffenvereinigung National Rifle Association (NRA) gejubelt. Und tatsächlich: Im Verlauf des vergangenen Jahres haben inzwischen 14 weitere Bundesstaaten ähnliche Gesetze verabschiedet. Acht weitere Staaten sollen laut NRA bis Ende 2007 folgen.
>weiter >>
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Baldur der Ketzer
08.08.2006, 18:36
@ weissgarnix
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Re: Lizenz zum Töten |
-->>wir sollten mal abwarten, wie der Prozess ausgeht... die Amis sind keine kompletten Idioten, und willkürlich einen Nachbarn abzuknallen ist auch nach dem neuen Gesetz nicht erlaubt...
>
klar, aber auch nur, weil das Opfer so heißt: Jason M. Rosenbloom.
Das kann man nicht tolerieren.
Ein Puerto-Ricaner oder Schwarzer hätte keine Lobby.....
wobei wir wieder beim Thema wären.
Beste Grüße vom Baldur
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weissgarnix
08.08.2006, 18:44
@ Baldur der Ketzer
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Ich wußte es... Re: Lizenz zum Töten |
-->..., daß das deine Reaktion sein würde...
>>wir sollten mal abwarten, wie der Prozess ausgeht... die Amis sind keine kompletten Idioten, und willkürlich einen Nachbarn abzuknallen ist auch nach dem neuen Gesetz nicht erlaubt...
>>
>klar, aber auch nur, weil das Opfer so heißt: Jason M. Rosenbloom.
>Das kann man nicht tolerieren.
>Ein Puerto-Ricaner oder Schwarzer hätte keine Lobby.....
>wobei wir wieder beim Thema wären.
>Beste Grüße vom Baldur
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wheely
08.08.2006, 19:01
@ Cujo
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Re: Lizenz zum Töten |
-->Hi,
nicht umsonst warnt die Touristikindustrie ihre Kunden (hab den Link jetzt grad nicht...), sie sollen vorsichtig sein und möglichst jedem Streit aus dem Weg gehen, da nach dem neuen Gesetz jeder die Waffe ziehen darf, der sich"bedroht" fühlt. Naja,"bedroht" kann man sich schnell fühlen wenn man will, und vom ziehen bis zum evtl. Schuß kann es nur Nuancen ausmachen ob oder ob nicht...
Alle, die im anderen Thread so vehement auf das"Waffenrecht" des Einzelnen gepocht haben setzen scheinbar ideale Voraussetzungen voraus, jeder geht verantwortungsvoll mit der Waffe um, sichert sie gegen Mißbrauch, kann Gefahren abwägen etc. Das ist doch lächerlich.
Wenn ich täglich sehe, wie Menschen mit ihrem Auto umgehen und einen Mist zusammenfahren - dafür brauchen sie schließlich einen Führerschein - dann kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass das bei Waffen dann besser gelingen soll, um nur ein Beispiel anzuführen.
Nur sind da die"Kollateralschäden" womöglich höher als im Straßenverkehr...
Man denke nur an diverse Nachbarstreitigkeiten, Meinungsverschiedenheiten in Kneipen, auf Festen etc. Leider viel zu oft massenhaft solche Sachen im TV zu"bewundern". Man glaube doch nicht im Ernst, dass dies weniger würde, weil der Gegenüber immer denkt"Huch, ich mach lieber nix, der andere hat bestimmt ne Knarre."
Und vor Gericht gehts dann halt nicht drum, wer an dem blauen Auge schuld ist, sondern ob Y wirklich in Notwehr von X erschossen wurde oder nicht.
Klar kann man diverse Fälle konstruieren, die ein Verbrechen womöglich verhindert hätten, hätte das Opfer eine Waffe gehabt. Aber ein Triebtäter z.B. läßt sich davon bestimmt nicht abhalten.
Je mehr Waffen im Umlauf desto höher ist die Gefahr des Mißbrauchs. Oft genug schon gabs den Jugendlichen, der den ordentlich verschlossenen Waffenschrank des Vaters aufgebrochen hat und losgezogen ist mit schlimmen Folgen.
Ausraster wie Baldurs Familienvater, der die ganze Familie mit dem Messer umgebracht hat hat da nichts zu suchen. Verletzen oder töten kann man mit allen möglichen Gegenständen bis hin zur blosen Hand.
Hier gehts nicht drum, Waffen zu erlauben oder anderes zu verbieten, hier ist Prävention und Psychologie gefragt.
Die alte Oma mag den evtl. Einbrecher vielleicht in die Flucht schlagen können, aber wenn schon ein wenig tattrig oder schreckhaft genauso gut den Enkel abknallen, der unvorsichtig und freudig die Tür aufreißt.
Wer meint, Verbrechen und Kriminalität zu verbessern bzw. zu verringern, indem er die Bevölkerung bewaffnet befindet sich auf dem Holzweg, da für so eine Verantwortung meist die geistige Reife fehlt. Als ehemaliger"Freund und Helfer" erlaube ich mir da einfach ein Urteil auf Grund meiner Erfahrungen.
Warum ist die Kriminalität gerade in Problemzonen so groß? Randgebiete Rios, halb Sao Paulo, Eastside L.A., Bronx um nur ein paar zu nennen. Gerade da läuft doch jeder Halbstarke mit ner Waffe rum. Da denkt aber keiner"ich tu dem nichts, denn der hat bestimmt auch eine Waffe", da wird eher gehandelt nach dem Motto"erst schießen, dann fragen", gerade weil man weiß / vermutet, das Gegenüber ist auch bewaffnet.
Gruß
wheely
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Holmes
08.08.2006, 20:17
@ wheely
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Re: Das Elend mit den Waffen |
-->Hi wheely,
ich sehe das genauso wie Du. Das Problem ist die Existenz von Waffen und nicht, ob sie nur der Staat/Machthaber oder alle haben. Sobald die Waffe in die Zeit eintritt, ändert sich die Geschichte extrem. Wenn ich mich richtig erinnere, wurde diese Tatsache in dem Film Odysee 2001 gewürdigt, in dem ein Affenmensch einen anderen mit einer Knochenkeule erschlug. Die Nutzung der Naturkräfte (hier als Hebel) zum Zweck der Tötung von Artgenossen stellt eine Veränderung in der Sozialstruktur dar, die andere Tierarten nicht haben. Vielleicht ist dieses einer der grundlegenden Unterschiede zwischen Tieren und Menschen, der bisher meines Wissens noch nicht gründlich analysiert wurde.
Beste Grüsse,
Holmes
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Baldur der Ketzer
08.08.2006, 21:21
@ wheely
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Re: Lizenz zum Töten |
-->Hallo, wheely,
Du wirst es mir hoffentlich nachsehen können, daß ich da argumentativ dagegen halten muß.
Ich hatte eine Zeit lang Berührung mit Erwachsenenbildung und kam mit (Lehrlings-) Ausbildern zusammen.
Deren Bericht zufolge war die gegenseitig herumgezeigte (echte) Wumme unter den Schöölern, pardon, Azubis, durchaus geläufig.
Von welcher, äh, ethnischen Gruppe, wird Dir sicher kein Rätsel sein, ey, weissu, willswasaufsmauloderwass?
Also kann man davon ausgehen, daß die Dunkelziffer, vor allem in Kreisen mit familiärer Bürgerkriegsnähe, recht hoch sein dürfte. Und trotzdem gibts keine Ausraster am Parkplatz, im Zappelschuppen oder sonstwo.
Da gibts eben doch noch so etwas wie das Wissen, hier hört der Spaß auf.
Auf den Bauherrn, der gestern oder vorgestern von zwei Polizisten auf seinem Bau abgeknallt wurde, gehe ich jetzt besser nicht ein, oder?
Die Kriminellen sind eh bewaffnet, denn bei der Strafmaßzumessung von mehreren Gewaltdelikten fällt illegaler Waffenbesitz nicht ins Gewicht. Die scheißen sich nix drum.
Nur Otto Normalno soll warten, bis anderntags die Streife vorbeikommt, um die Sauerei zu photographieren, die sich beim Aufeinandertreffen eines bewaffneten Gewalttäters und eines unbewaffneten Bürgers ergeben wird? Das kanns doch nicht sein.
Ohne explizit auf die europäischen Nachbar-Länder einzugehen, die ein liberaleres Recht haben, ist doch offensichtlich, daß eine Verbreitung von zivilen Verteidigungswaffen keinen Einfluß auf die Gewaltstatistik hat, und wenn, dann einen senkenden. Deswegen gibts ja keine offizielle Statistik, wie viele beschlagnahmte Kanonen aus legalem Besitz stammen, die verfügbaren Daten liegen im Rahmen von unter bis weit unter 1%. der rest ist sowieso illegal.
Aber Hauptsache, alles schön ordnungsgemäß. Das ist typisch deutsch. Es ist zum Haareraufen.
Wenns Dich allgemein interessieren sollte, guck mal unter www.protell.ch
Beste Grüße vom Baldur
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wheely
08.08.2006, 22:04
@ Baldur der Ketzer
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Re: Lizenz zum Töten |
-->Hallo Baldur!
>Du wirst es mir hoffentlich nachsehen können, daß ich da argumentativ dagegen halten muß.
Aber bitte doch, dafür haben wir ja hier ein Forum
>>Von welcher, äh, ethnischen Gruppe, wird Dir sicher kein Rätsel sein, ey, weissu, willswasaufsmauloderwass?
Ja, in diesen Gruppen sind Waffen prozentual wesentlich öfter anzutreffen, kann ich aus Erfahrung zustimmen.
>Also kann man davon ausgehen, daß die Dunkelziffer, vor allem in Kreisen mit familiärer Bürgerkriegsnähe, recht hoch sein dürfte. Und trotzdem gibts keine Ausraster am Parkplatz, im Zappelschuppen oder sonstwo.
Na da kann ich Dir aber viele Geschichten darbringen von solchen"Ausrastern". Halbwegs aufmerksam die Medien studiert wirst auch Du viele finden. Gut, Du kannst dagegen halten, wenn bei Fall X keine Knarre dagewesen wäre hätten sie sich eben mit dem Messer niedergestochen. Weiß man nicht, kann gut sein.
>Da gibts eben doch noch so etwas wie das Wissen, hier hört der Spaß auf.
