harryinfo
24.11.2006, 12:10 |
Erster Beitrag: Hintergrundinformationen zu Politik und Wirtschaft Thread gesperrt |
-->Seit einiger Zeit lese ich regelmäßig hier mit und habe sehr viel Verständnis für den Unmut und die"Verachtung", die man der Politik entgegenbringt. Auch die Sorgen bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklungen sind durchaus gerechtfertigt und es nicht übertrieben, wenn man die Lage als ernst bezeichnet. Mit meinem ersten Beitrag in diesem Forum möchte ich einige Hintergrundinformationen liefern, die das Gesamtbild nicht nur um einige Facetten ergänzen, sondern auch die eine oder andere"Vermutung" bekräftigen.
1. Zum Thema"Staatsbankrott" bzw."Niedergang der Wirtschaft"
Es gibt unzählige Standpunkte, von denen aus man die wirtschaftlichen Entwicklungen betrachten kann. Einer davon ist das Grundlagenpapier der SPD-Kommission"Fortschritt 2000" aus dem Jahr 1997, das als Grundlage für den SPD-Wahlkampf und für das SPD-Regierungsprogramm entwickelt wurde. Interessant an diesem Papier ist die Tatsache, das darin bereits die Ursachen für den ökonomischen Niedergang unseres Landes im Detail präzise beschrieben wurden. Schon 1997 (!!) waren der SPD z.B. die Probleme der Globalisierung, wie Produktionsverlagerungen oder der Einfluss der Kapitalmärkte sehr wohl bekannt, Zitat:"Das gängige statistische Material belegt deutlich eine Deindustrialisierung der deutschen Wirtschaft". Unter anderem wurde darin auch festgestellt, Zitat:"Bisherige Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, wie Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Umschulungsmaßnahmen, Lohnkostenzuschüsse, aber auch Frühverrentung reichen längst nicht mehr, um die Beschäftigungsproblematik tiefgreifend zu korrigieren und belasten zusätzlich den staatlichen Finanzhaushalt. Die Internationalisierung der Kapitalmärkte hat die Steuerungsfähigkeit der Nationalstaaten nachhaltig gesenkt. Strategien keynesianischer Nachfragesteuerung werden in diesem Zusammenhang kaum Wirkung zeigen."
Erschreckend an diesem Papier ist, dass zwischen den Erkenntnissen und dem daraus resultierenden politischen Handeln eine brutale Differenz besteht. Anzumerken ist noch, dass die gesamte SPD-Führungsriege zu den Kommissionsmitgliedern gehörte. Getoppt wird diese Verantwortungslosigkeit nur noch dadurch, dass diese Erkenntnisse aus dem Jahr 1997 bis heute keinen Einfluss auf die Arbeit unserer Regierung haben. Kurz gesagt, unsere"Spezialdemokratischen Freunde" wussten bereits 1997 im Detail, was ökonomisch passieren wird, haben nichts dagegen unternommen und drangsalieren stattdessen lieber mit Hartz IV die Arbeitslosen wohlwissend, dass sie damit keinen Einfluss auf die Wirtschaftsentwicklungen nehmen.
2. Zum Thema"Entwicklung der Finanzmärkte - kommt der Crash oder nicht?"
Auch hier gibt es eine interessante Erkenntnis aus dem politischen Umfeld. Im Oktober 2005 erschien in der Hongkong Ausgabe der CHINA DAILY ein Artikel, in dem der Autor ausführlich beschrieb, dass uns die USA auf eine weltweite Rezession zusteuern. Dieser Artikel wird dadurch besonders aufgewertet, dass sich das Bundesfinanzministerium in einer internen Analyse mit den Argumentationen und Schlussfolgerungen des Autors befasste. Die Zusammenfassung der Analyse bringt die Bedeutung dieses Artikels auf den Punkt. Darin heißt es, Zitat: „Trotz populistischer Sprache und einem überzogenen Risikoszenario kommt der Artikel zu richtigen Schlussfolgerungen...“. Abgezeichnet und zur Kenntnis genommen von Bundesfinanzminister Hans Eichel und seinen Staatssekretären Anfang November 2005!
