dottore
21.02.2001, 10:24 |
Geld ohne Kredit? Eine akademische Lehrstunde? Bitte fortsetzen!Thread gesperrt |
In einem anderen Board lese ich - offenbar aus einer Quelle, die akademisch zu sein scheint - diese Passage:
"Geld ist nicht generell an die Existenz von Kredit gebunden. Die Verknüpfung
von Geld und Kredit ist nicht von Anfang an gegeben. Sie
ist zwar in fortgeschrittenen Gesellschaften zu beobachten, aber auch dort
nicht notwendig. Ich persönlich gehe davon aus, dass die
Existenz von Geld historisch dem Vorkommen von Kredit vorausgeht. Ob diese
Vermutung richtig ist oder nicht, hat keine Bedeutung
für die Frage der prinzipiell möglichen Unabhängigkeit des Geldes vom Kredit."
Dieser Passus steckt voller Schwammigkeiten: Was sind wohl"fortgeschrittene" Gesellschaften? Es gibt nur Stammes-, Feudal- und Privateigentümergesellschaften - außer jemand betreibt überhaupt Einzelhofwirtschaft.
Worin besteht also der"Fortschritt" konkret? Ist damit der Übergang zur Privateigentümergesellschaft gemeint, kann es keinen Zweifel darüber geben, dass mit Eigentum auch die Belastung des Eigentums und diese als Besicherung von Krediten beginnt.
Dies wurde durch die altbabylonische Tontafel (Ausstellungs-Nr. 2) unbezweifelbar bewiesen.
Nächster Punkt: Wie geht Geld dem Kredit voraus? Wie sieht das Geld aus? Und vor allem: wo können wir das"historisch" beobachten?
Bekanntlich sind die Münzen erst n a c h dem Kredit entstanden, man vgl. nur Solons"Seisachtheia", den großen Schuldenerlass, der Statt fand, bevor in Griechenland Münzen geprägt wurden (es sei denn Solon ist falsch datiert).
Oder wir haben Moses (und Hammurabi ähnlich) mit seinen Leih- und Schuldenerlöschungsvorschriften und mosaische Münzen gibt es auch nicht (oder Moses ist falsch datiert oder gar überhaupt fiktiv).
Wenn es stoffwertloses Geld gewesen sein soll (Tontafeln, Buchungen), halten sie immer einen Kredit fest, der erst nachdem er umlauffähig gemacht wurde (durch zusätzliche Besicherung ex Eigentum), zu Geld geworden ist (= etwas, das"gilt" - eben auch für andere).
Wozu soll Geld vor Kredit gedient haben? Zum"Tauschen"? Niemals! Denn:
Erstens sind Tauschkontrakte ebenfalls Verpflichtungen, die nur zeitgleich erfüllt werden (uno actu). Insofern ist die Idee des"Tauschens" mit Hilfe von"Geld" als"Tauschmittel" ein Denkfehler. Zweitens muss auch das"Tauschgeld" fabriziert sein, was Vorfinanzierungskosten und ergo Kredit- und Schuldverhältnisse in Form von Kontrakten voraussetzt. Und drittens sind die ältesten Münzen, wie oft genug beschrieben, siehe auch Ausstellung mit zahlreichen Belegstücken, schwere Großmünzen - und die haben alles möglich bewirkt, nur waren sie kein Mittel, um das Tauschen von einem Huhn in acht Eier usw. zu"erleichtern".
Und dann"prinzipiell" keine Bedeutung? Der Verf. glaubt wohl, es gäbe Geld"als solches" und dann kommen noch Kredite"dazu". Dieses ist hier noch und noch widerlegt worden: Es gibt keinen einzigen Geldschein, den derzeit eine NB ausgibt, der sich nicht auf einen Kreditakt zurückführen lässt. Die Aktivseiten der NBs sprechen dazu eine deutliche Sprache: Alles voller Kredittitel (von dem vor Jahren Mal gegen Gold bzw. als"Grundausstattung" nach der Währungsreform ausgegeben Banknoten sehen wir hier ab - das Problem verschiebt sich dann nur auf die vorangegangene Ebene: Wie kann Gold ohne Kontrakt- und Eigentumswirtschaft fabriziert werden und die"Grundausstattung" ist durch einen Ausgleichsposten des Staates aufgehoben. Außerdem spielen diese Posten summenmäßig keinerlei Rolle mehr, vgl. Buba-Bilanz).
Und Geld"unabhängig" vom Kredit, wo Geld selbst aus Kreditakten stammt - was will uns diese Behauptung sagen?
Vielleicht schaut der Verf. Mal hier vorbei und klärt uns über seine"Geldtheorie" auf.
Vor allem wäre es interessant zu erfahren, w o es denn dieses Geld-vor-Kredit gegeben hat. Möglicherweise haben wir auch etwas übersehen - wer weiß?
Gruß
d.
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BF
21.02.2001, 11:50
@ dottore
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So allmählich beginne auch ich mich für dieses Thema zu interessieren. |
Wo finde ich den von Ihnen erwähnten Beitrag? Hier vielleicht?