Gerade das bezweifle ich bei vielen. Mag es sicherlich geben, aber ich fürchte, es gibt mehr Typen, die, wenn sie eine Waffe in die Hand bekommen, sich eher stark fühlen und Dinge tun, die sie sonst so nicht machen würden.
Auch da kenne ich Beispiele. Ganz abgesehen eben von"Versehen" oder"Unfällen", s. Vorposting. Auch da könnte ich Dir eine Latte an Storys auftischen.
>Auf den Bauherrn, der gestern oder vorgestern von zwei Polizisten auf seinem Bau abgeknallt wurde, gehe ich jetzt besser nicht ein, oder?
Ich hab das nur am Rande mitbekommen. Worauf willst Du hinaus? Dass auch Polizisten Scheiße bauen können? Lieber Baldur, wo Menschen im Spiel sind spielt einfach der"menschliche Faktor" eine Rolle, und nur weil einer ne Uniform an und eine Knarre bei sich hat ist er noch kein Übermensch und unfehlbar.
Darf diesbezüglich etwas passieren? Klares Nein! Kann aber etwas passieren? Ja!
Dies nur allgemein, den Fall selbst muß ich mir erst mal näherbringen.
Oder zielst Du darauf ab, dass es was anderes gewesen wäre, wäre der Bauherr auch bewaffnet gewesen?
Man kann auch sagen, dass Polizisten wie die Bobbys lieber keine Waffen tragen sollten, dann passiert das auch nicht...
Mit Deinen Beispielen hast Du natürlich Recht, da bin ich bei Dir. Nur blendest Du meine Seite ganz aus, die ich im Vorposting dargestellt habe.
Du stellst es idealisiert da, und wenn es nur so passiert, wäre es in Ordnung.
Böser Räuber will einbrechen, überfallen etc., unschuldiges Opfer kann sich wehren. Glasklare Fälle.
Aber sieh nur den Fall von Cujo. Da gehts doch schon los, da ist nichts mehr klar. Begeht der aufdringliche Vertreter, der beim Plaudern den Fuß in die Tür stellt, schon Hausfriedensbruch und darf ich ihn deshalb abknallen?
Grundsätzlich bin ich bei Dir, das Notwehrrecht steht jedem zu, und jeder sollte sich und sein Hab und Gut entsprechend verteidigen können.
Aber meine Meinung, gebildet zum größten Teil aus eigenen Erfahrungen und häufig durch aktuelle Meldungen weltweit bestätigt, ist, dass die meisten Menschen mit dieser Verantwortung leider nicht umgehen könnten.
Andere Erfahrungen, andere Meinungen, auch klar.
Beste Grüße zurück
wheely
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Holmes
08.08.2006, 22:30
@ wheely
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Re: Bewaffneter Bauherr |
-->>>Auf den Bauherrn, der gestern oder vorgestern von zwei Polizisten auf seinem Bau abgeknallt wurde, gehe ich jetzt besser nicht ein, oder?
>Ich hab das nur am Rande mitbekommen. Worauf willst Du hinaus? Dass auch Polizisten Scheiße bauen können? Lieber Baldur, wo Menschen im Spiel sind spielt einfach der"menschliche Faktor" eine Rolle, und nur weil einer ne Uniform an und eine Knarre bei sich hat ist er noch kein Übermensch und unfehlbar.
>Darf diesbezüglich etwas passieren? Klares Nein! Kann aber etwas passieren? Ja!
>Dies nur allgemein, den Fall selbst muß ich mir erst mal näherbringen.
>Oder zielst Du darauf ab, dass es was anderes gewesen wäre, wäre der Bauherr auch bewaffnet gewesen?
Dieser Fall ist im Nachbardorf eines Kollegen passiert. So weit man bisher weiss, hatte der Bauherr (ein dorfbekannter Sonderling/Kauz) eine Axt bei sich und hat vermutlich damit die Polizisten attackiert. Die Polizisten sind bei ihm aufgetaucht, weil er am Sonntag morgen mit der Axt zugange war und sich die Nachbarn wegen sonntäglicher Ruhestörung beschwert haben. Da es bisher keine Augenzeugen gibt, scheint es völlig unklar, was passiert ist. Ich denke aber, dass Szenarien denkbar sind, die wir alle kennen: Polizei kreuzt auf, der Mensch ist sauer, weil er Ärger kriegt bzw. mit der Arbeit aufhören soll, ein Wort ergibt das andere, er erhebt in Rage die Axt. Polizisten ziehen Waffe und befehlen, das Ding hinzulegen, er macht es nicht und die Situation eskaliert. Keine der Parteien wollte das, aber so läuft's doch oft. Hätte der Alte keine Axt gehabt, hätte es höchstens ne Rauferei gegeben, aber wie soll man ohne Äxte Bäume fällen (ne Kettensäge ist noch fieser).
Wenn man jetzt die Polizisten angreift, sollte man sich überlegen, dass Odenwälder Dorfpolizisten wahrscheinlich kein De-Eskalationstraining und psychologisches Verhandeln in Krisensituationen absovieren müssen. Das haben die Kollegen am Frankfurter Hauptbahnhof wahrscheinlich besser drauf.
Meines Erachtens: tragische Geschichte, shit happens, die Polizisten werden daran lange zu Knabbern haben.
Beste Grüsse,
Holmes
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weissgarnix
08.08.2006, 22:50
@ Holmes
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Re: Das Elend mit den Waffen |
-->Hi,
bestimmt nicht. Wer erinnert sich nicht an die Hochglanzbilder in GEO (ca. 20 Jahre her) vom Fischotter in keine-Ahnung-mehr-wo, der - auf dem Rücken schwimmend eine Muschel mit seinen Hinterpfoten (wie heisst das richtig?) auf seinem Bauch - quasi als Amboß - arretierend, selbige mittels eines spitzen Steins in seinen Vorderpfoten aufschlug. Riesige Überschriften damals: erste bekannte Tierart, die"Werkzeuge" intelligent einsetzt. Zwischenzeitlich weitere Beispiele bei anderen Tierarten zuhauf.
Wichtige Abgrenzung zum homo sapiens jedoch nach wie vor: Motiv des Tiers = immer Nahrungserwerb, Motiv des Menschen = alles mögliche, von Nahrungserwerb (indirekt über des anderen Knete) hin zu Eifersucht, Rachsucht und diverse andere"niedere Motive".
>Hi wheely,
>ich sehe das genauso wie Du. Das Problem ist die Existenz von Waffen und nicht, ob sie nur der Staat/Machthaber oder alle haben. Sobald die Waffe in die Zeit eintritt, ändert sich die Geschichte extrem. Wenn ich mich richtig erinnere, wurde diese Tatsache in dem Film Odysee 2001 gewürdigt, in dem ein Affenmensch einen anderen mit einer Knochenkeule erschlug. Die Nutzung der Naturkräfte (hier als Hebel) zum Zweck der Tötung von Artgenossen stellt eine Veränderung in der Sozialstruktur dar, die andere Tierarten nicht haben. Vielleicht ist dieses einer der grundlegenden Unterschiede zwischen Tieren und Menschen, der bisher meines Wissens noch nicht gründlich analysiert wurde.
>Beste Grüsse,
>Holmes
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bernor
08.08.2006, 23:28
@ Holmes
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Re: Das Elend mit den Waffen |
-->Hi Holmes,
Das Problem ist die Existenz von Waffen und nicht, ob sie nur der Staat/Machthaber oder alle haben.
Und: Daß"kriminell" nicht unbedingt kriminogen (= Kriminalität erzeugend) bedeutet - woher kommt die Gewalt bzw. Gewaltbereitschaft?
Mein Eindruck ist, daß Menschen in Gesellschaften, die aus wirtschaftlichen oder anderen politischen Gründen ständig"in Bewegung" sind - Auflösung traditioneller, vertrauter"Werte-"/Sozialsysteme infolge Individualisierung, Mobilität,"Emanzipation","freie Marktwirtschaft","Zuwanderung" fremder Ethnien (außer den bekannten) etc. - das größere Gewaltproblem haben.
Dottore hat mit seinem ursprünglichen Posting zu diesem Thema wohl auch folgende Frage gestellt:
Ist es möglich, nach einem"Zusammenbruch" die Wiederkehr des per se kriminogenen (nicht: kriminellen) Staates zu verhindern, wenn praktisch jeder bewaffnet ist?
Und damit, siehe oben:
Ist nur bzw. erst der Staat kriminogen - oder die Existenz / Verfügbarkeit der Waffe an sich (und damit jeder Bewaffnete ein potentieller Krimineller bzw."Staatsgründer"?)
Gruß bernor
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Christian
09.08.2006, 00:00
@ Baldur der Ketzer
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Re: Lizenz - Baldur, ich würde gerne dein Posting in zwei Jahren lesen... |
-->...wenn zwischenzeitlich das Waffenverbot in Deutschland aufgehoben würde und jeder Pannekopp mit ner Wumme in der Tasche rumliefe. Ich bin mir sicher, die passenden Formulierungen aus deinem Wortbaukasten liegen schon bereit und müssen nur noch zusammengesetzt werden.
Mal ernsthaft: Du glaubst doch nicht wirklich den Kram, den du hier zur Unterstützung der Waffen- und Wahsinnigenlobby loslässt, oder?
Schönen Gruß, Christian
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wheely
09.08.2006, 00:10
@ Holmes
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danke für die Info! (o.Text) |
-->
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wheely
09.08.2006, 00:18
@ weissgarnix
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Tiermotive |
-->>>Wichtige Abgrenzung zum homo sapiens jedoch nach wie vor: Motiv des Tiers = immer Nahrungserwerb, Motiv des Menschen = alles mögliche, von Nahrungserwerb (indirekt über des anderen Knete) hin zu Eifersucht, Rachsucht und diverse andere"niedere Motive".
>
es gab eine sehr gute Reportage über Schimpansen, die in Großfamilien zusammenleben. Jahrelange Beobachtungen haben gezeigt, dass manche"entarten" und quasi"aus Spaß" andere töten, ganz außerhalb von Rangkämpfen oder Paarungsverhalten/-kämpfen
War gut recherchiert, weiß nur nicht mehr, wo ich es gesehen hab.
Gibt wohl also auch in der Natur Dinge, die man kaum glaubt...