Liebe Forumteilnehmer, Sie sehen, Ihre Sorgen sind durchaus berechtigt, denn mit diesem Papier wurde die sich abzeichnende Rezession quasi"amtlich bestätigt".
Nach diesen Erkenntnissen stellt sich natürlich die Frage, warum die Politik nicht erkenntnisorientiert handelt. Eine Antwort darauf könnte das Ergebnis einer Studie zur politischen Kommunikation von Prof. Dr. Lothar Rolke, Fachhochschule Mainz, geben, die in einer Presseerklärung vom Juli 2006 veröffentlicht wurde. Unter anderem erklärt Rolke darin"das vorherrschende Selbstverständnis der Politiker in der Mediengesellschaft" wie folgt:"Aus der Perspektive der Politik sind öffentliche Problemstellungen vor allem Anlässe zur Selbstprofilierung und viel weniger Aufgaben, die gelöst werden müssen". Für diese Studie wurden 119 Bundestagsabgeordnete aller Parteien befragt.
Ich hoffe, mein erster Beitrag war interessant und nicht zu lang.
Gruß Harryinfo
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weissgarnix
24.11.2006, 13:07
@ harryinfo
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Re: Erster Beitrag: Hintergrundinformationen zu Politik und Wirtschaft |
-->ähm, tschuldigung... von welcher"weltwirtschaftlichen Rezession" ist denn hier die Rede? Vielleicht geht es da ja nur mir so, aber ich sehe keine. Ganz im Gegenteil, ich sehe eine Expansion der Weltwirtschaft, so stark wie selten zu vor...
>Seit einiger Zeit lese ich regelmäßig hier mit und habe sehr viel Verständnis für den Unmut und die"Verachtung", die man der Politik entgegenbringt. Auch die Sorgen bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklungen sind durchaus gerechtfertigt und es nicht übertrieben, wenn man die Lage als ernst bezeichnet. Mit meinem ersten Beitrag in diesem Forum möchte ich einige Hintergrundinformationen liefern, die das Gesamtbild nicht nur um einige Facetten ergänzen, sondern auch die eine oder andere"Vermutung" bekräftigen.
>1. Zum Thema"Staatsbankrott" bzw."Niedergang der Wirtschaft"
>Es gibt unzählige Standpunkte, von denen aus man die wirtschaftlichen Entwicklungen betrachten kann. Einer davon ist das Grundlagenpapier der SPD-Kommission"Fortschritt 2000" aus dem Jahr 1997, das als Grundlage für den SPD-Wahlkampf und für das SPD-Regierungsprogramm entwickelt wurde. Interessant an diesem Papier ist die Tatsache, das darin bereits die Ursachen für den ökonomischen Niedergang unseres Landes im Detail präzise beschrieben wurden. Schon 1997 (!!) waren der SPD z.B. die Probleme der Globalisierung, wie Produktionsverlagerungen oder der Einfluss der Kapitalmärkte sehr wohl bekannt, Zitat:"Das gängige statistische Material belegt deutlich eine Deindustrialisierung der deutschen Wirtschaft". Unter anderem wurde darin auch festgestellt, Zitat:"Bisherige Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, wie Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Umschulungsmaßnahmen, Lohnkostenzuschüsse, aber auch Frühverrentung reichen längst nicht mehr, um die Beschäftigungsproblematik tiefgreifend zu korrigieren und belasten zusätzlich den staatlichen Finanzhaushalt. Die Internationalisierung der Kapitalmärkte hat die Steuerungsfähigkeit der Nationalstaaten nachhaltig gesenkt. Strategien keynesianischer Nachfragesteuerung werden in diesem Zusammenhang kaum Wirkung zeigen."
