dottore
14.04.2001, 17:49 |
Staatsbankrott und Hyperinflation, bitte schön (next): Thread gesperrt |
Nachdem wir uns immer noch an dem schönen Chart von vorhin weiden, wie sich in Frankreich geradezu ansatzlos
die Guthaben verflüchtigt hatten, wollen wir uns jetzt den Trigger (Auslöser) des Desasters anschauen.
Es war die Staatsverschuldung und sonst nix:
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Sofort fällt auf, dass es die allererste Position, nämlich die"Interets de la dette publique" in Höhe von 207
Millionen Livres war, die den gesamten Staatshaushalt im Umfang von 610 Mio. L. ins Wanken gebracht hatte.
Dieses ist den aktuellen Situationen in großen Industrienationen nicht unähnlich, wir kennen das Finanzgejammere aus
D - und über Japan müssen wir uns nicht lange unterhalten.
<font color="FF0000">So, Herrschaften, jetzt haben wir also alle Ingredienzien für das auf uns Zukommende beisammen. Und ich
wünsche ein dreifach donnerndes good luck für den weiteren Verlauf.</font>
Die obige Darstellung aus:
Jacques Necker, De l'administration des Finances de la France, 1784.
Die schöne Kurve mit dem Verschwindibus der"private long term indebtedness in Paris 1660 - 1870", alias der
gleich hohen Guthaben, aus:
Philipp T. Hoffmann, Gilles Postel-Vinay, Jean-Laurant Rosenthal, Information and Economic History: How the
Credit Market in Old Regime Paris Forces us to Rethink the Transition to Capitalism, in: The American Historical
Review, 104, 1 (Februar 1999), 69 - 94.
<font color="FF0000">Es kann ja gern alles Mögliche in Sachen"Krisenansage" an diesem Forum ausgesetzt werden, aber die
Vermutung, dass wir in der Wirtschaftsgeschichte nicht bestens zu Hause sind, ist wohl kaum zu halten.</font>
Gruß
d.
Und noch ein Nachsatz in Sachen"Optimismus". Wie die erste Kurve gezeigt hat, ging es ja nach der
Komplett-Ausbuchung der Schulden/Guthaben wieder wundervoll aufwärts und 1860 war alles wieder so schön wie
75 Jahre vorher.
Nur zwischendurch war's etwas ekelhaft. Und"dazwischen durch" müssen wir halt erst noch. Wann auch immer es
los geht.
Damals war's plötzlich.
Und die Herren der japanischen Notenbank tragen ihre Hosen inzwischen schon
deutlich tiefer...
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Aldibroker
14.04.2001, 18:40
@ dottore
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Re: Staatsbankrott und Hyperinflation, bitte schön (next): |
Dottore, ist Deine These, daß sich in Frankreich die Guthaben nur wegen der Staatsverschuldung verflüchtigt haben sehr wissenschaftlich zu verstehen oder läßt sie Raum für weitere Ursache/Wirkungsgedanken? Ist König Ludwig XVI nicht eine Verschwendungsausnahme? Vielleicht sogar das langjährige Paradebeispiel? Müssen wir uns heute u.a. nicht folgende Fragen dazu stellen:
Kann ein solcher Verschwendungskönig historisches Beispiel für alle Volkswirtschaftlichen Verläufe in Japan, USA, Deutschland, Europa... sein? Gibt es nur Parallelen oder auch Abweichungen in der Ausgangslage? In welchen Volkswirtschaften ist das Verhältnis 207:610 Mio Livres, also 1:3 schon heute erreicht? Wie hoch war der Staatsanteil 1788? Wie ist er in modernen Industriegesellschaften heute? Wie war die Vermögenssumme/Verteilung damals und heute? War der Besitz und das Vermögen, das Guthaben nicht weitgehend auf die Königsfamilie und nahe Kreise beschränkt? Hat Jacques Necker nicht selbst an diesem Desaster mitgearbeitet, indem er 1777 und später in die Dienste des Verschwendungskünstlers Ludwig XVI trat, um an der Spitze der Finanzverwaltung falsche Berichte über die Lage abgab. Ist sein Werk damit frei von Selbstbeweihräucherung und falscher Dramaturgie? Gibt die Wirtschaft heute aus dieser Wirtschaftsgeschichte nicht bestenfalls ein erstes Indiz, aber noch nicht den definitiven Beweis, das immer alles nur so kommen kann? Gibt die Wirtschaftsgeschichte nicht auch noch breiter an Erfahrungen und möglichen Ableitungen? Was hat die Finanzierung der Kriege und Schlösser gekostet? Können wir heute nicht wenigstens ansatzweise bessere staatliche Ausgabenstrukturen erkennen? Ist der gesamte Staatshaushalt der USA, der Japaner, Europäer... verschwendet? Haben wir keinen Grund zum Optimismus mehr?