Gruß
wheely
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Wassermann
09.08.2006, 00:29
@ Christian
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Re: Lizenz - Baldur, ich würde gerne dein Posting in zwei Jahren lesen... |
-->>...wenn zwischenzeitlich das Waffenverbot in Deutschland aufgehoben würde und jeder Pannekopp mit ner Wumme in der Tasche rumliefe. Ich bin mir sicher, die passenden Formulierungen aus deinem Wortbaukasten liegen schon bereit und müssen nur noch zusammengesetzt werden.
>Mal ernsthaft: Du glaubst doch nicht wirklich den Kram, den du hier zur Unterstützung der Waffen- und Wahsinnigenlobby loslässt, oder?
>Schönen Gruß, Christian
Wie wärs mal mit Fakten?
Nachdem ich annehme, das die Panneköppe" eh schon ne Wumme haben fände ich es ein Gebot der Fairnis ebenfalls in den legalen Besitz einer Faustfeuerwaffe kommen zu können. Als Ausbildungsnachweis hätte ich diverse ATNe zu bieten, schliesslich hatte der Staat vor Urzeiten beschlossen mir das in einem einjährigen Kompaktkurs beizubringen
VG Wassermann
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Baldur der Ketzer
09.08.2006, 01:03
@ Christian
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Re: Lizenz - Baldur, ich würde gerne dein Posting in zwei Jahren lesen... |
-->Hallo, Christian,
auf dieser Basis hätte es doch keinen Sinn, weiterzudiskutieren.
Ich stehe jedenfalls hinter meinen Worten. Aus eigener Ãœberzeugung, und nicht im Dienste irgendeiner Lobby.
Beste Grüße vom Baldur
P.S.: mein örtlicher Motorradhändler erzählte mir, das Geschäft mit Geländemaschinen sei marginal, weil man beim Befahren eines gesperrten Kies- oder Schotter-Weges nach kurzem seinem Eigentümer mit dessen Gewehr begegnen würde.
Und? Hast Du schon davon gehört, daß reihenweise Motorradchaoten erschossen wurden? Nein, eben nicht. Es respektieren aber alle die gegebenen Verbote. Nicht, weils eine läppische finanzielle Buße setzt, sondern, weils echt Ärger gibt mit dem rechtmäßigen Eigentümer.
Ich finde das vorbildlich.
In anderen Gefilden würden die widerrechtlichen Befahrer den saueren, aber wehrlosen Bauern eher in den Arsch treten und auf ihn herunterurinieren, und sich breit eins grinsen, oder so.
Ich weiß schon, was ich da vorziehe. Außerdem fahre ich nicht auf fremden, gesperrten Privatwegen. Sondern habe einen.
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Baldur der Ketzer
09.08.2006, 01:35
@ bernor
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Re: Die Sache mit den Waffen - empirisch erkennbar |
-->Hallo, bernor,
ich denke, man muß das empirisch betrachten, theoretisch geht das nicht, weil es immer menschliches Verhalten postuliert oder antizipiert, wie der Sozialismus/Kommunismus, nämlich normativ und deskriptiv. Aber nie empirisch.
In der Schweiz hat jeder Wehrmann sein Sturmgewehr daheim. Stellt er Blödsinn an, gibt es drastische Sanktionen. Vor Jahren gab es einen Amoklauf, in dem jemand im Parlament von Zug ausgerastet ist. Es gab mehr als zehn Opfer. Shit häppenz. Bezogen auf Einwohner und Jahre ist das trotz der schlimmen Umstände noch immer kein Grund, es mit Sao Paolo oder dergl. zu vergleichen.
In der Schweiz dürfte fast jeder Haushalt über mindestens eine Waffe verfügen, und zwar nach hiesigem Recht legal.
Auch in Ã-sterreich gibt es ein Erwerbsrecht des Bürgers, als Bedürfnis genügt das Motiv Selbstschutz, Notwehr und Verteidigung, was in der BRD völlig undenkbar ist.
Dennoch gibt es in den Alpenländern keinerlei Problem. Und die mentalität dürfte zur deutschen kaum verschieden sein.
Andere Stammesgesellschaften in arabischen Ländern sehen den Waffenbesitz als Ehrenrecht und Selbstverständlichkeit, niemand würde sich wagen, dieses zu tangieren. Gibt es deswegen Mord und Totschlag? Nein, eben nicht.
Seit in Großbritannien die Schußwaffen verboten und größtenteils eingezogen wurden, ist die Schußwaffenkriminalität explodiert - warum wohl (Zahlen stehen auf protell.ch). Auch Japan läßt keinen zivilen Waffenbesitz zu, das schert Yakuza und Co. einen feuchten Kehrricht. Nur der Normalbürger ist wie immer der Dumme.
Unbestritten gibt es kriminelle Schwerpunkte (Südafrika, Brasilien, in gewisser Weise Balkan, USA), und wenn keine Waffen mehr verfügbar wären, würden diese eben selbst hergestellt, wenn zur Aufrüstung ein Anlaß besteht. Aufhalten läßt sich kein Krimineller. Aber die scheren sich um Gesetze eh nicht, sie sind damit nicht zu erreichen, bestraft oder in seinen Rechten gegängelt wird wieder einmal der Otto Normalverbraucher.
Es gibt nun mal ein Grundbedürfnis des Menschen hinsichtlich persönlicher Sicherhei, nicht erst seit Maslow. Und das wird auch immer so bleiben. In Zeiten von verkleinerter Personaldecke bei der Polizei wird sich das Problem eher zuspitzen.
In einem anarchischen Zustand dürften sich meines Erachtens Warlords herausbilden, wie man es teils im Libanon sehen konnte, oder aber sehen kann in Somalia. Das ist nichts anderes als eine Wiederkehr mittelalterlicher Kleinstaaterei mit Wegezoll, nur, daß da jetzt niemand von Gottes Gnaden hockt, und kassiert, sondern aus eigenen Gnaden, bis jemand stärker ist und ihn zum Teufel jagt. Oder zum JHWH.
Vermutlich ergibt auch dies einen Gleichgewichtszustand und wird nicht weniger plausibel sein als das, was uns als westliche Demokrattien verkauft werden soll. Die Asiaten mit ihrem Vorbild des **friedlichen Kriegers** haben uns christlich deformierten Weichhirnen da einiges voraus.
Toll ans Licht gezerrt wird die Sache bei den Viehzüchtern in Kenia/Sudan &Co., die von Reiterbanden terrorisiert werden, weil sie sich nicht wehren können, weil ihnen die Zentralgewalt zuvor ihre Gewehre abgenommen hat. Klasse, das. Wo noch jemand was hat, um sich zu wehren, machen die Gangster einen Bogen drum herum. Kunststück.
Psychologisches Einfühlungsvermögen kommt mir vor wie Hömopathie und Teeaufguß, alles schön und gut und sinnvoll, aber nicht bei einer stürmisch verlaufenden bakteriellen Entzündung, bei der nur Antibiotika / im übertragenen Sinne: Waffen - effektiv helfen, auch um die Gefahr von Nebenwirkungen. Man muß das Gesamtbild sehen. Man kann nicht zigtausende oder Millionen wehrlos und zum (potentiellen?) Opfer machen, weil vielleicht einer oder zwei aufgrund dessen durch das letzte Quäntchen Unberechenbarkeit zu Schaden kommen könnten - falls sie dies nicht auch anderweitig ohnehin würden. Restrisiko. Klingt kalt und hart, aber ist mir lieber als jemand, der ermordet oder sonst geschädigt wurde, weil er sich nicht zur Wehr setzen konnte - denn das ist Zynismus allerhöchster ***Güte***.
Meint der Baldur und grüßt bestens
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Todd
09.08.2006, 08:19
@ Baldur der Ketzer
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Re: Lizenz - Baldur, ich würde gerne dein Posting in zwei Jahren lesen... |
--> Hallo,
soviel ich weiß, kommen in USA mehr Leute durch Waffen um als im Straßenverkehr.
Gruß
Todd
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Hyperion
09.08.2006, 08:22
@ Baldur der Ketzer
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Re: Die Sache mit den Waffen - empirisch erkennbar |
-->>ich denke, man muß das empirisch betrachten, theoretisch geht das nicht, weil es immer menschliches Verhalten postuliert oder antizipiert.
Schön! Schade, dass Du in Deinem Posting dann allerdings nur Vermutungen über die statistischen Zusammenhänge anstellst. Sonst müsstest Du wohl Deine Thesen überdenken:
http://www.smallarmssurvey.org/files/sas/publications/year_b_pdf/2001/2001SASCh6_summary_ge.pdf
Psychologisches Einfühlungsvermögen ist dagegen angebracht. Männer wollen Waffen besitzen. Das fängt schon in der frühen Kindheit an: Mädchen spielen mit Puppen, Jungs mit Holzgewehren. Und ich kann verstehen, dass sich in jedem Mann in unserer verweiblichten Gesellschaft eine gewisse Ohnmacht breit macht. Im Zweifel Macht über das Leben anderer zu haben gibt einem da das verlorene Selbstwertgefühl zurück.
Ich selbst habe mir als 18jähriger eine Schreckschusspistole gekauft, um mich selbst zu schützen. Hab ich sie je benutzt? Klar! Silvester bin ich betrunken damit um die Häuser gezogen und hab damit meine Freunde beeindruckt. Zur Selbstverteidigung hab ich sie nie gebraucht, und das obwohl ich in Hamburg-Harburg, einem der problematischeren Stadtteile Hamburgs, zu Hause bin.
Natürlich ist Waffenbesitz in Kolumbien und Afrika eine andere Geschichte. Wie ich bereits vorher schrieb: wenn kein Staat existiert, der den einzelnen effektiv schützen kann, dann muss man sich selbst um die eigene Sicherheit kümmern. Das ist aber in Deutschland und anderen westlichen Ländern überhaupt nicht mehr der Fall.
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Baldur der Ketzer
09.08.2006, 10:56
@ Hyperion
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Re: Die Sache mit den Waffen - empirisch erkennbar |
-->Hallo,
> wenn kein Staat existiert, der den einzelnen effektiv schützen kann, dann muss man sich selbst um die eigene Sicherheit kümmern. Das ist aber in Deutschland und anderen westlichen Ländern überhaupt nicht mehr der Fall.
bekanntlich reicht nach Popper ein einiziger gegenteiliger Fall, um eine Theorie zu falsifizieren.