>Erschreckend an diesem Papier ist, dass zwischen den Erkenntnissen und dem daraus resultierenden politischen Handeln eine brutale Differenz besteht. Anzumerken ist noch, dass die gesamte SPD-Führungsriege zu den Kommissionsmitgliedern gehörte. Getoppt wird diese Verantwortungslosigkeit nur noch dadurch, dass diese Erkenntnisse aus dem Jahr 1997 bis heute keinen Einfluss auf die Arbeit unserer Regierung haben. Kurz gesagt, unsere"Spezialdemokratischen Freunde" wussten bereits 1997 im Detail, was ökonomisch passieren wird, haben nichts dagegen unternommen und drangsalieren stattdessen lieber mit Hartz IV die Arbeitslosen wohlwissend, dass sie damit keinen Einfluss auf die Wirtschaftsentwicklungen nehmen.
>2. Zum Thema"Entwicklung der Finanzmärkte - kommt der Crash oder nicht?"
>Auch hier gibt es eine interessante Erkenntnis aus dem politischen Umfeld. Im Oktober 2005 erschien in der Hongkong Ausgabe der CHINA DAILY ein Artikel, in dem der Autor ausführlich beschrieb, dass uns die USA auf eine weltweite Rezession zusteuern. Dieser Artikel wird dadurch besonders aufgewertet, dass sich das Bundesfinanzministerium in einer internen Analyse mit den Argumentationen und Schlussfolgerungen des Autors befasste. Die Zusammenfassung der Analyse bringt die Bedeutung dieses Artikels auf den Punkt. Darin heißt es, Zitat: „Trotz populistischer Sprache und einem überzogenen Risikoszenario kommt der Artikel zu richtigen Schlussfolgerungen...“. Abgezeichnet und zur Kenntnis genommen von Bundesfinanzminister Hans Eichel und seinen Staatssekretären Anfang November 2005!
>Liebe Forumteilnehmer, Sie sehen, Ihre Sorgen sind durchaus berechtigt, denn mit diesem Papier wurde die sich abzeichnende Rezession quasi"amtlich bestätigt".
>Nach diesen Erkenntnissen stellt sich natürlich die Frage, warum die Politik nicht erkenntnisorientiert handelt. Eine Antwort darauf könnte das Ergebnis einer Studie zur politischen Kommunikation von Prof. Dr. Lothar Rolke, Fachhochschule Mainz, geben, die in einer Presseerklärung vom Juli 2006 veröffentlicht wurde. Unter anderem erklärt Rolke darin"das vorherrschende Selbstverständnis der Politiker in der Mediengesellschaft" wie folgt:"Aus der Perspektive der Politik sind öffentliche Problemstellungen vor allem Anlässe zur Selbstprofilierung und viel weniger Aufgaben, die gelöst werden müssen". Für diese Studie wurden 119 Bundestagsabgeordnete aller Parteien befragt.
>Ich hoffe, mein erster Beitrag war interessant und nicht zu lang.
>Gruß Harryinfo
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kosh
24.11.2006, 13:36
@ harryinfo
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Re: Erster Beitrag: Hintergrundinformationen zu Politik und Wirtschaft |
-->Grüezi
Hallo harryinfo
> Erschreckend an diesem Papier ist, dass zwischen den Erkenntnissen und dem daraus resultierenden politischen Handeln eine brutale Differenz besteht.
Diese Differenz entsteht dadurch, dass das Volk schlechte Nachrichten ungern hört und noch ungerner Boten wählt, welche sie überbringen. Wer also Politiker werden will, muss um erfolgreich zu sein, dem Volk gute Nachrichten anbieten, was wiederum besagte Differenz ausweitet. In die Diskrepanz hinein zwischen dem, was das Volk wirklich will (unrealistische Wünsche) und dem, was es braucht (abgeleitet aus realen Erkenntnissen), wird politisiert.
In jedem eingespielten System entwickelt sich schliesslich eine Eigendynamik. Politiker beginnen ohne Volksbefragung Mutmassungen über die angesprochene Diskrepanz anzustellen, wobei der typische Politiker weder weiss, was das Volk wirklich will (Volksferne), noch weiss er, was es wirklich braucht, um die Erkenntnisse umzumünzen (eine Art politische Unschärferelation). Praktisch sieht das etwa so aus: vorneherum Sonntagsreden schwingen und hintenherum Geheimdienste wüten lassen.