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dottore
21.02.2001, 12:36
@ BF
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Re: So allmählich beginne auch ich mich für dieses Thema zu interessieren. |
>Wo finde ich den von Ihnen erwähnten Beitrag? Hier vielleicht?
Wurde mir als Exzerpt gemailt und der Mailer (Dankeschön!) bat mich darum Stellung zu nehmen und vermutet eine Person der aktuellen mainstream-Ã-konomie dahinter, die ja genau das wiedergibt: Trennung von Geld (das es immer"als solches" gibt und natürlich auch geben muss, um als"Schmiermittel" für die Wirtschaft zu funktionieren, wie es A.C. Pigou ein Mal ausgedrückt hat) und Kredit (den es geben kann oder nicht).
Und just dieser Meinung bin ich nicht und darüber wurde bereits lang und breit diskutiert, aber jeder neue Ansatz ist hoch willkommen.
Gruß
d.
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R.Deutsch
21.02.2001, 14:44
@ dottore
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Re: Geld ohne Kredit? Eine akademische Lehrstunde? Bitte fortsetzen! |
Lieber dottore,
Du musst ja richtig gelitten haben bei meinem Vortrag, in dem ich ja die Meinung vertrete, dass es sehr wohl Geld ohne Kredit gibt und auch Tausch. (meine Kritik an H&S hatte ich Dir ja erspart, aber im Text steht sie)
Du schreibst:
Wie geht Geld dem Kredit voraus? Wie sieht das Geld aus? Wozu soll Geld vor Kredit gedient haben? Zum"Tauschen"? Niemals! Denn:
Erstens sind Tauschkontrakte ebenfalls Verpflichtungen, die nur zeitgleich erfüllt werden (uno actu). Insofern ist die
Idee des"Tauschens" mit Hilfe von"Geld" als"Tauschmittel" ein Denkfehler. Zweitens muss auch das"Tauschgeld"
fabriziert sein, was Vorfinanzierungskosten und ergo Kredit- und Schuldverhältnisse in Form von Kontrakten
voraussetzt. Und drittens sind die ältesten Münzen, wie oft genug beschrieben, siehe auch Ausstellung mit zahlreichen
Belegstücken, schwere Großmünzen - und die haben alles möglich bewirkt, nur waren sie kein Mittel, um das Tauschen
von einem Huhn in acht Eier usw. zu"erleichtern".
Ich habe das nie verstanden. Nach meiner Auffassung gab und gibt es immer beides zugleich und nebeneinander - Warengeld und Kreditgeld - Tausch und Schuldbeziehung. - so wie der Mensch immer Geist und Körper zugleich ist. Warum muss man denn das Eine ausschließen und sagen der Mensch ist nur Körper oder nur Geist, oder erst Körper und dann Geist?? Beim Licht akzeptieren wir ja auch mittlerweile, dass es sowohl Teilchen als auch Welle sein kann.
Warum ist es denn so wichtig, zu beweisen dass es ausschließlich nur Kreditgeld gibt, oder dass der Kredit allem vorausgeht, außer zur Begründung des Debitismus?
Natürlich kann ich ein Tauschmittel produzieren, ohne mich vorher zu verschulden - der einsame Digger macht so etwas z.B. Im Übrigen kann man Dein Argument ja auch umdrehen: Du sagst, erst durch Verschuldung, durch Beleihung von Eigentum kann Geld entstehen. Wie aber ist das Eigentum entstanden - durch Beleihung von Eigentum?
Ich finde die Vorstellung nicht schwer, dass Menschen Eigentum tauschen (Tauschbeziehungen Hühner gegen Eier bestehen) und gleichzeitig und parallel dazu auch Eigentum verpfändet wird (Schuldbeziehungen eingegangen werden, indem ich Hühner verpfände).
Warum können wir uns nicht darauf einigen, dass es beides gibt und der Debitismus nur einen Teil erklärt?
Gruß
R.
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SchlauFuchs
21.02.2001, 17:02
@ R.Deutsch
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Re: Geld ohne Kredit? Eine akademische Lehrstunde? Bitte fortsetzen! |
>Natürlich kann ich ein Tauschmittel produzieren, ohne mich vorher zu verschulden - der einsame Digger macht so etwas z.B. Im Übrigen kann man Dein Argument ja auch umdrehen: Du sagst, erst durch Verschuldung, durch Beleihung von Eigentum kann Geld entstehen. Wie aber ist das Eigentum entstanden - durch Beleihung von Eigentum?
Hallo, R.,
Was ist dringend notwendig, damit das Tauschmittel akzeptiert wird? Es braucht Wert dahinter. Entweder eine Schuld (dottores Kreditgeld) oder einen Nutzwert (konsumierbar z.B.) Wieso wird Gold als Geld akzeptiert? (Welche Schuld steht hinter einer Goldmünze, neben den Erzeugungskosten? Was ist mit einer Goldmünze, die ich auf der Straße finde?). Ich glaube, da ist es der Seltenheitswert. Jedenfalls ist es was wert. Was ist mit Muschelgeld in der Karibik? Naja, da bin ich mir auch nicht so ganz sicher.
ciao!
SchlauFuchs
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