Ein Bekannter von mir, Arzt von Beruf, in Bayern, wurde vor ca. 15 Jahren in seiner Stadtwohnung (bevorzugte Wohnlage) überfallen, der Einbrecher holte gerade mit dem in der Wohnung gefundenen Golfschläger aus, um dem Opfer eines überzuziehen, als sich dieses mittels einer legal besessenen Schußwaffe des Angriffs erwehren konnte.
Ich bin sicher, daß ohne diese Überlegenheit die Sache mindestens mit einer erheblichen Verletzung aqusgegangen wäre, wenn nicht tödlich. Der Einbrecher stellte sich später als bekanntermaßen skrupellos und gewalttätig heraus.
Tja.
Man braucht mir nicht mit us-amerikanischen Verhältnissen kommen, wenn es statt dessen auch konkrete Erfahrungen im engsten Bekanntenkreis im hiesigen Kulturraum gibt. Und die gibt es. Zumindest für mich, daher meine Auffassung. Wie wheely schon geschrieben hat, es kommt immer auf die bis dato gemachten Erfahrungen an, aus denen man sich seine jeweils eigene Meinung bildet.
Klar hatte ich selbst auch einmal eine Schreckschußwaffe, aber bei diesen bin ich der Ansicht, daß sie einen Konflikt mit einem wirklich bewaffneten Gewalttäter erst recht eskalieren lassen, sofern er erkennt, daß sie nicht *echt* ist. Da sehe ich die Eskalationswirkung tatsächlich, weil man ja weiß, in Wirklichkeit mit vollen Hosen dazustehen - logischerweise überträgt sich diese Kenntnis auf das Verhalten.
Das löst das Problem nicht, das ist nur wie ein Honigschnuller für Kleinkinder, um sich vor der Realität drücken zu können - daß man es nämlich staatlicherseits den integeren Bürgern verweigert, sich selbst schützen zu können. Das bleibt nach wie vor ein Seismograph für die Freiheitlichkeit eines Staates, sein Selbstverständnis und die zugewiesene Rolle seiner Untertanen.
Beste Grüße vom Baldur
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weissgarnix
09.08.2006, 11:23
@ Baldur der Ketzer
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Re: Die Sache mit den Waffen - empirisch erkennbar |
-->>Hallo,
>
>> wenn kein Staat existiert, der den einzelnen effektiv schützen kann, dann muss man sich selbst um die eigene Sicherheit kümmern. Das ist aber in Deutschland und anderen westlichen Ländern überhaupt nicht mehr der Fall.
>bekanntlich reicht nach Popper ein einiziger gegenteiliger Fall, um eine Theorie zu falsifizieren.
Popper reißt du hier aber ganz schön aus dem Zusammenhang, mein Bester. Die Falsifikation bezieht sich auf streng wissenschaftliche Aussagen, das Zusammenleben in Staat und Gesellschaft ist aber keine wissenschaftliche Theorie, sondern vollzieht sich nach Traditionen, Normen, etc.
>Ein Bekannter von mir, Arzt von Beruf, in Bayern, wurde vor ca. 15 Jahren in seiner Stadtwohnung (bevorzugte Wohnlage) überfallen, der Einbrecher holte gerade mit dem in der Wohnung gefundenen Golfschläger aus, um dem Opfer eines überzuziehen, als sich dieses mittels einer legal besessenen Schußwaffe des Angriffs erwehren konnte.
Das freut mich für deinen Bekannten, aber Kollege Zufall hat da wohl eine gehörige Rolle gespielt: er hätte die Pistole gerade nicht bei sich haben können, stattdessen zuhause, Einbrecher hätte sie finden und ihn damit abknallen können. Als ausgesprochener Fatalist sage ich da nur: dein Schicksal holt dich ein, so oder so.
>Man braucht mir nicht mit us-amerikanischen Verhältnissen kommen, wenn es statt dessen auch konkrete Erfahrungen im engsten Bekanntenkreis im hiesigen Kulturraum gibt.
Ja, nur lassen sich aus solchen Einzelerfahrungen keine vernünftigen Schlüsse auf das Ganze ziehen. Zumal andere in ihrem engsten Bekanntenkreis andere Erfahrungen gemacht haben. Wie sehe deine Meinung aus, wenn deine Erfahrungen im engsten Bekanntenkreis zB so aussehen würden:
- Arzt (beste Wohngegend) kommt nach Hause, findet sein jüngstes Kind blutüberströmt, der herbeigerufene Notarzt kann nur noch den Tod feststellen. Kind hatte zuvor unbeaufischtigt im Arbeitszimmer des Papa herumgestöbert, und seine Pistole gefunden
- Arzt (beste Wohngegend) sperrt seine Wohnungstür auf, starrt auf sein 5jähriges Kind, dass ihm seinen eigenen Colt entgegenhält,"Peng Peng" ruft und abdrückt. Kopfschuss, Arzt tod.
- Arzt (beste Wohngegend) wird des nachts von Einbrechern heimgesucht. Einbrecher ist eigentlich unbewaffnet, dachte Haus wäre leer. Arzt holt sich Pistole und überrascht ihn, als der schon wieder versucht abzuhauen, es kommt zu Handgemenge, Schuß löst sich, trifft die Frau des Arztes, seither querschnittsgelähmt. Einbrecher wird gefasst, kriegt 3 Jahre wegen Einbruch, Arzt und seine Frau werden jedoch zeit ihres Lebens nie wieder froh.
> daß man es nämlich staatlicherseits den integeren Bürgern verweigert, sich selbst schützen zu können. Das bleibt nach wie vor ein Seismograph für die Freiheitlichkeit eines Staates, sein Selbstverständnis und die zugewiesene Rolle seiner Untertanen.
Gross modo einverstanden.
>Beste Grüße vom Baldur
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Baldur der Ketzer
09.08.2006, 12:03
@ weissgarnix
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Re: Die Sache mit den Waffen - empirisch erkennbar |
-->Hallo, weissgarnix,
>>Als ausgesprochener Fatalist sage ich da nur: dein Schicksal holt dich ein, so oder so.
ich denke da zwar grundsätzlich nicht anders, aber, ich möchte zumindest eine Wahl haben und nicht mit heruntergelassenen Hosen *erwischt* werden. Denn wenn mir das Schicksal ein rechtzeitiges Aufwachen und gutes Gehör gibt, hab ich eine Chance, die ich sonst nicht hätte - beides hilft mir aber nichts, wenn ich nur eine Banane in Händen halte.
>>
wenn deine Erfahrungen im engsten Bekanntenkreis zB so aussehen würden:
>- Arzt (beste Wohngegend) kommt nach Hause, findet sein jüngstes Kind blutüberströmt, der herbeigerufene Notarzt kann nur noch den Tod feststellen. Kind hatte zuvor unbeaufischtigt im Arbeitszimmer des Papa herumgestöbert, und seine Pistole gefunden
Klarer Fall, Arzt hat Schuld auf sich geladen, sichere Verwahrung von Schußwaffen ist sowohl gesetzlich vorgeschrieben als auch eine Sache von Verantwortungsbewußtsein
>- Arzt (beste Wohngegend) sperrt seine Wohnungstür auf, starrt auf sein 5jähriges Kind, dass ihm seinen eigenen Colt entgegenhält,"Peng Peng" ruft und abdrückt. Kopfschuss, Arzt tod.
siehe oben, Waffen dürfen Kindern nicht zugänglich sein, sonst keine Zuverlässigkeit im Sinne des WaffG
Im Übrigen hast Du gleiches Problem grundsätzlich mit Reinigungsmitteln und anderen potentiell gefährlichen Dingen, Maschinen etc. im Haushalt
>- Arzt (beste Wohngegend) wird des nachts von Einbrechern heimgesucht. Einbrecher ist eigentlich unbewaffnet, dachte Haus wäre leer. Arzt holt sich Pistole und überrascht ihn, als der schon wieder versucht abzuhauen, es kommt zu Handgemenge, Schuß löst sich, trifft die Frau des Arztes, seither querschnittsgelähmt. Einbrecher wird gefasst, kriegt 3 Jahre wegen Einbruch, Arzt und seine Frau werden jedoch zeit ihres Lebens nie wieder froh.
Dann hat der Arzt ein Problem, weil er den Sicherheitsabstand zum Täter/Angreifer mißachtet hat - wer selbst bewaffnet ist, sich in einer klaren Notwehrsituation befindet, und einen Angreifer auf Handgemenge-Distanz an sich heranläßt, dem kann man nicht mehr helfen - sorry. Ich halte das ebenfalls für konstruiert und wirklichkeitsfremd. Es hat sich eben so zugetragen, wie ich es geschildert habe, und nicht so, wie Du konstruiertest.
Wenn ich mit dem Auto über eine Paßstraße fahre, kann es sein, daß ein Ã-lschlauch oder eine Benzinleitung platzt und mir das Auto abbrennt, bevor ich rausspringen kann. Ich bin schon unzählige Male über den Paß gefahren, es ist noch nie etwas theoretisch durchaus mögliches, aber eben doch extrem unwahrscheinliches passiert. Und nu?
Die Anzahl der Gewaltdelikte an wehrlosen Bürgern ist um ein Enormes größer als die verschwindend geringe Zahl von Unfällen oder Straftaten mit legalen Waffen. Das ändern auch die tollsten Gedankenkonstrukte nicht, was ja vielleicht immerhin möglich sein könnte....
Beste Grüße vom Baldur
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SchlauFuchs
09.08.2006, 12:49
@ Todd
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Re: Lizenz - Baldur, ich würde gerne dein Posting in zwei Jahren lesen... |
-->> Hallo,
>soviel ich weiß, kommen in USA mehr Leute durch Waffen um als im Straßenverkehr.
>Gruß
>Todd
Da spielen aber noch ein paar andere Faktoren eine Rolle. Massiv unterfinanziertes Sozialsystem, Massiver Drogenmißbrauch in den sozial schwachen Schichten, dementsprechend massive Beschaffungskriminalität. Die Zustände in den Ghettos/Slums mit weit über 40% Arbeitslosigkeit sind völlig ausgeartet. Waffen sind da keine Ursache der Morde, sondern schlicht Mittel zum Zweck. Würde man denen alle Schusswaffen wegnehmen gäbs halt fast genauso hohe Zahlen an Messertoten, Garrotierten, Schädelzertrümmerten.