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Baldur der Ketzer
14.04.2001, 21:20
@ Aldibroker
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Re: Aldi, stell mal keine Fragen, sondern versuche mal selber Antworten.... |
>Kann ein solcher Verschwendungskönig historisches Beispiel für alle Volkswirtschaftlichen Verläufe in Japan, USA, Deutschland, Europa... sein? Gibt es nur Parallelen oder auch Abweichungen in der Ausgangslage? In welchen Volkswirtschaften ist das Verhältnis 207:610 Mio Livres, also 1:3 schon heute erreicht? Wie hoch war der Staatsanteil 1788? Wie ist er in modernen Industriegesellschaften heute? Wie war die Vermögenssumme/Verteilung damals und heute? War der Besitz und das Vermögen, das Guthaben nicht weitgehend auf die Königsfamilie und nahe Kreise beschränkt? Hat Jacques Necker nicht selbst an diesem Desaster mitgearbeitet, indem er 1777 und später in die Dienste des Verschwendungskünstlers Ludwig XVI trat, um an der Spitze der Finanzverwaltung falsche Berichte über die Lage abgab. Ist sein Werk damit frei von Selbstbeweihräucherung und falscher Dramaturgie? Gibt die Wirtschaft heute aus dieser Wirtschaftsgeschichte nicht bestenfalls ein erstes Indiz, aber noch nicht den definitiven Beweis, das immer alles nur so kommen kann? Gibt die Wirtschaftsgeschichte nicht auch noch breiter an Erfahrungen und möglichen Ableitungen? Was hat die Finanzierung der Kriege und Schlösser gekostet? Können wir heute nicht wenigstens ansatzweise bessere staatliche Ausgabenstrukturen erkennen? Ist der gesamte Staatshaushalt der USA, der Japaner, Europäer... verschwendet? Haben wir keinen Grund zum Optimismus mehr?
also, wenn Du meisnt, wir haben doch eitel Sonnenschein, dann mach doch mal aus Deiner Sicht eine fiktove Kausalkette auf, suche doch mal nach den Heute-ach-so-viel-besseren-Umständen......
mfG vom Baldur
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Josef
14.04.2001, 21:55
@ Baldur der Ketzer
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@Baldur den Ketzer: Du bist doch fast schon Profi hier und kannst den Aldi |
doch damit nicht vergleichen.
Die Fragen von Aldi finde ich meist recht gut, denn sie zeugen von einem
wachen Geist. Aber ohne ein gewisses Faktenwissen lassen sich einfach
keine vernuenftigen Fragen stellen.
MfG
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Baldur der Ketzer
14.04.2001, 22:04
@ Josef
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Re: @Josef |
>doch damit nicht vergleichen.
>Die Fragen von Aldi finde ich meist recht gut, denn sie zeugen von einem
>wachen Geist. Aber ohne ein gewisses Faktenwissen lassen sich einfach
>keine vernuenftigen Fragen stellen.
>MfG
Hallo, Josef,
nachdem neulich mal wieder das von nereus vorhergesagte Szenario eintrat, mußte ich an die berühmt-berüchtigten Consors&Co.-Postings denken, die mal so locker-flockig, aber nicht gerade freundschaftlich, ins Forum geworfen werden.
Es ist nicht einfach, die wahren Motive zu erkennen, aber ein gewisses Niveau sollte in diesem Forum ja gewahrt bleiben.
Wir alle lernen täglich dazu und zu fragen ist vollkommen in Ordnung.
Nur, fragen und infragestellen ist das alte Paar der Zwietracht, und ich lasse gerne alles, auch jede meiner Ansichten, infragestellen, wenn es mit einer nachvollziehbaren Begründung erfolgt.
Daher würde ich mich freuen, wenn Aldibroker mal nachvollziehbar entwerfen würde, warum der Kelch diesmal wieder an uns vorübergehen wird.