> Kurz gesagt, unsere"Spezialdemokratischen Freunde" wussten bereits 1997 im Detail, was ökonomisch passieren wird, haben nichts dagegen unternommen und drangsalieren stattdessen lieber mit Hartz IV die Arbeitslosen wohlwissend, dass sie damit keinen Einfluss auf die Wirtschaftsentwicklungen nehmen.
Haben die"Christdemokratischen Freunde" nicht davon gewusst? Die Grundprobleme werden nicht verheimlicht, alle haben Zugang zu diesen Daten, nicht nur Parteien, auch Du und ich, z.B. ->
http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detail.php/916564
http://www.brandeins.de/home/inhalt_detail.asp?id=1763&MenuID=8&MagID=65&sid=su622061141793115192
Egal was Du mit solchen Links anfängst, sie sind da und führen ein Mauerblümchendasein. Wenn Erkenntnisse allen zugänglich sind, warum interessiert sich der Wähler dann nicht dafür? Oder warum macht er sein Kreuzchen dennoch bei den Sonntagsrednern? Oder etwas plastischer formuliert, warum liest er lieber Bild?
> Nach diesen Erkenntnissen stellt sich natürlich die Frage, warum die Politik nicht erkenntnisorientiert handelt.
Tut sie doch! Die Politik hat sich an der Priorität-Eins-Erkenntnis orientiert, dass man, um Wähler zu gewinnen oder zu halten, eben nur dann erkenntnisorientiert handeln darf, wenn die Erkenntnisse guten Nachrichten entsprechen.
Grüsse
kosh
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harryinfo
24.11.2006, 14:09
@ weissgarnix
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Eine gute Frage:"Welche weltweite Rezession" |
-->Hallo weissgarnix,
die Frage ist berechtigt. Der zitirte Artikel aus der CHINA DIALY ist zwar schon ein Jahr alt, war aber in der Argumentation logisch und sachlich, weshalb das Finanzministerium ja überhaupt darauf reagiert hat. Die spannende Frage ist ja die: Die ersten Schwächen der amerikanischen Wirtschaft sind bereits deutlich zu sehen und spätestens im nächsten Frühjahr werden wir auch in Europa mit großer Wahrscheinlichkeit deutliche Bremsspuren in der Wirtschaftsentwicklung zu sehen bekommen. Spätestens dann wird sich zeigen, ob China, Indien oder auch Russland ihre eigenen Inlandsmärkte (Kaufkraft) schon so weit entwickelt haben, dass sie den Rückgang der Kaufkraft in den alten westlichen Industriestaaten kompensieren können. Geligt ihnen das nicht, wird der Autor des Aktikels recht behalten. Wir haben das zweifelhafte Vergnügen, life an dieser Veranstaltung teilzunehmen. Warten wir also ab.
Gruß Harryinfo
P.S. Ich rede hier von der realen Wirtschaft. Der Zirkus an den den globalen Finanzmärkten kann durchaus noch ungeahnte Höhen erreichen.
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harryinfo
24.11.2006, 14:24
@ kosh
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Re: Erster Beitrag: Hintergrundinformationen zu Politik und Wirtschaft |
-->Hallo Kosh,
Deine Argumentation ist vollkommen richtig. An dieser"SPD-Kiste" hat mich aber besonders gestört, dass man genau wusste, was ökonomisch passieren wird und auch vernünftige Konzepte für ein politisches Gegensteuern besaß. Zudem darf man nicht vergessen, dass sie durch die Wahl 1998 auch den Auftrag erhielten, das Land zu reformieren, denn sie waren angetreten mit dem Slogan"Innovation und Gerechtigkeit". Ich glaube, dass der Wähler weitaus intelligenter ist, als die Politiker vermuten, aber das konkrete politische Angebot ist einfach miserabel - und das gilt zurzeit leider für alle Parteien. Meine Intension mit dem Beitrag war die, einmal aufzuzeigen, wie genau die Politiker Bescheid wussten.