Ciao!
SF
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weissgarnix
09.08.2006, 13:31
@ Baldur der Ketzer
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Re: Die Sache mit den Waffen - empirisch erkennbar |
-->Baldur,
alles richtig, aber mein Punkt war ein anderer: jemand der in seinem engeren Bekanntenkreis Erfahrungen der Art gemacht hätte, wie von mir beschrieben, käme wohl zu einer etwas anderen Ansicht als Du, der DU Deine spezifischen Erfahrungen gemacht hast. Er würde zum Beispiel hier posten:"ja, eine Waffe im Haus kann gewisse Gefahren abwehren, beschwört dabei aber neue herauf." Und"welcher" Gefahr sich man jetzt schlußendlich aussetzen möchte, bleibt eine höchst persönliche Entscheidung. Daher auch meine frühere Aussage nochmal, ich bin dafür, dass sich jemand zuhause eine Waffe bereitlegen darf, weil dort die Dinge noch vergleichsweise unkompliziert und überschaubar liegen, wäre aber dagegen, daß auf der Straße plötzlich nur noch alle mit der Knarre rumlaufen, wo die Zahl an Begegnungen, Zufällen und sonstigen Komplexitäten und situativen Einflüssen ungleich größer ist.
>Hallo, weissgarnix,
>>>Als ausgesprochener Fatalist sage ich da nur: dein Schicksal holt dich ein, so oder so.
>ich denke da zwar grundsätzlich nicht anders, aber, ich möchte zumindest eine Wahl haben und nicht mit heruntergelassenen Hosen *erwischt* werden. Denn wenn mir das Schicksal ein rechtzeitiges Aufwachen und gutes Gehör gibt, hab ich eine Chance, die ich sonst nicht hätte - beides hilft mir aber nichts, wenn ich nur eine Banane in Händen halte.
>
>>>
>wenn deine Erfahrungen im engsten Bekanntenkreis zB so aussehen würden:
>>- Arzt (beste Wohngegend) kommt nach Hause, findet sein jüngstes Kind blutüberströmt, der herbeigerufene Notarzt kann nur noch den Tod feststellen. Kind hatte zuvor unbeaufischtigt im Arbeitszimmer des Papa herumgestöbert, und seine Pistole gefunden
>
>Klarer Fall, Arzt hat Schuld auf sich geladen, sichere Verwahrung von Schußwaffen ist sowohl gesetzlich vorgeschrieben als auch eine Sache von Verantwortungsbewußtsein
>
>>- Arzt (beste Wohngegend) sperrt seine Wohnungstür auf, starrt auf sein 5jähriges Kind, dass ihm seinen eigenen Colt entgegenhält,"Peng Peng" ruft und abdrückt. Kopfschuss, Arzt tod.
>siehe oben, Waffen dürfen Kindern nicht zugänglich sein, sonst keine Zuverlässigkeit im Sinne des WaffG
>Im Übrigen hast Du gleiches Problem grundsätzlich mit Reinigungsmitteln und anderen potentiell gefährlichen Dingen, Maschinen etc. im Haushalt
>>- Arzt (beste Wohngegend) wird des nachts von Einbrechern heimgesucht. Einbrecher ist eigentlich unbewaffnet, dachte Haus wäre leer. Arzt holt sich Pistole und überrascht ihn, als der schon wieder versucht abzuhauen, es kommt zu Handgemenge, Schuß löst sich, trifft die Frau des Arztes, seither querschnittsgelähmt. Einbrecher wird gefasst, kriegt 3 Jahre wegen Einbruch, Arzt und seine Frau werden jedoch zeit ihres Lebens nie wieder froh.
>Dann hat der Arzt ein Problem, weil er den Sicherheitsabstand zum Täter/Angreifer mißachtet hat - wer selbst bewaffnet ist, sich in einer klaren Notwehrsituation befindet, und einen Angreifer auf Handgemenge-Distanz an sich heranläßt, dem kann man nicht mehr helfen - sorry. Ich halte das ebenfalls für konstruiert und wirklichkeitsfremd. Es hat sich eben so zugetragen, wie ich es geschildert habe, und nicht so, wie Du konstruiertest.
>Wenn ich mit dem Auto über eine Paßstraße fahre, kann es sein, daß ein Ã-lschlauch oder eine Benzinleitung platzt und mir das Auto abbrennt, bevor ich rausspringen kann. Ich bin schon unzählige Male über den Paß gefahren, es ist noch nie etwas theoretisch durchaus mögliches, aber eben doch extrem unwahrscheinliches passiert. Und nu?
>Die Anzahl der Gewaltdelikte an wehrlosen Bürgern ist um ein Enormes größer als die verschwindend geringe Zahl von Unfällen oder Straftaten mit legalen Waffen. Das ändern auch die tollsten Gedankenkonstrukte nicht, was ja vielleicht immerhin möglich sein könnte....
>Beste Grüße vom Baldur
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stocksorcerer
10.08.2006, 00:40
@ Cujo
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was mich wenig schockt, |
-->
....weil Amis ja nur zu einem ganz geringen Prozentsatz die Staaten verlassen.
Oder ist das jetzt zu gemein von mir?
winkääää
stocksorcerer
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dottore
10.08.2006, 15:47
@ Cujo
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Re: Lizenz zum Eigentum, zur Waffe und zum Staat |
-->Hi Cujo,
das (schwierige) Thema war schon angesprochen worden.
Die Diskussion nach Deinem Posting ist sehr lehrreich. Nur habe ich das Gefühl, sie setzt bei etwas an, das eben nicht am „Anfang“ steht: nämlich Eigentum und dem zwangsläufig sich daraus ergebenden Staat. Dabei:
Phase 1: HERRscher ist Erst- und Alleineigentümer. Er herrscht (inkl. seiner Clique) mit Hilfe von Waffen, über welche die Beherrschten nicht verfügen, da sie sonst nicht beHERRscht wäre, also dem HERRscher gegenüber - in welcher Form auch immer und auf welche Umstände auch immer lautend verpflichtet sind. Die Waffe, worauf @Holmes scharfsinnig hingewiesen hat, schafft immer eine „neue Lage“. Sie ist das primum movens der Geschichte. Waffe definiert nicht als Jagd-Waffe, sondern als Mann-Waffe, zunächst eingesetzt (und heute noch von verfeindeten Stämmen eingesetzt) als Instrument des Man-Huntings, in dafür geeigneten Environments (weite Flächen, Flußtäler usw., nicht schwieriges Gelände wie z.B. Neu-Guinea) des Man-Farmings. Die Unterworfenen sind als Kriegsgefangene oder Sklaven nur bedingt zu gebrauchen (Überfremdungsgefahr, „innere“ Aufstände, etc.). Idealerweise bleiben sie vom „Kerngebiet“ getrennt („Provinzen“, „Kolonien“) und werden durch Androhung von Waffen-Einsatz (Sanktion usw.) „kirre“ gemacht. Auf die entsprechenden Tribut- und Zinnß-Phänomene wurde schon intensiv eingegangen.
Phase 2: HERRscher zediert innerhalb seines Machtareals Eigentum bzw. Eigentumsrechte - Privilegia - zum Zweck des Machterhalts, behält aber das Obereigentum, letztlich definiert durch das (erst HERRschafts-, dann) „Staatsgebiet“, das bekanntlich nicht „herrenlos“ ist, also eine „res nullius“. Alles, was Grenzen hat, ist Eigentum. „Unbegrenztes“ oder „grenzenloses“ Eigentum ist nicht definierbar, siehe schon Rousseau, u.a.. Zur Entstehung von „Staatsgrenzen“ siehe v. Creveld. Ober- und Untereigentümer verfügen zunächst über in etwa gleiche Waffen, zumal die Untereigentümer zum „Waffendienst“ zugunsten des Obereigentümers verpflichtet sind, was im Rahmen der Zession gemeinhin vereinbart wurde. Selbst mittellaterliche Großklöster (Fulda usw.) mussten noch entsprechende Kontingente stellen, vgl. LeGoff. Von Jagdwaffen kann schon seit der Vor- und Frühantike keine Rede mehr sein: Mit Dolch und Schwert ist schlecht jagen, mit Streitwagen (vgl. die Protzerei der Pharaonen damit, vgl. die erste große Kriegswaffen-Schlacht bei <a href=http://nefertiti.iwebland.com/ramseskadeshcampaign.htm>Kadesh</a> auch nur bedingt. Spätestens mit der Phalanx
kann auch mit einem noch so feinen Waffenschein kein Bürger jemals kaufen (Kadenz 950 Schuss/Minute!).
Die Tatsache, dass das „Waffentragen“ ein Vorrecht des Adels geblieben war und die „Untertanen“ bei ihren Gegenwehr-Versuchen entweder mit dem Dreschflegel beginnen mussten (Bauernkriege) oder die Zeughäuser stürmten (französische Revolution).
und vor allem die „scharpff metz“ - das klassische Geschütz, das u.a. die Schlacht von Frankenhausen 1525 zugunsten der staatlichen HERRlichtkeiten entschied.
Phase 4: Die Kleinwaffen im Publikum (wie weit auch immer verbreitet bzw. zugelassen, vgl. BoR) führt zum Wunsch nach Sicherheit. Von der Angst profitiert der Staat, der seinerseits stets aus Waffengewalt hervorgegangen ist und sich nach außen nur als bewaffnet definieren lässt. Der Staat verheißt nun „Ruhe und Ordnung“ und findet dafür breite Zustimmung. Logisch. Wiewohl die „völlige Sicherheit“ pure Illusion bleibt, ist ihr Versprechen inzwischen zur Legitimation des Staates schlechthin geworden. Der Staat verspricht das Ende der „inneren“ Gewalt, die der Bürger nur noch als von seinesgleichen ausgeübt erkennen kann, womit die Gewalt „nach innen“, die er selbst sanktionslos ausübt gänzlich aus dem Blickfeld verschwindet.
