Zandow
27.08.2007, 14:12 |
@dottore: Fragen zu Cäsars"De bello gallico" Thread gesperrt |
-->Hi dottore,
in der heutigen"Die Welt" ist eine Rezension zur soeben erschienenen DVD-Fassung der TV-Serie"Rom" erschienen. Darin heißt es:
"Zenturio Lucius Vorenus und der Legionär Titus Pullo werden beide in Cäsars"De bello gallico" erwähnt, Millionen Latein-Schüler könnten die beiden trotzdem fiktiven Figuren und ihren mutmaßlichen Erfahrungshorizont also kennen."
Also daß Cäsar in seiner Schrift beschönigend und für ihn vorteilhaft schreibt, mag ja noch verständlich sein. Doch warum erfindet er Figuren?
Oder ist Cäsars Werk, ebenso wie Tacitus'"Germania", auch in die große Fälschungsaktion des späten Mittelalters zu setzen?
Wieviele Exemplare des"Bello" gibt es eigentlich und wo werden sie aufbewahrt?
Sind das Originale oder auch nur"Abschriften"?
Herzliche Grüße, <font color=#008000>Zandow</font>
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NaturalBornKieler
27.08.2007, 14:32
@ Zandow
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Re: @dottore: Fragen zu Cäsars"De bello gallico" |
-->Sorry wenn ich mich einmische...
>"Zenturio Lucius Vorenus und der Legionär Titus Pullo werden beide in Cäsars"De bello gallico" erwähnt, Millionen Latein-Schüler könnten die beiden trotzdem fiktiven Figuren und ihren mutmaßlichen Erfahrungshorizont also kennen."
>Also daß Cäsar in seiner Schrift beschönigend und für ihn vorteilhaft schreibt, mag ja noch verständlich sein. Doch warum erfindet er Figuren?
Deine Annahme dürfte so nicht stimmen. Cäsar hat diese Figuren sicher nicht erfunden, sondern reale Personen namentlich genannt. Die Serie"Rom" hat die beiden Namen aus dem"bello gallico" übernommen, aber die Charaktere sind trotzdem fiktiv, d. h. für die Serie"Rom" wurde ihnen ein Lebenshintergrund geschrieben, der nicht historisch ist.
So würde ich den Welt-Text lesen.
Ahoi
NBK
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Zandow
27.08.2007, 15:25
@ NaturalBornKieler
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Figur und Charakter |
-->Hallo NBK,
> Sorry wenn ich mich einmische...
Gerne.
> Deine Annahme dürfte so nicht stimmen. Cäsar hat diese Figuren sicher nicht > erfunden, sondern reale Personen namentlich genannt. Die Serie"Rom" hat die > beiden Namen aus dem"bello gallico" übernommen, aber die Charaktere sind > trotzdem fiktiv, d. h. für die Serie"Rom" wurde ihnen ein Lebenshintergrund > geschrieben, der nicht historisch ist. > So würde ich den Welt-Text lesen.
Ja, so hätte ich es eigentlich auch verstanden. Doch von einem Journalisten darf man doch erwarten, daß er 'Figur' und 'Charakter' auseinanderzuhalten vermag. Ich denke schon, daß hier wirklich 'Figur' (mit einem für einen Film natürlich fiktiven 'Charakter') gemeint ist.
Mir wär's wirklich sehr recht, wenn der"Bello" dort bleibt, wo er vermeintlich hergekommen ist: aus Cäsars Feder.
>Ahoi
>NBK
Glück auf, <font color=#008000>Zandow</font>
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dottore
27.08.2007, 17:51
@ Zandow
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Re: @dottore: Fragen zu Cäsars"De bello gallico" |
-->Hi Zandow,
>in der heutigen"Die Welt" ist eine Rezension zur soeben erschienenen DVD-Fassung der TV-Serie"Rom" erschienen. Darin heißt es:
>"Zenturio Lucius Vorenus und der Legionär Titus Pullo werden beide in Cäsars"De bello gallico" erwähnt, Millionen Latein-Schüler könnten die beiden trotzdem fiktiven Figuren und ihren mutmaßlichen Erfahrungshorizont also kennen."
Der Mann kennt seinen Text nicht (Buch V). Es handelt sich um zwei Centurionen (führten je ca. 80 Legionäre waren das Rückgrat jeder Legion) und nicht um einen Cenurio und einen Legionär. Die beiden waren ehrgeizig, vermutlich, weil sie Manipel-Führer werden wollten, ein Rang der dem besseren Centurio zufiel. Die Szene, die im Bellum beschrieben ist, wie der eine den anderen dann doch unterstützte und rettete.
>Also daß Cäsar in seiner Schrift beschönigend und für ihn vorteilhaft schreibt, mag ja noch verständlich sein. Doch warum erfindet er Figuren?
Im Bellum kommen Dutzende von Namen vor. Das hätte sich also in Rom leicht checken lassen.
>Oder ist Cäsars Werk, ebenso wie Tacitus'"Germania", auch in die große Fälschungsaktion des späten Mittelalters zu setzen?
