>Wie üblich"attrakive Kaufgelegenheiten".
>Kann ihn jemand scannen oder"OCR-en"?
FAZ-Artikel (Internetfassung =?= Zeitungsfassung)
Schlechte Stimmung an den Börsen eröffnet attraktive Kaufgelegenheiten
Mit Zyklikern können Anleger von der Erholung profitieren / Von Gerhard
Richter, Generalbevollmächtigter des Geschäftsbereichs Privatkunden der Dresdner
Bank AG, Frankfurt
FRANKFURT, 8. April. Seit Monaten dominiert die Baisse der Wachstumswerte
die weltweite Börsentendenz. In den letzten Wochen hat die Abwärtsbewegung der
Aktienkurse nunmehr jedoch auch die Breite des Marktes erfaßt. Angesichts
aufflammender Konjunkturunsicherheiten gerieten dabei auch die vorher relativ
stabilen zyklischen Branchen unter Abgabedruck. Was waren die Auslöser für die
sich verschärfende Talfahrt der Aktienkurse?
Aktienkurse liegen fast immer im Spannungsfeld zwischen der Entwicklung der
Unternehmensgewinne und dem Zinstrend. Hinsichtlich der Unternehmensgewinne
überwogen zuletzt die negativen Nachrichten. Eine wahre Flut von Gewinnwarnungen
ergoß sich über die ohnehin gestreßten Anleger. Unbestritten ist, daß sich die
Weltkonjunktur spürbar abkühlt.
In Amerika stagniert die Wirtschaft. Der dortige Industriesektor befindet sich
aufgrund rückläufiger Nachfrage und hoher Lagerbestände in einer ausgeprägten
Rezession. Der Abbau der Lager ist zwar im Gange, wird aber möglicherweise noch
eine Zeitlang anhalten.
Die Kapazitätsauslastung ist auf den tiefsten Stand seit der Rezession 1991/92
gefallen. Vorhandene Überkapazitäten müssen abgebaut werden und dämpfen somit
die Investitionstätigkeit der Unternehmen. Erfreulich ist dagegen, daß der
wichtige private Verbrauch robust bleibt. Zwar ist auch beim Konsum von hohem
Niveau aus eine merkliche Abschwächung zu beobachten. Die Schwäche der
Aktienkurse hat die Konsumlaune bislang aber nur wenig berührt.
Positiv ist auch die steigende Zahl der neu begonnenen Hausbauten, die seit
einem halben Jahr aufgrund der gesunkenen Hypothekenzinsen wieder nach oben
zeigt. Insgesamt hat sich die Konjunktur in Amerika zwar deutlich abgekühlt,
aber die Chancen stehen gut, daß die amerikanische Wirtschaft nicht in eine
Rezession abgleiten wird.
In der Eurozone hatte sich die Wirtschaft bisher noch auf hohem Niveau gehalten.
Die zuversichtliche Haltung der Unternehmer wurde von EZB-Präsident Duisenberg
erst kürzlich noch betont. In letzter Zeit mehren sich aber auch in unseren
Breiten die Abkühlungssignale. Die Stimmungsindikatoren wie der
Ifo-Geschäftsklimaindex, der Geschäftsklimaindex des französischen
Statistikinstituts Insee oder auch die Einkaufsmanagerindizes zeigen ein trübes
Bild. Der Ifo-Index fiel beispielsweise im Februar von 97,5 auf 94,9 Punkte, den
niedrigsten Stand seit Mitte 1999. Offensichtlich blicken die Unternehmen
skeptischer in die Zukunft. Inzwischen mehren sich Stimmen, die eine Revision
der Wachstumsprognosen nach unten fordern. Auch EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing
betont die Wachstumsrisiken. Die rückläufigen Aktienkurse spiegeln diese hohe
konjunkturelle Unsicherheit wider.
Aber sieht es wirklich so schlimm aus? Angesichts der weltweiten
Konjunkturabkühlung haben nahezu alle wichtigen Notenbanken bereits reagiert und
die Leitzinsen gesenkt. Die amerikanische Notenbank hat im laufenden Jahr
bereits dreimal an der Zinsschraube gedreht und die Fed Funds Rate um insgesamt
150 Basispunkte zurückgenommen.
Die japanische Notenbank hat ihre Geldpolitik überraschend auf eine
Geldmengensteuerung umgestellt und damit einen weiter reichenden Schritt
unternommen, als nur zu der Nullzinspolitik zurückzukehren. Sie will die
Geldmenge so lange ausweiten, bis die Deflationstendenzen überwunden sind. In
Europa haben die Notenbanken in Großbritannien, Dänemark und der Schweiz
ebenfalls reagiert und die Zinsen gesenkt.