Phase 5: Der Bürger wird mit dem „Recht auf Sicherheit“ abgespeist, ist aber nicht mehr in der Lage zu unterscheiden, dass der Grund zur Erklärung dieses „Rechts“ die maßlosen Übergriffe des Gewalt- und Waffenmonopols des Staates gegenüber dem internen und externen Nichtstaatssektor war. Die viel beschworenen Menschenrechte haben nicht den „bösen“ Nachbarn als Adressaten (dafür gibt es alle möglichen Sanktionen, von Strafgeldzahlungen über Spiegelstrafen, von sozialen Ächtungen - Erklärung der Vogelfreiheit - bis hin zu modernen Strafgesetzbüchern). Der Adressat ist der mit allermodernstem Equipment (einschließlich Massenvernichtungswaffen aller Couleur) ausgerüsteten Staat, der seinen Macht- und sonstigen Gelüsten jederzeit freien Lauf lassen kann.
Phase 6: Da für den Einzelnen immer und überall Gefahren drohen, auch solche, die nichts mit Waffeneinsatz zu tun haben, sondern mit „normalen“ Wechselfällen des Schicksals, lädt der Einzelne auch den „Schutz“ vor diesen Fährnissen auf den in seinen Augen „allmächtigen“ Staat ab, der seinerseits mit weiteren Versprechungen („Wohlstand für alle“, „sichere Renten“, „Bürgergeld“, „Rechtsansprüche auf Solidarität von Staats wegen“, usw.) von sich her macht und Kritiker überdies mit dem Hinweis darauf abspeist, „man“ könne jederzeit die herrschende Clique wechseln. Dass zu dieser gewechselt wird, sobald sie noch mehr Sicherheit verspricht, versteht sich von selbst. Um das Ganze im Sinne des Obigen noch abzuschmecken, wird der private Waffenbesitz mehr und mehr verboten. Der Bürger mutiert so zum de facto rechtlosen Leibeigenen des HERRschaftssystems und unterscheidet sich nur noch in einem Punkt von Hörigen früherer Feudalismen: Er kann den HERRN wechseln, indem er sich vom Acker macht, alias das „Staatsgebiet“ wechselt. Wobei er oft genug (zu spät) erkennt, dass er vom Regen unter Umgehung der Traufe gleich in der Jauche landete.
Staatliches Obereigentum, staatliches Top-Waffen-Monopol und die sog. „bürgerliche Freiheit“ lassen sich in keinem wie auch immer konstruierten „Gesellschaftssystem“ vereinen. Wie das Wasser zu seinem tiefsten Punkt streben solche Ensembles immer wieder auf die umfassende Staatsallmacht zu. Da sich diese aus xfach vorgetragenen Gründen in sich selber scheitern muss, ist es also eine Frage der Zeit, wann der „Kreislauf der Staatsformen“ (Polybios usw.) seine Runde vollendet. Um zur nächsten zu starten. Gut möglich, dass die aktuellen Vorgänge dieses Rondo beschleunigen, weshalb man es nicht nur kritiseren, sondern vielleicht sogar begrüßen sollte?
„Lacht heute, morgen wird’s ein anderes Lachen sein“ (spanisch) + Gruß!
PS:... und immer bleibt die Frage unbeantwortet: Wann hat wem die Lizenz zu Staat, alias der"Souveränität" gegeben?
Der Staat schneit einfach so herein, vgl. GG:
Artikel 20
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
[Woher kommt die"Bundesrepublik Deutschland"? Wer hat sie denn errichtet? Als"Staat" oder als was? Wer hat ihre Existenz bestimmt? Wenn sie"ist" - wie kommt es, dass sie"ist"? Die Erklärung was sie ist, erklärt mitnichten, dass sie ist.]
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.
[Wenn sie vom Volk"ausgeht": Was war, bevor sie ausgegangen ist? Wann hat das Volk das Ausgehen - Klartext: die Zession - der Gewalt beschlossen, verfügt, sich abschwatzen lassen? Was ist das"Volk"? Ein Volk? Ein Staat? Wie kann ein Volk eine"Staatsgewalt" generieren, wo es doch ein"Volk" ist und ein Volk bestenfalls eine"Volksgewalt" haben kann?]
Darüber lassen sich die GG-Kommentatoren leider nirgends aus...
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moneymind
10.08.2006, 19:27
@ bernor
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Re: Modernisierung als Gewaltursache? |
-->Hi bernor,
Mein Eindruck ist, daß Menschen in Gesellschaften, die aus wirtschaftlichen oder anderen politischen Gründen ständig"in Bewegung" sind - Auflösung traditioneller, vertrauter"Werte-"/Sozialsysteme infolge Individualisierung, Mobilität,"Emanzipation","freie Marktwirtschaft","Zuwanderung" fremder Ethnien (außer den bekannten) etc. - das größere Gewaltproblem haben.
?!??
2/3 der Kriege seit 1945 waren Bürgerkriege. Welche dieser Bürgerkriege mit den dazugehörigen Massakern fand in modernen, entwickelten/sich schnell entwickelnden Gesellschaften statt?
Kaum einer (ich bitte um Gegenbeispiele).
Und welche fanden in Gesellschaften statt, in denen KEIN youth bulge existiert hat?
Kaum einer (ich bitte um Gegenbeispiele).
Gegenthesen:
1) Größere Gewaltausbrüche drohen da, wo wohlernährte und gut ausgebildete junge Männer a) einen hohen an der Gesamtbevölkerung darstellen (youth bulge) und b) keinen Platz in ihrer Gesellschaft und damit keine Lebensperspektive finden.
2) Diese überschüssigen (nicht mit einer konstruktiven Aufgabe beschäftigten) Jungmännerenergien können sich in verschiedenen Formen entladen. Bürgerkriege, Terrorismus, Selbstmordanschläge, Revolutionen, Eroberungsfeldzüge etc.
3) Ihre theoretische Rechtfertigung finden die jungen Männer von alleine - ihre konkrete Ausformung hängt davon ab, was ihnen als Rechtfertigungsideologie für ihre Gewalt zur Verfügung steht. Das Christentum hat diese Rolle historisch für das frümoderne Europa und seinen Youth Bulge gespielt. Der militante Islam spielt diese Rolle heute für viele Jungmänner der arabischen Welt. Es könnten aber beliebige andere ideologische Systeme diese Rolle übernehmen - seien das nun Liberalismus, Sozialismus, oder antisemitische Verschwörungstheorien (die ja derzeit auch hierzulande in Mode sind).
4) Gewalt findet sich historisch and den GEBURTSSTELLEN moderner Gesellschaften... zumindest in Westeuropa wiederum in Verbindung mit youth bulges (s.u.).
5) Modernisierung dagegen führt zu sinkenden Geburtenraten und damit zu einem niedrigeren Anteil junger Männer an der Gesamtbevölkerung. Selbst wenn es in Krisen mit hohen Arbeitslosenraten zu dem Problem der Perspektivlosigkeit für die jungen Männer kommt, ist doch durch ihren niedrigeren Anteil an der Gesamtbevölkerung die Gefahr von Gewalt in einer"Old Age Bulge-Gesellschaft" aufs Ganze gesehen niedriger als in einer"Youth-Bulge-Gesellschaft".
6) Daraus ergibt sich unter anderem, daß die Übernahme einer modernen Gesellschaftsform derzeitigen Youth-Bulge-Gesellschaften langfristig helfen würde, ihren Youth Bulge zu entschärfen.
7) Geburtenraten gehen weltweit bereits jetzt zurück, die Problemlösung ist also bereits auf dem Weg.
8) Die Zeit des Youth-Bulge Peaks steht uns allerdings noch bevor.
9) Wir dürften daher vor sehr turbulenten 20 Jahren stehen und sollten uns wahrscheinlich gut überlegen, mit welchen Strategien (auf internationaler, nationaler, regionaler und persönlicher Handlungsebene) wir den Auswirkungen dieses Youth Bulge begegnen.
Einige Background-Links für Interessierte:
Youth Bulge und Gewalt
Demographie und Gewalt
Westeuropas großes demographische Muster und einige Folgen (auch als Audio-Download verfügbar)
Früherer Thread zum Geburtenrückgang in modernen Gesellschaften
Gruß
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bernor
10.08.2006, 22:57
@ moneymind
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Re: Modernisierung als Gewaltursache? /"Dynamik" & Gewalt |
-->Hi moneymind,
>Mein Eindruck ist, daß Menschen in Gesellschaften, die aus wirtschaftlichen oder anderen politischen Gründen ständig"in Bewegung" sind - Auflösung traditioneller, vertrauter"Werte-"/Sozialsysteme infolge Individualisierung, Mobilität,"Emanzipation","freie Marktwirtschaft","Zuwanderung" fremder Ethnien (außer den bekannten) etc. - das größere Gewaltproblem haben.
?!??
meinen"Eindruck" möchte ich hier etwas konkreter darstellen:
Das Problem ist nicht die Gewalt an sich, die es ja in jeder menschlichen Gesellschaft gibt, sondern, daß sie unter bestimmten Umständen"außer Kontrolle" geraten kann.
In den frühen, vorstaatlichen Gemeinschaften hatten sich bestimmte Mechanismen der Gewaltkontrolle auf Familien-/Sippen-/Stammesbasis entwickelt, siehe Germanen (Verhandlung von Mord- und Totschlagsfällen, außerhalb eindeutiger Notwehr, auf dem Thing; Zahlung von Wergeld als Sühne anstelle der Blutfehde) und Beduinen (hier war bzw. ist der Scheich der Richter und gelegentlich"Ausgleicher", um die Tilgung der"Blutschuld" durch Sühneleistungen zu ermöglichen) und andere.
Solche Gesellschaften sind - sofern sich die Umweltbedingungen nicht dramatisch ändern, keine Feinde eindringen und es auch keine"Verlockungen" zu dauerhaften Plünderungen (z.B. von Germanen im geschwächten spätrömischen Reich) gibt -"statisch", d.h., hier schaukelt sich die Gewalt nicht auf.
Sobald jedoch der Staat in irgendeiner Form auftaucht, kommt die"Dynamik", auch bei der Gewalt, ins Spiel: erst die Entstehung des Abgabensystems, dann die Ablösung der Natural- durch"Geld"-Abgaben, dann die Zessionen auf diversen Herrschaftsebenen hin und her ("Kriege") und rauf und runter (König/Kaiser versus Adel und Klerus,"Fehden") und schließlich die Ablösung des Feudalsystems durch den"modernen" Staat - und mit diesem die"kapitalistische" Wirtschaft, deren Vorzug allerdings darin besteht, der permanenten Gefahr der systeminduzierten Überschuldung (Abgaben- und Kontraktschuld) durch entsprechende und vor allem steigende Erträge (neue Verschuldung durch Käufer der Ware/Leistung) zu begegnen und somit die von einem selbst potentiell ausgehende Gewalt, sofern gegen seinesgleichen oder Höhere gerichtet, einzudämmen (erst infolge der"Sozialisierung" der Wirtwirtschaft bzw."Humanisierung" der Gesellschaft, siehe"Menschenrechte", auch Gewaltvezicht gegenüber Untergebenen - bis dahin war das Prügeln, Peitschen und auch Versklaven von Arbeitskräften Usus).