Große Frage. Es kann gut ein Fabrikant des bekannten Poggio sein. Sein Ms. (nach Handschriftvergleich ziemlich sicher das der Einar-Hansen-Bibliothek) ist doch verdächtig.
>Wieviele Exemplare des"Bello" gibt es eigentlich und wo werden sie aufbewahrt?
Weiß ich nicht. Kann nur mit dem der BL dienen, das für die Visconti (Mailand, vermutlich Gian Galeazzo, gest. 1402, der die Bibliothek gründete) gefertigt wurde. Würde knapp zu Poggio passen (geb. 1380). Oder doch eher zu den nachfolgenden Visconti, die um 1450 ausstarben.
>Sind das Originale oder auch nur"Abschriften"?
Abschriften. Der alte Trick ("leider war das Ms. so schlecht erhalten, dass ich es gerade noch abschreiben konnte, danach zerfiel es zu Staub", usw.)
Herzliche Grüße zurück!
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Zandow
27.08.2007, 19:38
@ dottore
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Dank und kurze Bemerkung |
-->Hi dottore,
Dank für die Erläuterungen!
>> Oder ist Cäsars Werk, ebenso wie Tacitus'"Germania", auch in die große
>> Fälschungsaktion des späten Mittelalters zu setzen? > Große Frage. Es kann gut ein Fabrikant des bekannten Poggio sein. Sein Ms. > (nach Handschriftvergleich ziemlich sicher das der Einar-Hansen-Bibliothek) > ist doch verdächtig.
>> Wieviele Exemplare des"Bello" gibt es eigentlich und wo werden sie
>> aufbewahrt? > Weiß ich nicht. Kann nur mit dem der BL dienen, das für die Visconti > (Mailand, vermutlich Gian Galeazzo, gest. 1402, der die Bibliothek gründete) > gefertigt wurde. Würde knapp zu Poggio passen (geb. 1380). Oder doch eher zu > den nachfolgenden Visconti, die um 1450 ausstarben.
Also wenn dem so wäre (Fälschung um 1400), dann müßten die Fälscher die römischen Gegebenheiten noch aus eigener Anschauung gekannt haben. Hier würde auch gut reinpassen, daß die ersten Klöster, von denen ja viele von außen wie Festungen aussehen, von römischen Legionären gegründet wurden.
Damit aber rückte das Spätmittelalter an das Ende der römischen Antike heran.
Wundern tät's mich nich'.
Eine sonnige Woche wünschend, <font color=#008000>Zandow</font>
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bernor
27.08.2007, 22:30
@ Zandow
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Noch 'ne kurze Bemerkung |
-->Hi Zandow,
Also wenn dem so wäre (Fälschung um 1400), dann müßten die Fälscher die römischen Gegebenheiten noch aus eigener Anschauung gekannt haben. Hier würde auch gut reinpassen, daß die ersten Klöster, von denen ja viele von außen wie Festungen aussehen, von römischen Legionären gegründet wurden.
Damit aber rückte das Spätmittelalter an das Ende der römischen Antike heran.
Wundern tät's mich nich'.
Mich schon. Latein-Texte konnte man, sofern firm in Latein, sicher problemlos (er)fälschen - aber was ist mit den volkssprachlichen Überlieferungen (auf Althochdeutsch, Altenglisch, Altfranzösisch, Altkastilisch, Alt...), spätestens ab dem 12. Jh.?
Wären derartige Texte - schon im 14./15 Jh. nur noch schwer oder gar nicht mehr verständlich - die passende"Erbauungsliteratur" für das (zahlende) Publikum, die Adressaten der (tatsächlichen) Fälschungen gewesen?
Mich würde dann auch interessieren, welche Latein-Werke überhaupt noch"echt" waren - schließlich mußte man ja damals, als Fälscher, noch wissen, was (das nicht mehr gesprochene)"Latein" überhaupt war, oder?
Nichts gegen begründete Zeitverkürzungen (siehe Heinsohn /Illig) - aber Fomenko, Topper & Co. übertreiben's doch arg.
Wünsche Dir ebenfalls eine schöne Woche und Gruß
bernor
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BillyGoatGruff
27.08.2007, 22:43
@ Zandow
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Pariser Exemplar |
-->Hallo Zandow,
es wurde hier schon mal erwähnt, ich glaube von dottore, dass die vermutlich älteste Handschrift in Paris unter Verschluss gehalten wird und der Forschung deshalb nicht zur Verfügung steht.
Ob dieses ehemalige Prunkstück des Lateinunterrichtes an den Mittelschulen also 'echt' oder fiktiv ist, weiss man nicht sicher.
"Cäsar führte den gallischen Krieg, um seine Schulden zu bezahlen" (Gallettiana, Nr. 90, was als unfreiwilliger Humor des zertreuten Professors Johann Georg August Galletti vom Gothaer Gymnasium um 1800 kolportiert wird, ist vielleicht richtig und bitterer Ernst...)
Gruss,
BGG
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