Die wirtschaftliche und staatsfinanzielle Lage war schon mehrfach kritisch, auch in Zeiten, die ich bewußt miterlebt habe, aber dennoch nähern wir uns fühlbar dem Punkt der allgemeinen Unruhe, und von chronischen Krankheiten ist ja bekannt, daß sie lange reltaibv stabil bleiben, aber plötzlich und ohne offen erkennbaren Grund umkippen und ins Laufen kommen.......
Ich habe seit vergangenem Herbst ein verdammt schlechtes Gefühl wie noch nie.
Unabhängig von dottores Postings.
Die Zahlen bestätigen es, aber nicht die der fünf blanken, sondern die in den Kunden- und Händlerumsätzen.
herzliche Grüße vom Baldur (der trotzdem nicht lockerläßt)
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Josef
14.04.2001, 22:57
@ Baldur der Ketzer
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Re: @Josef: Um ein solches Szenario zu entwerfen gehoert schon eine |
grosse Portion Kenntnisse. Du hast solche Kenntnisse durch deinen unmittel-
baren Kontakt mit Kunden, Lieferanten und Mitbewerbern sowie durch Lesen
in diesem Forum.
Nun gibt es aber denkende Menschen, die diese Kontakte ueberhaupt nicht
haben, kaum einkaufen gehen und sich nur in ihren eigenen speziellen
Kreisen bewegen.(Beispielsweise Philologen, Theaterleute, theologische
Kreise, Esoteriker aller Art, Psychologen usw.) Die sind oft sehr intelligent, aber ueber Wirtschaft und Geld wird da ueberhaupt nicht gesprochen.
Nun wacht ploetzlich einer auf und liest dieses Forum. Da kann fuer ihn
eine Welt zusammenstuerzen. Er muss sich erst mal orientieren, ob das was
da geschrieben steht auch stimmt.
(So leben wir alle in verschiedenen Welten)
Also lass dem Aldibroker noch mal ein paar Wochen Zeit. Er wird es schon
merken.
Freundliche Gruesse
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Baldur der Ketzer
14.04.2001, 23:58
@ Josef
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Re: @Josef: betriebsblinde |
Hallo, Josef,
ich reihe mich freiwillig unter die Betriebsblinden ein, denn ich komme ja auch nur mit Leuten zusammen, die auf einer Wellenlinie liegen, andere Ansichten gibts da nicht.
Du hast dankenswerterweise den Bereich der Kulturschaffenden angesprochen, da krieg ich in 5000 Jahren nix mit, was da läuft, ich sehe nur in mein Umfeld, und das besteht aus der Bauwirtschaft, Banken, Im- und EXport, Steuer, Schluß.
Ich kaufe alle paar Wochen mal in der Metro ein, gehe zum Zahnarzt, wenn es angeraten ist, gehe zum Arzt, wenns nicht mehr anders geht, und treffe, wenn überhaupt, abends mal in der Bar bei einem guten Glase Wein lauter Leute aus gleicher Lebenslage, vielleicht aus einer anderen Branche, aber alles selbständige, nichtalimentierte, Risikoträger.
Ich bin schon so aufgewachsen und bekam für gute Noten Geld und mußte für schlechte Noten Geld abgeben.
In der Teil-Welt, in der ich lebe, kommt es ebenso zu Betriebsblindheit, wie im für mich nicht nachempfindbaren Kulturleben. Mit dem Unterschied, wer zahlt, und wer konsumiert.
Ich denke, ein jeder kann doch ein Szenario aufstellen, wie er sich die Zukunft vorstellt, und warum.
Jeder kann zur Wahl gehen, ob er nun die Dödel kennt oder nicht, ob er nun die Wahlprogramme gutheißt oder nicht.
Also, wird man auch erwarten können, daß man sich bemüht.
Ich denke allen ERnstes, daß Faktenwissen zwar hilft, aber doch einen gesunden Menschenverstand nicht ersetzt, und der erkennt Strömungen auch ohne detaillierte Kenntnisse von geschichtlichen Daten in lange zurückliegender Zeit.
Wie beeinflußt der Krieg 1866 die Finanzwirtschaft im Jahre 2009? ich möchte sagen, gar nicht.
Daher bitte ich darum, daß ein jeder doch mal dottores Fragen beantworten möge, oder ggf. eigene Kataloge aufstellt, aber bitte mit Lösungsvorschlag.
Jeder ist aufgerufen.
beste Grüße vom Baldur (der die Weisheit nicht mit dem Löffel gefressen zu haben glaubt)
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