Diese"Humanisierung" setzt freilich jeweils auch eine kontinuierlich an die neuen Verhältnisse gewöhnte und kulturell relativ homogene bzw. integrative Gesellschaft voraus, die praktisch niemanden"zurückläßt" - wo diese Eigenschaften fehlen oder infolge erlahmender Wirtschaftsdynamik bzw. politischer Entscheidungen wieder abhanden kommen, ist (über das"normale" Maß hinaus) der Staat als Gewalt-"Bändiger" gefragt: fehlt er dort bzw. zieht er sich zurück, ist/wird es für den"Bürger" ungemütlich (und - hier nur am Rande erwähnt - für ihn die Frage des persönlichen Waffenbesitzes ganz aktuell -->"Bürgerkrieg"/"Revolution").
Gruß bernor
PS: Das Youth-bulge-Problem ist, siehe Geburtenkontrolle bzw. historisch hoher Stand der Medizin, in diesem Ausmaß ein rein neuzeitlichen Phänomen und kommt hier somit on the top.
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moneymind
12.08.2006, 21:02
@ bernor
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Re: Modernisierung als Gewaltursache? /"Dynamik" & Gewalt |
-->Hi bernor,
schönen Dank für die Präzisierung.
Das Problem ist nicht die Gewalt an sich, die es ja in jeder menschlichen Gesellschaft gibt...
Ja, sehe ich genauso.
... sondern, daß sie unter bestimmten Umständen"außer Kontrolle" geraten kann.
Was genau heißt für Dich"außer Kontrolle"? Ich möchte im folgenden darunter"systematisch organisierte Massentötung" verstehen.
In den frühen, vorstaatlichen Gemeinschaften hatten sich bestimmte Mechanismen der Gewaltkontrolle auf Familien-/Sippen-/Stammesbasis entwickelt, siehe Germanen (Verhandlung von Mord- und Totschlagsfällen, außerhalb eindeutiger Notwehr, auf dem Thing; Zahlung von Wergeld als Sühne anstelle der Blutfehde) und Beduinen (hier war bzw. ist der Scheich der Richter und gelegentlich"Ausgleicher", um die Tilgung der"Blutschuld" durch Sühneleistungen zu ermöglichen) und andere.
Ja - ich würde allerdings präzisieren: bestimmte Formen innergesellschaftlicher Gewaltkontrolle. Zwischgesellschaftliche Formen der Gewalt - zwischen verschiedenen Stämmen - unterscheiden sich davon deutlich und müßten gesondert betrachtet werden.
Solche Gesellschaften sind - sofern sich die Umweltbedingungen nicht dramatisch ändern, keine Feinde eindringen und es auch keine"Verlockungen" zu dauerhaften Plünderungen (z.B. von Germanen im geschwächten spätrömischen Reich) gibt -"statisch", d.h., hier schaukelt sich die Gewalt nicht auf.
Stimme zu."Gewalt" so wie (ich den Begriff oben definiert habe) findet unter diesen Bedingungen nur zwischen einander fremden, verfeindeten Stammesgesellschaften statt; wenn man mal Blutopfer (incl. Menschenopfer) ausnimmt, das sicherlich auch organisierte Gewalt beinhaltet, aber sich auf relativ"wenige" Opfer beschränkt.
Sobald jedoch der Staat in irgendeiner Form auftaucht, kommt die"Dynamik", auch bei der Gewalt, ins Spiel: erst die Entstehung des Abgabensystems, dann die Ablösung der Natural- durch"Geld"-Abgaben, dann die Zessionen auf diversen Herrschaftsebenen hin und her ("Kriege") und rauf und runter (König/Kaiser versus Adel und Klerus,"Fehden") und schließlich die Ablösung des Feudalsystems durch den"modernen" Staat - und mit diesem die"kapitalistische" Wirtschaft, deren Vorzug allerdings darin besteht, der permanenten Gefahr der systeminduzierten Überschuldung (Abgaben- und Kontraktschuld) durch entsprechende und vor allem steigende Erträge (neue Verschuldung durch Käufer der Ware/Leistung) zu begegnen und somit die von einem selbst potentiell ausgehende Gewalt, sofern gegen seinesgleichen oder Höhere gerichtet, einzudämmen (erst infolge der"Sozialisierung" der Wirtwirtschaft bzw."Humanisierung" der Gesellschaft, siehe"Menschenrechte", auch Gewaltvezicht gegenüber Untergebenen - bis dahin war das Prügeln, Peitschen und auch Versklaven von Arbeitskräften Usus).
Ergänzung: Kapitalismus - mit dem staatlichen Gewaltmonopol, das Gläubiger zur Vollstreckung ihrer fälligen, unerfüllten Kontrakte in Anspruch nehmen können, führt durch diese"Dezentralisierung" und"Verteilung" der Kanäle, in denen die"Gewalt" (hier im generelleren Sinn verstanden) fließt (dottore:"Machtzession"), auf den von Heinsohn und dottore schön beschriebenen Wegen zu einer Innovations- und Entwicklungsdynamik, die eine"direkte" Gewalt (Abgabensysteme) niemals erzeugen kann (siehe Vergleich: Innovationsdynamik Kapitalismus vs. Sozialismus).
Diese Differenzierung zwischen Abgabensystemen und Geldwirtschaften (mit"zedierter","dezentralisierter" Gewalt) ist sehr wichtig und muß deutlich getroffen werden - wenn auch das Staatsphänomen eine übergreifende Gemeinsamkeit korrekt beschreibt.
Diese"Humanisierung" setzt freilich jeweils auch eine kontinuierlich an die neuen Verhältnisse gewöhnte und kulturell relativ homogene bzw. integrative Gesellschaft voraus, die praktisch niemanden"zurückläßt" - wo diese Eigenschaften fehlen oder infolge erlahmender Wirtschaftsdynamik bzw. politischer Entscheidungen wieder abhanden kommen, ist (über das"normale" Maß hinaus) der Staat als Gewalt-"Bändiger" gefragt: fehlt er dort bzw. zieht er sich zurück, ist/wird es für den"Bürger" ungemütlich (und - hier nur am Rande erwähnt - für ihn die Frage des persönlichen Waffenbesitzes ganz aktuell)
Diese Betrachtungen kommen mir doch recht abstrakt und skizzenhaft vor, und daher schwer konkret und im einzelnen nachvollziehbar. Im großen und ganzen kann ich zustimmen... sehe aber nicht ganz, worauf Du damit hinauswillst.
PS: Das Youth-bulge-Problem ist, siehe Geburtenkontrolle bzw. historisch hoher Stand der Medizin, in diesem Ausmaß ein rein neuzeitlichen Phänomen und kommt hier somit on the top.
Nein. Youth Bulges mit ihren gewalttätigen Folgen enstehen dort, wo a) eine zentralisierte Instanz die biologische Reproduktion der Individuen gegen deren eigene Interessen reguliert (i.d.R. durch Verbot von Geburtenkontrolle) und die Frauen so dazu zwingt, mehr Kinder in die Welt zu setzen, als sie aus eigenem Interesse dazu bereit wären; und b) der so geschaffene männliche Nachwuchs zwar ernährt und ausgebildet wird, aber keine gewaltfreie produktive gesellschaftliche Aufgabe bekommt bzw. finden kann.
Youth Bulges sind also ein staatliches Phänomen und auch in der Antike zu beobachten (mit den bekannten Folgen wie Eroberungsfeldzügen etc.). Da staatliche Herrschaft historisch zuerst religiös legitimiert wurde, wundert es kaum, daß Religionen wie Christentum und Islam generell eine pronatalistische Ideologie in sich tragen, anstatt zu individueller Vernunft in Bezug auf die Produktion und Aufzucht von Nachwuchs anzuleiten.
Relativ friedlich lebende Stammesgesellschaften scheinen sich in Bezug auf die Bevölkerungsentwicklung um das Reproduktionsniveau herum einzupendeln (ca. 2,1 Kinder pro Frauenleben) und damit Youth Bulges zu vermeiden. Ob Stammesgesellschaften im Kriegszustand mit anderen Stämmen dies beibehalten, weiß ich nicht - wäre herauszufinden.
Vielleicht noch einige generelle Gedanken - weniger an Dich, als ans Forum allgemein gerichtet:
Einmal einen unvoreingenommenen"demographischen" Blickwinkel einzunehmen, (einige Links dazu in meinem <a href ="http://f17.parsimony.net/forum30434/messages/361091.htm">vorigen Posting</a> in diesem Thread) führt meiner Meinung nach doch zu recht nüchternen und aufschlußreichen Einsichten und würde diesem Forum in Bezug auf eine realistischere Beurteilung der gegenwärtigen Lage vielleicht ganz gut tun.
Daß hier viele Leute gute Gründe haben, auf einen solchen realistischen Blick verzichten zu wollen, ist mir klar... es gibt schließlich Theorien, die es erlauben, sich (oberflächlich und kurzfristig) wesentlich besser und"schlauer" zu fühlen... und wohl nicht zuletzt deshalb derzeit so populär sind:-)
Gruß
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Holmes
14.08.2006, 17:09
@ dottore
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Re: vom Regen in die Jauche - dottore |
-->Hi dottore!
> Der Bürger mutiert so zum de facto rechtlosen Leibeigenen des HERRschaftssystems und unterscheidet sich nur noch in einem Punkt von Hörigen früherer Feudalismen: Er kann den HERRN wechseln, indem er sich vom Acker macht, alias das „Staatsgebiet“ wechselt. Wobei er oft genug (zu spät) erkennt, dass er vom Regen unter Umgehung der Traufe gleich in der Jauche landete.
Das spielt sehr elegant auf die Auswanderungsdiskussion an. Hast Du konkrete Beispiele, bei denen sich der Wechsel des Herrn als fatal herausstellte?