Gruß Harryinfo
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weissgarnix
24.11.2006, 14:34
@ harryinfo
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Re: Eine gute Frage:"Welche weltweite Rezession" |
-->- dass irgendwann mal die Kreditblase platzen wird... logisch! (warten manche Buchautoren allerdings seit 25 Jahren drauf)
- dass die Weltwirtschaft, einzelne Regionen oder gar nur Sektoren wieder mal Rezessionen erleben werden... na klar doch (das gehört in der Tat dazu)
- und dass an den Finanzmärkten demnächst wieder mal ein sattes Fiasko (ein"Acapulco High Dive" wie der legendäre Benjamin Graham zu sagen pflegte) angesagt sein, wird... aber selbstverständlich.
- aber welchen Sinn macht es, in einer Phase, wo die Weltwirtschaft mit an die 9% wächst (vgl. IMF) von"weltweiter Rezession" zu labern?
Antwort: gar keinen. Und ich rede audrücklich und nur von der Realwirtschaft.
Ich kann in den jüngsten IFO-Zahlen nichts schlechtes erkennen, im Gegenteil. Das sieht super aus. Man kann es leider nicht anders sagen. Ich überblicke von meiner Warte aus rund 20 Branchen in Maschinen- und Anlagenbau und kann nur sagen: da geht aktuell die Post ab. Vor allem im Bereich Energie- und Kraftwerksbau (der momentan Zuwachsraten verzeichnet wie weiland die new economy), aber auch diverse andere.
Von Rezession also aktuell keine Spur. Warum also nicht die paar Monate/Jahre einfach geniessen, in denen es zur Abwechslung mal nicht scheisse aussieht. Die Rezession können wir gerne sezieren, wenn sie wieder vor der Tür steht.
>Hallo weissgarnix,
>die Frage ist berechtigt. Der zitirte Artikel aus der CHINA DIALY ist zwar schon ein Jahr alt, war aber in der Argumentation logisch und sachlich, weshalb das Finanzministerium ja überhaupt darauf reagiert hat. Die spannende Frage ist ja die: Die ersten Schwächen der amerikanischen Wirtschaft sind bereits deutlich zu sehen und spätestens im nächsten Frühjahr werden wir auch in Europa mit großer Wahrscheinlichkeit deutliche Bremsspuren in der Wirtschaftsentwicklung zu sehen bekommen. Spätestens dann wird sich zeigen, ob China, Indien oder auch Russland ihre eigenen Inlandsmärkte (Kaufkraft) schon so weit entwickelt haben, dass sie den Rückgang der Kaufkraft in den alten westlichen Industriestaaten kompensieren können. Geligt ihnen das nicht, wird der Autor des Aktikels recht behalten. Wir haben das zweifelhafte Vergnügen, life an dieser Veranstaltung teilzunehmen. Warten wir also ab.
>Gruß Harryinfo
>P.S. Ich rede hier von der realen Wirtschaft. Der Zirkus an den den globalen Finanzmärkten kann durchaus noch ungeahnte Höhen erreichen.
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Shakur
24.11.2006, 14:44
@ harryinfo
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Re: Erster Beitrag: Hintergrundinformationen zu Politik und Wirtschaft |
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Klar, Du hast Recht, die (meisten) Politiker wußten, was los ist. Damals 1997 war Lafontaine SPD-Vorsitzender, was man denke ich auch an diesem SPD-Papier sehen kann, da es seine Handschrift trägt. Laffo war damals und früher schon den später von Münte als"Heuschrecken" benannten Marktteilnehmern negativ gegenüber eingestellt.
Als dann die SPD-geführte Regierung antrat, nahm es eine schröderorientierte neoliberale Richtung, was Laffo gar nicht schmeckte, aber da war es zu spät, wg. der Richtlinienkompetenz des Kanzlers.