Einzig die EZB wehrt sich gegen eine Zinssenkung. Aber auch von dort gab es
zuletzt Signale, die auf einen ersten Zinsschritt noch im April hinweisen. Damit
wäre dann der weltweite Beginn des Zinssenkungszyklus komplettiert.
Die Erfahrungen der Vergangenheit belegen, daß sich die Zinssenkungen der
Notenbanken mit einer zeitlichen Verzögerung von sechs bis zwölf Monaten auf die
Wirtschaft niederschlagen. Im zweiten Halbjahr sollte daher die Konjunktur in
Amerika durch den monetären Impuls wieder an Fahrt gewinnen. Das Wachstum in
Euroland dürfte auch so nur wenig unter der Drei-Prozent-Schwelle liegen: eine
gute Ausgangsbasis für eine kräftige Erholung an den Aktienmärkten.
Auch wenn die Kapitalmärkte kurzfristig noch durch die Unsicherheit über die
weitere globale Konjunktur belastet werden könnten, hat sich somit das
fundamentale Umfeld doch etwas aufgehellt. Es wäre nicht ungewöhnlich, wenn die
amerikanischen Verbraucher auch diesmal wieder gesunkene Zinsen alsbald in
höhere Konsumausgaben ummünzten. Bei den neu begonnenen Hausbauten wirken sich
die niedrigen Zinsen bereits aus. In der Vergangenheit haben die Zinssenkungen
der amerikanischen Notenbank jedenfalls immer die gewünschte Wirkung gezeigt.
Nicht die Länge oder Tiefe des konjunkturellen Abschwungs war jeweils für die
weitere Börsenentwicklung entscheidend, sondern vielmehr die Politik der
Notenbank. In der Vergangenheit hat es nach nur zwei Zinssenkungen in Folge in
den jeweils darauffolgenden zwölf Monaten nur ein einziges Mal eine negative
Performance am amerikanischen Aktienmarkt gegeben. Das war im Jahr 1930, zu
Beginn der großen Depression.
Mit der Wiederholung einer solchen Megakrise (dramatisch schrumpfendes BIP,
gepaart mit starker Deflation) ist nicht zu rechnen. Die Weltwirtschaft befindet
sich heute in einer ganz anderen Situation. Die Erfahrungen der Notenbanken und
der Politik sprechen gegen eine Wiederholung dieser Katastrophe. In allen
anderen Fällen war die Performance des Gesamtmarktes hingegen erfreulich. Seit
1921 stieg beispielsweise der Dow Jones im Jahr nach einer zweiten Zinssenkung
um durchschnittlich 26,3 Prozent. Seit 1945 waren es immerhin noch 22,4 Prozent.
Die Zinsseite liefert also bereits Unterstützung. Wenn in den nächsten Wochen
und Monaten auch noch bessere Konjunkturmeldungen die Runde machen, sollten
davon die Gewinnerwartungen zyklischer Unternehmen als erste profitieren. Der
Zeitpunkt, zu dem sich die Stimmung wieder zum Positiven wandelt, ist allerdings
nicht genau vorhersagbar. Bereits jetzt gilt es, sich zu positionieren, da die
Börse mit ihrem feinen Gespür für neue Entwicklungen dies häufig bereits
vorwegnimmt. Die Märkte diskutieren heute ein weit schlechteres
Konjunkturszenario als von uns unterstellt. Daher dürfte bereits sehr viel von
dieser Dürreperiode in den derzeitgen Aktienkursen eingepreist sein.
Die Aktienmärkte sind darüber hinaus erheblich überverkauft. Dies läßt zumindest
eine kräftige technische Gegenreaktion erwarten. Durch die monetäre
Schützenhilfe der Notenbanken und einen konjunkturellen Silberstreif im weiteren
Jahresverlauf könnte aus dieser Gegenreaktion gar noch mehr werden.