Beste Grüsse,
Holmes
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yatri
14.08.2006, 18:56
@ Holmes
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dann sag mal, wann es wo jemals besser war... (o.Text) |
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weissgarnix
14.08.2006, 19:07
@ Holmes
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Re: vom Regen in die Jauche - dottore |
-->Hi,
nach allem, was ich neuerdings über das HRRDN zu hören und zu lesen kriege, müßte das ja ein wahrer Fundus für solche Geschichten sein. Der Spiegel-Beitrag dazu von vor 2 Wochen war ziemlich aufschlußreich, kann ich nur empfehlen.
>Hi dottore!
>> Der Bürger mutiert so zum de facto rechtlosen Leibeigenen des HERRschaftssystems und unterscheidet sich nur noch in einem Punkt von Hörigen früherer Feudalismen: Er kann den HERRN wechseln, indem er sich vom Acker macht, alias das „Staatsgebiet“ wechselt. Wobei er oft genug (zu spät) erkennt, dass er vom Regen unter Umgehung der Traufe gleich in der Jauche landete.
>Das spielt sehr elegant auf die Auswanderungsdiskussion an. Hast Du konkrete Beispiele, bei denen sich der Wechsel des Herrn als fatal herausstellte?
>Beste Grüsse,
>Holmes
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prinz_eisenherz
14.08.2006, 20:56
@ Holmes
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Aus der Jauche in die Sickergrube? |
-->Hallo Holmes,
das Auswandern, das scheint ja im Augenblick groß in Mode zu sein.
Warum auch immer sich die Medien dieses Themas so unkritisch und regelmäßig annehmen lässt sich nur vermuten. Aber die Frage, wohin, zu welchen Bedingungen auswandern, die sollte sich jeder stellen, der allzu schnell mit dieser Parole bei der Hand ist.
Wenn man mal genauer hinschaut, dann ist es erschreckend zu welchen Erniedrigungen sich einige der Auswanderer herablassen, die Arbeitsbedingungen, die Arbeitsverträge, die Krankenversorgung und vieles andere mehr. Wenn sie so in Deutschland behandelt worden wären, von ihnen diese knallharten Arbeitsverträge verlangt worden wären, oh wie würden sie sich dann wegen der frühkapitalistischen Zustände aufregen. Und die anderen, die Akademiker, in welchem angelsächsischen Land wollen die denn praktizieren, ohne nicht ein ellenlanges Anpassungsstudium absolvieren zu müssen!?, um dann endlich ihre Zulassung zu erlangen, in welchem? Der deutsche Arzt in Australien, der kann dort so ohne weitere herumdoktern? Keinesfalls. Man sage mir ein Land im westlichen Kulturbereich, welches sich elementar von Deutschland zum Besseren hin unterscheidet? Bürokratie?Einwanderungsproblematik? Sozialabbau? Rentenkürzungen? Arbeitslose? Überall die gleichen Fragen.
Und ein letzte noch dazu:
## Das spielt sehr elegant auf die Auswanderungsdiskussion an. Hast Du konkrete Beispiele, bei denen sich der Wechsel des Herrn als fatal herausstellte?##
Die, die ihren Schritt schnell bereut haben, die Verlierer und die Kranken, die Schwachen und die Enttäuschten, die wieder zurückkommen, oder in der Fremde untergehen, von denen wirst du nicht viel hören, in den Medien so gut wie gar nicht. Es gibt nur wenige Leute in Berufe, die von heute auf morgen ihren Persilkarton zusammenpacken können, um in der Fremde leichter und erfolgreicher weitermachen zu können. Der Anlageberater, die Prostituierte, der Künstler und der Straßenräuber, die können das, aber die anderen?
bis denne
eisenherz
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Cujo
14.08.2006, 22:52
@ prinz_eisenherz
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Re: Aus der Jauche in die Sickergrube? |
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>Die, die ihren Schritt schnell bereut haben, die Verlierer und die Kranken, die Schwachen und die Enttäuschten, die wieder zurückkommen, oder in der Fremde untergehen, von denen wirst du nicht viel hören, in den Medien so gut wie gar nicht. Es gibt nur wenige Leute in Berufe, die von heute auf morgen ihren Persilkarton zusammenpacken können, um in der Fremde leichter und erfolgreicher weitermachen zu können. Der Anlageberater, die Prostituierte, der Künstler und der Straßenräuber, die können das, aber die anderen?
>bis denne
>eisenherz
Moin,
es sind meist Leute, die dem Treiben hier tatenlos zusehen und, statt das Gute zu verteidigen, was sie haben, die Flucht ins Pseudo-Wunderland antreten wollen, um wieder hier nach kurzer Zeit einzulaufen.
Ausland ist hauptsächlich für Leute interessant, die entweder so reich sind, dass sie nicht mehr Arbeiten müssen oder für wohlhabende Rentner. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel.
Tatsache ist, dass auch beispielsweise in südlichen Ländern Arbeitsplätze rar gesät sind und das Geld noch weniger an den Bäumen wächsta als in D.
Bis auf das sonnige (teilweise recht dürreartige *gg*) Wetter ist in diesen Ländern aber überhaupt nichts besser als in Deutschland. Angefangen mit der Infrastruktur über das Lohnniveau und die ärztliche Versorgung ist man in vielen Ländern als Arbeitnehmer klar im Nachteil. Vielleicht sind es gerade noch die nördlichen Länder Skandinaviens (wenn überhaupt), wo in dieser Hinsicht mehr geboten wird, als in Deutschland (?).
Die Nachfrage ins Ausland zu gehen wird auf Grund von sich verstärkender Armut rapide nachlassen. Der Mensch geht halt notgedrungen eher dorhin, wo er Lohn und Brot hat statt in der Sonne zu verhungern.
Es sind nicht nur Arbeitnehmer, sondern alle im Nachteil (im Vergleich zu Deutschland). Ich beziehe mich auf meßbare Kriterien, wie z.B. pro Kopf Einkommen, Ärztezahl pro 1.000 Einwohner, Ausbau des Straßennetzes, Qualität der sanitären Einrichtungen u.a.
Mercer Human Resource Consulting veröffentlicht jährlich eine Untersuchung zur Lebensqualität weltweit. Deutschland schneidet da wirklich gar nicht mal so schlecht ab. Allein unter den Top 20 befinden sich bereits fünf deutsche Städte.
Quelle: http://www.mercerhr.com/pressrelease/details.jhtml?idContent=1129860
Gruß
Cujo
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chiron
14.08.2006, 23:01
@ prinz_eisenherz
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Ganz so schlimm ist es wohl nicht |
-->Hallo Prinz
In der Schweiz befinden sich immer mehr Deutsche, ob Hotels, Restaurants, Banken, Gesundheitswesen, Handwerker - einfach die ganze Palette.
In den eher schlecht bezahlten Berufen verdrängen sie die Südeuropäer wegen den sprachlichen Vorteilen und in den gutbezahlten Berufen herrscht zur Zeit vielerorts Mangel. Die Deutschen sind zumindest bis jetzt sehr willkommen.
Ich kann mir kaum vorstellen, dass alle diesen Schritt bereuen. Die meisten werden zwar mehr arbeiten müssen, als dies in den gewerkschaftlich organisierten Berufen in Deutschland der Fall ist, aber Arbeit bleibt immerhin Arbeit.
Gruss chiron
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prinz_eisenherz
15.08.2006, 03:14
@ chiron
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Ganz so schlimm ist es wohl nicht. Zwei Meter hinter der Grenze nicht.:)) |
-->Hallo chiron,
## In der Schweiz befinden sich immer mehr Deutsche, ob Hotels, Restaurants, Banken, Gesundheitswesen, Handwerker - einfach die ganze Palette.##
Du weißt es genau, das der kleine Grenzverkehr zwischen Deutschland und seinen Nachbarn, mal hinüber, mal herüber nicht mit dem Auswandern gemeint ist. Oft die gleiche Sprache, ein halbes Wechseln, noch einen Fuß in Deutschland, im deutschen Gesundheits- und Sozialsystem, den anderen Fuß in der Schweiz, in Ã-sterreich, der Arbeitsplatz, der Wohnort, das ist kein Auswandern, ein alle Brücken hinter sich einzureißen.
Auswandern, das ist die im TV in letzter Zeit häufig angestachelte, dort gezeigte Sehnsucht, die Absicht der dort Vorgestellten und die Praxis, das es mindestens bis nach Australien sein muss, das Auswandern. Selbst im europäischen Raum, wenn alle Berufs- und Akademikerabschlüsse anerkannt werden, dann ist es aus meiner Sicht kein richtiges Auswandern. Ich kann mich noch gut an die vielen Menschen aus Italien und Spanien, in den 60zigern, hier in Deutschland erinnern. War das ein Auswandern von denen?
Eigentlich finde ich es prima, das es so etwas gibt, das Kennenlernen des Alltages in den angrenzenden Ländern von Deutschland durch Deutsche. Ich meine es kann nichts schaden dort mal die Vorteile, aber auch die kleinen und großen fragwürdigen Besonderheiten zu genießen. So ein Aufenthalt im Nachbarland, im Beruf, ist eben etwas ganz anderes, als dort seinen Urlaub zu verbringen. Einige werden dort bleiben, andere zurück kommen, aber alle stellen bald fest, das die zwischenmenschlichen Alltagsgeschichten dort im Ausland kaum anders sind als hier in Deutschland.
bis denne
eisenherz
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chiron
15.08.2006, 14:31
@ prinz_eisenherz
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Re: Ganz so schlimm ist es wohl nicht. Zwei Meter hinter der Grenze nicht.:)) |
-->Hallo Prinz Eisenerz
Alles klar so weit, nur erstaunlich ist die Entwicklung allemal. Es sind schliesslich nicht nur Grenzgänger, welche kommen, sondern Menschen aus allen Bundesländern. Diese Entwicklung in diesem Ausmass ist absolut neu und war bis vor kurzem unvorstellbar. Für Schweizer Unternehmer eine tolle Sache - brauchste ne Fachkraft, rufst du das Deutsche Arbeitsamt an, das Angebot ist da - paradiesische Zustände. Schweizer Jugendliche mit unterdurchschnittlicher Ausbildung bleiben dabei zunehmend auf der Strecke, aber was solls - Konkurrenz belebt das Geschäft.
Gruss chiron
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