Gruß
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harryinfo
24.11.2006, 15:57
@ weissgarnix
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Re: Stichworte IFO-Index und Maschinenbau |
-->Hallo weissgarnix,
ich möchte Dir nicht Deine gute Laune vermiesen, aber Deine Argumentation enthält genau die Stichworte, die bei mir das große Misstrauen erzeugen. Orientieren wir uns aber an den Fakten:
IFO-Index - Ich habe immer noch die Meldungen des IFO-Institutes aus dem Jahr 2000, mit denen sie seinerzeit die"stabile Wirtschaftslage" beschrieben und dadurch die Phantasien und die Gier an den Börsen mit hochgetrieben haben. Selbstverständlich sind wir hinterher alle schlauer, aber nebenbei bemerkt habe ich bereits Ende 1998 in einem Artikel im HANDELSBLATT vor den sich damals deutlich abzeichnenden Fehlentwicklungen gewarnt, die sich später dann mit dem Fiasko an den Börsen tatsächlich einstellten. Die Argumente, die mir damals entgegengebracht wurden, sind die gleichen wie heute. Im Zusammenhang mit dem IFO-Institut ist es interessant zu wissen, dass das Forschungsinstitut"Medientenor" sich berühmt, den IFO-Index schon vorher aufgrund von Presseauswertungen vorherzusagen. Das bedeutet also: Wenn die Presse die wirtschaftliche Entwicklung"positiv" aufbereitet, dann stimmt auch der IFO-Index (Stichwort: selbsterfüllende Prophezeihung).
Anlagen- und Maschinenbau - Nehmen wir als Beispiel die letzte Bilanzpressekonferenz der GEA AG: Auftragseingang 5% plus, also alles im grünen Bereich. Schaut man genauer hin, ergibt sich aber folgendes Bild: Das Plus im Auftragseingang kam aus Asien und Deutschland, in den USA war der Auftragseingang gleichbleibend und für Europa ergab sich ein minus von 3%. Die Auftragssteigerung in Deutschland wird auf das Auslaufen von steuerbegünstigten Abschreibungen zurückgeführt. Im laufenden Geschäft wies die Bilanz ein sattes Minus von 240 Millionen Euro aus. Demnach schreibt GEA tiefrote Zahlen. Richtig spannend wird die Geschichte, wenn GEA jetzt Anteile ihres Großanlagenbaus verkauft, denn dann wird man aus der Bilanz sehr große Beträge von Vorauszahlungen, die im Anlagenbau üblich sind, wieder herausnehmen müssen, was der Bilanz nochmals ein anderes Gesicht gibt. Den sogenannten"Boom" sollte man also sehr differenziert betrachten, denn vom Umsatz alleine kann keiner leben.
Die aktuelle Nachrichten- und Stimmungslage erinnert mich einfach in zuvielen Punkten an die Entwicklungen von 2000/2001: Oberflächlich schaut alles ganz toll aus, schaut man aber genauer hin, kommt die Ernüchterung. Aber das alles sollte einem die Stimmung gerade kurz vor dem Wochenende nicht vermiesen.
Gruß harryinfo
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weissgarnix
24.11.2006, 16:49
@ harryinfo
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Re: Stichworte IFO-Index und Maschinenbau |
-->Hi,
ich sagte nicht, dass ich aufgrund des IFO-Index happy bin, sondern dass sich der IFO-Index ausnahmsweise auch mal mit meiner persönlichen, positiven Einschätzung deckt. Und die ist hier und jetzt positiv, ich sage ja nicht, dass das in 6 Monaten noch genauso sein muß.
Und wie es der Zufall so will, kenne ich auch die Situation bei GEA aus dem ff... Du guckst bei der GEA auf die falschen Branchen, die Lurgis, Lentjes und Zimmers dieser Welt sind total uninteressant und je schneller sie die los werden, umso besser. Die GEA besitzt daneben mehrere kleinere Top-Companies, à la Tuchenhagen, Westfalia Separator oder den Bereich Dry Cooling. Diese Companies kennt nur fast niemand, aber es sind echte"hidden champions" mit führenden Positionen auf dem Weltmarkt.
Die Verluste, von denen du da bei GEA sprichst, kommen fast zur Gänze aus dem Bereich Großanlagenbau, deshalb gerade wollen sie den ja verkaufen (oder dichtmachen, aber weil das dort nette Menschen sind, sagen sie das nicht so drastisch).