In diesem Szenario zeigen die zyklischen Aktien gegenwärtig ein sehr
interessantes Chance-Risiko-Verhältnis. Nach der Korrektur sind viele Titel
ausgesprochen günstig bewertet, was bei einem konjunkturellen Stimmungswechsel
zu deutlichen Kursaufschlägen führen sollte.
Was heißt das konkret für ein Portfolio? Der exakte Tiefstand der Kurse läßt
sich nicht prognostizieren. Angesichts der aktuell attraktiven Bewertungen ist
allerdings der Aus- beziehungsweise Aufbau von Aktienpositionen zu empfehlen.
Anleger mit mittlerer Risikoneigung sollten einen etwa sechzigprozentigen
Aktienanteil in Erwägung ziehen. Das A und O für den langfristigen Anlageerfolg
ist dabei eine ausgewogene Struktur des Portfolios. Sicherlich sollten auch die
derzeit verschmähten Branchen der New Economy in einem Depot vertreten sein.
Kurzfristig überwiegen hier aber noch die Risiken.
Auf kurze Sicht optimistischer sind wir für die zyklischen Sektoren. Interessant
erscheint hier insbesondere der Rohstoffsektor. Dieser ist in hohem Maße von der
Entwicklung der Weltkonjunktur abhängig. In der Vergangenheit konnten
Rohstoffwerte bereits frühzeitig von sich abzeichnenden Konjunkturerholungen
profitieren.
Dabei sind die besonderen Angebots- und Nachfragekonstellationen an den
Rohstoffmärkten näher zu analysieren. Die Energiekrise im Westen der Vereinigten
Staaten hat im letzten Jahr zu deutlichen Einschränkungen der Kapazitäten bei
Metallen geführt. So sind die Notierungen der konjunkturell sensitiven
Buntmetalle im Zuge der wirtschaftlichen Abschwächung keineswegs kräftig
gefallen. Der sonst in dieser Phase des Zyklus übliche kräftige Lageraufbau hat
nur sehr begrenzt stattgefunden. Dies gilt insbesondere für den Aluminiummarkt,
wo wir sogar mit Preissteigerungen im laufenden Jahr rechnen.
Andere zyklische Bereiche wie zum Beispiel die Baustoffhersteller haben die
Hausse der letzten Jahre nicht mitgemacht. Diese Aktien sind vielfach sehr
niedrig bewertet bei gleichzeitig recht gut abgesicherter Ertragsbasis. Dies
gilt zwar nicht, wenn die Baukonjunktur nur durch die deutsche Brille betrachtet
wird. Doch ist gerade in den Vereinigten Staaten die nach wie vor starke
Bautätigkeit eine der Stützen der Konjunktur und Hoffnungszeichen für eine
neuerliche Belebung.
Ein Wort macht derzeit die Runde zur Beschreibung der unerquicklichen
Marktsituation: Die Märkte befinden sich in einer Kapitulationsphase. Die
einschlägigen Indizes zeigen eine klare Abwärtstendenz. Jeder Erholungsversuch
wurde bislang im Keim erstickt. Es braucht wirklich Mut, sich in diesen Tagen
konstruktiv mit den Chancen der Aktienmärkte zu befassen.
Kurzfristig bestehen sicherlich noch ernstzunehmende Restrisiken. Für einen
nachhaltigen Trendwechsel ist es daher wohl noch zu früh. Auf Sicht von sechs
bis zwölf Monaten überwiegen jedoch nach unserer Einschätzung klar die Chancen.
Zinssenkungsphasen der Notenbanken folgten in der Vergangenheit fast immer
deutlich spürbare Erholungen der Aktienkurse.
Die Liquiditätsausstattung institutioneller Anleger ist sehr hoch und wartet nur
auf das Startsignal zum Rückfluß an die Aktienmärkte. Der Startschuß könnte von
wieder besseren Konjunkturnachrichten und Unternehmensmeldungen kommen. Vor
allem zyklische Titel sollten als erste von den besseren Ertragsaussichten
profitieren.
Noch in diesem Jahr werden wir mit Wehmut an die attraktiven Einstiegskurse der
ersten Monate 2001 zurückdenken. Die alte Börsenregel gilt nämlich sicherlich
auch dieses Mal: Aufwärtstrends werden in der Angst geboren und sterben in der
Euphorie.
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