HAMBURG (dpa-AFX) - In Zeiten von starken Kurseinbrüchen an den Börsen werden Aktienwerte hauptsächlich von psychologischen Faktoren beeinflusst."In einer außergewöhnlichen Situation wie jetzt, wo die Börsen auf Talfahrt sind, spielen ökonomische Daten zwischenzeitlich kaum noch eine Rolle", sagte Jürgen Weibler, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Fernuniversität Hagen, am Donnerstag in einem dpa-Gespräch."Wenn Pessimismus dominiert, ist der Moment der Trägheit besonders hoch. Es sind dann mehr Informationen als in einer guten Ausgangslage erforderlich, um einen Umschwung zu erreichen."
Nach Ansicht Weiblers wird der Zusammenhang zwischen Psychologie und Börse in der Forschung bislang nur am Rande untersucht. Typisch sei es, eine Tendenz zu verstärken und sich kollektiv zu verhalten."Gerade wenn man mit seiner Aktie unerwarteterweise Verlust macht, sucht man Orientierungspunkte. Man schließt sich anderen Anlegern an", sagte der Volkswirt und Psychologe."Dabei ist das Verhalten von Experten und Laien an der Börse sehr ähnlich. Man kann nicht sagen, da ist der aufgeregte Kleinanleger und hier der coole Profi." NEUIGKEITEN UND DATEN FÜHREN NICHT ZWANGSLÄUFIG ZU OBJEKTIVERER ENTSCHEIDUNG
Ein weiteres Phänomen sei die selektive Wahrnehmung. Sie bestehe einerseits darin, der eigenen Überzeugung und Stimmung entsprechenden Informationen zu suchen sowie die aktuelle Information über Gebühr zu bewerten."Andrerseits ist erwiesen, dass eine Flut von Neuigkeiten und Daten nicht zwangsläufig zu einer objektiveren Entscheidung führt", sagte der Wirtschaftsprofessor."Wir können nur eine bestimmte Anzahl von Informationen verarbeiten. Wird diese überschritten, treffen wir eine einseitige oder gar zufällige Auswahl."
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Studien hätten außerdem bewiesen, dass Verluste anders wahrgenommen werden als Gewinne. Weibler:"Anleger bewerten Verluste stärker. Aktien, die Minus machen, werden länger gehalten und die Verluste später realisiert als dies bei Gewinnen der Fall ist. Da die Mehrheit so agiert, wird eine bestehende Abwärtsbewegung so immer weiter angekurbelt."
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Dies zeige auch klar, dass es den so genannten Homo Oeconomicus nicht gibt."Das ist nur ein Modell für die Wissenschaft. Der Mensch handelt nicht nur auf einer Kosten-Nutzen-Basis, sehr wichtige Faktoren sind Wünsche, Hoffnungen, Neid und Missgunst." Um die eigene Psychologie zu überlisten, sollten Anleger Grenzen sowohl bei Verlusten und Gewinnen festlegen und bei deren Erreichen aussteigen.
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