Die GEA-Bilanz wird zudem nach einem Verkauf recht positiv aussehen, weil sie vermutlich negative net assets dieses Geschäftsbereichs entkonsolidieren können (das ist per se schon positiv, wenn auch rein technischer Natur) und vermutlich auch noch einen klitzekleinen Kaufpreis in Cash dafür erlösen können.
Was den operativen Cash Flow betrifft (und um nichts anderes geht es bei den von dir genannten Anzahlungen) kann ich dich beruhigen: auch die meisten anderen Businesses der GEA erhalten An- und Fortschrittszahlungen, das laufende Net Working Capital (ohne cash) ist bei denen mit ziemlicher Sicherheit nahe Null oder sogar darunter, d.h. deren Lieferanten finanzieren den Geschäfstbetrieb (ist in der Branche bei gutgemanagten Companies durchaus üblich).
Abgesehen davon, erinnert mich übrigens auch einiges an 2000: nämlich die Summen, die offensichtlich wieder für total beknackte IPOs bezahlt werden. Ich habe heute was gelesen von einer"MAX21 AG" und dachte ich sehe nicht richtig, und wenn demnächst der openBC an den Start geht, wird das für mich der ultimative Lackmustest.
gruß,
weissgarnix
>Hallo weissgarnix,
>ich möchte Dir nicht Deine gute Laune vermiesen, aber Deine Argumentation enthält genau die Stichworte, die bei mir das große Misstrauen erzeugen. Orientieren wir uns aber an den Fakten:
>IFO-Index - Ich habe immer noch die Meldungen des IFO-Institutes aus dem Jahr 2000, mit denen sie seinerzeit die"stabile Wirtschaftslage" beschrieben und dadurch die Phantasien und die Gier an den Börsen mit hochgetrieben haben. Selbstverständlich sind wir hinterher alle schlauer, aber nebenbei bemerkt habe ich bereits Ende 1998 in einem Artikel im HANDELSBLATT vor den sich damals deutlich abzeichnenden Fehlentwicklungen gewarnt, die sich später dann mit dem Fiasko an den Börsen tatsächlich einstellten. Die Argumente, die mir damals entgegengebracht wurden, sind die gleichen wie heute. Im Zusammenhang mit dem IFO-Institut ist es interessant zu wissen, dass das Forschungsinstitut"Medientenor" sich berühmt, den IFO-Index schon vorher aufgrund von Presseauswertungen vorherzusagen. Das bedeutet also: Wenn die Presse die wirtschaftliche Entwicklung"positiv" aufbereitet, dann stimmt auch der IFO-Index (Stichwort: selbsterfüllende Prophezeihung).
>Anlagen- und Maschinenbau - Nehmen wir als Beispiel die letzte Bilanzpressekonferenz der GEA AG: Auftragseingang 5% plus, also alles im grünen Bereich. Schaut man genauer hin, ergibt sich aber folgendes Bild: Das Plus im Auftragseingang kam aus Asien und Deutschland, in den USA war der Auftragseingang gleichbleibend und für Europa ergab sich ein minus von 3%. Die Auftragssteigerung in Deutschland wird auf das Auslaufen von steuerbegünstigten Abschreibungen zurückgeführt. Im laufenden Geschäft wies die Bilanz ein sattes Minus von 240 Millionen Euro aus. Demnach schreibt GEA tiefrote Zahlen. Richtig spannend wird die Geschichte, wenn GEA jetzt Anteile ihres Großanlagenbaus verkauft, denn dann wird man aus der Bilanz sehr große Beträge von Vorauszahlungen, die im Anlagenbau üblich sind, wieder herausnehmen müssen, was der Bilanz nochmals ein anderes Gesicht gibt. Den sogenannten"Boom" sollte man also sehr differenziert betrachten, denn vom Umsatz alleine kann keiner leben.
>Die aktuelle Nachrichten- und Stimmungslage erinnert mich einfach in zuvielen Punkten an die Entwicklungen von 2000/2001: Oberflächlich schaut alles ganz toll aus, schaut man aber genauer hin, kommt die Ernüchterung. Aber das alles sollte einem die Stimmung gerade kurz vor dem Wochenende nicht vermiesen.
>Gruß harryinfo
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